Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des S A, geboren 1980, vertreten durch DDr. W S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Oktober 1995, Zl. 110.338/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger. Er brachte am 5. August 1994 per Post durch einen Dritten bei der österreichischen Botschaft in Preßburg den vorliegenden "Erstantrag" auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (AufG) ein. In diesem gab er einen Wohnsitz in der Türkei an und nannte weiters eine gesicherte Unterkunft in Österreich. Ein Ort, an dem das Antragsformular ausgefüllt wurde, ist nicht ersichtlich. Aus dem Text einer dem Antrag in Fotokopie beiliegenden Urkunde folgt, daß sich der in Österreich befindliche Vater des Beschwerdeführers für diesen, der sich in der Türkei aufhält, verpflichtet, alle Reisekosten und Unterhaltskosten während des Aufenthaltes in Österreich zu übernehmen.
Mit Bescheid vom 27. September 1994 wies die Erstbehörde den Antrag des Beschwerdeführers, gestützt auf § 6 Abs. 2 AufG, ab. Der Beschwerdeführer habe den Antrag von einer dritten Person der österreichischen Botschaft in Preßburg übermitteln lassen, "wobei das Kuvert in genau der gleichen Weise wie bei einer Mehrzahl von Anträgen ausgefüllt wurde"; damit sei das Erfordernis einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus nicht erfüllt worden, zumal keinerlei Grund zur Annahme bestehe, daß sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befunden habe.
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seines gesetzlichen Vertreters an einer Anschrift in Österreich zugestellt.
In der gegen diesen Bescheid durch seinen gewillkürten Vertreter erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor, daß sich der Bescheid (hinsichtlich des Aufenthaltes des Beschwerdeführers zum Antragszeitpunkt) nur auf Vermutungen stütze, "die keinerlei Beweischarakter" hätten. Die erkennende Behörde habe nicht nachgewiesen, daß sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufgehalten habe; sie habe auch nicht den Versuch unternommen zu beweisen "bzw. zu erforschen", ob er sich zum Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befunde habe und ob er den Antrag "im Ausland" gestellt habe. Eine Antragstellung durch eine dritte Person sei überdies als "legitim" anzusehen.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers (gleichfalls) gestützt auf § 6 Abs. 2 des AufG ab. Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung nicht hinlänglich dartun können, daß er sich zum Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befunden habe. Er habe sich zum Zeitpunkt der Antragstellung vielmehr eindeutig im Bundesgebiet aufgehalten und dadurch das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vom Ausland aus nicht erfüllt.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (16. Oktober 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage nach Inkrafttreten der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.
§ 6 AufG in dieser Fassung lautet auszugsweise:
"(1) Außer in den Fällen des § 7 Abs. 1 werden die Bewilligung und deren Verlängerung auf Antrag erteilt. In dem Antrag ist der Zweck des vorgesehenen Aufenthaltes genau anzugeben und glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. ...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. ..."
Der Bestimmung des § 6 Abs. 1 AufG ist nicht zu entnehmen, der Fremde habe von sich aus glaubhaft zu machen, daß der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt wurde. Das Vorliegen der Erfolgsvoraussetzung des § 6 Abs. 2 AufG ist daher gemäß § 39 Abs. 2 erster Satz AVG von der Behörde von Amts wegen zu prüfen, wenn sie - wie hier - nicht aufgrund ihrer Vermutung, die Regelung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG solle umgangen werden, nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung vorgeht. Dabei trifft die Partei die Pflicht, bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken. Doch hat auch in diesen Fällen die Behörde von Amts wegen zu bestimmen, welche Tatsachen zu beweisen sind und die Erbringung der Beweise anzuordnen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1997, Zl. 96/19/2460, mwN).
Dieser Mitwirkungspflicht kam der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall im Verwaltungsverfahren nach, weil er die Antragsfrage nach seinem Wohnsitz im Zeitpunkt der Antragstellung mit der Angabe einer Adresse in der Türkei unter dieser Antragsrubrik beantwortete. Aus diesem Grund konnte sich der Beschwerdeführer in seiner Berufung auch darauf beschränken, der von der erstinstanzlichen Behörde rechtsirrtümlich getroffenen Annahme, der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG sei schon deshalb nicht Genüge getan, weil der Antrag durch einen Dritten bei der österreichischen Botschaft in Preßburg eingebracht und keine Anhaltspunkte für einen Auslandsaufenthalt des Beschwerdeführers vorlägen, mit Argumenten über die Beweislastverteilung entgegenzutreten. Auch die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer nicht aufgefordert, Nachweise über seinen Aufenthalt im Zeitpunkt der Antragstellung zu erbringen. Die im angefochtenen Bescheid getroffene Aussage, dem Beschwerdeführer sei es in seiner Berufung nicht gelungen, nachzuweisen, daß er sich im Zeitpunkt der Antragstellung nicht im Inland befunden habe, verkennt die Aktenlage und die daraus abzuleitende Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers im dargelegten Sinn.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995191650.X00Im RIS seit
02.05.2001