Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** W*****, vertreten durch Sudi/Siarlidis/Huber/Ehß Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. G***** H*****, 2. M***** H*****, vertreten durch Mag. Hermann Stenitzer-Preininger, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 29. November 2019, GZ 3 R 155/19i-62, womit das Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 2. Mai 2019, GZ 203 C 470/15i-50, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Teilurteil wird dahin abgeändert, dass es zu lauten hat wie folgt:
„Das Klagebegehren,
a) die Beklagten seien schuldig, ab sofort die von ihrer Liegenschaft EZ ***** KG ***** ausgehende Beleuchtungseinwirkung durch die dortige Swimmingpoolbeleuchtung auf die Liegenschaft der Klägerin EZ ***** KG ***** so weit zu unterlassen, als diese Lichtquelle das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreitet sowie eine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Benützung des Grundstücks darstellt,
b) in eventu Lichteinwirkungen aus der auf der Liegenschaft der Beklagten EZ ***** KG ***** befindlichen Swimmingpoolbeleuchtung zu unterlassen, die geeignet sind, die Klägerin in der ungestörten Ausübung ihres Eigentumsrechts an der EZ ***** KG ***** bzw am dortigen Wohnhaus wesentlich zu beeinträchtigen oder zu behindern,
wird abgewiesen.“
Die Kosten des Revisionsverfahrens bleiben der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile sind Eigentümer zweier benachbarter Liegenschaften. Auf der Liegenschaft der Beklagten befindet sich auf der der klägerischen Liegenschaft zugewandten Seite ein Swimmingpool mit Beleuchtung.
Die Klägerin begehrt – soweit für das Revisionsverfahren von Belang – die Unterlassung der Beleuchtungseinwirkung durch die Swimmingpoolbeleuchtung auf ihre Liegenschaft insoweit, als diese Lichtquelle das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreite, in eventu Lichteinwirkungen zu unterlassen, die geeignet seien, die Klägerin in der ungestörten Ausübung ihres Eigentumsrechts wesentlich zu beeinträchtigen oder zu behindern.
Die Swimmingpoolbeleuchtung stelle eine äußerst starke künstliche Lichtquelle dar und weise damit eine hochgradige Störungseignung auf. Die Lichteinwirkung sei derzeit massiv, dass sogar der Schlaf gestört werde.
Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung der Klage. Die Klagsführung sei schikanös. Eine Einwirkung der Poolbeleuchtung habe auf das Jahr gerechnet nur für wenige Stunden stattgefunden.
Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht die Klage ab. Dabei traf es im Wesentlichen folgende Feststellungen:
Der Pool der Beklagten ist mit einer unterhalb der Wasseroberfläche installierten Poolbeleuchtung ausgestattet, die in den Lichtfarben rot-grün-blau ausgeführt ist, wobei ein breites Spektrum von Mischfarben abwechselnd dargestellt werden kann.
Die Lichtimmission betrifft vor allem die im ersten Stock des Gebäudes gelegenen Fensterflächen und die dahinter befindlichen Räumlichkeiten. Wenn die Beleuchtung eingeschaltet ist, ist es in diesen Räumen nur dann vollständig dunkel, wenn die Rollläden zur Gänze geschlossen sind. Wenn die Poolbeleuchtung in den Dunkelstunden eingeschaltet und das Wasser zusätzlich in Bewegung ist, wird die maximal zulässige Lichtstärke nach der ÖNORM O1052, welche Werte für die maximale Raumaufhellung und Blendung abhängig von Zeit und Wertungsgebiet festlegt, überschritten und eine Blendwirkung erzeugt.
Nach der Tagsatzung vom 8. 3. 2016 war die Poolbeleuchtung nicht mehr nach 23:00 Uhr in Betrieb. Die Beklagten beleuchteten den Pool nach diesem Zeitpunkt überdies nur noch in türkiser Farbe und bis September. Lediglich beim Einschalten der Beleuchtung mit der dazugehörigen Fernbedienung kam es manchmal vor, dass zunächst eine andere Farbe angezeigt wurde; diese stellte sich aber nach kurzer Zeit auf Türkis um. Außerdem schalten die Beklagten aus Rücksichtnahme auf die Klägerin und ihren Sohn die Beleuchtung nur sehr selten, nämlich ca sechs Mal innerhalb eines Jahres – jeweils von ca 20:30 Uhr bis 22:30 Uhr – ein.
Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass aufgrund des seltenen Einschaltens trotz vorliegender Überschreitung der Normwerte nach der ÖNORM O1052 keine die ortsübliche Benutzung der Liegenschaft der Klägerin wesentlich beeinträchtigende unzulässige Immission vorliege.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil
– soweit für das Revisionsverfahren von Belang – ab und gab dem Klagebegehren statt.
Das Berufungsgericht übernahm ausdrücklich die Feststellung, wonach die Beklagten aus Rücksichtnahme auf die Klägerin und deren Sohn die Poolbeleuchtung nur noch ca sechs Mal innerhalb eines Jahres – jeweils von ca 20:30 Uhr bis 22:30 Uhr – einschalteten, führte jedoch aus, dass diese Feststellung rechtlich deshalb nicht relevant sei, weil es auf eine unverbindliche „Rücksichtnahme“ rechtlich nicht ankomme; dieses Verhalten könne mangels rechtlicher Bindung jederzeit geändert werden.
Im Hinblick auf die Überschreitung der zulässigen Lichtstärke nach der ÖNORM O1052 könne kein Zweifel daran bestehen, dass durch die mit der Poolbeleuchtung verbundenen Lichtimmissionen das nach § 364 Abs 2 ABGB zulässige Ausmaß überschritten werde. Ein Verstoß gegen die maßgebenden Aufhellungsgrenzwerte könne – von hier nicht gegebenen Ausnahmen allenfalls abgesehen – nie ortsüblich seien. In einem Wohngebiet mit Einfamilienhäusern sei es auch nie ortsüblich, dass ein Nachbar wegen der starken Swimmingpoolbeleuchtung des angrenzenden Hauses bei Dunkelheit gezwungen werde, die Rollläden seiner Fenster herunter zu lassen.
Die Argumente der Beklagten, sie würden mit einer Zeitschaltuhr dafür sorgen, dass das Licht um 22:30 Uhr abgeschaltet werde, und sie würden den Pool nur selten benutzen, seien rechtlich nicht überzeugend, weil die Beeinträchtigung durch die Lichtimmission bereits vor 22:30 Uhr eintrete und zudem ein vergleichsweise seltenes Einschalten der Poolbeleuchtung nichts an der Ortsunüblichkeit der Aufhellung ändere.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof sich noch nicht mit Lichtimmissionen, die von einem Swimmingpool des Nachbarn ausgehen, befasst habe. Zudem diene die Lösung dieser Rechtsfrage auch der Abgrenzung zur Aussage des Höchstgerichts in 10 Ob 20/11f, wonach es einem Nachbarn zur Abwehr von Sonnenlichtimmissionen vom Dach des Nachbarhauses zugemutet werde, diese Lichteinwirkung, die zur Mittagszeit im Sommer auftrete, durch Jalousien und Sonnenschirm abzuwehren.
Rechtliche Beurteilung
Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Die Revision ist, wenngleich es sich beim nachbarrechtlichen Immissionsschutz grundsätzlich um eine Frage des Einzelfalls handelt, aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; sie ist auch berechtigt.
1.1. Nach § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen.
Das Untersagungsrecht besteht nur dann, wenn die auf den betroffenen Grund wirkenden Einflüsse einerseits das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigen und zugleich die ortsübliche Benutzung dieser Liegenschaft wesentlich beeinträchtigen; dabei sind die örtlichen Verhältnisse in beiden Belangen zu beachten (RS0010587). Der Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB setzt somit voraus, dass die Beeinträchtigung (Immission) sowohl ortsunüblich als auch unzumutbar ist (RS0010587 [T9]). Wesentlich sind neben dem Grad und der Dauer der Einwirkung sowie ihrer Störungseignung auch das Herkommen und das öffentliche Interesse (RS0010587 [T3]).
1.2. Die Grenze zulässiger Einwirkung ist somit durch die Ortsüblichkeit der Störung einerseits und die ortsübliche Benützung des Grundstücks, welche durch den Eingriff nicht wesentlich beeinträchtigt werden darf, andererseits gegeben (RS0010587 [T1]). Da diese beiden Kriterien kumulativ vorliegen müssen, sind selbst übermäßige Immissionen zu dulden, wenn sie die ortsübliche Nutzung des Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigen, aber auch dann, wenn sie das ortsübliche Maß nicht übersteigen, obwohl die ortsübliche Nutzung des Grundstücks durch sie wesentlich beeinträchtigt wird (RS0010587 [T4]; RS0010577 [T4]). Die Gewährung des Immissionsschutzes darf nicht überspannt werden (RS0010587 [T5]).
1.3. Bei der Ortsüblichkeit ist auf die Lage des beeinträchtigten Grundstücks zu jenem, von dem die Störung ausgeht, sowie auf die Verhältnisse in der unmittelbaren Umgebung beider Liegenschaften abzustellen (RS0010577 [T3]). Die Beurteilung einer Immission als ortsüblich erfolgt auf der Grundlage eines Vergleichs der Benützung des störenden (nicht des betroffenen) Grundstücks mit anderen Grundstücken des betreffenden Gebiets: In der Regel hängt die Ortsüblichkeit von Immissionen in dem zu betrachtenden Raum davon ab, ob schon eine größere Anzahl von Grundstücken (hier Wohnungen) dieses Gebiets so genutzt wird, dass Einwirkungen von ihnen ausgehen, die den zu beurteilenden Immissionen entsprechen (RS0010577 [T8]). Für die Ortsüblichkeit und deren Intensität können auch Ö-Normen (ÖAL-Richtlinien) als Anhaltspunkt dienen (RS0010678 [T8]). Ebenso können von der Wissenschaft entwickelte Grenzwerte als Beurteilungskriterium herangezogen werden (Oberhammer in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 364 Rz 18 unter Zitierung von Gimpel-Hinteregger, Umwelthaftung 281).
1.4. Bei der Wesentlichkeit der Nutzungsbeeinträchtigung ist in erster Linie ein objektiver, auf die Benützung der Nachbargrundstücke abgestellter Maßstab anzulegen (RS0010583). Maßgeblich ist demnach nicht das subjektive Empfinden des sich gestört fühlenden Nachbarn, sondern das eines Durchschnittsmenschen, der sich in der Lage des Gestörten befindet (RS0010607). Dabei sind im besonderen Maß die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (RS0010583 [T2]). Ähnlich wird in der Literatur formuliert, dass die Normen des Nachbarrechts dem Interessenausgleich dienen und gerade daher in hohem Maße einer wertenden Auslegung zugänglich sind (Oberhammer in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 364 Rz 15). Es geht darum, ob der Kern der geschützten Nutzung beeinträchtigt wird, was wiederum von Ausmaß und Häufigkeit der Beeinträchtigung determiniert wird (Kerschner/E. Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 364 Rz 233). Als das ortsübliche Maß überschreitende und die ortsübliche Benutzung wesentlich beeinträchtigende Immissionen werden im Allgemeinen solche angesehen, die die empfindliche Störung der Nachtruhe in einer Wohngegend zur Folge haben (vgl 1 Ob 262/97d; 5 Ob 219/07b).
1.5. Teilweise wird auch ein bewegliches System vorgeschlagen. Demnach seien sehr schwerwiegende Beeinträchtigungen der ortsüblichen Benutzung (etwa Schädigungen der Gesundheit in Wohngebieten) niemals als „ortsüblich“ zu dulden; bei wesentlichen Beeinträchtigungen, die zu einer weniger schweren Schädigung der Nachbarn führten, werde darauf abzustellen sein, ob die Beeinträchtigungen an der Grenze des Ortsüblichen lägen („gerade noch ortsüblich“) – in solchen Fällen werde der Untersagungsanspruch zu bejahen sein – oder ob es sich um Beeinträchtigungen handle, die der Typik der örtlichen Gegebenheiten vollauf entsprächen (Oberhammer in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 364 Rz 15).
Auch in der Rechtsprechung wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass die Beeinträchtigung der Benutzung umso wesentlicher sein muss, je näher die Immission an der Ortsüblichkeit liegt (8 Ob 128/09w). In der Regel werden aber wohl ortsübliche Emissionen auch die übliche Nutzung der Liegenschaft nicht wesentlich beeinträchtigen (Winner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 364 Rz 30; vgl auch 10 Ob 20/11f). Weiters wurde bereits ausgesprochen, dass je mehr die schädlichen Immissionen auf ein Manko in der Sphäre des Störers zurückzuführen sind, umso weniger kann man Abhilfemaßnahmen durch den Gestörten im Rahmen der Prüfung der Beeinträchtigung auf ihre Wesentlichkeit als zumutbar ansehen (RS0132173). Es ist unter anderem darauf Bedacht zu nehmen, ob der Störer den beeinträchtigenden Zustand durch „unsachgemäßes Vorgehen“ geschaffen hat (RS0132173 [T1]).
2.1. Zur Begründung eines Unterlassungsanspruchs nach § 364 Abs 2 ABGB hat der Kläger sein Eigentumsrecht und die Einwirkung zu beweisen, der Beklagte hingegen die Zulässigkeit seiner Einwirkung (RS0010474 [T4]). Der Beklagte ist beweispflichtig, dass der Eingriff die vom Gesetz gezogenen Grenzen nicht überschritt (RS0010474).
2.2. Die Unterlassungsklage nach § 364 Abs 2 ABGB setzt voraus, dass eine Wiederholung der unzulässigen Immission zu erwarten ist (RS0010553). Die Wiederholungsgefahr ist grundsätzlich vom Kläger zu beweisen; hat sich aber der Beklagte bereits rechtswidrig verhalten, so ist zu vermuten, dass er sich auch in Zukunft nicht an das Gesetz halten werde; der Beklagte muss besondere Umstände dartun, die eine Wiederholung seiner gesetzwidrigen Handlung als ausgeschlossen oder zumindest als äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen (RS0010553 [T2]). Allgemein darf bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr nicht engherzig vorgegangen werden: Diese liegt schon im Fortbestehen eines Zustands, der keine Sicherungen gegen weitere Rechtsverletzungen bietet; Wiederholungsgefahr ist daher auch anzunehmen, wenn der mit der Unterlassungsklage Belangte sein Unrecht nicht einsieht (RS0010497). Bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr ist auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz abzustellen (RS0010497 [T4]). Entscheidend ist, ob zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz die Gefahr bestand, dass sich ein bereits erfolgter Eingriff wiederholt (RS0010497 [T6]).
3.1. Nach § 364 Abs 2 ABGB können auch Lichtimmissionen untersagt werden (vgl RS0010587 [T12]). Das Berufungsgericht hat bereits einige relevante oberstgerichtliche Entscheidungen zu Lichtimmissionen dargestellt: Die Entscheidung 2 Ob 252/04d hatte eine direkte Ausleuchtung der Wohnräume durch einen Halogenscheinwerfer des Nachbarn zum Gegenstand; der Oberste Gerichtshof billigte die Beurteilung der Vorinstanzen, die darin eine Ortsunüblichkeit sowohl für das Maß der Immission als auch für das Maß der Beeinträchtigung sahen. Zu 1 Ob 96/03d wurde ausgeführt, eine Überschreitung der ortsüblichen Intensität an Beleuchtung läge dann vor, wenn die Schlafräume des Klägers in der Nacht trotz dunkler Vorhänge „hell erleuchtet“ wären.
3.2. Die Entscheidung 10 Ob 20/11f hatte vom Dach eines Einfamilienhauses ausgehende Lichtreflexionen und Spiegelungen zum Gegenstand. Der Oberste Gerichtshof erkannte in der Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Sonnenreflexe (Aufhellungen) sowie die erzeugte Blendwirkung führe zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung, keine Fehlbeurteilung. Fest stand, dass die Lichteinwirkung nur in den Monaten Juni bis August um die Mittagszeit bestand und sie in diesem Zeitraum (unter Zugrundelegung der Wetterstatistik sowie der durchschnittlichen Sonnenstunden) mehrmals die Woche jeweils für die Dauer von etwas mehr als einer Stunde auftrat. Ferner stand fest, dass in dieser Zeit lediglich bei direktem Blick auf das Dach eine starke physiologische Blendung (Beeinträchtigung des Sichtfeldes) zu bemerken war, ansonsten jedoch keine Beeinträchtigung der Benutzung des Wohn- und Essbereichs sowie des Balkons gegeben war. Die Beurteilung, dass die Kläger iSd von den §§ 364 ff ABGB angestrebten Interessenausgleichs im Sinn des friedlichen Zusammenlebens der Nachbarn derartige Einwirkungen zu dulden hätten, bilde keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, bestünden die Einwirkungen doch nur zeitlich beschränkt und könne ihnen durch Verwendung eines (schwenkbaren) Sonnenschirms sowie der Benutzung von Jalousien begegnet werden. Diese möglichen Vorkehrungen seien vom Berufungsgericht mit vertretbarer Rechtsauffassung als nicht unzumutbar beurteilt worden.
3.3. Die Entscheidung 4 Ob 43/16a hatte eine auf einem Dach errichtete Photovoltaikanlage zum Gegenstand. Der Oberste Gerichtshof führte aus, nicht nur die Dauer der Immissionen bilde ein Kriterium für die Beurteilung der ortsüblichen Benutzung der Liegenschaft bzw deren wesentlicher Beeinträchtigung. Im Gegensatz zur Entscheidung 10 Ob 20/11f hatten die Lichtreflexionen im Anlassfall ein Ausmaß angenommen, dass schon einige Sekunden direkter Betrachtung ausreichten, massive Augenschäden zu bewirken. Hinzu kam, dass die auf einer Nordseite des Daches angebrachte Photovoltaikanlage infolge des schlechten Wirkungsgrades eher unüblich war und auch noch eine unübliche Winkelstellung aufwies, die aber die Reflexionswirkung begünstigte. Nach den getroffenen Feststellungen war gerade die im Hinblick auf die Energieeffizienz ungünstige und daher unübliche Neigung der Anlage auf der Nordseite des Daches Auslöser der horizontal auf die Wohnung des Klägers wirkenden Lichtreflexion. Dass es in der Gemeinde viele Photovoltaikanlagen gebe, sage nichts darüber aus, ob es auch zu vergleichbaren Blendwirkungen auf Wohnungen komme. Es komme aber nicht auf die Ortsüblichkeit der emittierenden Anlagen, sondern nur auf die Ortsüblichkeit der Emissionen an. Unter Berücksichtigung des von § 364 ABGB intendierten friedlichen Zusammenlebens der Nachbarn und des angestrebten Interessensausgleichs im Rahmen gegenseitiger Rücksichtnahme habe die Beurteilung der Zumutbarkeit allfälliger eigener Abwehrmaßnahmen auch zu berücksichtigen, dass die Beklagten im Anlassfall durch unsachgemäßes Vorgehen den Zustand geschaffen hätten, der zur wesentlichen Beeinträchtigung des Klägers geführt habe. Es bilde daher keine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn die Vorinstanzen dem Kläger nicht zugemutet hatten, seine Wohnung während der gesundheitsgefährdenden Blendwirkung, ausgelöst durch die Photovoltaikanlage der Beklagten, komplett zu verdunkeln.
4.1. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen im vorliegenden Fall ist durch die Lichtimmissionen das Obergeschoß des Hauses der Klägerin und dabei insbesondere das Schlafzimmer betroffen. Wenn die Lichtquellen in Betrieb sind, ist es in diesen Räumen nur dann vollständig dunkel, wenn die Rollläden zur Gänze geschlossen sind. Wenn die Poolbeleuchtung in den Dunkelstunden eingeschaltet und das Wasser zusätzlich in Bewegung ist, wird die maximal zulässige Lichtstärke nach der Ö NORM O1052 überschritten und eine Blendwirkung erzeugt. Die Beleuchtung ist seit 8. 3. 2016 nur noch in türkiser Farbe und nur noch sehr selten, und zwar ca sechs Mal innerhalb eines Jahres zwischen Mai und September von 20:30 Uhr bis 22:30 Uhr in Verwendung; vor Sonnenuntergang ist eine Blendung nicht oder kaum wahrnehmbar.
4.2. Ausgehend von diesen Feststellungen mag es sich zwar um Immissionen handeln, die das ortsübliche Ausmaß überschreiten, zumal die Werte der relevanten Ö NORM überschritten werden. Allerdings liegt in Übereinstimmung mit dem Erstgericht keine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung der Liegenschaft durch die Klägerin vor: Die Beleuchtung ist lediglich sechs Mal pro Jahr und dabei nur zwei Stunden in Betrieb. Zudem kann die Klägerin den Lichtimmissionen durch das Herunterlassen der Jalousien leicht abhelfen. Dies ist aber in den Abendstunden nach dem Maßstab des § 364 ABGB jedenfalls zumutbar. Im Sinne eines im Interesse eines friedlichen Zusammenlebens der Nachbarn angestrebten Interessensausgleichs hat die Klägerin diese Immissionen zu dulden und erschiene es überschießend, ihr bei dieser Sachlage einen Unterlassungsanspruch zuzubilligen, zumal auch ein nachvollziehbares Interesse der Beklagten an der Beleuchtung ihres Pools anerkannt werden kann.
4.3. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach die von der Poolbeleuchtung ausgehenden Lichtimmissionen ortsunüblich seien, tragen dem Umstand nicht ausreichend Rechnung, dass nach § 364 ABGB weitere Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch ist, dass durch die Immission die Nutzungsmöglichkeiten des klägerischen Grundstücks wesentlich beeinträchtigt werden. Dies ist hier aber nicht der Fall. Dass die Klägerin bei Dunkelheit gezwungen wird, die Rollläden herunterzulassen, reicht dafür in Anbetracht der festgestellten seltenen Inbetriebnahme der Beleuchtung nicht aus. Im Übrigen ist es allgemein üblich, Rollläden in der Nacht zur Verdunkelung zu verwenden. Dies ist auch nur mit einem geringen Aufwand verbunden, zumal das Haus der Klägerin bereits mit Rollläden ausgestattet ist. Auch das Argument, dass eine Lüftung der Wohnräume erschwert oder verhindert wird, überzeugt nicht, weil die Beleuchtung bereits um 22:30 Uhr abgeschalten wird und gerade in den Sommermonaten eine wirksame Belüftung regelmäßig erst später in der Nacht oder am frühen Morgen erzielt werden kann.
4.4. Soweit das Berufungsgericht ausführt, es stehe nicht fest, ob die Beklagten ihr Verhalten in Zukunft ändern, steht dies mit der Judikatur nicht in Einklang, wonach es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Beurteilung ankommt (RS0010631; RS0010554). Es ist auf den Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung abzustellen (RS0010653 [T11]). Dass die Beklagten die Beleuchtung in der Zukunft theoretisch ausdehnen können, mag zutreffen, ist aber nicht entscheidend, weil das Erstgericht festgestellt hat, dass die Beleuchtung seit März 2016 – und damit für einen Zeitraum von annähernd drei Jahren bis zur Fällung des Ersturteils – nur noch ca sechs Mal pro Jahr für jeweils zwei Stunden verwendet wird. Die Revision zeigt zutreffend auf, dass die vom Berufungsgericht behandelte Frage der Wiederholungsgefahr von der Frage zu trennen ist, in welchem Ausmaß im Beurteilungszeitpunkt tatsächlich eine Beeinträchtigung vorliegt. Von einer bloß unverbindlichen und vorübergehenden Verhaltensänderung der Beklagten kann bei dieser Sachlage nicht gesprochen werden, da die Beleuchtung schon seit März 2016 dauerhaft reduziert ist; auf das Verhalten im Zeitpunkt der Klagseinbringung kommt es nach der gerade dargestellten Rechtsprechung nicht an.
4.5. Der vorliegende Sachverhalt steht damit aufgrund der Geringfügigkeit des Eingriffs dem Fall 10 Ob 20/11f am nächsten, in dem das Klagebegehren abgewiesen wurde. Dass die Beklagten die Beleuchtung auch ganz abbauen können, mag zutreffen, im Nachbarrecht ist aber die Frage des Interessensausgleichs zwischen den Nachbarn zu beurteilen. Wie die Revision überzeugend aufzeigt, war der vom Berufungsgericht für vergleichbar erachtete Fall 4 Ob 43/16a insofern wesentlich drastischer, als die dortigen Lichtreflexionen ein Ausmaß angenommen hatten, dass schon einige Sekunden direkter Betrachtung ausreichten, massive Augenschäden zu bewirken. Selbst Sonnenbrillen hätten keinen ausreichenden Schutz geboten, um die Gesundheitsgefährdung völlig auszuschließen. Um der Blendwirkung und den damit verbundenen Gesundheitsgefahren vorzubeugen, hätte der dortige Kläger entweder die Glasfront durch stark getöntes Glas abschirmen oder durch zusätzliche Vorrichtungen abschirmbar gestalten oder die Wohnung mittels Rollos derart verdunkeln müssen, dass auch bei Tageslicht elektrisches Licht benötigt würde. Die Lichtreflexionen hatten dort also anders als im vorliegenden Fall ein gesundheitsgefährdendes Ausmaß. Im vorliegenden Fall ist es der Klägerin hingegen ohne weiteres zumutbar, abends die bereits vorhandenen Jalousien zu verwenden, und es wird die Nachtruhe nicht empfindlich gestört. Auch steht – anders als im Fall 1 Ob 1/18f – nach den Feststellungen kein „objektiv unsachgemäßes Vorgehen“ der Beklagten bei der Installation der Poolbeleuchtung fest; dass es zu einer Überschreitung der maximal zulässigen Lichtstärke nach der Ö NORM O1052 kommt, beweist noch kein objektiv unsachgemäßes Vorgehen der Beklagten und kann auch das Kriterium der wesentlichen Beeinträchtigung der Klägerin nicht ersetzen. Zu 1 Ob 1/18f wären die für den Kläger theoretischen Abhilfemöglichkeiten, nämlich das Erwerben und in den Sommermonaten tägliche Aufspannen zweier Sonnenschirme sowie Aufsetzen einer Sonnenbrille zudem mit wesentlich größerem Aufwand verbunden gewesen als die hier für die Klägerin mögliche Abhilfe durch Verwendung der bereits vorhandenen Jalousien in den Abendstunden.
Zusammenfassend war daher in Stattgebung der Revision das Teilurteil spruchgemäß abzuändern.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO.
Textnummer
E128363European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00060.20X.0423.000Im RIS seit
24.06.2020Zuletzt aktualisiert am
24.06.2020