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StVONorm
StVO 1960 §2 Abs1 Z26Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Porias, und die Hofräte Dr. Vejhorny, Dr. Kaniak, Dr. Umshaus und Dr. Striebl als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialoberkommissärs Dr. Svoboda, über die Beschwerde des Dr. Peter S in I gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 12. Februar 1963, Zl. II b - 1901/1-62, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Bundes-Polizeidirektion Innsbruck verhängte über Dr. Peter S mit Strafverfügung vom 3. Oktober 1962 gemäß § 99 Abs. 3 a StVO. 1960 eine Geldstrafe von S 100,--, weil er am 28. September 1962 gegen 13.40 Uhr in Innsbruck, Kochstraße, südliche Fahrbahnseite, den Personenkraftwagen T... trotz des dort zur Zeit der Innsbrucker Herbstmesse bestehenden und gut sichtbar gekennzeichneten Halteverbotes vorschriftswidrig abgestellt habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 1 a StVO begangen. Der Beschwerdeführer erhob Einspruch mit der Begründung, es sei der strafbare Tatbestand nicht entsprechend dem Gesetz deutlich dargestellt worden (§ 41 Abs. 1 VStG). In der Sache brachte er vor, er habe deshalb sein Fahrzeug trotz Halte- und Parkverbot "zum Stillstand" gebracht, weil er zu seiner Überraschung eben beobachtet hätte, daß seine eigenen Kleinkinder ohne die erforderliche Begleitperson im Begriffe gewesen seien, die lebhaft frequentierte Kochstraße zu überschreiten. Er hätte demnach von seinen Kindern die drohende Gefahr abhalten müssen. Mit Straferkenntnis vom 20. November 1962 verhängte jedoch die Bundes-Polizeidirektion Innsbruck auf Grund eines gleichlautenden Spruches wie in der Strafverfügung eine Strafe in gleicher Höhe, in Anwendung der gleichen gesetzlichen Bestimmungen. Begründet wurde dieses Straferkenntnis unter anderen damit, es sei durch die Erhebungen der Behörde erwiesen, daß der Beschwerdeführer sein Fahrzeug nicht nur zum Stillstand gebracht, sondern ca. 4 bis 5 Minuten am Rande der Fahrbahn abgestellt habe. Während dieser Zeit sei weder jemand aus- noch eingestiegen. Ein Grund, das Fahrzeug im Halteverbotsbereich abzustellen, sei nicht erkennbar gewesen, weil die Kinder zur Tatzeit den südlichen Gehsteig benützt hätten. Wichtige Umstände seien nicht vorgelegen, weil sich das Kind des Beschwerdeführers ohnedies vorschriftsmäßig auf dem Gehsteig befunden habe. Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 12. Februar 1963 keine Folge. In der Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe zweifellos richtig gehandelt, wenn er die Kinder, die die Fahrbahn der Kochstraße überqueren wollten, sicherheitshalber auf den Gehsteig der Kochstraße durch Zurufe abdrängte. Rechtswidrig habe der Beschwerdeführer jedoch gehandelt, als er sein Fahrzeug dann in Bereiche des Halteverbotes 4 bis 5 Minuten abstellte, um seinen Kindern weitere Verhaltensmaßregeln zu erteilen. Wenn eine weitere Hilfeleistung erforderlich gewesen wäre, hätte einer der weiteren Autoinsassen zur erforderlichen Hilfeleistung oder Belehrung der Kinder aussteigen können. Der Beschwerdeführer sei demnach nicht gezwungen gewesen, 4 bis 5 Minuten im Halteverbotbereich anzuhalten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 24 Abs. 1 StVO 1960 ist das Halten und Parken im Bereich des entsprechenden Verbotszeichens (§ 52 Z. 13) verboten.
Nach § 2 Abs. 1 Z. 26 StVO. 1960 ist noch ein verkehrsbedingtes Stehenbleiben mit dem Fahrzeug, nämlich das "Anhalten" vorgesehen: Das durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungene Zum-Stillstand-Bringen eines Fahrzeuges. Wenn ein Anhalten nach § 2 Abs. 1 Z. 26 StVO 1960 vorgelegen wäre, wäre die Verhängung einer Strafe wegen Haltens im Bereich der Verbotszeichen gesetzeswidrig gewesen. lm vorliegenden Fall waren jedoch die gesetzlichen Gründe für ein verkehrsbedingtes Arthalten nicht gegeben. Denn daß das Anhalten im Falle des Beschwerdeführers durch die Verkehrslage erzwungen gewesen sei, wird nicht behauptet. Fraglich ist nur, ob die mögliche Gefährdung von noch auf dem Gehsteig befindlichen Kindern als sonstiger wichtiger Umstand im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung angesehen werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Meinung, daß sich diese Gesetzesstelle nur auf solche Umstände bezieht, die das betreffende Fahrzeug oder dessen Lenker in Verkehr unmittelbar betreffen, z.B. plötzlich auftretende Schmerzen, drohende Ohnmacht des Fahrers, plötzlich aufgetretene oder unmittelbar drohende Fahrzeugdefekte. Unter diese Bestimmung fällt aber nicht die Notwendigkeit des Anhaltens aus einem dem Straßenverkehr nicht unmittelbar berührenden Grunde. Daraufhin deuten auch die weiteren Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 19 60, insoweit in diesen vom "Anhalten" die Rede ist, wie z.B. § 4 Abs. 1, § 9 Abs. 4, § 10 Abs. 2 usw. Dagegen kann nicht eingewendet werden, daß bei enger Auslegung im Fall einer tatsachlich bestehenden Not ein Anhalten strafbar wäre. Denn für einen solchen Fall bietet § 6 VStG ausreichend Vorsorge: Eine Tat ist nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetze geboten oder erlaubt ist. Tatsächlich hat die belangte Behörde, wie sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt, dem Beschwerdeführer zugebilligt, zu halten, um eine drohende Gefahr von den verkehrsungewohnten Kindern abzuwenden. Die Behörde bringt dies durch die Worte zum Ausdruck, daß der Beschwerdeführer hiebei "zweifellos richtig" gehandelt habe. Ebenso muß der Behörde aber auch recht gegeben werden, daß eine Übertretung nur insoweit durch Notstand entschuldigt wird, als die Gefahr tatsächlich besteht und nicht auch ohne Begehung einer Verwaltungsübertretung abgewendet werden kann. Die Befragung der Kinder und ihre Belehrung waren in dieser Hinsicht nicht mehr unbedingt erforderlich, weil die ohnedies im Wagen befindliche Mutter der Kinder sofort hätte aussteigen und hiefür Vorsorge treffen können. Selbst wenn der Beschwerdeführer allein gewesen wäre, hätte die Gefahr durch sofortiges Einsteigenlassen der Kinder sogleich beseitigt and das an sich unzulässige Halten beendet werden können. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß die Behörde mit Recht ein Halten nur im unbedingt notwendigen Ausmaß, nicht aber für die Dauer von erzieherischen Belehrungen oder zur Befragung nach der Ursache der fehlenden Begleitung und dergleichen als zulässig erachtet hat. In diesem Ausmaß war des "Halten" entgegen der Bestimmung des § 24 Abs. 1 a StVO 1960 mangels Anwendbarkeit des § 6 VStG verboten.
Da der Sachverhalt dieses von der belangten Behörde als strafbar angenommene Verhalten genügend geklärt war, liegt auch der vom Beschwerdeführer gerügte Verfahrensmangel nicht vor. Im übrigen gilt gemäß § 49 Abs. 3 VStG der Einspruch als Rechtfertigung im Sinne des § 40 des Gesetzes. Es kann nicht behauptet werden, daß die belangte Behörde auf das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ausreichend eingegangen sei.
Demgemäß war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 12. September 1963
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1963:1963000809.X00Im RIS seit
19.06.2020Zuletzt aktualisiert am
19.06.2020