Entscheidungsdatum
06.04.2020Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
G310 2230099-1/2Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Bulgarien, vertreten durch Mag. Dr. Martin ENTHOFER, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2020, Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides) zu Recht erkannt:
A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids
wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin (BF) ist seit 21.11.2016 mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Seit 22.02.2017 verfügt sie über eine Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer). Ihren Lebensunterhalt verdient sie sich als Zeitungszustellerin.
Am XXXX.2017 ehelichte sie in Österreich einen indischen Staatsbürger, mit dem sie seit XXXX.2016 eine gemeinsame Wohnadresse hat. Die Ehe ist nach wie vor aufrecht.
Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen die BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein zweijähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Die sofortige Umsetzung des Aufenthaltsverbotes sei geboten, weil die BF durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Die Abwägung ergebe, dass aufgrund dieses Verhaltens ihr Interesse an einem Aufenthalt in Österreich hinter das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit zurücktrete. Hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wird auf das Vorbringen zur nicht Gewährung eines Durchsetzungsaufschubs verwiesen. Ihr gesamtes Verhalten sei darauf ausgerichtet gewesen, den unrechtmäßigen Aufenthalts ihres Mannes weiter zu verlängern.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben, die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, die Dauer des Aufenthaltsverbots herabzusetzen bzw. den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur Verfahrensergänzung an die Behörde zurückverweisen. Hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wird vorgebracht, dass der weitere Aufenthalt der BF keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit und Ruhe darstelle. Sie lebe mit ihrem Ehemann in einem gemeinsamen ehelichen Haushalt, führe mit ihm eine tatsächliche eheliche Wirtschaft- und Geschlechtsgemeinschaft und gehen beide sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen nach.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, wo diese am 24.02.2020 einlangten.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich ohne entscheidungsrelevante Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG, insbesondere auf den Abfragen im Zentralen Melderegister, im Fremdenregister und im Strafregister sowie in Zusammenschau mit den Angaben der BF anlässlich der Einvernahme und in der Beschwerde.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Aufgrund der in § 18 Abs. 5 BFA-VG nunmehr auch ausdrücklich angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag der BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen (vgl VwGH 13.09.2016, Fr 2016/01/0014, 19.06.2017, Fr 2017/19/0023 und 0024, und 27.07.2017, Fr 2017/18/0022).
Zu Spruchteil B):
Das BVwG hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-) Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).
Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dem gesetzlichen Gebot, Bescheide zu begründen, ist als Ausdruck eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens besondere Bedeutung beizumessen. Ein Begründungsmangel kann eine wesentliche Mangelhaftigkeit darstellen (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 417 ff).
Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Durchsetzungsaufschub und zur aufschiebenden Wirkung ausgeführt, dass gesondert zu begründen ist, inwieweit die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers nach § 86 Abs. 3 FPG (Dursetzungsaufschub, Rechtslage vor Inkrafttreten des FrÄG 2011) geboten sein soll. Die auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Bezug nehmenden Überlegungen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen sind, vermögen die Begründung für die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes nicht zu ersetzen. Gleiches gilt für enthaltenen Überlegungen zum Ausschluss einer aufschiebenden Wirkung der Berufung, weil die aufschiebende Wirkung einer Berufung und die Gewährung eines einmonatigen Durchsetzungsaufschubes von ihren Zwecken und ihren Wirkungen her nicht vergleichbar sind (VwGH 21.11.2006, 2006/21/0171 mwN).
Die Aberkennung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - somit einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise der BF geboten ist.
Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung hier nicht fallspezifisch, sondern begnügte sich mit dem Verweis auf die Ausführungen zum nichtgewährten Durchsetzungsaufschub und allgemein gehaltenen Textbausteinen. Dabei blieb insbesondere unberücksichtigt, dass die BF gerichtlich unbescholten ist und einer geregelten Arbeit nachgeht. Aus dem Vorwurf einer eingegangenen Aufenthaltsehe kann nicht ohne weiteres abgeleitet werden, dass ihr Leben von fortgesetzten Verstößen gegen fremdenrechtliche Bestimmungen bestimmt wird. Da ihre Lebensverhältnisse als stabil zu bezeichnen sind, ist die sofortige Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbots nicht im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich. Mangels Erfüllung der Voraussetzungen für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG ist der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids daher Folge zu geben und die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuzuerkennen.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.
Zu Spruchteil C):
Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.
Schlagworte
aufschiebende WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2230099.1.00Zuletzt aktualisiert am
23.06.2020