Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hubert Simon, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. A*****, vertreten durch Krüger/Bauer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Widerruf, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 27. Juli 2019, GZ 4 R 97/19z-16, mit dem über die Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 11. April 2019, GZ 81 Cg 55/18b-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.332,54 EUR (darin 222,09 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
1.1. Das Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klagserzählung vom Kläger gemeint ist (RS0037440 [T4]). Dabei ist nicht nur der Wortlaut des Begehrens, sondern auch das erkennbare Rechtsschutzziel der Klage zu beachten (RS0039010 [T3]). In jenem Rahmen, der durch das Vorbringen des Klägers gedeckt ist, hat das Gericht erforderlichenfalls von Amts wegen den Urteilsspruch dem tatsächlichen Begehren anzupassen (RS0041254 [T12, T16]; vgl RS0038852). Das Gericht darf aber weder ein plus noch ein aliud zusprechen (RS0041254 [T15]).
Die Frage, ob die Auslegung des Klagebegehrens durch das Berufungsgericht nach der Aktenlage zwingend ist, hat nicht die Bedeutung einer über den Einzelfall hinausgehenden erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RS0037440 [T6]), zumal dies in einem Fall wie dem vorliegenden von der ebenfalls einzelfallbezogenen Auslegung der beanstandeten Äußerung (vgl RS0107768; RS0037671) abhängt.
1.2. Das Berufungsgericht beurteilte die als Verdacht formulierten Äußerungen des Beklagten als ehrenrührige und kreditschädigende Tatsachenmitteilung über die Methoden der Informationsgewinnung jenes Mediums, dessen Inhalt von der klagenden Redaktionsgemeinschaft erstellt wird. Es ging dabei davon aus, dass das Begehren auf Widerruf der Äußerung in ihrem festgestellten Wortlaut als Minus im zu weiten Urteilsantrag enthalten gewesen sei (vgl RS0041254 [T29]).
1.3. Diese Auslegung hält sich im Rahmen des dem Berufungsgericht eingeräumten Beurteilungsspielraums. Der Revisionswerber, der auf das vom festgestellten Wortlaut der Äußerung abweichende ursprüngliche Widerrufsbegehren abstellt, vermag eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht aufzuzeigen.
2.1. Auf Widerruf einer kreditschädigenden Tatsachenbehauptung kann nur derjenige in Anspruch genommen werden, der die Unwahrheit der von ihm verbreiteten Mitteilung zumindest kennen musste; es ist also Verschulden erforderlich (RS0031859). Ein solches kann nur verneint werden, wenn der Behauptende gute Gründe dafür hatte, seine Behauptung als wahr anzusehen (RS0031775 [T4]; RS0031859 [T2]).
Die Beurteilung, ob der Äußernde bei Anwendung der gehörigen Sorgfalt seine Behauptung nicht mehr mit guten Gründen als wahr hätte ansehen können, begründet
– abgesehen von einer aufzugreifenden Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts – keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, weil die Frage nach dem Bestehen und dem Umfang von Nachforschungspflichten – nicht nur für Journalisten – stets von den Umständen des konkreten Einzelfalls abhängt (vgl RS0108415 [T6]).
2.2. Die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach der beklagte Repräsentant einer Kultureinrichtung seine Vermutung, wonach die Mitarbeiter der Klägerin für bestimmte Informationen Geld geboten und/oder gezahlt hätten, vor der Mitteilung seines Verdachts bei einer Pressekonferenz überprüfen hätte müssen, ist vertretbar und begründet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.
3.1. Der Widerruf durch Zurücknahme der wahrheitswidrigen Behauptung hat in gleich wirksamer Form wie die Verbreitung zu geschehen (RS0004655). Die danach gebotene Veröffentlichung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Sie muss jedenfalls in einem angemessenen Verhältnis zur Wirkung des Verstoßes stehen, ist es doch das Ziel des Widerrufs, die durch die veröffentlichte unwahre Tatsachenbehauptung entstandene abträgliche Meinung über den Verletzten zu beseitigen (RS0004655 [T4]).
3.2. Diese Grundsätze haben die Vorinstanzen beachtet und ausgehend davon eine vertretbare Beurteilung vorgenommen. Angesichts des Umstands, dass Pressekonferenzen ihrem Wesen nach nicht bloß der Informationsweitergabe an die anwesenden Journalistinnen und Journalisten als Selbstzweck dienen, sondern die Weiterverbreitung der dort getätigten Äußerungen über die Medien bewirken sollen, ist es nicht unvertretbar, den Beklagten zum Widerruf seiner ehrenbeleidigenden und kreditschädigenden Äußerungen in jenen Medien zu verpflichten, die darüber berichteten.
4. Insgesamt bringt die Revision keine Rechtsfragen der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass sie zurückzuweisen war.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Schlagworte
Erpressungsversuch,Textnummer
E128364European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00188.19V.0423.000Im RIS seit
24.06.2020Zuletzt aktualisiert am
23.09.2020