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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Wien 8/16/17 gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 29. November 2019, Zl. RV/7102159/2019, betreffend Gewährung von Familienbeihilfe (mitbeteiligte Partei: Dr. M S in W), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 23. April 2018 wies das Finanzamt Wien 8/16/17 einen Antrag des Mitbeteiligten auf Gewährung der Familienbeihilfe für dessen Sohn ab Dezember 2017 ab.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom 5. Dezember 2018 ab, wogegen der Mitbeteiligte einen Vorlageantrag einbrachte.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge, hob den bekämpften Bescheid des Finanzamtes vom 23. April 2018 auf und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Der Sohn des Mitbeteiligten habe nach Absolvierung der Matura im Juni 2016 den Zivildienst im Oktober 2016 und nach krankheitsbedingter Unterbrechung dann vom April bis November 2017 geleistet. Im Oktober 2018 habe der Sohn des Mitbeteiligten das Studium der Informatik an der Technischen Universität nach einem obligatorischen, einmal jährlich (im Revisionsfall mit einer Registrierung zwischen 3. April und 15. Mai 2018) stattfindenden Aufnahmeverfahren begonnen. Der Sohn des Mitbeteiligten habe deshalb das tatsächlich gewählte Studium zum frühestmöglichen Zeitpunkt (§ 2 Abs. 1 lit. e FLAG) begonnen, weshalb dem Mitbeteiligten die beantragte Familienbeihilfe zu gewähren sei.
5 Die gegen dieses am 29. November 2019 dem Finanzamt zugestellte Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision des Finanzamtes legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.
6 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Das revisionswerbende Finanzamt trägt zur Zulässigkeit seiner Revision vor:
„Das Bundesfinanzgericht beruft sich im angefochtenen Erkenntnis auf das zu § 2 Abs. 1 lit. e FLAG 1967 ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.10.2017, Ro 2016/16/0018 und vermeint, dass die darin vorgegebenen Leitlinien auch mutatis mutandis auf § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 anwendbar wären.
Es verkennt das BFG jedoch, dass der verfahrensgegenständliche Sachverhalt nicht vergleichbar mit jenem aus dem og. Erkenntnis ist, weshalb die darin gezogenen Schlüsse auf das gegenständliche Verfahren nicht anwendbar sind.
Der Verwaltungsgerichtshof beurteilt Sachverhalte, bei denen der frühestmögliche Zeitpunkt des Studienbeginns strittig ist, bisher objektiv bzw. eher streng (VwGH vom 26.05.2011; GZ 2011/16/0057).
Das angefochtene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts weicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, eine Revision ist daher nach Ansicht des revisionswerbenden Finanzamtes zulässig.“
9 Mit diesen allgemeinen Ausführungen formuliert das Finanzamt keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG. Das bloße Zitat von Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes reicht nicht aus. Wird ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, ist konkret darzulegen, in welchen tragenden Erwägungen das Verwaltungsgericht sich von welchen Aussagen der Rechtsprechung entfernt hätte (vgl. etwa VwGH 12.11.2019, Ra 2019/16/0181; und VwGH 28.2.2019, Ra 2019/16/0034).
10 Somit zeigt das revisionswerbende Finanzamt nicht auf, dass die Revision von der Lösung einer Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B VG abhinge.
11 Daran ändert auch der vom Finanzamt eingereichte Schriftsatz vom 28. Februar 2020 nichts, denn der Schriftsatz wurde einerseits nach Ablauf der Revisionsfrist eingereicht und enthält andererseits nach einer Wiederholung der in der Revision selbst enthaltenen Ausführungen zur „Revisionszulässigkeit“ (§ 28 Abs. 3 VwGG) lediglich eine mehrseitige „Klarstellung zur Ausführung der Revisionsgründe“ (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG).
12 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 18. Mai 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160030.L00Im RIS seit
15.07.2020Zuletzt aktualisiert am
04.08.2020