TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/3 W246 1439334-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.02.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

03.02.2020

Norm

AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W246 1439334-2/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Heinz VERDINO als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX (alias XXXX alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.03.2019, Zl. 830282805-170252066, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., III. und IV.

des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG stattgegeben und es wird festgestellt, dass eine den Beschwerdeführer betreffende Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

Dem Beschwerdeführer wird gemäß § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der - zum damaligen Zeitpunkt minderjährige - Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 05.03.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, der nach am 02.07.2013 erfolgter Einvernahme des Beschwerdeführers mit Bescheid des - zum damaligen Zeitpunkt zuständigen - Bundesasylamtes vom 22.11.2013 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 144/2013, (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. (Spruchpunkt II.) abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer nach § 10 Abs. 1 Z 2 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

2. Mit Schreiben vom 29.04.2015 brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner damaligen Rechtsvertreterin ein Zeugnis über die bestandene Pflichtschulabschlussprüfung und eine Teilnahmebestätigung an einem Erste-Hilfe-Kurs in Vorlage. Am 28.07.2015 übermittelte der Beschwerdeführer eine Vereinbarung eines Lehrgangs zur Berufserprobung, bei dem er im Ausmaß von 16 Stunden im Bereich Gastronomie und Küche ausgebildet worden sei.

3. Das Bundesverwaltungsgericht wies die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 04.12.2015, Zl. W116 1439334-1/20E, in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 70/2015, ab. Weiters gab das Bundesverwaltungsgericht mit diesem Erkenntnis der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. dieses Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit. statt und erkannte dem - zu diesem Zeitpunkt noch minderjährigen - Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zu, weshalb dem Beschwerdeführer in Spruchpunkt III. gemäß § 8 Abs. 4 leg.cit. eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 04.12.2016 erteilt wurde.

4. Nach am 25.11.2016 erhobenem Antrag erteilte das - nunmehr zuständige - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem - nunmehr bereits volljährigen - Beschwerdeführer mit Bescheid vom 10.02.2017 eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 24/2016, bis zum 04.12.2018.

5. Am 07.02.2019 fand eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt.

6. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 21.03.2019 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer den zuvor vom Bundesverwaltungsgericht zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 56/2018, wieder ab (Spruchpunkt I.) und entzog ihm gemäß § 9 Abs. 4 leg.cit. die zuvor erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter (Spruchpunkt II.). Weiters wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers vom 31.10.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 leg.cit. ab (Spruchpunkt III.). Zudem erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg.cit. (Spruchpunkt IV.), erließ ihm gegenüber gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 leg.cit. iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 100/2018, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018, (Spruchpunkt V.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 leg.cit. zulässig sei (Spruchpunkt VI.). Schließlich sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 leg.cit. die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VII.).

7. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid vom 21.03.2019 im Wege seines Rechtsvertreters fristgerecht Beschwerde. Dabei legte er einen Versicherungsdatenauszug vom 29.03.2019 vor.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 27.11.2019 eine mündliche Verhandlung u.a. im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers und eines Behördenvertreters durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seiner Integration in Österreich und den persönlichen Umständen seiner Familie im Herkunftsstaat befragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Muslim, führt den Namen XXXX und ist am XXXX in der Stadt Kabul in Afghanistan geboren und in der Folge auch aufgewachsen. Der Beschwerdeführer besuchte in der Stadt Kabul vier Jahre lange die Schule und war in der Folge für mehrere Jahre als Verkäufer von Plastik, das er auf der Straße gesammelt hatte, tätig.

Der - zum damaligen Zeitpunkt noch minderjährige - Beschwerdeführer reiste ca. Ende des Jahres 2012 aus Afghanistan aus und gelangte in weiterer Folge illegal nach Österreich, wo er am 05.03.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Die Mutter sowie die drei Schwestern und zwei Onkel mütterlicherseits sowie eine Tante väterlicherseits waren zum Zeitpunkt des letzten Kontakts des Beschwerdeführers mit diesen Familienangehörigen in der Provinz Maidan Wardak in Afghanistan aufhältig, wo die Mutter und die drei Schwestern des Beschwerdeführers als Arbeiterinnen in der Landwirtschaft tätig waren. Der Beschwerdeführer steht mit diesen Familienangehörigen seit knapp einem Jahr nicht mehr in Kontakt.

1.1.2. Der Beschwerdeführer befand sich seit seiner Antragstellung im März 2013 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 und befindet sich seit der Zuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten aufgrund den damit einhergehenden Aufenthaltsberechtigungen durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich mehrere Deutschkurse besucht und spricht ein zwar einfaches aber sehr gut verständliches Deutsch. Weiters besuchte der Beschwerdeführer in Österreich einen Erste-Hilfe-Kurs im Ausmaß von acht Stunden und einen Basisbildungslehrgang im Rahmen der Bund/Länder-Vereinbarung im Ausmaß von 300 Unterrichtseinheiten. Er absolvierte am 17.03.2015 die Pflichtschulabschlussprüfung positiv und besuchte in der Folge die Berufsschule. Zudem nahm der Beschwerdeführer im Jahr 2015 an einem zweitägigen Lehrgang zur Berufserprobung für den Bereich Gastronomie und Küche teil. In der Folge war der Beschwerdeführer mit kurzen Unterbrechungen für insgesamt ca. 2-1/2 Jahre als Arbeiterlehrling/Arbeiter bei verschiedenen Gastronomiebetrieben tätig; seit 28.10.2019 ist der Beschwerdeführer durchgehend bei einem Gastronomiebetrieb (konkret in einem österreichischen Restaurant) tätig und verdient dort netto ca. € 1.450,-- (samt Trinkgeld)/Monat. Darüber hinaus war der Beschwerdeführer in den Jahren 2015/2016 in einem Zeitraum von ca. sechs Monaten für die "Soziale Initiative" ehrenamtlich tätig. Er bezog ab seiner Einreise bis Ende des Jahres 2016 Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung; der Beschwerdeführer bezieht seit Ende des Jahres 2016 keine Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung und ist aktuell selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich aufgrund seiner mehrjährigen Arbeit in der Gastronomie über Freunde und Bekannte aus Österreich, Slowenien, Kroatien und Italien, mit denen er zum Teil auch seine Freizeit verbringt und z.B. Schwimmen, Spazieren oder in das Fitnesscenter geht.

Gegen den Beschwerdeführer wurden während seines Aufenthalts in Österreich verschiedene Anzeigen erstattet (v.a. wegen des Verdachts der Übertretung der StVO, des SPG sowie des OÖ. Polizeistrafgesetzes u. a. aufgrund des Bewerfens eines PKWs mit Äpfeln gemeinsam mit anderen Jugendlichen und wegen des Verdachts des Raufhandels, des Suchtgifthandels, der (absichtlich schweren) Körperverletzung, der gefährlichen Drohung und der sexuellen Belästigung sowie von öffentlichen geschlechtlichen Handlungen), wobei die dahingehend geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft entweder eingestellt wurden oder der Beschwerdeführer nach durchgeführtem Strafverfahren freigesprochen wurde. Der Beschwerdeführer ist daher in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.1.3. Beim Beschwerdeführer wurde im Jahr 2014 eine Lymphknotentuberkulose festgestellt, weshalb er behandelt wurde. Er nimmt diesbezüglich aktuell zwar keine Medikamente mehr ein, er geht aber einmal jährlich zu einer ärztlichen Kontrolle. Der Beschwerdeführer ist aufgrund dieser Erkrankung bei seinem Leben in Österreich (Arbeit und Freizeit) nicht eingeschränkt.

1.2.1. Das Bundesverwaltungsgericht erkannte dem Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom 04.12.2015, Zl. W116 1439334-1/20E, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 70/2015, den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 leg.cit. eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

In seiner Begründung zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten hielt das Bundesverwaltungsgericht zunächst fest, dass nach den vorliegenden Länderberichten Rückkehrer in Afghanistan mit übersteigerten Erwartungen bezüglich ihrer finanziellen Möglichkeiten rechnen müssten und häufig nicht als vollwertige Afghanen akzeptiert würden. Der Beschwerdeführer habe in Afghanistan lediglich vier Jahre die Schule besucht und habe zudem in Afghanistan keinen Beruf erlernt. Er sei dort bloß als Straßenverkäufer tätig gewesen und habe gesammeltes Plastik verkauft. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan eigenständig ausreichend versorgen und eine neue Existenz aufbauen könne. Darüber hinaus verfüge der Beschwerdeführer über keine ausreichenden familiären Kontakte in Afghanistan. Sein Vater sei bereits verstorben und seine gesundheitlich angeschlagene Mutter lebe alleine mit seinen drei Schwestern, wobei sie als Reinigungskraft und Haushaltshilfe in der Nachbarschaft gerade einmal für sich selbst und die drei Schwestern des Beschwerdeführers den unbedingt notwendigen Lebensunterhalt verdienen könne. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass die Mutter des Beschwerdeführers ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan ausreichend unterstützen würde können. Zu den übrigen Familienangehörigen des Beschwerdeführers in Afghanistan bestehe kein Kontakt, wobei das Verhältnis zu diesen Familienangehörigen bereits vor der Ausreise des Beschwerdeführers aus Afghanistan angespannt gewesen sei.

1.2.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erteilte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 10.02.2017 eine weitere befristete Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 24/2016, bis zum 04.12.2018.

1.2.3. In der Folge erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21.03.2019 den zuvor vom Bundesverwaltungsgericht zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 56/2018, ab und entzog ihm gemäß § 9 Abs. 4 leg.cit. die zuvor erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter. Weiters wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers vom 31.10.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 leg.cit. ab. Zudem erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg.cit., erließ ihm gegenüber gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 leg.cit. iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 100/2018, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018, und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 leg.cit. zulässig sei. Schließlich sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 leg.cit. die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten aus, dass die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "nicht mehr" vorliegen würden. Die subjektive Lage des Beschwerdeführers habe sich im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt, als ihm subsidiärer Schutz gewährt worden sei, geändert. Der Beschwerdeführer sei volljährig und ein junger sowie gesunder Mann, der mit den Gegebenheiten sowie Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut sei, was sich schon aus seiner familiären Sozialisation und seinem langjährigen Aufenthalt in Afghanistan ergebe. Seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten habe der Beschwerdeführer weitere vier Jahre an Lebenserfahrung in einem für ihn fremden Umfeld dazugewonnen, wobei er zumindest zweijährige Berufserfahrung in der Gastronomie gesammelt und sich neue Sprachkenntnisse angeeignet habe. Während seines Aufenthaltes in Österreich habe er zudem den Pflichtschulabschluss nachgeholt und verschiedene Bildungsveranstaltungen besucht. Diese Erfahrungen und das Interesse des Beschwerdeführers an einer Tätigkeit in der Gastronomie könnten gerade in Großstädten wie Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat dazu führen, dass der Beschwerdeführer eine Anstellung z. B. im Hotel- oder Gastgewerbe finden würde.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019 (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel, die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss, als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung. Die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen als auch regierungsfeindliche Elemente bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: Die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte, die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren, und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran, ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).

So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit, dies insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan (UNGASC 3.9.2019).

Für das gesamte Jahr 2018 registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registrierten die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert, wobei auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen - ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert.

Sicherheitsrelevante Vorfälle, bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).

Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit

29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).

Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.1.2019).

Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019).

High-Profile Angriffe (HPAs)

Sowohl im gesamten Jahr 2018 (USDOD 12.2018), als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion, weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018). Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen (USDOD 6.2019). Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 73) (USDOD 12.2018), zwischen 1.12.2018 und15.5.2019 waren es 6 HPAs (Vorjahreswert: 17) (USDOD 6.2019).

Anschläge gegen Gläubige und Kultstätten, religiöse Minderheiten

Die Zahl der Angriffe auf Gläubige, religiöse Exponenten und Kultstätten war 2018 auf einem ähnlich hohen Niveau wie 2017: Bei 22 Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte, meist des ISKP, wurden 453 zivile Opfer registriert (156 Tote, 297 Verletzte), ein Großteil verursacht durch Selbstmordanschläge (136 Tote, 266 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Für das Jahr 2018 wurden insgesamt 19 Vorfälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten dokumentiert, bei denen es insgesamt zu 747 zivilen Opfern kam (223 Tote, 524 Verletzte). Dies ist eine Zunahme von 34% verglichen mit dem Jahr 2017. Während die Mehrheit konfessionell motivierter Angriffe gegen Schiiten im Jahr 2017 auf Kultstätten verübt wurde, gab es im Jahr 2018 nur zwei derartige Angriffe. Die meisten Anschläge auf Schiiten fanden im Jahr 2018 in anderen zivilen Lebensräumen statt, einschließlich in mehrheitlich von Schiiten oder Hazara bewohnten Gegenden. Gezielte Attentate und Selbstmordangriffe auf religiöse Führer und Gläubige führten zu 35 zivilen Opfern (15 Tote, 20 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Angriffe im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen im Oktober 2018

Die afghanische Regierung bemühte sich, Wahllokale zu sichern, was mehr als 4 Millionen afghanischen Bürgern ermöglichte zu wählen (UNAMA 11.2018). Und auch die Vorkehrungen der ANDSF zur Sicherung der Wahllokale ermöglichten eine Wahl, die weniger gewalttätig war als jede andere Wahl der letzten zehn Jahre (USDOS 12.2018). Die Taliban hatten im Vorfeld öffentlich verkündet, die für Oktober 2018 geplanten Parlamentswahlen stören zu wollen. Ähnlich wie bei der Präsidentschaftswahl 2014 warnten sie Bürger davor, sich für die Wahl zu registrieren, verhängten "Geldbußen" und/oder beschlagnahmten Tazkiras und bedrohten Personen, die an der Durchführung der Wahl beteiligt waren (UNAMA 11.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Von Beginn der Wählerregistrierung (14.4.2018) bis Ende des Jahres 2018, wurden 1.007 Opfer (226 Tote, 781 Verletzte) sowie 310 Entführungen aufgrund der Wahl verzeichnet (UNAMA 24.2.2019). Am Wahltag (20.10.2018) verifizierte UNAMA 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) durch durch die Wahl bedingte Gewalt, die höchste Anzahl an zivilen Opfern an einem Wahltag seit Beginn der Aufzeichnungen durch UNAMA im Jahr 2009 (UNAMA 11.2018).

Zivile Opfer

Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) - dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer. 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September - im Gegensatz zu 2019 - von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).

Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl - Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) - 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.2.2019; vgl. SIGAR 30.4.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 6.2019; vgl. CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für diese beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 6.2019).

Taliban

Die USA sprechen seit rund einem Jahr mit hochrangigen Vertretern der Taliban über eine politische Lösung des langjährigen Afghanistan-Konflikts. Dabei geht es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen wird. Beide Seiten hatten sich jüngst optimistisch gezeigt, bald zu einer Einigung zu kommen (FAZ 21.8.2019). Während dieser Verhandlungen haben die Taliban Forderungen eines Waffenstillstandes abgewiesen und täglich Operationen ausgeführt, die hauptsächlich die afghanischen Sicherheitskräfte zum Ziel haben. (TG 30.7.2019). Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zu Ziel. Das wird als Versuch gewertet, in den Friedensverhandlungen ein Druckmittel zu haben (USDOD 6.2019).

Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. FA 3.1.2018) - seine Stellvertreter sind Mullah Mohammad Yaqub - Sohn des ehemaligen Taliban-Führers Mullah Omar - und Serajuddin Haqqani (CTC 1.2018; vgl. TN 26.5.2016) - Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (TN 13.1.2017). Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o.D.). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban, definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018).

Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilt die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: Professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert werden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet sind (LI 29.6.2017). Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest Teil der lokalen Milizen). Der Experte schätzte jedoch, dass die Zahl der Vollzeitkämpfer, die gleichzeitig in Afghanistan aktiv sind, selten 40.000 übersteigt (LI 23.8.2017). Im Jänner 2018 schätzte ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums die Gesamtstärke der Taliban in Afghanistan auf 60.000 (NBC 30.1.2018). Laut dem oben genannten Experten werden die Kämpfe hauptsächlich von den Vollzeitkämpfern der mobilen Einheiten ausgetragen (LI 23.8.2017; vgl. AAN 3.1.2017; AAN 17.3.2017).

Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll12 Ableger in acht Provinzen betreiben (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Saripul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.8.2019).

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt (LI 23.8.2017). In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LI 23.8.2017).

Haqqani-Netzwerk

Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida (CRS 12.2.2019). Benannt nach dessen Begründer, Jalaluddin Haqqani (AAN 1.7.2010; vgl. USDOS 19.9.2018; vgl. CRS 12.2.2019), einem führenden Mitglied des antisowjetischen Jihad (1979-1989) und eine wichtige Taliban-Figur; sein Tod wurde von den Taliban im September 2018 verlautbart. Der derzeitige Leiter ist dessen Sohn Serajuddin Haqqani, der seit 2015 als stellvertretender Leiter galt (CTC 1.2018).

Als gefährlichster Arm der Taliban hat das Haqqani-Netzwerk seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt (NYT 20.8.2019) und wird für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich gemacht (CRS 12.2.2019).

Islamischer Staat (IS/ISIS/ISIL/Daesh), Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP)

Erste Berichte über den Islamischen Staat (IS, auch ISIS, ISIL oder Daesh genannt) in Afghanistan gehen auf den Sommer 2014 zurück (AAN 17.11.2014; vgl. LWJ 5.3.2015). Zu den Kommandanten gehörten zunächst oft unzufriedene afghanische und pakistanische Taliban (AAN 1.8.2017; vgl. LWJ 4.12.2017). Schätzungen zur Stärke des ISKP variieren zwischen 1.500 und 3.000 (USDOS 18.9.2018) bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern (UNSC 13.6.2019). Nach US-Angaben vom Frühjahr 2019 ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Auch soll der Islamische Staat vom zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan sowie von aus Syrien geflohenen Kämpfern profitieren (BAMF 3.6.2019; vgl. VOA 21.5.2019).

Berichten zufolge besteht der ISKP in Pakistan hauptsächlich aus ehemaligen Teherik-e Taliban Mitgliedern, die vor der pakistanischen Armee und ihren militärischen Operationen in der FATA geflohen sind (CRS 12.2.2019;vgl. CTC 12.2018). Dem Islamischen Staat ist es gelungen, seine organisatorischen Kapazitäten sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan dadurch zu stärken, dass er Partnerschaften mit regionalen militanten Gruppen einging. Seit 2014 haben sich dem Islamischen Staat mehrere Gruppen in Afghanistan angeschlossen, z.B. Teherik-e Taliban Pakistan (TTP)-Fraktionen oder das Islamic Movement of Uzbekistan (IMU), während andere ohne formelle Zugehörigkeitserklärung mit IS-Gruppierungen zusammengearbeitet haben, z.B. die Jundullah-Fraktion von TTP oder Lashkar-e Islam (CTC 12.2018).

Der islamische Staat hat eine Präsenz im Osten des Landes, insbesondere in der Provinz Nangarhar, die an Pakistan angrenzt (CRS 12.2.2019;vgl. CTC 12.2018). In dieser sind vor allem bestimmte südliche Distrikte von Nangarhar betroffen (AAN 27.9.2016; vgl. REU 23.11.2017; AAN 23.9.2017; AAN 19.2.2019), wo sie mit den Taliban um die Kontrolle kämpfen (RFE/RL 30.10.2017; vgl. AAN 19.2.2019). Im Jahr 2018 erlitt der ISKP militärische Rückschläge sowie Gebietsverluste und einen weiteren Abgang von Führungspersönlichkeiten. Einerseits konnten die Regierungskräfte die Kontrolle über ehemalige IS-Gebiete erlangen, andererseits schwächten auch die Taliban die Kontrolle des ISKP in Gebieten in Nangarhar (UNSC 13.6.2019; vgl. CSR 12.2.2019). Aufgrund der militärischen Niederlagen war der ISKP dazu gezwungen, die Anzahl seiner Angriffe zu reduzieren. Die Gruppierung versuchte, die Provinzen Paktia und Logar im Südosten einzunehmen, war aber schlussendlich erfolglos (UNSC 31.7.2019). Im Norden Afghanistans versuchten sie ebenfalls Fuß zu fassen. Im August 2018 erfuhr diese Gruppierung Niederlagen, wenngleich sie dennoch als Bedrohung in dieser Region wahrgenommen wird (CSR 12.2.2019). Berichte über die Präsenz des ISKP könnten jedoch übertrieben sein, da Warnungen vor dem Islamischen Staat laut einem Afghanistan-Experten "ein nützliches Fundraising-Tool" sind: So kann die afghanische Regierung dafür sorgen, dass Afghanistan im Bewusstsein des Westens bleibt und die Auslandshilfe nicht völlig versiegt (NAT 12.1.2017). Die Präsenz des ISKP konzentrierte sich auf die Provinzen Kunar und Nangarhar. Außerhalb von Ostafghanistan ist es dem ISKP nicht möglich, eine organisierte oder offene Präsenz aufrechtzuerhalten (UNSC 13.6.2019).

Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit (CSR 12.2.2019; vgl. UNAMA 24.2.2019; AAN 24.2.2019; CTC 12.2018; UNGASC 7.12.2018; UNAMA 10.2018). Im Jahr 2018 war der ISKP für ein Fünftel aller zivilen Opfer verantwortlich, obwohl er über eine kleinere Kampftruppe als die Taliban verfügt (AAN 24.2.2019). Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt (UNAMA 24.2.2019), nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab (UNAMA 30.7.2019).

Der ISKP verurteilt die Taliban als "Abtrünnige", die nur ethnische und/oder nationale Interessen verfolgen (CRS 12.2.2019). Die Taliban und der Islamische Staat sind verfeindet. In Afghanistan kämpfen die Taliban seit Jahren gegen den IS, dessen Ideologien und Taktiken weitaus extremer sind als jene der Taliban (WP 19.8.2019; vgl. AP 19.8.2019). Während die Taliban ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte beschränken (AP 19.8.2019), zielt der ISKP darauf ab, konfessionelle Gewalt in Afghanistan zu fördern, indem sich Angriffe gegen Schiiten richten (WP 19.8.2019).

Al-Qaida und ihr verbundene Gruppierungen

Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Beide Gruppierungen haben immer wieder öffentlich die Bedeutung ihres Bündnisses betont (UNSC 15.1.2019). Unter der Schirmherrschaft der Taliban ist Al-Qaida in den letzten Jahren stärker geworden; dabei wird die Zahl der Mitglieder auf 240 geschätzt, wobei sich die meisten in den Provinzen Badakhshan, Kunar und Zabul befinden. Mentoren und Al-Qaida-Kadettenführer sind oftmals in den Provinzen Helmand und Kandahar aktiv (UNSC 13.6.2019).

Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht, die Präsenz auszubauen. Des Weiteren fungieren Al-Qaida-Mitglieder als Ausbilder und Religionslehrer der Taliban und ihrer Familienmitglieder (UNSC 13.6.2019).

Im Rahmen der Friedensgespräche mit US-Vertretern haben die Taliban angeblich im Jänner 2019 zugestimmt, internationale Terrorgruppen wie Al-Qaida aus Afghanistan zu verbannen (TEL 24.1.2019).

Sicherheitsbehörden

Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF - Afghan National Defense and Security Forces) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte (CIA 13.5.2019).

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die ANP (Afghan National Police) und die ALP (Afghan Local Police). Die ANA untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig, ihre primäre Aufgabe ist jedoch die Bekämpfung der Aufständischen innerhalb Afghanistans. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen. Die Ermittlungsabteilung des NDS betreibt ein Untersuchungsgefängnis in Kabul (USDOS 13.3.2019). Die afghanischen Sicherheitskräfte werden teilweise von US-amerikanischen bzw. Koalitionskräften unterstützt (USDOD 12.2018).

Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2019; vgl. SIGAR 30.7.2019). Dies beinhaltet 227.374 Mitglieder der ANA und 124.626 Mitglieder der ANP. Die ALP zählt mit einer Stärke von 30.000 Leuten als eigenständige Einheit (USDOD 6.2019). Die zugewiesene (tatsächliche) Truppenstärke der ANDSF soll jedoch nur 272.465 betragen. Die Truppenstärke ist somit seit dem Beginn der RS-Mission im Jänner 2015 stetig gesunken. Der Rückgang an Personal wird allerdings auf die Einführung eines neuen Systems zur Gehaltsauszahlung zurückgeführt, welches die Zahlung von Gehältern an nichtexistierende Soldaten verhindern soll (SIGAR 30.7.2019; NYT 12.8.2019).

Die Anzahl der in der ANDSF dienenden Frauen hat sich erhöht. Nichtsdestotrotz bestehen nach wie vor strukturelle und kulturelle Herausforderungen, um Frauen in die ANDSF und die afghanische Gesellschaft zu integrieren (USDOD 6.2019). Mit Stand April 2019 waren 5.462 Frauen in den ANDSF, 500 mehr als im Quartal davor und 900 mehr zum Vergleichszeitraum des Vorjahres (SIGAR 30.7.2019). Sowohl bei der ANA als auch bei der ANP glich die Rate der Rekrutierungen die Ausfallsrate aus (USDOD 6.2019).

Afghanische Nationalarmee (ANA)

Die ANA ist für die externe Sicherheit verantwortlich. Dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen (USDOS 13.3.2019). Das Verteidigungsministerium hat die Stärke der ANA mit 227.374 autorisiert (USDOD 6.2019). Das Combined Security Transition Command-Afghanistan (CSTC-A), ein US-geführtes Kommando, nennt eine Truppenstärke von 180.869. 1.812 Frauen dienen in der ANA und 86 weitere in der AAF (SIGAR 30.7.2019). Die monatliche Ausfallsquote, die im zweiten Quartal 2019 durchschnittlich bei 2,6% lag (SIGAR 30.7.2019), ist nach wie vor ein Problem in der ANA (USDOD 12.2019).

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA (USDOD 6.2019; vgl. SIGAR 30.7.2019), jedoch ist es nach wie vor das Langzeitziel der ANP, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln (USDOD 12.2018).

Dem Innenministerium (MoI) unterstehen die vier Teileinheiten der ANP: Afghanische Uniformierte Polizei (AUP), Polizei für Öffentliche Sicherheit (PSP, beinhaltet Teile der ehemaligen Afghanischen Polizei für Nationale Zivile Ordnung, ANCOP), Afghan Border Police (ABP), Kriminalpolizei (AACP), Afghan Local Police (ALP) und Afghan Public Protection Force (APPF). Das Innenministerium beaufsichtigt darüber hinaus drei Spezialeinheiten des Polizeigeneralkommandanten (GCPSU) sowie die Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) (USDOD 12.2018). Der autorisierte Personalstand der ANP beträgt 124,626 (USDOD 6.2019), CSTC-A meldet dagegen eine Truppenstärke von 91.596.

3.650 Frauen dienen in der ANP (SIGAR 30.7.2019).

Im Gegensatz zur ANA bietet die ANP keine finanziellen Anreize für die Fortführung des Dienstes - eine mögliche Erklärung dafür, warum die ANA die ANP-Verbleibquoten übertrifft. Durch den Law and Order Trust Fund for Afghanistan (LOTFA), der die Mehrheit der ANP-Gehälter finanziert, wird ermöglicht, die ANP-Gehälter an die steigenden Lebenshaltungskosten anzupassen (USDOD 12.2019).

Die ALP wird ausschließlich durch die USA finanziert (USDOD 6.2019) und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (USDOD 6.2019; vgl. SIGAR 30.7.2019). Die Mitglieder werden von Dorfältesten oder lokalen Anführern zum Schutz ihrer Gemeinschaften vor Angriffen Aufständischer ausgewählt (SIGAR 30.7.219; vgl. USDOD 6.2019). Die ALP untersteht dem Innenministerium, der Personalstand wird jedoch nicht den ANDSF zugerechnet (SIGAR 30.4.2019). Die Stärke der ALP, deren Mitglieder auch als "Guardians" bezeichnet werden, wird auf rund 30.000 Mann stark geschätzt (USDOD 6.2019; vgl. SIGAR 30.7.2019; vgl.) - davon waren rund 23.500 voll ausgebildet (SIGAR 30.7.2019).

Resolute Support Mission

Die Resolute Support Mission ist eine von der NATO geführte Mission, die mit 1.1.2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene sowie in höheren Rängen der Armee und Polizei. Die Personalstärke der Resolute Support Mission beträgt 16.000 Mann (durch 39 NATO-Mitglieder und andere Partner). Das Hauptquartier befindet sich in Kabul/Bagram mit vier weiteren Niederlassungen in Mazar-e-Sharif im Norden, Herat im Westen, Kandahar im Süden und Laghman im Osten (NATO 18.7.2018).

Sicherheitslage in den einzelnen Provinzen

Balkh

Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar-e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan (UNOCHA 13.4.2014; vgl. GADM 2018). Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt:

Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dawlat Abad, Dehdadi, Kaldar, Kishindeh, Khulm, Marmul, Mazar-e Sharif, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari (CSO 2019; vgl. IEC 2018).

Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-2020 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif (CSO 2019). Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).

Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum (SH 16.1.2017). Die Autobahn, welche zum usbekischen Grenzübergang Hairatan-Termiz führt, zweigt ca. 40 km östlich von Mazar-e Sharif von der Ringstraße ab (TD 5.12.2017). In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen (BFA Staatendokumentation 25.3.2019). Im Januar 2019 wurde ein Luftkorridor für Warentransporte eröffnet, der Mazar-e Sharif und Europa über die Türkei verbindet (PAJ 9.1.2019).

Laut dem Opium Survey von UNODC für das Jahr 2018 belegt Balkh den

7. Platz unter den zehn größten Schlafmohn produzierenden Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Dürre sank der Mohnanbau in der Provinz 2018 um 30% gegenüber 2017 (UNODC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Balkh zählt zu den relativ stabilen (TN 1.9.2019) und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten (AN 6.5.2019). Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen (RFE/RL o.D.; RFE/RL 23.3.2018). In den letzten Monaten versuchten Aufständische der Taliban, die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete (TN 22.8.2019). Einem UN-Bericht zufolge, gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert (UNSC 1.2.2019). Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet (BAMF 11.2.2019).

Das Hauptquartier des 209. ANA Shaheen Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi (TN 22.4.2018). Es ist für die Sicherheit in den Provinzen Balkh, Jawzjan, Faryab, Sar-e-Pul und Samangan zuständig und untersteht der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command-North (TAAC-N), welche von deutschen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019). Deutsche Bundeswehrsoldaten sind im Camp Marmal in Mazar-e Sharif stationiert (TS 22.9.2018).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen. UNAMA verzeichnete für das Jahr 2018 insgesamt 99 zivile Opfer durch Bodenkämpfe in der Provinz (UNAMA 24.2.2019). Hinsichtlich der nördlichen Region, zu denen UNAMA auch die Provinz Balkh zählt, konnte in den ersten 6 Monaten ein allgemeiner Anstieg ziviler Opfer verzeichnet werden (UNAMA 30.7.2019).

Im Winter 2018/2019 (UNGASC 28.2.2019) und Frühjahr 2019 wurden ANDSF-Operationen in der Provinz Balkh durchgeführt (UNGASC 14.6.2019). Die ANDSF führen auch weiterhin regelmäßig Operationen in der Provinz durch (RFERL 22.9.2019; vgl. KP 29.8.2019, KP 31.8.2019, KP 9.9.2019), dies unter anderem mit Unterstützung der US-amerikanischen Luftwaffe (BAMF 14.1.2019; vgl. KP 9.9.2019). Taliban-Kämpfer griffen Einheiten der ALP, Mitglieder regierungsfreundlicher Milizen und Sicherheitsposten beispielsweise in den Distrikten Chahrbulak (TN 9.1.2019; vgl. TN 10.1.2019), Chemtal (TN 11.9.2018; vgl. TN 6.7.2018), Dawlatabad (PAJ 3.9.2018; vgl. RFE/RL 4.9.2018) und Nahri Shahi (ACCORD 30.4.2019) an.

Berichten zufolge errichten die Taliban auf wichtigen Verbindungsstraßen, die unterschiedliche Provinzen miteinander verbinden, immer wieder Kontrollpunkte. Dadurch wird das Pendeln für Regierungsangestellte erschwert (TN 22.8.2019; vgl. 10.8.2019). Insbesondere der Abschnitt zwischen den Provinzen Balkh und Jawjzan ist von dieser Unsicherheit betroffen (TN 10.8.2019).

IDPs - Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 1.218 aus der Provinz Balkh vertriebene Personen, die hauptsächlich in der Provinz selbst in den Distrikten Nahri Shahi und Kishindeh Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 4.361 konfliktbedingt Vertriebene aus Balkh, die allesamt in der Provinz selbst verblieben (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 15.313 Vertriebene in die Provinz Balkh, darunter

1.218 aus der Provinz selbst, 10.749 aus Faryab und 1.610 aus Sar-e-Pul (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 14.301 Vertriebene nach Mazar-e-Sharif und Nahri Shahi, die aus der Provinz Faryab sowie aus Balkh, Jawzjan, Samangan und Sar-e-Pul stammten (UNOCHA 18.8.2019).

Herat

Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt internationale Grenzen mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Weiters grenzt Herat an die Provinzen Badghis im Nordosten, Ghor im Osten und Farah im Süden an (UNOCHA 4.2014). Herat ist in 16 Distrikte unterteilt: Adraskan, Chishti Sharif, Fersi, Ghoryan, Gulran, Guzera (Nizam-i-Shahid), Herat, Enjil, Karrukh, Kohsan, Kushk (Rubat-i-Sangi), Kushk-i-Kohna, Obe/Awba/Obah/Obeh (AAN 9.12.2018; vgl. PAJ o.D., PAJ 13.6.2019), Pashtun Zarghun, Shindand und Zendahjan. Zudem bestehen vier weitere "temporäre" Distrikte - Poshtko, Koh-e-Zore (Koh-e Zawar), Zawol und Zerko (CSO 2019; vgl. IEC 2018) -, die zum Zweck einer zielgerichteteren Mittelverteilung aus dem Distrikt Shindand herausgelöst wurden (AAN 3.7.2015; vgl. PAJ 1.3.2015). Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (CSO 2019). Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans (PAJ o.D.).

Die CSO schätzte die Bevölkerung der Provinz für den Zeitraum 2019-2020 auf 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt (CSO 2019). Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen (PAJ o.D.). Herat-Stadt war historisch gesehen eine tadschikisch-dominierte Enklave in einer paschtunischen Mehrheits-Provinz, die beträchtliche Hazara- und Aimaq-Minderheiten umfasst (USIP 2015). Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert. Der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 besonders gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden (AAN 3.2.2019). Der Grad an ethnischer Segregation ist in Herat heute ausgeprägt (USIP 2015; vgl. BFA Staatendokumentation 13.6.2019).

Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden (TD 5.12.2017). Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Andere Autobahnen verbinden die Provinzhauptstadt mit dem afghanisch-turkmenischen Grenzübergang bei Torghundi sowie mit der afghanisch-iranischen Grenzüberquerung bei Islam Qala (iMMAP 19.9.2017). Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).

Laut UNODC Opium Survey 2018 gehörte Herat 2018 nicht zu den zehn wichtigsten Schlafmohn anbauenden Provinzen Afghanistans. 2018 sank der Schlafmohnanbau in Herat im Vergleich zu 2017 um 46%. Die wichtigsten Anbaugebiete für Schlafmohn waren im Jahr 2018 die Distrikte Kushk

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten