TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/22 W103 2188430-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.02.2019
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Entscheidungsdatum

22.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W103 2188432-1/5E

W013 2188430-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , und

2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Ukraine und vertreten durch XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 29.01.2018, Zln. 1.) 1172269103-171218591 und 2.) 1172269408-171218575, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie §§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 46, 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Bei den beschwerdeführenden Parteien handelt es sich um ein Ehepaar ukrainischer Staatsbürgerschaft, welches auf dem Luftweg ins Bundesgebiet gelangte und am 28.10.2017 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellte.

Bei der am gleichen Tag abgehaltenen Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Erstbeschwerdeführer zusammengefasst zu Protokoll, er gehöre dem christlich-orthodoxen Glauben sowie der Volksgruppe der Ukrainer an, habe im Herkunftsstaat die Grundschule sowie die Berufsschule absolviert und zuletzt als Taxifahrer gearbeitet. Seine Mutter, seine beiden volljährigen Kinder sowie seine Schwester hielten sich unverändert in XXXX auf. Der Erstbeschwerdeführer habe die Ukraine aufgrund eines im gleichen Monat gefassten Entschlusses im Oktober 2017 verlassen und sei unter Mitführung seines - zwischenzeitlich abhanden gekommenen - Reisepasses legal nach Österreich gereist. Grund seiner Flucht sei der Erhalt zweier Einberufungen vom Militär gewesen; der Erstbeschwerdeführer hätte von einem Nachbarn gehört, dass bereits jemand da gewesen wäre, um ihn zu holen, als er gerade nicht daheim gewesen wäre. Es sei zu gefährlich gewesen, da sie ihn zwingen könnten, zu kämpfen; diesfalls wäre sein Leben in Gefahr. Der Erstbeschwerdeführer wolle nicht kämpfen und wolle niemanden töten. Der Erstbeschwerdeführer brachte die erhaltenen Ladungen in Vorlage (AS 49, 51).

Die Zweitbeschwerdeführerin gab bei ihrer ebenfalls am 28.10.2017 durchgeführten Erstbefragung zusammengefasst zu Protokoll, sie bekenne sich zum christlich-orthodoxen Glauben, sei Angehörige der Volksgruppe der Ukrainer, habe eine Allgemeinbildende Höhere Schule absolviert und sei zuletzt als Managerin eines Schönheitssalons tätig gewesen. In ihrem Heimatort XXXX hielten sich unverändert ein Bruder sowie zwei volljährige Kinder der Zweitbeschwerdeführerin auf. Ihre Reisebewegung schilderte die Zweitbeschwerdeführerin in Übereinstimmung mit den Angaben ihres Mannes. Zu ihrem Fluchtgrund gab die Zweitbeschwerdeführerin an, in der Ukraine herrsche ein Krieg, von dem nicht berichtet werde. Ihr Mann habe zwei Einberufungen, um zu kämpfen, erhalten. Es sei schwer für sie gewesen, ihre Kinder und ihr Enkelkind alleine zu lassen, sie habe ihren Mann jedoch nicht alleine lassen können und dieser habe wegmüssen, da er niemanden umbringen und auch nicht kämpfen wolle. Im Falle einer Rückkehr wäre das Leben ihres Mannes in Gefahr. Weitere Fluchtgründe habe sie nicht.

Am 05.12.2017 wurden die beschwerdeführenden Parteien, jeweils im Beisein einer Dolmetscherin für die russische Sprache, niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen.

Der Erstbeschwerdeführer gab auf entsprechende Befragung hin zusammengefasst an, er fühle sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage und halte seine bisher getätigten Aussagen aufrecht. Der Erstbeschwerdeführer nehme Medikamente gegen Bluthochdruck ein und leide seit etwa einem Jahr unter Schmerzen im Bereich der Nieren. Darüber hinaus sei er gesund, in Österreich sei er bislang noch nicht in ärztlicher Behandlung gestanden. Der Erstbeschwerdeführer stamme aus dem Oblast XXXX , wo er die Grundschule absolviert und den Beruf des Kraftfahrers erlernt hätte. Von 1984 bis 1986 habe er seinen Wehrdienst abgeleistet, im Anschluss habe er bis zu seiner Ausreise in XXXX gelebt. Seine Frau habe er im Jahr 1988 geheiratet und habe mit dieser zwei gemeinsame volljährige Kinder. Der Erstbeschwerdeführer sei zuletzt als Taxilenker beschäftigt gewesen. Der Erstbeschwerdeführer besitze in XXXX eine Eigentumswohnung, welche gegenwärtig von seinen Kindern bewohnt werde.

Der Erstbeschwerdeführer sei in der Ukraine nie aufgrund seiner Religion oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt worden. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, es sei allgemein bekannt, was in der Ukraine passiere und dass diese Auseinandersetzungen immer noch aktuell seien. Der Erstbeschwerdeführer habe im August sowie im September Einberufungsbefehle erhalten. Es sei ihm klar gewesen, dass er nicht in Ruhe gelassen werden würde. Aufgrund seiner religiösen Einstellung wolle er kein Gewehr in die Hand nehmen und seine Mitmenschen töten. Mehr könne er zu seinem Fluchtgrund nicht angeben. Ihm sei bekannt, dass sehr viele Menschen gegen ihren Willen gezwungen würden, zu kämpfen und viele auch gestorben seien. Der Erstbeschwerdeführer habe nicht das nächste Opfer sein wollen. Sein Sohn sei, nachgefragt, aufgrund gesundheitlicher Probleme für untauglich befunden worden. Auf Vorhalt, weshalb angesichts seines Alters gerade der Erstbeschwerdeführer eingezogen werden sollte, erklärte dieser, seit dem Ableisten des Wehrdienstes Reservist zu sein und dies für den Grund seiner Einberufung zu halten. Der Erstbeschwerdeführer befürchte, im Osten der Ukraine, genauer gesagt in der ATO-Zone, eingesetzt zu werden. Der Erstbeschwerdeführer sei einfacher Soldat gewesen und habe keinen Rang besessen. Befragt, ob er angesichts seiner gesundheitlichen Beschwerden überhaupt tauglich sei, erklärte der Erstbeschwerdeführer, seit dem Jahr 1986 nicht militärärztlich untersucht worden zu sein. Nachgefragt, sei es wie eine Regel, dass alle, welche zum Militär kämen, in der Konfliktzone eingesetzt würden. Im Falle eines tatsächlichen Einsatzes in der ATO-Zone würde der Erstbeschwerdeführer keinesfalls auf jemanden schießen, was bedeute, dass er getötet werden würde.

In Österreich habe er keine Angehörigen, lebe von der Grundversorgung, weise noch keine Kontakte zur österreichischen Gesellschaft auf und beherrsche die deutsche Sprache nicht. Der Erstbeschwerdeführer habe sich nie politisch betätigt und sei nie strafgerichtlich verfolgt bzw. verurteilt worden.

Die Zweitbeschwerdeführerin führte zusammengefasst aus, sie fühle sich physisch und psychisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage, sie sei gesund und benötige keine Medikamente. Ihre bisherigen Angaben seien wahrheitsgemäß gewesen und korrekt zu Protokoll genommen worden. Die Zweitbeschwerdeführerin stamme aus dem Oblast XXXX , wo sie zehn Jahre lang die Schule und anschließend ein Kolleg besucht hätte. Sie habe im Jahr 1988 geheiratet, habe zwei volljährige Kinder und sei zuletzt als Managerin eines Friseursalons tätig gewesen. Sie hätten eine Eigentumswohnung in XXXX sowie ein kleines Ferienhaus gehabt. Die Ausreise aus XXXX sei von ihrem Ehemann arrangiert worden, die Zweitbeschwerdeführerin weise keine eigenen Ausreisegründe auf und beziehe sich auf die Gründe ihres Gatten. Sie habe sich ihrem Ehemann angeschlossen, welcher zwei Einberufungsbefehle zum Militär erhalten habe. Sie sei in der Ukraine nie einer Verfolgung aufgrund ihrer Religion oder ihrer Volkgruppenzugehörigkeit ausgesetzt gewesen und habe sich nie politisch betätigt.

In Österreich habe sie keine Angehörigen, lebe in einer Grundversorgungseinrichtung, habe noch keine Kontakte zur österreichischen Gesellschaft geknüpft und spreche kein Deutsch.

2. Mit den im Familienverfahren ergangenen, nunmehr angefochtenen, Bescheiden jeweils vom 29.01.2018 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkte I.) und die Anträge gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen (Spruchpunkte II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkte III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen die beschwerdeführenden Parteien eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkte IV.) und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Parteien in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkte V.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte VI.).

Die Behörde stellte die ukrainische Staatsbürgerschaft sowie die Identität und die legale Einreise der beschwerdeführenden Parteien fest. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die beschwerdeführenden Parteien in der Ukraine staatlicher Verfolgung bzw. Bedrohung ausgesetzt gewesen wären. Der Erstbeschwerdeführer sei in der Ukraine zum Militärdienst einberufen worden. Dieser hätte von 1984 bis 1986 seinen Grundwehrdienst abgeleistet und könnte nötigenfalls wieder temporär mobilisiert werden. Wehrpflichtige würden hauptsächlich in der Einsatzunterstützung in rückwertigen Diensten oder Depots, dienen die aber auch innerhalb der ATO-Zone liegen könnten. Der Kampfeinsatz von Wehrpflichtigen in der ATO-Zone sei jedoch gesetzwidrig. Wehrpflichtige würden bei der Stellung sämtliche Untersuchungen im jeweils zuständigen Militärkommissariat durchlaufen. Der Präsident der Ukraine habe die Mobilisierung auf Reservisten mit Spezialkenntnissen beschränkt. Es hätten sich im Verwaltungsverfahren keine begründeten Hinweise zu einer Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A Absatz 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ergeben. Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände konnte nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in die Ukraine eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die beschwerdeführenden Parteien als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Die beschwerdeführenden Parteien würden jeweils an keiner Krankheit leiden, welche ein Rückkehrhindernis darstellen würde, sie seien arbeitsfähig, seien bis zu ihrer Ausreise Beschäftigungen nachgegangen und hätten Familienangehörige im Heimatland. In Österreich würden die beschwerdeführenden Parteien über keine Anknüpfungspunkte sozialer oder wirtschaftlicher Natur verfügen, zudem hätten sie sich der Unsicherheit eines weiteren Aufenthalts bewusst sein müssen.

Dem Bescheid des Erstbeschwerdeführers wurden im Wesentlichen die folgenden beweiswürdigenden Erwägungen zugrunde gelegt:

"(...) Ob Sie noch im Besitz Ihres Reisepasses sind, konnte nicht festgestellt werden, denn es ist nicht nachvollziehbar, dass Sie tatsächlich Ihren Reisepass "verloren" haben, oder dass Ihnen aufgrund von "Unachtsamkeit" Ihr Reisepass gestohlen wurde. Dies wäre nicht nachvollziehbar, da davon ausgegangen werden muss, dass ein ukrainischer Bürger auf sein Reisedokument bei seiner erstmaligen Reise in ein fernes Land, achten würde.

Bezüglich Ihrer Schilderungen zu Ihrer Heimat, der Hauptstadt XXXX und Ihrer weiteren Ortsangaben machten Sie gleichbleibende Angaben. Weiter gaben Sie an, sowie über 70% der ukrainischen Bevölkerung der christlich orthodoxen Glaubensrichtung und der ukrainischen Volksgruppe anzugehören, Sie konnten somit glaubhaft machen, dass Sie in XXXX geboren wurden, von Ihrer Religion her ein orthodoxer Christ sind und der ukrainischen Volksgruppe angehören.

Ukrainische Bürger können seit 11. Juni 2017 ohne Visum bis zu 90 Tage in die Europäische Union reisen, wenn sie einen biometrischen Pass mit gespeichertem Fingerabdruck besitzen. Auf das Thema "Visafreiheit" wird im letzten Absatz des Punktes "Politische Lage" in den landeskundlichen Feststellungen eingegangen. Auch befinden sich auf der Internetseite der österreichischen Botschaft in KIEW entsprechende Informationen.

Nachdem Sie bei Ihrer Einvernahme am 05.12.2017 angaben, dass Ihnen Ihr Reisepass im Juli 2017 ausgestellt wurde, steht fest, dass Sie aufgrund der seit Juni geltenden "Visafreiheit" für ukrainische Bürger in das österreichische Bundesgebiet einreisten. Sie sind demnach "legal" eingereist.

Da Sie unmittelbar nach Ihrer Einreise ins österreichische Bundesgebiet Ihren Asylantrag stellten, sind Sie ab Zeitpunkt Ihrer Antragstellung nur noch zum "vorübergehenden Aufenthalt" nach den Bestimmungen des Asylgesetzes berechtigt. Dementsprechend wurde Ihnen am 30.10.2017 eine Aufenthaltsberechtigungskarte gem. § 51 AsylG ausgehändigt.

Auf Ihren Gesundheitszustand befragt, gaben Sie zu Protokoll, dass Sie aufgrund von Hypertonie regelmäßig Blutdruck-Medikamente einnehmen müssten. Auch wäre bereits in der Ukraine vor einem Jahr festgestellt worden, dass Sie aufgrund von Ablagerungen in Ihren Nieren, sogenannten "Nierengrieß" Schmerzen hätten. Ansonsten hätten Sie keine Beschwerden.

Nachdem Ihre gesundheitlichen Beschwerden bereits in Ihrem Heimatland bestanden und Sie Ihre Reise nach Österreich problemlos bewältigen konnten, muss festgestellt werden, dass diese Beschwerden keinerlei Rückkehrhindernis darstellen. Diese gesundheitlichen Probleme stellen keine "lebensbedrohliche" Erkrankung dar, Sie waren auch in der Lage, mit einem Flugzeug nach Österreich zu reisen. Eine weitere medizinische Behandlung in der Ukraine ist in Ihrem Fall möglich. Es muss in diesem Zusammenhang auf den Punkt "Medizinische Versorgung" in den landeskundlichen Feststellungen hingewiesen werden.

...

Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:

...

Gemäß landeskundlichen Feststellungen wurde die "Aussetzung der Wehrpflicht" am 01.05.2014 widerrufen. Da Sie laut Ihren Angaben Ihren Grundwehrdienst vom Jahr 1984 bis 1986 bereits abgeleistet haben, könnten Sie demnach nötigenfalls wieder temporär mobilisiert werden.

Im Punkt "Wehrersatzdienst" wird beschrieben, dass im "Gesetz über den Ersatzdienst vom 12.12.1991 (Nr. 1975-XII)" geregelt ist, dass unter Erfüllung bestimmter Voraussetzungen die Möglichkeit bestehen würde, einen Ersatzdienst zu leisten. Bevor man sich jedoch für die Ableistung dieses Ersatzdienstes entscheidet, müssen Einberufene bei der Stellung sämtliche Untersuchungen im jeweils zuständigen Militärkommissariat durchlaufen.

Wenn man Ihren Gesundheitszustand und Ihr Alter bewertet (Hypertonie und Ablagerungen in Ihren Nieren), muss in Frage gestellt werden, ob Sie in Ihrem 52. Lebensjahr bei einer derartigen Untersuchung überhaupt als "tauglich" eingestuft werden.

Diesbezüglich gaben Sie zu Protokoll, militärärztlich seit dem Jahr 1986 nicht mehr untersucht worden zu sein. Erst wenn man bei der Untersuchung im jeweils zuständigen Militärkommissariat als "tauglich" eingestuft wird, muss spätestens "zwei Monate vor Einberufungstermin" ein begründeter Antrag auf "Wehrersatzdienst" gestellt werden.

Wenn Sie nun, sofern Sie als "tauglich" eingestuft werden - so wie bei Ihrer Einvernahme geschildert - aus religiösen Gründen "kein Gewehr in die Hand nehmen" wollen, müssten Sie sich um Einteilung zum Ersatzdienst bemühen. Ausführlich wird auf diesen Sachverhalt in den landeskundlichen Feststellungen eingegangen. Auch waren Sie vom Jahr 1984 bis 1986 nur ein einfacher Soldat, welcher seiner Wehrpflicht nachgekommen ist. Sie sind demnach kein Offizier, kein Unteroffizier, noch verfügen Sie über spezielle Kenntnisse, welche bei einem militärischen Einsatz erforderlich wären.

Im Oktober 2016 wäre die 6. Mobilisierungswelle abgeschlossen worden, weitere Mobilisierungswellen sind bis dato nicht vorgesehen.

Ein Einsatz in der ATO - Zone wird als "gesetzeswidrig" bezeichnet. Wehrpflichtige würden deshalb vorwiegend in der Einsatzunterstützung in rückwertigen Diensten eingeteilt werden. Einsatzunterstützer werden auch als "Versorger" oder "Logistiker" bezeichnet. Es ist demnach nicht nachvollziehbar, dass ein 52jähriger ohne Rang und Spezialkenntnisse, welcher noch dazu gesundheitliche Probleme hat, für einen Kampfeinsatz in der ATO - Zone herangezogen wird.

Zusammengefasst konnten Sie glaubhaft machen, dass Sie diese beiden Einberufungsbefehle tatsächlich erhalten haben. In Zweifel gestellt wird, ob Sie überhaupt "tauglich" sind. Fest steht, dass die Möglichkeit eines Wehrersatzdienstes besteht und dass ein Kampfeinsatz in der ATO - Zone gesetzwidrig ist.

Sie gaben auf Befragung ausdrücklich an, dass Sie in Ihrem Herkunftsstaat, also in der Ukraine, weder aufgrund Ihrer Rasse, Ihrer Nationalität, Ihrer politischen oder religiösen Gesinnung bzw. Anschauung noch auf Grund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt wurden.

Es blieb somit als Ausreisegrund klar erkennbar die behauptete Einberufung zum Militärdienst. Als Beweis dafür legten Sie zwei Einberufungen vor. Wenn Sie, so wie Sie selbst sagten, aus religiöser Überzeugung es ablehnen, Militärdienst zu leisten, hätten Sie die Möglichkeit zur Ableistung eines Wehrersatzdienstes. Dass das Nichtbefolgen eines Einberufungsbefehles ein Strafrechtsdelikt darstellt, ist per se kein Flucht- oder Asylgrund, zumal dieses Delikt auch in Österreich unter Strafe steht.

Wenn Sie, wie Sie selbst angaben, Schutz in einem sicheren Land, gesucht hätten, so wäre es auch naheliegend, in einen Nachbarstaat zu flüchten. Sie hätten aufgrund Ihrer Sprachkenntnisse in einem Land, in welchem die russische Sprache gesprochen wird, bestimmt auch nicht jene Hürden zu bewältigen, wie Sie es hier in Österreich haben. Wäre es Ihnen nur um die Sicherheit gegangen, wäre Ihre Ausreise in ein solches Land die vernünftigste und einfachste Variante gewesen.

Angesichts der politischen Entwicklung in der Ukraine kann nicht ausgeschlossen werden, dass Sie nach Ihrer Rückkehr erneut einen Einberufungsbefehl erhalten werden. Vor einem Militärdienst wird jedoch, wie in den landeskundlichen Feststellungen beschrieben, eine gesundheitliche Eignungsüberprüfung (Musterung) durchgeführt, bei welcher angesichts Ihres Gesundheitszustandes davon ausgegangen wird, dass Sie nicht für "tauglich" eingestuft werden. Für Sie, zumal Sie der ukrainischen Mehrheitsbevölkerung angehören, kann demnach keinerlei asylrelevante Schlechterstellung im Zusammenhang mit einem in der Zukunft drohenden allfälligen Wehrdienst erkannt werden.

Auch das Strafmaß für die Entziehung vom Wehrdienst bzw. Desertion erreichen laut landeskundlichen Feststellungen kein unverhältnismäßiges Ausmaß. Ebenfalls kann in Ihrem Fall eine Beurteilung, ob es sich in Ihrem Fall um "echte" Einberufungsbefehle handelt, unterbleiben, zumal sich auch im Falle der Authentizität der vorgelegten Unterlagen keine andere Beurteilung hinsichtlich einer aus Konventionsgründen drohenden Verfolgung oder einer sonstig relevanten konkreten Gefährdungslage ergeben würde.

Generell ist als notorisch anzusehen, dass es sich beim Konflikt in der Ostukraine und auf der Halbinsel Krim um sogenannte "eingefrorene Konflikte" handelt. Das militärische Personal für einen Einsatz im ATO - Gebiet würde sich laut landeskundlichen Feststellungen vorwiegend auf freiwilliger Basis an den Kämpfen beteiligen. Ein derartiger Einsatz wird sogar als "gesetzwidrig" bezeichnet.

Eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit Ihrer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder nationalen Konflikts ist trotz der gegenwärtigen Zustände im Gebiet der Ostukraine nicht anzunehmen, zumal Sie in der Hauptstadt XXXX leben und sich diese Kampfhandlungen auf die ATO-Zone beschränken.

Wie in der rechtlichen Beurteilung dieses Bescheides ausführlich beschrieben ist, rechtfertigt Ihre Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes für sich allein grundsätzlich nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling. Sie wurden nicht aufgrund Ihrer politischen Einstellung einberufen, auch nicht, weil Sie von Ihrer Religion her dem orthodoxen Christentum angehören, von Ihrer Nationalität her ein Ukrainer sind oder der ukrainischen Volksgruppe oder einer bestimmten sozialen Gruppe angehören. Sie wurden, so wie viele Ukrainer auch - aufgrund der Mobilisierungswellen einberufen und haben sich diesbezüglich nicht einmal einer militärärztlichen Untersuchung unterzogen.

Auch würde Sie bezogen auf andere in der Ukraine lebende Volksgruppen keine härtere Bestrafung aufgrund von "Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes" erwarten.

Das Asylrecht schützt nur Personen, gegen die mit staatlichen Maßnahmen von erheblicher Intensität in Verfolgungsabsicht vorgegangen wird. In diesem Sinne gilt als Verfolgung nur zielgerichtetes Handeln des Heimatstaates, das sich direkt gegen den einzelnen wendet und in dessen Leib, Leben, Freiheit oder psychische Integrität eingreift. Demnach wird Asyl in Österreich Personen gewährt, welche glaubhaft machen können, dass sie in Ihrem Herkunftsstaat Verfolgung durch staatliche Maßnahmen aufgrund ihrer politischen Einstellung, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, ihrer Ethnie oder Religion ausgesetzt sind. Diese Verfolgungshandlungen müssen mit erheblicher Intensität stattgefunden haben und die Bedrohung muss sich auf das

gesamte Herkunftsstaatengebiet erstrecken.

Es mangelt somit in Gesamtschau an einem in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählten Fluchtgrund im Hinblick auf Ihre Person. Zumal jene Gründe, welche gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention zur Gewährung von Asyl führen würden und in dieser taxativ - also erschöpfend - aufgezählt sind, von Ihnen nicht vorgebracht wurden, war aus diesem Vorbringen und in Ermangelung einer Deckung mit der GFK bzw. dem AsylG Ihr Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen. (...)"

Die Zweitbeschwerdeführerin habe sich auf die Gründe ihres Mannes berufen und keine darüber hinausgehenden eigenen Rückkehrbefürchtungen ins Treffen geführt.

3. Mit Eingaben vom 01.03.2018 wurde durch die nunmehrige gewillkürte Vertretung der beschwerdeführenden Parteien mittels für beide beschwerdeführenden Parteien gleichlautendem Schriftsatz fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde erhoben, in welcher die dargestellten Bescheide vollumfänglich angefochten wurden. Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, die im angefochtenen Bescheid angeführten Länderberichte würden sich als unvollständig und teilweise unrichtig erweisen, zumal es die belangte Behörde unterlassen hätte, genauere Informationen über den Wehrdienst in der Ukraine einzuholen. Entgegen den Behauptungen der Behörde ergebe sich aus einem näher zitierten Bericht, dass sich nur sechs Prozent freiwillig im Kampfeinsatz befinden würden. Ein weiters angeführter Bericht verdeutliche, dass die Untersuchung vor der Einberufung nur sehr sporadisch sattfinde, indem im Rahmen eines Gespräches die Untersuchung eines Militärarztes erfolge und schwere Erkrankungen somit keinesfalls festgestellt werden könnten. Überdies würden auch Berichte über die Konsequenzen für Kriegsdienstverweigerer sowie die Haftbedingungen in der Ukraine fehlen. Desweiteren habe die Behörde es unterlassen, sich mit der Versorgungslage in der Ukraine zu beschäftigen, wo eine steigende Arbeitslosigkeit sowie eine prekäre Wohnsituation zu verzeichnen seien. Die beschwerdeführenden Parteien würden aufgrund der Kriegsdienstverweigerung des Erstbeschwerdeführers vom ukrainischen Staat verfolgt werden. Würde der Erstbeschwerdeführer verhaftet werden, würden ihm eine Haftstrafe und damit verbunden unmenschliche, sogar bis zum Tod führende, Haftbedingungen drohen. Somit wäre den beschwerdeführenden Parteien internationaler Schutz gemäß § 3 AsylG zu gewähren gewesen. Die beschwerdeführenden Parteien würden in der Ukraine über kein ausreichendes soziales Netzwerk verfügen, welches sie davor schützen würde, in eine ausweglose Lage zu geraten. Eine Abschiebung in die Ukraine würde somit aufgrund der Sicherheits- und Versorgungslage jedenfalls eine Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen, weshalb den beschwerdeführenden Parteien zumindest subsidiärer Schutz zuzuerkennen gewesen wäre. Die belangte Behörde habe bei ihrer Entscheidungsfindung das Recht der beschwerdeführenden Parteien auf Privat- und Familienleben nach Art. 8 EMRK unberücksichtigt gelassen. Die unbescholtenen beschwerdeführenden Parteien seien dabei, Deutsch zu lernen und hätten zudem Kontakte zur österreichischen Bevölkerung geknüpft, weshalb ihnen zumindest ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG zu gewähren gewesen wäre. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.

4. Die Beschwerdevorlagen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langten jeweils am 07.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Auf Grundlage des Verwaltungsakts der belangten Behörde und der in diesem Verfahren herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen relevanten Lage in der Ukraine wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Folgendes festgestellt:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Staatsangehöriger der Ukraine, welche der ukrainischen Volksgruppe angehören, sich zum christlich-orthodoxen Glauben bekennen und die im Spruch ersichtlichen Personalien führen. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und haben zwei gemeinsame volljährige Kinder, welche sich unverändert in XXXX aufhalten, wo auch der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin zuletzt gelebt haben. Darüber hinaus leben in XXXX , wo die beschwerdeführenden Parteien unverändert über eine Eigentumswohnung verfügen, eine Schwester des Erstbeschwerdeführers sowie ein Bruder der Zweitbeschwerdeführerin. Sowohl der Erstbeschwerdeführer, als auch die Zweitbeschwerdeführerin, verfügen über Schulbildung und langjährige Berufserfahrung. Der Erstbeschwerdeführer war zuletzt als Taxifahrer beschäftigt, die Zweitbeschwerdeführerin war Managerin eines Friseursalons. Die beschwerdeführenden Parteien reisten im Oktober 2017 auf dem Luftweg ins Bundesgebiet ein und stellten am 28.10.2017 die diesem Verfahren zugrunde liegenden Anträge auf Gewährung internationalen Schutzes.

1.2. Der Erstbeschwerdeführer hat angegeben, die Ukraine aufgrund des Erhalts zweier Einberufungsbefehle im August/September 2017 verlassen zu haben, da er sich nicht an den Kampfhandlungen im Osten der Ukraine habe beteiligen wollen. Die Zweitbeschwerdeführerin hat sich auf die Gründe ihres Mannes berufen und keine darüberhinausgehenden individuellen Rückkehrbefürchtungen geäußert. Nicht festgestellt werden kann, dass die beschwerdeführenden Parteien in der Ukraine aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wären. Im Entscheidungszeitpunkt konnte keine aktuelle Gefährdung der beschwerdeführenden Parteien in der Ukraine festgestellt werden.

Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass die beschwerdeführenden Parteien im Fall ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wären. Die beschwerdeführenden Parteien liefen dort nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der Erstbeschwerdeführer leidet seinen Angaben zufolge an Bluthochdruck und stand aus diesem Grund bereits in der Ukraine in medikamentöser Behandlung. Desweiteren leidet er unter Schmerzen im Bereich der Nieren, bezüglich derer er in der Ukraine untersucht worden sei und sogenannter Nierengrieß festgestellt worden sei. Der Erstbeschwerdeführer, welcher in Österreich keine medizinische Behandlung aufgenommen hat, leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, welche einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen würden. In der Ukraine besteht eine ausreichende medizinische Grundversorgung, weswegen der Erstbeschwerdeführer hinsichtlich allfälliger psychischer und physischer Leiden ausreichend behandelt werden könnte. Die Zweitbeschwerdeführerin ist gesund.

Die unbescholtenen beschwerdeführenden Parteien verfügen in Österreich über kein schützenswertes Privat- oder Familienleben. Sie führen ein Familienleben untereinander, haben darüber hinaus jedoch keine familiären Bindungen oder andere enge soziale Anknüpfungspunkte in Österreich. Die beschwerdeführenden Parteien sind im Bundesgebiet nicht selbsterhaltungsfähig und bestreiten ihren Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung. Die beschwerdeführenden Parteien haben im Verfahren keine Anknüpfungspunkte sozialer oder wirtschaftlicher Natur oder Integrationsbemühungen ins Treffen geführt. Sie haben sich jeweils noch keine nachgewiesenen Deutschkenntnisse angeeignet, sind in keinen Vereinen Mitglied und gehen keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Eine die beschwerdeführenden Parteien betreffende aufenthaltsbeendende Maßnahme würde jeweils keinen ungerechtfertigten Eingriff in deren gemäß Art. 8 EMRK geschützte Rechte auf Privat- und Familienleben darstellen.

1.3. Insbesondere zur allgemeinen Situation und Sicherheitslage, zur allgemeinen Menschenrechtslage, zu Wehrpflicht/Wehrdienstverweigerung, zu Grundversorgung und Wirtschaft sowie zur Lage von Rückkehrern wird unter Heranziehung der erstinstanzlichen Länderfeststellungen Folgendes festgestellt:

KI vom 19.12.2017, Antikorruption (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage, Abschnitt 4/Rechtsschutz/Justizwesen und Abschnitt 7/Korruption)

Die Ukraine hat seit 2014 durchaus Maßnahmen gesetzt, um die Korruption zu bekämpfen, wie die Offenlegung der Beamtenvermögen und die Gründung des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU). Gemeinsam mit dem ebenfalls neu geschaffenen Antikorruptionsstaatsanwalt kann das NABU viele Fälle untersuchen und hat einige aufsehenerregende Anklagen vorbereitet, u.a. wurde der Sohn des ukrainischen Innenministers festgenommen. Doch ohne ein spezialisiertes Antikorruptionsgericht läuft die Arbeit der Ermittler ins Leere, so die Annahme der Kritiker, da an normalen Gerichten die Prozesse erfahrungsgemäß eher verschleppt werden können. Das Antikorruptionsgericht sollte eigentlich bis Ende 2017 seine Arbeit aufnehmen, wurde aber noch immer nicht formell geschaffen. Präsident Poroschenko äußerte unlängst die Idee, eine auf Korruption spezialisierte Kammer am Obersten Gerichtshof sei ausreichend und schneller einzurichten. Diesen Vorschlag lehnte jedoch der Internationale Währungsfonds (IWF) ab. Daher bot Poroschenko eine Doppellösung an: Zuerst solle die Kammer eingerichtet werden, später das unabhängige Gericht. Der Zeitplan dafür ist jedoch offen (NZZ 9.11.2017).

Kritiker sehen darin ein Indiz für eine Einflussnahme auf die Justiz durch den ukrainischen Präsident Poroschenko. Mit Juri Luzenko ist außerdem Poroschenkos Trauzeuge Chef der Generalstaatsanwaltschaft, welche von Transparency International als Behörde für politische Einflussnahme bezeichnet wird. Tatsächlich berichtet die ukrainische Korruptionsstaatsanwaltschaft von Druck und Einflussnahme auf ihre Ermittler (DS 30.10.2017).

Ende November 2017 brachten Abgeordnete der Regierungskoalition zudem einen Gesetzentwurf ein, der eine "parlamentarische Kontrolle" über das NABU vorsah und heftige Kritik der westlichen Partner und der ukrainischen Zivilgesellschaft auslöste (UA 13.12.2017). Daraufhin wurde der Gesetzesentwurf wieder von der Tagesordnung genommen (DS 7.12.2017), dafür aber der Vorsitzende des Komitees der Werchowna Rada zur Korruptionsbekämpfung entlassen, welcher die Ernennung des von der Regierung bevorzugten Kandidaten für das Amt des Auditors im NABU blockiert hatte (UA 13.12.2017).

Im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew haben zuletzt mehrere Tausend Menschen für eine Amtsenthebung von Präsident Petro Poroschenko demonstriert. Die Kundgebung wurde von Micheil Saakaschwili angeführt - Ex-Staatschef Georgiens und Ex-Gouverneur des ukrainischen Odessa, der ursprünglich von Präsident Poroschenko geholt worden war, um gegen die Korruption vorzugehen. Saakaschwili wirft Poroschenko mangelndes Engagement im Kampf gegen die Korruption vor und steht seit einigen Wochen an der Spitze einer Protestbewegung gegen den ukrainischen Präsidenten. Mit seinen Protesten will er vorgezogene Neuwahlen erzwingen. Saakaschwili war Anfang Dezember, nach einer vorläufigen Festnahme, von einem Gericht freigelassen worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Organisation eines Staatsstreiches (DS 17.12.2017).

Die EU hat jüngst die Auszahlung eines Hilfskredits über 600 Mio. €

an die Ukraine gestoppt, und der Internationale Währungsfonds (IWF) ist ebenfalls nicht zur Gewährung von weiteren Hilfskrediten bereit, solange der Kampf gegen die grassierende Korruption nicht vorankommt (NZZ 18.12.2017). Der IWF hat die Ukraine aufgefordert, die Unabhängigkeit von NABU und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu gewährleisten und rasch einen gesetzeskonformen Antikorruptionsgerichtshof im Einklang mit den Empfehlungen der Venediger Kommission des Europarats zu schaffen (UA 13.12.2017).

Quellen:

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DS - Der Standard (17.12.2017): Tausende fordern in Kiew Amtsenthebung von Poroschenko,

http://derstandard.at/2000070553927/Tausende-fordern-in-Kiew-Amtsenthebung-von-Poroschenko?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

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DS - Der Standard (7.12.2017): Interventionen verhindern Gesetz gegen ukrainisches Antikorruptionsbüro, http://derstandard.at/2000069775196/Ukrainischer-Antikorruptionsbehoerde-droht-Verlust-an-Unabhaengigkeit, Zugriff 19.12.2017

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DS - Der Standard (30.10.2017): Die ukrainische Justizfassade bröckelt noch immer,

http://derstandard.at/2000066853489/Die-ukrainische-Justizfassade-broeckelt-noch-immer?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (18.12.2017): Das politische Risiko in der Ukraine ist zurück,

https://www.nzz.ch/finanzen/das-politische-risiko-in-der-ukraine-ist-zurueck-ld.1340458, Zugriff 19.12.2017

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (9.11.2017): Der ukrainische Präsident verschleppt längst überfällige Reformen, https://www.nzz.ch/meinung/ukraine-revolution-im-rueckwaertsgang-ld.1327374, Zugriff 19.12.2017

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UA - Ukraine Analysen (13.12.2017): Ukraine Analysen Nr. 193, http://www.laender-analysen.de/ukraine/pdf/UkraineAnalysen193.pdf?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=Ukraine-Analysen+193&newsletter=Ukraine-Analysen+193, Zugriff 19.12.2017

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Sicherheitslage

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch vom mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahlgang am 07.06.2014 direkt zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Diese Politik hat zu einer Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren geführt, obwohl Russland im März 2014 die Krim annektierte und seit Frühjahr 2014 separatistische "Volksrepubliken" im Osten der Ukraine unterstützt (AA 7.2.2017).

Die ukrainische Regierung steht für einen klaren Europa-Kurs der Ukraine und ein enges Verhältnis zu den USA. Das 2014 von der Ukraine unterzeichnete und ratifizierte Assoziierungsabkommen mit der EU ist zum Jahresbeginn 2016 in Kraft getreten und bildet die Grundlage der Beziehungen der Ukraine zur EU. Es sieht neben der gegenseitigen Marktöffnung die Übernahme rechtlicher und wirtschaftlicher EU-Standards durch die Ukraine vor. Das Verhältnis zu Russland ist für die Ukraine von zentraler Bedeutung. Im Vorfeld der ursprünglich für November 2013 geplanten Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens übte Russland erheblichen Druck auf die damalige ukrainische Regierung aus, um sie von der EU-Assoziierung abzubringen und stattdessen einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion/Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft herbeizuführen. Nach dem Scheitern dieses Versuchs und dem Sturz von Präsident Janukowytsch verschlechterte sich das russisch-ukrainische Verhältnis dramatisch. In Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen und bilateraler Verträge annektierte Russland im März 2014 die Krim und unterstützt bis heute die bewaffneten Separatisten im Osten der Ukraine (AA 2.2017c).

Die sogenannten "Freiwilligen-Bataillone" nehmen offiziell an der "Anti-Terror-Operation" der ukrainischen Streitkräfte teil. Sie sind nunmehr alle in die Nationalgarde eingegliedert und damit dem ukrainischen Innenministerium unterstellt. Offiziell werden sie nicht mehr an der Kontaktlinie eingesetzt, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, eventuell auch zu extralegalen Tötungen. Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von allerdings teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU bestreitet, trotz anderslautender Erkenntnisse von UNHCHR, Personen in der Konfliktregion unbekannten Orts festzuhalten und verweist auf seine gesetzlichen Ermittlungszuständigkeiten. In mindestens einem Fall haben die Strafverfolgungsbehörden bisher Ermittlung wegen illegaler Haft gegen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden aufgenommen (AA 7.2.2017).

Seit Ausbruch des Konflikts im Osten der Ukraine in den Regionen Lugansk und Donezk im April 2014 zählte das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der UN (OHCHR) 33.146 Opfer des Konflikts, davon

9.900 getötete und 23.246 verwundete Personen (inkl. Militär, Zivilbevölkerung und bewaffnete Gruppen). Der Konflikt wird von ausländischen Kämpfern und Waffen, die nach verschiedenen Angaben aus der Russischen Föderation in die nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete (NGCA) gebracht werden, angeheizt. Zudem gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen sind betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Der bewaffnete Konflikt stellt einen Bruch des Internationalen Humanitären Rechts und der Menschenrechte dar. Der Konflikt wirkt sich auf die ganze Ukraine aus, da es viele Kriegsrückkehrern (vor allem Männer) gibt und die Zahl der Binnenflüchtlinge (IDPs) hoch ist. Viele Menschen haben Angehörige, die getötet oder entführt wurden oder weiterhin verschwunden sind. Laut der Special Monitoring Mission der OSZE sind täglich eine hohe Anzahl an Brüchen der Waffenruhe, die in den Minsker Abkommen vereinbart wurde, zu verzeichnen (ÖB 4.2017).

Russland kontrolliert das Gewaltniveau in der Ostukraine und intensiviert den Konflikt, wenn es russischen Interessen dient (USDOS 3.3.2017a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017

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AA - Auswärtiges Amt (2.2017b): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017

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AA - Auswärtiges Amt (2.2017c): Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017

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ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine

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USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 12.7.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Die ukrainische Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, die Gerichte sind aber trotz Reformmaßnahmen der Regierung weiterhin ineffizient und anfällig für politischen Druck und Korruption. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz ist gering (USDOS 3.3.2017a).

Nach einer langen Phase der Stagnation nahm die Justizreform ab Juli 2016 mit Verfassungsänderungen und neuem rechtlichem Rahmen Fahrt auf. Für eine Bewertung der Effektivität der Reform ist es noch zu früh (FH 29.3.2017).

Die Reform der Justiz war eine der Kernforderungen der Demonstranten am sogenannten Euro-Maidan. Das größte Problem der ukrainischen Justiz war immer die mangelnde Unabhängigkeit der Richter von der Exekutive. Auch die Qualität der Gesetze gab stets Anlass zur Sorge. Noch problematischer war jedoch deren Umsetzung in der Praxis. Auch Korruption wird als großes Problem im Justizbereich wahrgenommen. Unter dem frisch ins Amt gekommenen Präsident Poroschenko machte sich die Regierung daher umgehend an umfassende Justizreformen. Mehrere größere Gesetzesänderungen hierzu wurden seither verabschiedet. Besonders hervorzuheben sind Gesetz Nr. 3524 betreffend Änderungen der Verfassung und Gesetz Nr. 4734 betreffend das Rechtssystem und den Status der Richter, die Ende September 2016 in Kraft traten. Mit diesen Gesetzen wurden die Struktur des Justizsystems reformiert und die professionellen Standards für Richter erhöht und ihre Verantwortlichkeit neu geregelt. Außerdem wurde der Richterschaft ein neuer Selbstverwaltungskörper gegeben, der sogenannte Obersten Justizrat (Supreme Council of Justice). Dieser ersetzt die bisherige Institution (Supreme Judicial Council), besteht hauptsächlich aus Richtern und hat ein Vorschlagsrecht für Richter, welche dann vom Präsidenten zu ernennen sind. Ebenso soll der Oberste Justizrat Richter suspendieren können. Die besonders kritisierte fünfjährige Probezeit der Richter wurde gestrichen und ihr Einkommen massiv erhöht. Auf der anderen Seite wurden die Ernennungskriterien für Richter erhöht, bereits ernannte Richter müssen sich einer Überprüfung unterziehen. Die Antikorruptionsregelungen wurden verschärft und die richterliche Immunität auf eine rein professionelle Immunität beschränkt. Richter, die die Herkunft ihres Vermögens (bzw. das enger Angehöriger) nicht belegen können, sind zu entlassen. Besonders augenfällig ist auch die Umstellung des Gerichtssystems von einem viergliedrigen zu einem dreigliedrigen System. Unter dem ebenfalls reformierten Obersten Gerichtshof als höchster Instanz, gibt es nun nur noch die Appellationsgerichte und unter diesen die lokalen Gerichte. Die zuvor existierenden verschiedensten Gerichtshöfe (zwischen Appellationsgerichten und Oberstem Gerichtshof) wurden abgeschafft. Außerdem wurde ein spezialisierter Antikorruptionsgerichtshof geschaffen, wenn auch dessen genaue Zuständigkeit noch durch Umsetzungsdekrete festzulegen ist. Die Kompetenz Gerichte zu schaffen oder umzuorganisieren etc., ging vom Präsidenten auf das Parlament über (BFA/OFPRA 5.2017).

Die andere große Baustelle des Justizsystems ist die Reform des Büros des Generalstaatsanwalts, der bislang mit weitreichenden, aus der Sowjetzeit herrührenden Kompetenzen ausgestattet war. Im April 2015 trat ein Gesetz zur Einschränkung dieser Kompetenzen bei gleichzeitiger Stärkung der Unabhängigkeit in Kraft, wurde in der Praxis aber nicht vollständig umgesetzt. Große Hoffnungen in diese Richtung werden in den im Mai 2016 ernannten neuen Generalstaatsanwalt Juri Lutsenko gesetzt. Eine neu geschaffene Generalinspektion soll die Legalität der Tätigkeit der Staatsanwaltschaft überwachen. Die praktische Umsetzung all dieser Vorgaben erfordert allerdings die Verabschiedung einer Reihe begleitender Gesetze, die es abzuwarten gilt. Etwa 3.400 Posten in der Staatsanwaltschaft, die neu besetzt wurden, gingen überwiegend an Kandidaten, die bereits vorher in der Staatsanwaltschaft gewesen waren. Alle Kandidaten absolvierten eingehende und transparente Tests, aber am Ende waren unter den Ernannten nur 22 neue Gesichter, was in der Öffentlichkeit zu Kritik führte. Für die Generalinspektion ist aber neues Personal vorgesehen. Die schlechte Bezahlung der Staatsanwälte ist ein Einfallstor für Korruption. Der Antikorruptions-Staatsanwalt bekommt als einziger Staatsanwalt höhere Bezüge, obwohl gemäß Gesetz alle Staatsanwälte besser bezahlt werden müssten (BFA/OFPRA 5.2017; vgl. FH 29.3.2017).

Mit 1. Oktober 2016 hat die Generalstaatsanwaltschaft sechs Strafverfahren gegen Richter eingeleitet. Richter beschweren sich weiterhin über eine schwache Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Judikative. Einige Richter berichten über Druckausübung durch hohe Politiker. Andere Faktoren behindern das Recht auf ein faires Verfahren, wie langwierige Gerichtsverfahren, vor allem in Verwaltungsgerichten, unzureichende Finanzierung und mangelnde Umsetzung von Gerichtsurteilen. Diese liegt bei nur 40% (USDOS 3.3.2017a).

Der unter der Präsidentschaft Janukowitschs zu beobachtende Missbrauch der Justiz als Hilfsmittel gegen politische Mitbewerber und kritische Mitglieder der Zivilgesellschaft ist im politischen Prozess der Ukraine heute nicht mehr zu finden. Es bestehen aber weiterhin strukturelle Defizite in der ukrainischen Justiz. Eine umfassende, an westeuropäischen Standards ausgerichtete Justizreform ist im September 2016 in Kraft getreten, deren vollständige Umsetzung wird jedoch noch einige Jahre in Anspruch nehmen (ÖB 4.2017).

Laut offizieller Statistik des EGMR befindet sich die Ukraine auf Platz 1 in Bezug auf die Anzahl an anhängigen Fällen in Strassburg (18.155, Stand 1.1.2017). 65% der anhängigen Fälle betreffen die nicht-Umsetzung von nationalen Urteilen. Wiederkehrende Vorwürfe des EGMR gegen die Ukraine kreisen auch um die überlange Dauer von Zivilprozessen und strafrechtlichen Voruntersuchungen ohne Möglichkeit, dagegen Rechtsmittel ergreifen zu können; Verstöße gegen Art. 5 der EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit); Unmenschliche Behandlung in Haft bzw. unzulängliche Untersuchung von derartig vorgebrachten Beschwerden; Unzureichende Haftbedingungen und medizinische Betreuung von Häftlingen (ÖB 4.2017).

Quellen:

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BFA/OFPRA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Office français de protection des réfugiés et apatrides (5.2017): Fact Finding Mission Report Ukraine

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FH - Freedom House (29.3.2017): Nations in Transit 2017 - Ukraine, http://www.ecoi.net/local_link/338537/481540_de.html, Zugriff 6.6.2017

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ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine

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USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017

Sicherheitsbehörden

Die Sicherheitsbehörden unterstehen effektiver ziviler Kontrolle. Der ukrainischen Regierung gelingt es meist nicht Beamte strafzuverfolgen oder zu bestrafen, die Verfehlungen begangen haben. Menschenrechtsgruppen und die Vereinten Nationen bemängeln aber die Maßnahmen angebliche Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitsbehörden zu ermitteln bzw. zu bestrafen, insbesondere angebliche Fälle von Folter, Verschwindenlassen, willkürlichen Inhaftierungen etc. durch den ukrainischen Geheimdienst (SBU), speziell wenn das Opfer verdächtig war/ist "pro-separatistisch" eingestellt zu sein. Straflosigkeit ist somit weiterhin ein Problem. Gelegentlich kam es zu Anklagen, oft aber blieb es bei Untersuchungen. Der Menschenrechtsombudsmann hat die rechtliche Möglichkeit, Ermittlungen innerhalb der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsverletzungen zu initiieren. Die Sicherheitsbehörden verhindern generell gesellschaftliche Gewalt oder reagieren darauf. In einigen Fällen kam es aber auch zu Fällen überschießender Gewaltanwendung gegen Demonstranten oder es wurde versäumt Personen vor Drangsale oder Gewalt zu schützen (USDOS 3.3.2017a).

Die Sicherheitsbehörden haben ihre sowjetische Tradition überwiegend noch nicht abgestreift. Reformen werden von Teilen des Staatsapparats abgelehnt. Staatsanwaltschaft und Sicherheitsdienst (SBU) waren jahrzehntelang Instrumente der Repression; im Bereich von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung gibt es weiterhin überlappende Kompetenzen. Die 2015 mit großem Vertrauensvorschuss neu geschaffene und allseits für ihre Integrität gelobte Nationalpolizei muss sich auseinandersetzen mit einer das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung beeinträchtigenden Zunahme der Kriminalität infolge der schlechten Wirtschaftslage und der Auseinandersetzung im Osten, einer noch im alten Denken verhafteten Staatsanwaltschaft und der aus sozialistischen Zeiten überkommenen Rechtslage. Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU bestreitet, trotz anderslautender Erkenntnisse von UNHCHR, einige wenige Personen in der Konfliktregion (Ostukraine) unbekannten Orts festzuhalten und verweist auf seine gesetzlichen Ermittlungszuständigkeiten. In mindestens einem Fall haben die Strafverfolgungsbehörden bisher Ermittlung wegen illegaler Haft gegen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden aufgenommen (AA 7.2.2017).

Nach einem Bericht über illegale Haft und F

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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