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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde der KZ (geboren am 5. März 1968), vertreten durch Dr. Fritz Wennig, Rechtsanwalt in Wien I, Kohlmarkt 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 2. Mai 1995, Zl. Senat-WN-94-005, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen ein Straferkenntnis in einer fremdenpolizeilichen Angelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 7. Juli 1994 erließ die Bundespolizeidirektion
Wiener Neustadt gegen die Beschwerdeführerin ein "Straferkenntnis", dessen Spruch wie folgt lautet:
"Sie haben
"siehe umseits"
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 15 Abs. 1 Zi. 2 FrG
Wegen diesen Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:
Geldstrafe von S 2.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen, gemäß § 82 Abs. 1 Zi. 4 FrG
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes - VStG 1950 zu zahlen:
S 200,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe (je 1 Tag Freiheitsstrafe ist gleich S 200,--)
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher S 2.200,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 67 VStG 1950)."
Auf der Rückseite dieses Straferkenntnisses wird zusammengefaßt ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin am 25. Februar 1994 bei einer Verkehrskontrolle angehalten und hiebei festgestellt worden sei, daß sie sich seit dem 15. Dezember 1993 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Daher sei als erwiesen anzunehmen, daß sie eine Übertretung im Sinne des § 15 Abs. 1 Z. 2 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) begangen habe und auch ihre Rechtfertigung sei nicht berechtigt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, welche mit dem angefochtenen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 2. Mai 1995 mit folgender Begründung zurückgewiesen wurde:
Gemäß § 56 AVG habe der Spruch eines Bescheides die in Verhandlung stehende Angelegenheit zu erledigen und müsse im Falle eines Straferkenntnisses unter anderem die als erwiesen angenommene Tat in so eindeutiger Umschreibung, daß kein Zweifel darüber bestehe, wofür der Täter bestraft worden sei, enthalten. Die als erwiesen angenommene Tat sei im Spruch zu konkretisieren. Eine Umschreibung des Tatbildes in der Begründung allein widerspreche der zwingenden Norm des § 44a Z. 1 VStG. Der vorliegende "Bescheid" enthalte keine als erwiesen angenommene Tat, sodaß ihm ein für ein Straferkenntnis wesentlicher Bestandteil fehle und somit kein Bescheid vorliege. Berufungen könnten jedoch nur gegen Bescheide erhoben werden, weshalb die vorliegende Berufung gegen einen Nichtbescheid als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, wobei als Beschwerdegrund inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht zu Recht geltend, daß das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt vom 7. Juli 1994 von der belangten Behörde zu Unrecht nicht als Bescheid qualifiziert worden sei. Es kann nämlich kein Zweifel daran bestehen, daß die als Straferkenntnis bezeichnete, vom Genehmigenden unterschriebene und an die Beschwerdeführerin gerichtete Erledigung der Bundespolizeidirektion
Wiener Neustadt vom 7. Juli 1994 hoheitsrechtlichen und rechtsverbindlichen Inhalt, nämlich die Erlassung einer gegen die Beschwerdeführerin gerichteten Strafe besitzt und somit als Bescheid im Sinne des - gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden - § 56 AVG zu qualifizieren ist (vgl. zu den Mindesterfordernissen des Bescheides allgemein Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage 1996, 386 ff, und Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 6. Auflage 1996, Rzlen. 433 ff). Daß der Bescheid der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt allenfalls Mängel im Sinne des § 44a VStG aufweist, entkleidet ihn nicht seines normativen Charakters.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995210824.X00Im RIS seit
20.11.2000