TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/13 95/19/1570

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Veröffentlicht am 13.03.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/19/1571 95/19/1572 95/19/1573 95/19/1574

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerden 1. des M K, geb. 1988,

2. des Me K, geb. 1984, 3. der H K, geb. 1963, 4. der E K, geb. 1982 und 5. des Ed K, geb. 1986, alle in H, die erst-, zweit-, viert- und fünftbeschwerdeführenden Parteien vertreten durch den Vater H K, dieser und die drittbeschwerdeführende Partei vertreten durch DDr. H E, Rechtsanwalt in S, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 29. September 1995, 1. Zl. 301.656/9-III/11/95,

2.

Zl. 301.656/11-III/11/95, 3. Zl. 301.656/7-III/11/95,

4.

Zl. 301.656/10-III/11/95 und 5. Zl. 301.656/8-III/11/95, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide betreffend die erst-, zweit-, viert- und fünftbeschwerdeführende Partei werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes, der angefochtene Bescheid betreffend die drittbeschwerdeführende Partei (H K) wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Die zur hg. Zl. 95/19/1572 beschwerdeführende Partei ist die Ehefrau, die anderen beschwerdeführenden Parteien sind die Kinder des in Österreich lebenden H K. Dieser verfügte aktenkundig über einen Wiedereinreisesichtvermerk bis 14. Mai 1995 sowie eine Arbeitserlaubnis bis zum 17. Mai 1995. 1.2. Alle beschwerdeführenden Parteien beriefen sich in ihren am 22. November 1994 bei der Erstbehörde eingelangten "Erstanträgen" auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung hinsichtlich der in Österreich verfügbaren eigenen Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf das Einkommen des Vaters bzw. Ehemannes. Sie legten diesbezüglich eine Lohnbestätigung für Mai 1994 (ohne Familienbeihilfe bzw. Kinderabsetzbetrag) in der Höhe von S 11.302,-- (netto) sowie eine weitere Bestätigung vor, wonach für die beschwerdeführenden Parteien eine unentgeltliche Wohnmöglichkeit bestehe. Weiters legten sie eine "Verpflichtungserklärung" des Vaters bzw. Ehegatten vor, in der ein Monatseinkommen von S 19.000,-- brutto erwähnt ist.

Die Erstbehörde forderte mit Schreiben vom 3. Februar 1995 alle beschwerdeführenden Parteien auf, zur Frage des ausreichenden Lebensunterhaltes Stellung zu nehmen. Nach den Sozialhilferichtsätzen des Landes Oberösterreich sei ein monatliches Nettoeinkommen von S 14.750,-- zur Deckung des Bedarfes heranzuziehen, dem sei ein monatliches Nettoeinkommen von S 11.302,-- gegenüberzustellen. Der Lebensunterhalt erscheine daher für die beschwerdeführenden Parteien nicht gesichert.

Nachdem eine inhaltliche Stellungnahme hiezu nicht erfolgte, wies die Behörde erster Instanz die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab.

1.3. In ihrer dagegen erhobenen gemeinsamen Berufung brachten die beschwerdeführenden Parteien vor, daß sie zum Lebensunterhalt über ein Einkommen verfügten, das über den Sozialhilfesätzen des Landes Oberösterreich liege. Sie legten mit ihrer Berufung einen Bescheid der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt vom 8. März 1995 vor, wonach infolge eines am 16. August 1994 erlittenen Arbeitsunfalles dem Vater bzw. Ehemann der beschwerdeführenden Parteien ab dem 15. Februar 1995 eine Versehrtenrente mit Zusatzrente und Kinderzuschuß in der Höhe von monatlich S 22.377,10 gewährt werde. Nach dem Text dieses Bescheides kommen die Ruhensbestimmungen gemäß § 90a ASVG zur Anwendung und wird die Versehrtenrente als vorläufige Rente gemäß § 209 Abs. 1 ASVG gewährt. Weiters legten die beschwerdeführenden Parteien ihrer Berufung eine Bestätigung über eine kostenlose Wohnmöglichkeit bei.

Vor Vorlage der Akten an die belangte Behörde hielt die Erstbehörde in einem Aktenvermerk vom 10. Mai 1995 fest, daß die derzeitige Versehrtenrente eine Heilverfahrensrente sei, welche ab der 27. Krankenstandswoche ausbezahlt werde. Die Ausbezahlung einer Dauerrente sei erst nach ca. zwei Jahren, ab dem Zeitpunkt des Arbeitsunfalles, möglich. Weiters werde von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt mitgeteilt, daß der Vater bzw. Ehemann der beschwerdeführenden Parteien seit 8. Mai 1995 arbeitsfähig sei.

1.4. Mit den vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge der beschwerdeführenden Parteien gestützt auf § 5 Abs. 1 AufG ab. Hinsichtlich der erst-, zweit-, viert- und fünftbeschwerdeführenden Partei stützte sie ihre Abweisung noch auf § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 3 AufG. Unter Berücksichtigung des Sozialhilferichtsatzes für Oberösterreich sei von einem Familieneinkommen in der Höhe von S 14.750,-- zur Deckung des Unterhaltes auszugehen. Da die jeweils beschwerdeführende Partei jedoch nur S 351,-- täglich an Krankengeld des Vaters bzw. Ehemannes an Unterhaltsmitteln belegt habe, erscheine der Unterhalt als nicht gesichert. Im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen habe die Berufungsbehörde "festgestellt", daß unter Abwägung der persönlichen Interessen der beschwerdeführenden Parteien mit den öffentlichen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK die öffentlichen Interessen überwiegen.

Bei der erst-, zweit-, viert- und fünftbeschwerdeführenden Partei wurde zusätzlich begründend noch darauf verwiesen, daß der Antrag der drittbeschwerdeführenden Partei (der Mutter) abgewiesen worden sei. Zwar sei als Aufenthaltszweck die Familiengemeinschaft mit den Eltern angegeben worden und befinde sich auch der Vater im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung, doch richte sich das Ansuchen nach dem der Mutter, da gerade die Mutter es sein werde, die den Haushalt versorge, da dies dem Vater aufgrund seiner Erkrankung nicht möglich sein werde.

1.5. Die beschwerdeführenden Parteien bekämpfen die Bescheide der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres rechtlichen, sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

2.1. Die erst-, zweit-, viert- und fünftbeschwerdeführenden Parteien haben in ihrem Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz als Aufenthaltszweck die Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit Vater und Mutter angegeben.

Gemäß § 4 Abs. 3 AufG ist eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen, wie die der Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles oder Kindes.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG ist ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 AufG rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als zwei Jahren ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich haben, eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund vorliegt.

Die belangte Behörde ist in den angefochtenen Bescheiden betreffend die Kinder davon ausgegangen, daß der Vater über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt. Mit ihrer Ansicht, wonach sich die Aufenthaltsbewilligung der Kinder nur nach der der Mutter richte, hat sie im Hinblick auf den Aufenthaltszweck den rechtlichen Gehalt der Regelung des § 4 Abs. 3 AufG verkannt. Aus dem diesbezüglich unzweifelhaften Regelungsgehalt ist im Falle, daß sich die angestrebte Bewilligung auf die Familienzusammenführung (auch) mit dem Vater bezieht, keine Befugnis der Behörden zu einer dem entgegenstehenden Bevorzugung der Mutter ableitbar (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur die hg. Erkenntnisse vom 14. Februar 1997, Zl. 95/19/1777, vom 30. Mai 1997, Zl. 96/19/2247 und vom 19. Dezember 1997, Zl. 96/19/1660). Mit der Frage, ob die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG im Hinblick auf den Vater vorliegen oder ob dies nicht der Fall ist, hat sich die belangte Behörde ausgehend von ihrer verfehlten Rechtsansicht nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Sie hat daher insoweit - sieht man von der oben wiedergegebenen Feststellung über den Besitz einer Aufenthaltsbewilligung ab - hiezu auch keine (weiteren) Feststellungen getroffen, sodaß das Verfahren in dieser Frage mangelhaft geblieben ist.

2.2. Die belangte Behörde hat ihre Bescheide aber hinsichtlich aller beschwerdeführenden Parteien noch auf § 5 Abs. 1 AufG gestützt. Nach dieser Bestimmung darf Fremden unter anderem dann keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden, wenn deren Lebensunterhalt in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde von sich aus (initiativ) zu belegen, daß er über die zur Bestreitung seines Unterhaltes erforderlichen Mittel verfügt. Nur dadurch kommt er seiner Obliegenheit gemäß § 6 Abs. 1 AufG nach, glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 leg. cit. vorliegt. Im Hinblick auf diese Verpflichtung zur initiativen Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse darf die Behörde auch im Berufungsverfahren ohne entsprechenden Vorhalt von den von Fremden in seinem Bewilligungsantrag und im folgenden Verwaltungsverfahren von sich aus bekanntgegebenen Unterhaltsmitteln ausgehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zlen. 96/19/2559, 2560, 2561, mwN).

Die belangte Behörde hat nun - ebenso wie bereits die Behörde erster Instanz - das für den Lebensunterhalt notwendige Einkommen mit S 14.750,-- angenommen. Sie ist dabei offenbar der Verordnung der Oberösterreichischen Landesregierung vom 19. Dezember 1994, mit der die Sozialhilfeverordnung 1993 geändert wird, Landesgesetzblatt für Oberösterreich Nr. 115/1994, gefolgt. Die Beschwerdeführer haben aber in ihrer Berufung ein diesen Richtsatz übersteigendes Einkommen behauptet und diesbezüglich die Ablichtung eines Bescheides der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt zum Nachweis vorgelegt.

Die belangte Behörde hat sich weder mit dem Vorbringen noch mit der Urkunde näher befaßt; sie ist (ohne daß ein diesbezüglicher an die beschwerdeführenden Parteien gerichteter Vorhalt im Berufungsverfahren aktenkundig wäre) von einem zur Verfügung stehenden Betrag von S 351,-- (täglich) ausgegangen, der als Krankengeld des Vaters bzw. Ehemannes zur Deckung des Lebensunterhaltes ausschließlich zur Verfügung stehe.

Schon dadurch, daß sich die belangte Behörde mit dem Berufungsvorbringen und der zu dessen Dartuung angebotenen Urkunde nicht auseinandergesetzt hat, hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit einem Begründungsmangel behaftet, da dadurch der Verwaltungsgerichtshof gehindert wurde, die inhaltliche Rechtmäßigkeit des Bescheides aufgrund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu prüfen, wobei die Wesentlichkeit dieses Verfahrensmangels im Beschwerdefall keiner weiteren Begründung bedarf.

Im Hinblick darauf, daß es die belangte Behörde unterlassen hat, den beschwerdeführenden Parteien zu ihrer vom Berufungsvorbringen abweichenden Feststellung Gehör einzuräumen, waren diese nicht durch § 41 VwGG gehindert, vor dem Verwaltungsgerichtshof zum Vorliegen eines Verfahrensmagels Stellung zu nehmen. Sie haben insoweit darauf verwiesen, daß der Vater bzw. Ehemann der beschwerdeführenden Parteien noch weitere Leistungen erhalten hat. Die beschwerdeführenden Parteien nennen insoweit den Betrag von insgesamt S 25.478,50 monatlich netto, welcher somit den von der belangten Behörde herangezogenen Betrag zur Deckung des Lebensunterhaltes eindeutig übersteigt. Die beschwerdeführenden Parteien haben somit zutreffend auf die Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes hingewiesen. Diese Ergänzungsbedürftigkeit liegt - ungeachtet der eingangs erwähnten Mitwirkungspflicht der Parteien - dann vor, wenn die Berufungsbehörde eigene - vom (belegten) Parteivorbringen abweichende - Feststellungen zu Ungunsten der Partei trifft. Tut sie dies, hat sie umfassend zu ermitteln und der Partei Gehör einzuräumen.

Die belangte Behörde hat somit insoweit die bekämpften Bescheide mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Auf das weitere Beschwerdevorbringen betreffend die Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 MRK war nicht weiter einzugehen, da diese erst dann anzustellen ist, wenn über das Vorliegen des hier gebrauchten Versagungsgrundes Klarheit besteht.

2.3. Der Bescheid der belangten Behörde hinsichtlich der drittbeschwerdeführenden Partei war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben; die die anderen beschwerdeführenden Parteien betreffenden Bescheide waren, da die Rechtswidrigkeit des Inhaltes der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.4. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995191570.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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