TE Vwgh Beschluss 2020/5/26 Ra 2020/21/0127

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Veröffentlicht am 26.05.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht
60/04 Arbeitsrecht allgemein
62 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

AuslBG
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
NAG 2005 §30 Abs1
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant und den Hofrat Dr. Sulzbacher als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des I N, vertreten durch Mag. Alfons Umschaden, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Domgasse 4/9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Februar 2020, I422 2228806-1/3E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005, Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste nach den unbekämpften Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis spätestens am 12. November 2010 in das Bundesgebiet ein und verfügte hier bis zum 28. Jänner 2011 über einen Nebenwohnsitz. Am 16. September 2013 wurde er von Organen der Finanzpolizei bei der Begehung von „Schwarzarbeit“ betreten. Am 24. Jänner 2015 heiratete er in Serbien die in Österreich aufenthaltsberechtigte serbische Staatsangehörige M. und reiste sodann spätestens am 28. Jänner 2015 in das Bundesgebiet ein, wo er am 26. März 2015 auf Grund seiner Angehörigeneigenschaft die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ nach § 46 NAG beantragte. Dieser Aufenthaltstitel wurde ihm befristet erteilt und in der Folge verlängert. Nach der Scheidung der Ehe mit M. am 28. Oktober 2016 stellte der Revisionswerber am 31. März 2017 einen Zweckänderungsantrag („Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ ohne Angehörigeneigenschaft), der bewilligt wurde.

2        Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 24. Juli 2018 wurden die rechtskräftig abgeschlossenen Aufenthaltstitelverfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 3 AVG von Amts wegen wieder aufgenommen. Der Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wurde wegen Vorliegens einer Aufenthaltsehe gemäß § 30 Abs. 1 NAG abgewiesen. Der Verlängerungs- und der Zweckänderungsantrag wurden mangels Vorliegens eines gültigen Aufenthaltstitels gemäß § 24 NAG abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis vom 7. März 2019 abgewiesen, die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 2019, Ra 2019/22/0105, zurückgewiesen.

3        Mit Eingabe vom 14. November 2019 beantragte der Revisionswerber die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13. Jänner 2020 abgewiesen. Unter einem wurden gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 3 FPG eine Rückkehrentscheidung sowie gemäß § 53 Abs.1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG ein fünfjähriges Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde ausgesprochen, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Serbien zulässig sei. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt, und es wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.

4        Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG führte es zu Gunsten des Revisionswerbers insbesondere seine berufliche Integration auf Grund einer während seines Aufenthalts beinahe durchgehenden Beschäftigung ins Treffen; allerdings sei diese berufliche Integration auf das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Aufenthaltsehe zurückzuführen. Durch diese Aufenthaltsehe habe der Revisionswerber eine Störung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenrechts bewirkt. In einer Gesamtbetrachtung wiege das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung und Durchsetzung der geltenden Bestimmungen des Einwanderungsrechts schwerer als die privaten Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib in Österreich.

5        Das Einreiseverbot begründete das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls in erster Linie mit der vom Revisionswerber eingegangenen Aufenthaltsehe. Außerdem wertete es zu seinen Ungunsten, dass er bereits im September 2013 bei „Schwarzarbeit“ betreten worden sei und sich sodann dem fremdenpolizeilichen Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entzogen habe. Auch sei er hinsichtlich der Aufenthaltsehe nicht schuldeinsichtig; in der Beschwerde werde ausgeführt, dass M. die Ehe als „Abenteuer“ angesehen und ihn dazu verleitet habe. All das lege die Vermutung nahe, dass vom Revisionswerber auch in Zukunft maßgebliche Verstöße gegen die österreichische Fremdenrechtsordnung zu erwarten seien.

6        Die vom BFA festgesetzte Dauer des Einreiseverbots sei angesichts des schwerwiegenden und mehrfachen Fehlverhaltens des Revisionswerbers als angemessen, erforderlich und verhältnismäßig anzusehen.

7        Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8        Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG „nicht zur Behandlung eignen“, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

10       Unter diesem Gesichtspunkt wird in der Revision geltend gemacht, dass „bisher ungeklärt ist, inwiefern öffentliche Interessen tatsächlich durch eine Aufenthaltsehe beeinträchtigt sind, wenn die Aufenthaltsehe zu keinem Eingriff in die öffentlichen Interessen geführt hat, sondern diese tatsächlich gefördert hat“. Eine solche Förderung öffentlicher Interessen erblickt der Revisionswerber darin, dass er über mehrere Jahre eine „Lücke“ am österreichischen Arbeitsmarkt ausgefüllt habe.

11       Dazu genügt es, darauf hinzuweisen, dass die österreichische Rechtsordnung insbesondere im Ausländerbeschäftigungsrecht Regelungen enthält, die dazu dienen, einem allfälligen Mangel an Arbeitskräften in bestimmten Bereichen entgegen zu wirken. Eine Umgehung dieser Bestimmungen durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe ist in keiner Weise im öffentlichen Interesse gelegen. Die dessen ungeachtet tatsächlich erlangte berufliche Integration hat das Bundesverwaltungsgericht als Aspekt des durch Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens ohnedies zu Gunsten des Revisionswerbers in die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG einbezogen, aber zu Recht als relativiert angesehen.

12       In Bezug auf das Einreiseverbot rügt die Revision unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, dass das Bundesverwaltungsgericht die Dauer der Maßnahme unter Berücksichtigung der freiwilligen Ausreise des Revisionswerbers nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides herabzusetzen gehabt hätte. Dem ist entgegen zu halten, dass die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots - ebenso wie die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung und die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose - im Allgemeinen, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde, nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284, mwN). Das hier vom Bundesverwaltungsgericht fallbezogen erzielte Ergebnis kann angesichts des dem Revisionswerber zur Last liegenden rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht als unvertretbar angesehen werden. Dass der Revisionswerber seiner Verpflichtung zur Ausreise bereits nach der erstinstanzlichen Entscheidung nachgekommen ist, ohne dass es der Setzung von Zwangsmaßnahmen bedurfte, wurde vom Bundesverwaltungsgericht ohnedies festgestellt, musste aber fallbezogen in einer Gesamtabwägung zu keiner Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbots führen.

13       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 26. Mai 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210127.L00

Im RIS seit

15.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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