TE Bvwg Beschluss 2020/4/8 W111 2221752-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.04.2020
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Entscheidungsdatum

08.04.2020

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W111 2221752-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Dr. Dajani, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias Z XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.06.2019, Zl. 770662701-180894197:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, behoben und die Angelegenheit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein damals minderjähriger Staatsangehöriger der Russischen Föderation aus der Teilrepublik Tschetschenien, reiste zusammen mit seiner Mutter und drei seiner Geschwister illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 20.07.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.11.2007 abgewiesen und der minderjährige Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen wurde. Gleichlautende Entscheidungen ergingen in den Verfahren seiner gemeinsam mit ihm eingereisten Familienmitglieder sowie seines bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingereisten Vaters und drei weiterer Geschwister.

2. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 05.05.2008, Zahl 316.181-1/6E-XIV/08/08, wurde der gegen den dargestellten Bescheid eingebrachten Berufung gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattgegeben und dem damals minderjährigen Beschwerdeführer abgleitet vom Status seines Vaters, dem mit Bescheid vom gleichen Datum zu Zahl 311.303-2/8E-XIV/08/08, Asyl gewährt worden war, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Vater des Beschwerdeführers wurden im Wesentlichen die folgenden Erwägungen zugrunde gelegt:

Der Vater des Beschwerdeführers, der im Jahre 1999 einem verwundeten Kämpfer geholfen und ihn medizinisch versorgt hätte, sei vermutlich aufgrund eines Verrats Jahre später deswegen in das Blickfeld tschetschenischer uniformierter Einheiten geraten, welche ihn festgenommen, entführt, drei Tage lang in einem Keller gefangen gehalten und ihn misshandelt sowie ihn zu zwingen versucht hätten, diverse Papiere zu unterschreiben, weil ihm unterstellt worden sei, tschetschenische Kämpfer unterstützt zu haben. Auch sein Verwandtschaftsverhältnis zu seinem namentlich bezeichneten Neffen, welcher ebenfalls wegen Unterstützung tschetschenischer Kämpfer in das Blickfeld der russischen bzw. tschetschenischen Behörden geraten wäre, sei dem Vater des Beschwerdeführers vorgeworfen worden und es sei offenbar angenommen worden, dass der Vater des Beschwerdeführers regimefeindliche Tätigkeiten unternehme. Der Vater des Beschwerdeführers gehöre somit zu einem Personenkreis, dem ein Naheverhältnis zu islamistischen Separatisten unterstellt werde und der deshalb von anti-separatistischen Aktionen gegen die Zivilbevölkerung besonders betroffen sei. Angesichts der aufgrund wiederholter Terroranschläge angespannten und gegenüber Personen aus dem Kaukasus feindlichen Stimmung in der gesamten Russischen Föderation, in Verbindung mit der Ethnie des Vaters des Beschwerdeführers, sei - abgesehen davon, dass er den Behörden auch namentlich bekannt wäre - auch nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der Genannte außerhalb Tschetscheniens keinerlei asylrelevanten Übergriffen ausgesetzt wäre oder dagegen effektiven behördlichen Schutz zu erwarten hätte. Wie aus den getroffenen Länderfeststellungen hervorginge, wäre es diesem überdies wegen der gegenüber Personen aus dem Nordkaukasus praktizierten Restriktionen beim Erwerb von Zuzugsgenehmigungen praktisch unmöglich, sich außerhalb Tschetscheniens niederzulassen und sich eine Existenzgrundlage zu schaffen.

3. Nachdem der Beschwerdeführer - nach Erreichen der Volljährigkeit - wiederholt wegen der Begehung von Körperverletzungsdelikten rechtskräftig verurteilt worden war, leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Aktenvermerk vom 10.04.2019 das gegenständliche Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ein und gewährte dem Beschwerdeführer am 06.06.2019 im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme Parteiengehör. Der Beschwerdeführer gab zusammengefasst an, seine Muttersprache sei Tschetschenisch, außerdem spreche er Englisch sowie Deutsch und verstehe Russisch, letztere Sprache könne er jedoch nicht gut sprechen. Der Beschwerdeführer sei gesund, benötige keine Medikamente und könnte uneingeschränkt am Erwerbsleben teilnehmen. Der Beschwerdeführer habe in Tschetschenien die Volksschule bis zur zweiten Klasse besucht, sei dann nach Österreich gekommen und habe hier den Schulbesuch fortgesetzt und die Pflichtschule absolviert. Bislang habe der Beschwerdeführer noch nicht gearbeitet, er beginne nun seine erste Lehre. Er habe in der Vergangenheit Lehrverhältnisse begonnen, diese aber immer wieder abgebrochen. Zudem habe er mehrere Praktika absolviert. Welche Angehörigen noch in seinem Herkunftsstaat leben würden, sei dem Beschwerdeführer nicht bekannt, zumal er zu niemandem in Kontakt stehe. Nach seinen aktuellen Befürchtungen für den Fall einer Rückkehr in sein Heimatland gefragt, gab der Beschwerdeführer an (vgl. Verwaltungsakt, Seiten 42 f): "Vor vielen Menschen. Ich bin von denen geflüchtet." Befragt, auf welche Leute er sich beziehe, antwortete der Beschwerdeführer:

"Den ganzen Leuten, die unter der Macht sind und zu dieser Macht stehen." Auf die Frage, ob er noch etwas hinzuzufügen hätte, erklärte der Beschwerdeführer: "Um meine Familie." und konkretisierte, es sei offiziell so, dass der Krieg vorbei wäre; "die" wollten aber ihre Leute zurückhaben, es gebe genug Keller, wo Leute hineingeschmissen und ausgepeitscht würden. Es gäbe viele Menschen, die abgeschoben worden wären und verschwunden seien. Dies hätten ihm viele Landsleute erzählt. Nochmals nach seinen konkreten Ängsten gefragt, meinte der Beschwerdeführer, er fürchte sich vor der Macht Kadyrows. Er könne nicht einmal Russisch, wie sollte er dorthin. Auf Vorhalt, dass er jedoch Tschetschenisch beherrsche, erwiderte der Beschwerdeführer: "Aber auch nicht so gut." Nach Vorhalt, dass er sich zuvor mit seiner Mutter auf Tschetschenisch unterhalten hätte, erklärte der Beschwerdeführer, dies sei Umgangssprache gewesen. Nochmals gefragt, was ihm im Fall einer Rückkehr drohen würde, gab der Beschwerdeführer an, dies nicht zu wissen. Es gebe eine Bedrohung für ihn, er wisse jedoch nicht, welche. Er lebe seit 13 Jahren in Österreich. Seine Familie sei damals wegen des Krieges und der Verfolgung seines Vaters ausgereist. Auf die Frage, weshalb sein Vater verfolgt werde, erwiderte der Beschwerdeführer: "Weil es gegen diese Macht ist. Es hat dies nicht gewählt, das ist keine Demokratie. Ich würde gerne in meiner Heimat leben, aber erst dann wenn ich sicher bin, dass ich dort lebendig bleibe. Woher soll ich wissen, was passieren kann. Ich bin mir 100% sicher, dass jeder einzelne Tschetschene, der in Österreich lebt, dort gefahren hätte." Auch in einem anderen Teil seines Heimatlandes könne er nicht leben, kein Mensch brauche ihn. Nur seine Mutter brauche ihn. Auch sein in Russland lebender Onkel brauche ihn nicht, dieser habe bestimmt andere Sorgen und habe selbst nicht genug zum Leben. Befragt, woher er dies wisse, gab der Beschwerdeführer an, er wisse es; vielleicht könnte er zwei oder dreimal dort essen.

In Österreich habe der Beschwerdeführer die Schule abgeschlossen, Kurse besucht, Lehren angefangen und wieder beendet. Jetzt beginne er wieder eine Lehre und mache diese hoffentlich zu Ende. In Österreich lebe seine Familie, er spaziere nie mit seinen Landsleuten. Er betreibe Kampfsport in einem Verein. Der Beschwerdeführer habe während seines Aufenthaltes strafbare Handlungen begangen, sei jedoch nirgends schuld gewesen. Er habe nur Pech gehabt. Er habe noch nie Probleme mit Drogen oder mit Raub gehabt und sei auch noch nie in seiner Heimat oder im Gefängnis gewesen. Er hätte nur einem Landsmann geholfen und sei dann geschlagen worden, er hätte diesen dann auf den Boden gebracht. Der andere hätte dann die Polizei gerufen und der Beschwerdeführer sei schuldig gesprochen worden, obwohl er nichts gemacht hätte.

Mit Eingabe vom 19.06.2019 brachte der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme zu den ihm anlässlich der Einvernahme ausgehändigten Länderberichten ein, in welcher er ausführte, er sei mit zehn Jahren nach Österreich gekommen und wisse nicht, wie das Leben in Tschetschenien sei. Ihm sei nur bekannt, dass er einen Onkel und eine Tante im Heimatland habe, zu denen er jedoch nicht in Kontakt stehe. Er wisse überhaupt nicht, wie er dort leben könnte. Er sei in Österreich groß geworden und beherrsche Deutsch besser als seine Muttersprache Tschetschenisch. Der Beschwerdeführer erachte sich als sehr gefährdet, da er aus Tschetschenien geflohen wäre und es laut NGOs immer wieder zu Gewalt und Menschenrechtsverletzungen komme. Der Beschwerdeführer wünsche sich, dass er sein Leben in Österreich, das mittlerweile schon seine Heimat geworden wäre, leben dürfe; all seine Freunde und die Familie würden hier leben. Der Beschwerdeführer wolle seine Zukunft weiterhin hier aufbauen und seine begonnene Ausbildung zum Koch fertigmachen.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24.06.2019 wurde dem Beschwerdeführer in Spruchteil I. der ihm mit Entscheidung vom 05.05.2008 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 idgF aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG wurde festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme. In Spruchteil II. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, weiters wurde ihm in Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Darüber hinaus wurde gegen den Beschwerdeführer in Spruchpunkt IV. gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG idgF erlassen, in Spruchpunkt V. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei und in Spruchpunkt VI. ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Die Entscheidung über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten wurde darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland keine Gefährdungs- bzw. Bedrohungslage zu befürchten hätte. Eine aktuelle bzw. individuelle Furcht vor Verfolgung habe dieser nicht glaubhaft machen können. Dieser habe in seiner Einvernahme in Bezug auf sein Heimatland keine konkreten aktuellen bzw. individuellen Fluchtgründe vorgebracht. Da der Beschwerdeführer aufgrund seiner Straffälligkeit nicht mehr ins Familienverfahren falle, habe sich dessen subjektive Lage maßgeblich geändert. Auch könne den Länderberichten entnommen werden, dass sich die objektive Lage im Heimatland maßgeblich geändert hätte und es gäbe keine aktuellen Hinweise einer individuellen Gefährdungs- bzw. Bedrohungslage seiner Person. Da "eben ehemalige Unterstützer" keiner Verfolgung ausgesetzt seien, lasse sich eine enorme Verbesserung der Lage im Heimatland feststellen. Aufgrund der Ausführungen des Beschwerdeführers im Verfahren habe schließlich festgestellt werden können, dass er im Falle einer Rückkehr keine Gefährdungs- oder Bedrohungslage zu befürchten hätte. In rechtlicher Hinsicht wurde erwogen, dass die früher bestandenen Voraussetzungen für eine Schutzgewährung aufgrund eines Familienverfahrens unter Verweis auf das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.07.2017, Zahl L5151 1235454-3, nicht mehr vorliegen würden, der Beschwerdeführer eine individuelle Gefährdungslage nicht glaubhaft habe darstellen können und demnach kein Grund mehr zur weiteren Gewährung des Asylstatus bestehe, sodass der Status gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 abzuerkennen gewesen wäre. Auch habe angesichts der wiederholten Straffälligkeit und jeweils raschen Rückfälligkeit keine positive Zukunftsprognose getroffen werden können.

Der Beschwerdeführer könnte seinen Lebensunterhalt in der Russischen Föderation entgegen seinen Befürchtungen eigenständig bestreiten und würde dort Arbeitsmöglichkeiten sowie familiäre Unterstützungsmöglichkeiten vorfinden. Der Beschwerdeführer sei jung und gesund und habe durch seine dort lebende Tante und seinen Onkel familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat. Zudem könnte er auf Unterstützung durch seine in Österreich lebenden Angehörigen zurückgreifen. Der Beschwerdeführer habe einen Teil seines Lebens in Tschetschenien verbracht, sei innerhalb eines tschetschenischen Familienverbandes aufgewachsen und somit mit der Sprache und den Gepflogenheiten seines Heimatlandes vertraut. Da im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers auch keine allgemeine Gefährdungslage gegeben sei, hätten auch keine Gründe für die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten festgestellt werden können.

Hinweise auf das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 hätten sich ebenfalls nicht ergeben.

In Österreich hielten sich die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers als Asylberechtigte auf, mit denen der Beschwerdeführer nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Somit ergebe sich auch kein schützenswertes Privatleben, zumal der Beschwerdeführer Bindungen zu seinen Familienmitgliedern hätte glaubhaft machen müssen, was jedoch nicht der Fall gewesen wäre. Der Beschwerdeführer weise Deutschkenntnisse auf, sei in Österreich jedoch noch nie einer Arbeit nachgegangen und hätte auch sonst keine nennenswerten Bindungen vorgebracht, welche einer Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstünden. Der Beschwerdeführer sei in Österreich wegen Körperverletzung und schwerer Körperverletzung rechtskräftig verurteilt worden, sein Verhalten stelle daher eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar. Für die Behörde sei ersichtlich, dass der Beschwerdeführer von der österreichischen Rechtsordnung offenbar nichts halte und es sei nicht vorhersehbar, gegen welche Person sich seine Gewaltbereitschaft als Nächstes richten werde. Der Ausspruch einer Rückkehrentscheidung begründe demnach keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung des Familien- und Privatlebens.

5. Mit am 19.07.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangtem Schriftsatz wurde durch die nunmehr bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer befinde sich seit seinem elften Lebensjahr und somit mehr als die Hälfte seines Lebens in Österreich. Seine strafrechtswidrigen Taten bereue er zutiefst und habe sich vorgenommen, nie wieder straffällig zu werden. Die gesamte Familie des Beschwerdeführers lebe in Österreich und sei ebenfalls asylberechtigt. Der Beschwerdeführer sei in Österreich aufgewachsen, habe hier die Schule abgeschossen, sei hier bestens integriert und könne sich ein Leben in der Russischen Föderation nicht mehr vorstellen. Die Behörde habe im vorliegenden Verfahren keine Prüfung dessen vorgenommen, ob die Umstände, auf Grund deren der Beschwerdeführer als Flüchtling anerkannt worden wäre, noch bestehen oder nicht; insbesondere sei eine Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen des Vaters des Beschwerdeführers mit keinem Wort erfolgt. Die Behörde stütze die Aberkennung des Status des Asylberechtigten fallgegenständlich auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG. Soweit sie den Endigungsgrund des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK bejahe, verkenne sie, dass die Verlusttatbestände des Art. 1 Abschnitt C GFK Ausdruck des Entfalles der Schutzbedürftigkeit seien und sich im Wesentlichen auf den Wegfall von im Herkunftsstaat aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen bestandener Verfolgungsgefahr, nicht jedoch auf die im AsylG 2005 geregelten verfahrensrechtlichen Bestimmungen, zu denen auch jene über das Familienverfahren zählen würden, beziehen würden. Eine allfällige Veränderung in den Voraussetzungen, die zur abgeleiteten Asylgewährung im Rahmen des Familienverfahrens geführt hätten, lasse sich daher nicht unter den Aberkennungstatbestand des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK subsumieren. Da die Behörde die Aberkennung nicht auf § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 stütze, sei die von der Behörde getroffene Zukunftsprognose völlig irrelevant, nichtsdestotrotz wolle der Beschwerdeführer darauf verweisen, dass er jedenfalls keine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Überdies wolle der Beschwerdeführer vorbringen, dass er sehr wohl eigene Fluchtgründe dargelegt hätte und überzeugter Gegner der Politik Kadyrows sei. Er habe in Österreich bereits an kritischen Demonstrationen gegen das tschetschenische Regime teilgenommen und fürchte aus diesem Grund im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation asylrelevante Verfolgung. Zudem sei der Beschwerdeführer Teil der Familie seines Vaters und befürchte auch aus diesem Grund asylrelevant verfolgt zu werden. Dem Beschwerdeführer drohe bei einer Rückkehr zudem jedenfalls eine Verletzung seiner in Art. 2 und 3 EMRK garantierten Rechte. Er spreche nur umgangssprachlich Tschetschenisch und kaum Russisch, könne weder Tschetschenisch noch Russisch schreiben, habe mehr als die Hälfte des Lebens in Österreich verbracht und habe in Russland keine Kernfamilie und kein soziales Netz. Ein Ausschlussgrund gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 liege nicht vor, sodass dem Beschwerdeführer jedenfalls der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen wäre. Der Beschwerdeführer sei seit fast zwölf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Die Behörde verkenne, dass dieser immer noch über ein schützenswertes Familienleben mit seinen Eltern verfüge, da er mit diesen engen Kontakt pflege und eine gegenseitige finanzielle Abhängigkeit bestehe. Zudem sei die Mutter des Beschwerdeführers psychisch schwer krank und benötige auch aus diesem Grund die regelmäßige Unterstützung ihres Sohnes. Auch die Beziehung des Beschwerdeführers zu seinen Geschwistern sei als Privatleben durch Art. 8 EMRK geschützt. Zudem habe der Beschwerdeführer seit etwa eineinhalb Jahren eine Freundin, welche österreichische Staatsbürgerin sei. Der Beschwerdeführer sei in Österreich sozial und wirtschaftlich integriert, habe hier den Pflichtschulabschluss gemacht und plane, künftig eine Lehre als Koch zu absolvieren oder sofort eine Arbeitsstelle zu suchen. Der Beschwerdeführer sei in Österreich zwar bereits dreimal verurteilt worden, allerdings seien die Verurteilungen in die Zuständigkeit des Bezirksgerichts gefallen und der Beschwerdeführer bereue seine Taten zutiefst. Die Behörde habe die Erlassung der Rückkehrentscheidung teils mit Straftaten begründet, welche der Beschwerdeführer nicht begangen hätte und unzutreffend ausgeführt, dass dieser sich aktuell in Untersuchungshaft befinde. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei daher unverhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK.

Der Beschwerde beiliegend wurden Kopien des Reisepasses und des Meldezettels der Freundin des Beschwerdeführers, das Zeugnis über die Pflichtschulabschlussprüfung des Beschwerdeführers aus Dezember 2014, Bestätigungen von " XXXX ", diverse Unterstützungsschreiben aus dem sozialen Umfeld des Beschwerdeführers sowie ein ärztlicher Befund betreffend die Mutter des Beschwerdeführers übermittelt.

6. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 26.07.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Da sich die gegenständliche zulässige und rechtzeitige Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG zur Entscheidung zuständig.

Zu Spruchteil A) Zurückverweisung der Rechtssache:

2.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend wie folgt festgehalten (VwGH vom 06.07.2016, Ra 2015/01/0123):

"In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg cit vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN)."

2.2. Im gegenständlichen Fall war dem aus der Russischen Föderation (Tschetschenien) stammenden Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht aufgrund eigener Verfolgungsgründe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, sondern nach den nationalen Bestimmungen des Familienverfahrens gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005, abgeleitet vom Asylstatus seines Vaters, XXXX , (IFA-Zahl: 39188109), zuerkannt worden.

2.2.1. Zur Begründung der Aberkennung des derart zuerkannten Status unter Anwendung der "Wegfall der Umstände"-Klausel des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK vertrat die Behörde im angefochtenen Bescheid vereinfacht gesagt die Ansicht, dass die Gründe für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten im Falle des Beschwerdeführers einerseits aufgrund dessen Straffälligkeit, welche ihn gemäß § 34 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 zum nunmehrigen Zeitpunkt von der Ableitung eines Status im Rahmen eines Familienverfahrens ausschließen würde, weggefallen seien und dieser zudem keine aktuelle individuelle asylrelevante Verfolgung in seinem Herkunftsstaat zu befürchten habe.

2.2.1.1. Jener vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vertretenen Rechtsansicht ist der Verwaltungsgerichtshof in seiner zwischenzeitig ergangenen Entscheidung vom 23.10.2019, Ra 2019/19/0059-6, nicht gefolgt; der Verwaltungsgerichtshof führte in jenem Erkenntnis näher aus (vgl. Rz 24 f), dass es auf die Frage, ob einem Familienangehörigen im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung iSd § 3 Abs. 1 AsylG 2005 drohe, für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nach § 34 Abs. 2 AsylG 2005 gerade nicht ankomme und es daher den Bestimmungen des § 34 AsylG 2005 über das Familienverfahren zuwiderlaufen würde, wenn für die Frage, ob der nach diesen Bestimmungen zuerkannte Status des Asylberechtigten abzuerkennen sei, auf das Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgung beim Familienangehörigen abgestellt würde. Ebenso wenig sei für die Asylaberkennung in einem solchen Fall maßgeblich, ob alle Voraussetzungen des § 34 AsylG 2005 für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten im Familienverfahren (also etwa die im Revisionsfall, wie auch im vorliegenden Beschwerdefall, nicht mehr gegebene fehlende Straffälligkeit iSd § 34 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005) noch vorliegen. Auch gebe es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber die auf Grund des Verweises in § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 anzuwendende (völkerrechtliche) Beendigungsklausel des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK auf eine nationalstaatliche Regelung wie jene des § 34 AsylG 2005, welche die Anerkennung als Flüchtling gerade unabhängig von den Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorsehe, angewendet wissen wollte.

In Bezug auf die Anwendung der "Wegfall der Umstände"-Klausel in Fällen der Aberkennung eines Status des Asylberechtigten, welcher ursprünglich abgeleitet von einem Familienangehörigen zuerkannt worden war, führte der Verwaltungsgerichtshof in der erwähnten Entscheidung (vgl. Rz 26 ff) weiter aus, dass die in Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK vorgesehene "Wegfall der Umstände"-Klausel im Unterschied zu allen anderen Aberkennungstatbeständen des § 7 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gesondert für einen Familienangehörigen, der seinen Asylstatus von einer Bezugsperson abgeleitet hat, geprüft werden kann. Es sei nämlich bei einer Person, welcher die Flüchtlingseigenschaft unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK zukommt, der Wegfall solcher Umstände von vornherein nicht denkbar.

Dies würde aber dazu führen, dass der Aberkennungstatbestand des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK hinsichtlich von Personen, denen der Status des Asylberechtigten im Familienverfahren (bzw. durch Asylerstreckung) zuerkannt wurde, ins Leere liefe. Familienangehörigen könnte dieser Status also selbst dann nicht aberkannt werden, wenn sich die Umstände, auf Grund deren ihre Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und die Bezugsperson es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen. Es kann dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden, dass er eine solche Rechtsfolge bei der Ersetzung der Asylerstreckung durch das Familienverfahren durch die AsylG-Novelle 2003 trotz der ersatzlosen Aufhebung des auf die Asylerstreckung Bezug nehmenden Aberkennungstatbestandes des § 14 Abs. 1 Z 2 AsylG bewirken wollte.

Die Beendigungsklauseln des Art. 1 Abschnitt C GFK beruhen auf der Überlegung, dass internationaler Schutz nicht mehr gewährt werden sollte, wo er nicht mehr erforderlich oder nicht mehr gerechtfertigt ist. Bei der "Wegfall der Umstände"-Klausel sei dies dann der Fall, wenn die Gründe, die dazu führten, dass eine Person ein Flüchtling wurde, nicht mehr bestehen. Zweck der Regelungen über das Familienverfahren nach dem AsylG 2005 sei es, Familienangehörigen die Fortsetzung des Familienlebens mit einer Bezugsperson in Österreich zu ermöglichen. Bestehen jene Umstände, auf Grund deren die Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr, und könne es die Bezugsperson daher nicht weiterhin ablehnen, sich unter den Schutz ihres Heimatstaates zu stellen, bestehe weder nach dem Zweck des internationalen Flüchtlingsschutzes noch nach jenem des Familienverfahrens nach dem AsylG 2005 eine Rechtfertigung dafür, den Asylstatus des Familienangehörigen, der diesen Status von der Bezugsperson nur abgeleitet hat, aufrecht zu erhalten.

Für die Aberkennung des einem Familienangehörigen im Familienverfahren (bzw. durch Asylerstreckung) zuerkannten Status des Asylberechtigten wegen Wegfalls der fluchtauslösenden Umstände komme es also darauf an, ob die Umstände, auf Grund deren die Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und es diese daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen. Diese Frage habe die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) ohne Bindung an eine allfällige diesbezügliche Entscheidung im Verfahren über die Aberkennung des Asylstatus des Familienangehörigen selbstständig zu beurteilen.

Gelange die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) in so einem Fall zu der Beurteilung, dass die in Rn. 29 genannten Umstände nicht mehr vorliegen, ist der Asylstatus eines Familienangehörigen, dem dieser Status im Familienverfahren (bzw. durch Asylerstreckung) zuerkannt worden ist, abzuerkennen, sofern im Entscheidungszeitpunkt hinsichtlich des Familienangehörigen nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (drohende Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) vorliegen (vgl. in diesem Sinn auch EuGH 2.3.2010, C-175/08 u. a., Aydin Salahadin Abdulla u.a., Rn. 81 ff).

2.2.1.2. Das gegenständliche Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten wegen Wegfalls der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, weist vor dem Hintergrund der eben zitierten Judikatur insofern einen gravierenden Mangel auf, als die Behörde keine erkennbaren Feststellungen dahingehend, ob der Vater des Beschwerdeführers - von welchem dieser seinen Status abgeleitet hat - in der Russischen Föderation unverändert einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt ist, getroffen hat. Die Behörde stützte die Aberkennung des Status des Asylberechtigen des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid ausschließlich auf den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK, für dessen Anwendung in der vorliegenden Konstellation laut der dargestellten Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich auf den Wegfall der Verfolgungsgefahr beim Vater des zwischenzeitig volljährigen Beschwerdeführers abzustellen gewesen wäre. Wenn auch den Feststellungen der Behörde, wonach im Falle des Beschwerdeführers zum Entscheidungszeitpunkt keine asylrelevante Verfolgung seiner eigenen Person anzunehmen ist, grundsätzlich beizupflichten ist, so fehlen, wie dargelegt, die entscheidungsrelevanten Feststellungen in Bezug auf eine unverändert vorliegende asylrelevante Gefährdung des Vaters des Beschwerdeführers. Insofern hat die Behörde fallgegenständlich lediglich ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt, um den für eine Aberkennung des Asylstatus wegen Wegfalls der Umstände relevanten Sachverhalt festzustellen.

Zu dem für das gegenständliche Verfahren entscheidungsmaßgeblichen Aspekt einer beim Vater des Beschwerdeführers unverändert vorliegenden asylrelevanten Sachverhalt tätigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keinerlei Ermittlungen. Im Verwaltungsakt liegt weder der Bescheid, mit welchem dem Vater des Beschwerdeführers der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, ein, noch finden sich Einvernahmeprotokolle oder sonstige Unterlagen, welche Rückschluss auf die Fluchtgründe des Vaters des Beschwerdeführers zulassen würden. Die entscheidungsmaßgebliche Frage, ob bei der Bezugsperson des Beschwerdeführers unverändert eine asylrelevante Gefahr vorliegt, wurde im Verfahren vor der Behörde nicht ansatzweise behandelt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat im gegenständlichen Beschwerdeverfahren amtswegig in den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 05.05.2008, mit welchem dem Vater des Beschwerdeführers der Asylstatus gewährt worden war, Einsicht genommen, aus welchem sich ergibt, dass dem Genannten der Asylstatus ursprünglich wegen einer ihm durch die Behörden des Heimatstaates vorgeworfenen Kooperation mit tschetschenischen Widerstandskämpfern und einer in diesem Zusammenhang erlittenen Gefangenschaft zuerkannt worden war. Aus einer personenbezogenen Anfrage im Informationssystem Zentrales Fremdenregister ergab sich weiters, dass der Asylstatus des Vaters des Beschwerdeführers unverändert aufrecht ist.

Bei der ausgehend davon erforderlichen erstmaligen Prüfung und Feststellung, ob beim Vater des Beschwerdeführers unverändert eine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat vorliegt, würde es sich nicht lediglich um ergänzende Ermittlungen handeln. Vielmehr würde hierfür der für das gegenständliche Verfahren zentrale Sachverhalt zur Gänze erstmals im Beschwerdeverfahren ermittelt werden, zumal, wie dargelegt, die entscheidungsmaßgebliche Beurteilung im Verfahren vor der Behörde (wenn auch - angesichts der erst nach Bescheiderlassung erfolgten rechtlichen Klarstellung durch den Verwaltungsgerichtshof - unverschuldet) vollends ausgeklammert worden war. Auch vor dem Hintergrund, dass, sollte sich im Falle des Vaters ein Wegfall der Verfolgungsgefahr ergeben, ein mögliches Aberkennungsverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einzuleiten wäre, erscheint es zielführend, die entsprechenden Ermittlungen auf Behördenebene vorzunehmen.

Die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens bzw. die Nachholung der fehlenden Feststellungen durch das Bundesverwaltungsgericht selbst wäre demnach fallgegenständlich weder im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden (vgl. VwGH 18.4.2018, Ra 2018/22/0015), zumal dem angefochtenen Bescheid, wie dargelegt, im vorliegenden Fall überhaupt keine Feststellungen zu den ursprünglichen Gründen für die Zuerkennung des Asylstatus an den Vater des Beschwerdeführers und des unveränderten Bestehens derselben entnommen werden können, sodass der für das gegenständliche Verfahren relevante Sachverhalt - welcher allenfalls gleichzeitig die Grundlage für ein Aberkennungsverfahren in Bezug auf eine Person, welche nicht Partei des gegenständlichen Verfahren ist, bilden könnte - zur Gänze erstmals im Beschwerdeverfahren ermittelt werden müsste.

2.2.2. Die Behörde hat die Aberkennung des Asylstatus fallgegenständlich ausschließlich auf den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG gestützt und keine möglichen weiteren Aberkennungsgründe geprüft. Diesbezüglich ist vollständigkeitshalber festzuhalten, dass sich dem Akteninhalt kein Hinweis auf einen allenfalls vorliegenden alternativen Aberkennungstatbestand entnehmen lässt. Im Akt finden sich keine Ausfertigungen der gegen den Beschwerdeführer ergangenen Strafurteile, doch ist in Anbetracht der im Strafregister der Republik Österreich ersichtlichen Eintragungen prima facie nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer "ein besonders schweres Verbrechen" im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 begangen hat. Dieser weist zwei Verurteilungen wegen Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB sowie eine Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB auf, wobei die höchste verhängte Strafe eine unter Setzung einer Probezeit zur Gänze bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe in der Höhe von sechs Monaten gewesen ist, sodass die vorliegenden Verurteilungen den vom Verwaltungsgerichtshof restriktiv ausgelegten Aberkennungstatbestand des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 wohl nicht erfüllen.

2.2.3. Darüber hinaus hat sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch mit der privaten und familiären Situation des Beschwerdeführers unzureichend befasst. Vor dem Hintergrund, dass dieser seit dem Jahr 2007 infolge seiner im zwölften Lebensjahr erfolgten Einreise durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig ist, wäre - auch vor dem Hintergrund der zwar mehrfachen, jedoch vergleichsweise geringfügigen - Straftaten eine eingehendere Auseinandersetzung mit den privaten und familiären Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie den Umständen der begangenen Straftaten von Nöten gewesen, um eine ausreichende Beurteilungsgrundlage für die im Sinne des Art. 8 EMRK durchzuführende Interessensabwägung zu gewinnen. Die im angefochtenen Bescheid vertretene Ansicht, die Beziehungen des volljährigen Beschwerdeführers zu seinen Eltern und Geschwistern seien bereits deshalb nicht als schützenswert zu erachten, da dieser mit seinen Angehörigen in keinem gemeinsamen Haushalt lebt (Bescheid, Seite 77), greift jedenfalls zu kurz. Eine nähere Befragung des Beschwerdeführers zur Intensität seiner familiären Bindungen im Bundesgebiet hat jedoch nicht stattgefunden.

Anzumerken ist weiters, dass der angefochtene Bescheid an mehreren Stellen auf die Begründung für die Erlassung eines Einreiseverbotes verweist (vgl. Bescheid, Seiten 7,71), ein solches jedoch im Spruch nicht verhängt worden ist

2.3. Angesichts der dargelegten gravierenden Ermittlungslücken erscheint eine sachgerechte Beurteilung der Beschwerde hinsichtlich der ausgesprochenen Aberkennung des Status des Asylberechtigten, der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie der erlassenen Rückkehrentscheidung auf Grundlage der Ermittlungsergebnisse der belangten Behörde als völlig ausgeschlossen, wobei hinsichtlich dieser Beurteilung ein vom bekämpften Bescheid abweichendes Ergebnis nicht auszuschließen ist.

Der angefochtene Bescheid der belangten Behörde und das diesem zugrunde liegende Aberkennungsverfahren ist im Ergebnis daher so mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde geboten erscheint, wobei sich im konkreten Fall erst nach einem nachvollziehbaren Ermittlungsverfahren ergeben wird, ob im vom Bundesamt eingeleiteten Aberkennungsverfahren die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 AsylG 2005 tatsächlich vorliegen und die (allfällige) Erlassung eines neuen Bescheides zulassen. Diesbezüglich erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde jedenfalls noch als völlig ungeklärt.

2.4. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der gegenständliche Bescheid aufzuheben ist, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W111.2221752.1.00

Zuletzt aktualisiert am

23.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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