Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. R***** R***** und 2. K***** R*****, beide vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei S***** L*****, vertreten durch Dr. Bernd Roßkothen, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 23.250 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien (Revisionsinteresse: 9.450 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 12. Dezember 2019, GZ 3 R 134/19z-41, mit dem den Berufungen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 22. Juli 2019, GZ 4 Cg 58/18w-35, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der klagenden Parteien wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 917,02 EUR (darin 152,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Kläger interessierten sich Anfang 2018 für einen von der Beklagten zum Verkauf angebotenen Pferdetransporter. Nach zweimaliger Besichtigung des Fahrzeugs ließen die Kläger im Wege des Ehegatten der Beklagten am 20. 2. 2018 einen Ankaufstest beim ***** durchführen. Dieser Ankaufstest ergab neben leichten, auch schwere Mängel beim Fahrzeug, die sofort behoben werden sollten. Das Fahrzeug hatte im Zeitpunkt der Überprüfung durch den ***** noch eine bis März 2018 gültige Prüfplakette.
Nach einem Telefonat zwischen einem Mitarbeiter des ***** und dem Zweitkläger, dessen Inhalt nicht mehr festgestellt werden konnte, füllte der Ehegatte der Beklagten unter Verwendung eines vom ***** zur Verfügung gestellten Blanko-Vertragsmusters einen schriftlichen Kaufvertrag aus. In diesem Vordruck waren die Angaben „Das Fahrzeug ist verkehrs- und betriebssicher” sowie „Die Gewährleistung, also die Haftung für Mängel ist ausgeschlossen” vorangekreuzt. Von der bestandenen Möglichkeit, jeweils ein „nicht” oder eine Einschränkung in diesen beiden vorgedruckten Angaben einzufügen, wurde kein Gebrauch gemacht. Vermerkt wurde aber, dass am 20. 2. 2018 eine Kaufüberprüfung vorgenommen wurde. Der Ehegatte der Beklagten übermittelte in der Folge diesen von der Beklagten bereits unterschriebenen Kaufvertrag gemeinsam mit dem Prüfbefund des ***** per Mail an den Zweitkläger und ersuchte ihn, den Kaufvertrag zu ergänzen, unterschrieben zurückzuschicken und den Kaufpreis von 23.000 EUR zu überweisen. Nachdem die Kläger den Kaufpreis bezahlt und alle Vertragsparteien den Kaufvertrag unterfertigt hatten, wurde das Fahrzeug samt dem letzten Prüfbericht nach § 57a KFG an die Kläger übergeben. Bereits zu diesem Zeitpunkt war das Fahrzeug nicht verkehrs- und betriebssicher. Der damalige Marktwert betrug rund 9.200 EUR.
Mit Schreiben vom 26. 6. 2018 forderten die Kläger die Beklagte auf, den Kaufvertrag rückabzuwickeln und den Kaufpreis binnen sieben Tagen rückzuüberweisen. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nicht nach.
Mit der vorliegenden auf Gewährleistung, Irrtum und Verkürzung über die Hälfte (laesio enormis) gestützten Leistungsklage begehren die Kläger von der Beklagten die Rückerstattung des Kaufpreises von 23.250 EUR sowie aus dem Titel des Schadenersatzes einen Spesenersatz von 250 EUR. Sie seien zur Wandlung des Kaufvertrags (gegen Rückgabe des Fahrzeugs) berechtigt, weil das Fahrzeug entgegen der mündlichen und schriftlichen Zusicherung der Beklagten nicht verkehrs- und betriebssicher sei. Die Verkehrs- und Betriebssicherheit sei auch bei einem Gebrauchtfahrzeug, das über eine gültige Begutachtung nach § 57a KFG verfüge, konkludent geschuldet. Bei Kenntnis sämtlicher Mängel hätten sie das Fahrzeug nicht gekauft. Zum Zeitpunkt des Ankaufs hätte der Wert des Fahrzeugs lediglich 11.500 EUR betragen.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung. Da der Ankaufstest Bestandteil des Kaufvertrags gewesen sei und die Kläger über die – daher offenkundigen – Mängel zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses auch Kenntnis gehabt hätten, habe die Beklagte die Kläger nicht in Irrtum geführt. Dem im Kaufvertragsformular vorausgefüllten Punkt der Verkehrs- und Betriebssicherheit hätten die Parteien keine Aufmerksamkeit geschenkt. Die Gewährleistung für Mängel sei im Kaufvertrag ausgeschlossen worden. Schließlich erklärte die Beklagte ausdrücklich, das Geschäft dadurch aufrecht zu erhalten, dass sie bereit sei, den Abgang bis zum gemeinen Wert zu ersetzen, sollte nach Erörterung des Sachverständigengutachtens nach einer richtigen Marktwertberechnung noch die Voraussetzung des § 934 ABGB vorliegen. Die Differenz errechnete die Beklagte ausgehend von der Hälfte des Kaufpreises zu dem ihrer Ansicht nach bestehenden Marktwert von 6.700 EUR mit 4.800 EUR.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 13.800 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren von 9.450 EUR sA ab. Bei Gebrauchtwagenverkäufen zwischen Privaten sei nicht generell von einer Verkehrs- und Betriebstauglichkeit auszugehen, sondern bloß dann, wenn konkret nichts Abweichendes vereinbart worden sei. Im vorliegenden Fall sei auf Wunsch der Kläger ein Ankaufstest durchgeführt worden, bei dem sich schwere Mängel und folglich die mangelnde Betriebstauglichkeit des Fahrzeugs ergeben habe, welche daher Vertragsgegenstand geworden sei. Die missverständliche Ankreuzung im Formular sei bloß ein Vordruck gewesen, der nicht dem Parteienwillen bei Vertragsabschluss entsprochen habe. Es handelte sich daher um eine unbeachtliche Fehlbezeichnung. Da das von der Beklagten aus dem Kaufvertrag Geschuldete geleistet worden sei, würden Gewährleistungs- sowie Irrtumsansprüche gegen die Beklagte ausscheiden. Allerdings liege hier ein Fall der laesio enormis vor, dem aber die Beklagte durch ihre (bedingte) Aufzahlungserklärung wirksam begegnet sei. Dadurch sei der Vertrag zwar aufrecht, die Beklagte aber verpflichtet, den Klägern die Differenz zum gemeinen Wert des Pferdetransporters iHv 13.800 EUR zurückzuzahlen.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Die ordentliche Revision ließ es nachträglich zur Frage zu, ob es zur Ausübung des einseitigen Gestaltungsrechts iSd § 934 ABGB ausreiche, zwar die Bereitschaft zu erklären, den Abgang bis zum gemeinen Wert zu ersetzen, jedoch nur einen unzulänglichen Aufzahlungsbetrag anzubieten.
Gegen den klagsabweisenden Teil der Entscheidung richtet sich die Revision der Kläger mit dem auf gänzliche Klagsstattgabe gerichteten Abänderungsantrag. Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision der Kläger zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Revision ist daher unzulässig. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):
1.1. Der Rechtsfrage, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, kommt in der Regel keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu (RS0044298). Die einzelfallbezogene Beurteilung rechtsgeschäftlicher Erklärungen rechtfertigt eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs nur dann, wenn aus Gründen der Rechtssicherheit die Korrektur einer unhaltbaren, durch die Missachtung fundamentaler Auslegungsregeln zustande gekommenen Entscheidung geboten ist (RS0042776 [T22]). Dies ist hier nicht der Fall. Die angefochtene Entscheidung bewegt sich im Rahmen der Rechtsprechung zur Vertragsauslegung nach § 914 ABGB (RS0113932; RS0017915; RS0013957).
1.2. Die Kläger stehen auch in ihrer Revision auf dem Standpunkt, die Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeugs sei ihnen von der Beklagten (jedenfalls schlüssig) zugesichert worden. Bei Kenntnis des Prüfbefunds und der schweren Mängel hätten sie das Fahrzeug wohl nicht zum vereinbarten Preis gekauft.
Dieser Argumentation hielt bereits das Berufungsgericht die erstgerichtliche Feststellung entgegen, dass die Kläger den Abschluss des Kaufvertrags über das Fahrzeug von dem Ergebnis eines Ankaufstests abhängig machten. Der Ankaufstest wurde tatsächlich noch vor Abschluss des Kaufvertrags bei einer von den Käufern vorgeschlagenen Prüfstelle durchgeführt und es wurde der von der Prüfstelle erstellte schriftliche Prüfbefund noch vor Abschluss des Kaufvertrags den Käufern zur Verfügung gestellt. Außerdem habe der Zweitkläger, der auf Seiten der Käufer die Vertragsgespräche geführt habe, in Kenntnis des Inhalts des Ankaufstests gegenüber dem Verhandlungsgehilfen der Beklagten, deren Ehegatten, erklärt, dass für ihn die Umbaufähigkeit des Pferdeaufbaus wesentlich sei und er die bestehenden Mängel in Ungarn reparieren lassen werde. Die zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses vorhandene Begutachtungsplakette gemäß § 57a KFG (gültig bis März 2018), auf die die Revision besonders pocht, sagt nur etwas über den Zustand des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Überprüfung im Jahr davor aus, die Kläger durften daraus unter Berücksichtigung der gesamten Umstände aber nicht zwingend von einer Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeugs zum Kaufvertragszeitpunkt ausgehen.
2. Die Feststellungsgrundlage ist nur dann mangelhaft, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind und dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren (RS0053317). Beides ist hier nicht der Fall. Sachverständigenaussagen können Prozessbehauptungen nicht ersetzen (RS0038037 [T8, T24]). Abgesehen davon sind die damit relevierten Fragen zur Qualität des gegenständlichen Ankaufstest sowie zu den Pflichten des ***** nicht entscheidungsrelevant.
3. Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung beim Gebrauchtwagenkauf die Fahrbereitschaft grundsätzlich als schlüssig zugesichert gilt (RS0018502; RS0110191). Diese Rechtsprechung bezieht sich allerdings auf gewerbliche Kraftfahrzeughändler, was für die Beklagte nicht gilt. Hier lag dem gegenständlichen Kaufvertrag zwischen Privatpersonen nach den Feststellungen ein Fahrzeug in nicht verkehrs- und betriebssicherem Zustand zugrunde.
4.1. § 934 Satz 1 ABGB räumt demjenigen, der bei zweiseitigen verbindlichen Geschäften nicht einmal die Hälfte dessen, was er dem anderen gegeben hat, von diesem an gemeinem Wert erhalten hat, das Recht ein, die Aufhebung und die Herstellung in den vorigen Stand zu fordern.
4.2. Nach ständiger Rechtsprechung kann der Anfechtungsberechtigte sein Wandlungsrecht in Bezug auf einen Vertrag auch in der Form geltend machen, dass er unter Behauptung der Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts auf Rückstellung der von ihm bewirkten Leistung klagt (RS0016253 [T1, T8]; 10 Ob 35/17w Pkt 2.10; 4 Ob 70/18z Pkt 2.1; Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 934 Rz 83 mwN; Perner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 934 Rz 15). Selbst wenn nur die Rückzahlung eines Betrags aus dem Rechtsgrund des § 934 ABGB begehrt wird, wird der Vertrag mit der Rechtskraft des stattgebenden Urteils aufgehoben (1 Ob 3/10p Pkt 2. mwN; Gruber in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.06 § 934 Rz 8).
4.3. Der verkürzende Vertragsteil kann die Aufhebung des Vertrags aber dadurch abwenden, dass er dem Verkürzten die Differenz zwischen dem gemeinen Wert (jeweils) der von ihm und der vom Verkürzten erbrachten Leistung erbringt oder zumindest – spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (RS0021626 [T1]) – seine Bereitschaft zur Aufzahlung erklärt (§ 934 Satz 2 ABGB; Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 934 Rz 97; Bydlinski in KBB5 § 934 ABGB Rz 4). Die konkrete Bezifferung des vom verkürzenden Vertragsteil angebotenen Aufzahlungsbetrags wird nach der Rechtsprechung nicht gefordert. Oft erlangt der Beklage auch erst mit dem Ersturteil Kenntnis vom (festgestellten) gemeinen Wert der Sache zum Verkaufszeitpunkt.
4.4. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe im Verfahren diese Bereitschaft zur Aufzahlung der vom Erstgericht zu ermittelnden Wertdifferenz hinreichend erklärt, ist aufgrund der konkreten Umstände des Falls nicht zu beanstanden (vgl RS0042828 [T16]). Die Beklagte hat ihre grundsätzliche Bereitschaft, das Geschäft durch Ersatz des Ausgleichs bis zum gemeinen Wert aufrecht zu erhalten, nicht auf die von ihr im Verfahren unrichtig berechnete Wertdifferenz eingeschränkt.
4.5. Die Beklagte hat ihre im Verfahren abgegebene Erklärung, den Klägern den Ausgleich bis zum gemeinen Wert zu ersetzen, nur davon abhängig gemacht, dass nach der Erörterung bzw Ergänzung des Sachverständigengutachtens über den Marktwert des Fahrzeugs zum Verkaufszeitpunkt überhaupt noch eine von ihr nach § 934 ABGB zu ersetzende Wertdifferenz gegeben ist. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit dieser als bedingte Prozesshandlung beurteilten Erklärung unter Hinweis auf die herrschende Rechtsprechung (RS0006441) bejaht. Mit der bloßen Behauptung, die Beklagte habe mit dieser Erklärung die notwendige Einsicht für die erfolgte Verkürzung über die Hälfte vermissen lassen, zeigt die Revision der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Kläger in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).
Textnummer
E128367European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0090OB00010.20S.0423.000Im RIS seit
24.06.2020Zuletzt aktualisiert am
14.09.2020