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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §7 Abs1;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/19/2968 E 3. April 1998 96/19/2996 E 3. April 1998Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Martschin, über die Beschwerden
1.) des 1988 geborenen A H in Wien, vertreten durch Dr. M P, Rechtsanwältin in W, und 2.) der 1989 geborenen S H in Wien, vertreten durch Dr. S P, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres, jeweils vom 22. Jänner 1996,
1.) zu Zl. 112.130/3-III/11/94 (betreffend den Erstbeschwerdeführer) und 2.) zu Zl. 112.130/4-III/11/94 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen, jeweils gleichlautenden Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 22. Jänner 1996 wurden die am 19. Jänner 1994 gestellten Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Beschwerdeführer hätten beim Landeshauptmann von Wien Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen gestellt, welche von diesem abgewiesen worden seien. Gegen diese Bescheide sei fristgerecht Berufung erhoben worden. Darin hätten die Beschwerdeführer ausgeführt, aus welchen Gründen sie die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als gegeben erachteten. Sodann führte der Bundesminister für Inneres aus:
"Gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG brauchen Fremde keine Bewilligung, wenn sie aufgrund des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind. Nach der der erkennenden Behörde vorliegenden Aktenlage findet in Ihrem Fall die Regelung des § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG Anwendung.
Der VwGH hat mit Beschluß vom 25.08.1994, Ihrem Antrag auf vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Bis zum Abschluß des Verwaltungsverfahrens sind Sie demnach zum Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet nach dem AsylG berechtigt, wodurch eine positive Erledigung im gegenständlichen Verwaltungsverfahren in Hinblick auf die angeführten Normen ausgeschlossen ist."
Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden. Die Beschwerdeführer erachten sich jeweils in ihrem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. November 1997, Zl. 96/19/2871-4, ergänzend zur bisherigen Aktenlage betreffend den Erstbeschwerdeführer ihn oder seinen Vater betreffende Akten des Asylverfahrens vorzulegen, legte die belangte Behörde mit Note vom 19. Dezember 1997 die Verwaltungsakten des Bundesministeriums für Inneres vor, soweit sie das Asylverfahren der Beschwerdeführer sowie ihrer Mutter und eines Bruders betrafen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die aufgrund ihres rechtlichen, persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:
In Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide (die Zustellung erfolgte am 1. Februar 1996) ist für die Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgebend.
§ 1 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 6 lautete in der Fassung dieser Novelle:
"§ 1. (1) Fremde (§ 1 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992) brauchen zur Begründung eines Hauptwohnsitzes in Österreich eine besondere Bewilligung (im folgenden "Bewilligung" genannt). Die auf Grund anderer Rechtsvorschriften für Fremde vorgesehenen besonderen Regelungen bleiben unberührt.
...
(3) Keine Bewilligung brauchen Fremde, wenn sie
...
6. aufgrund des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind.
..."
§ 7 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 lautete:
"§ 7. (1) Ein Asylwerber, der gemäß § 6 eingereist ist, ist ab dem Zeitpunkt, zu dem ein Asylantrag gestellt wurde, zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, wenn der Asylantrag innerhalb von einer Woche ab dem Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet oder innerhalb von einer Woche ab dem Zeitpunkt gestellt wurde, in dem er im Bundesgebiet von der Gefahr einer Verfolgung Kenntnis erlangt hat (vorläufige Aufenthaltsberechtigung). Der Asylwerber hat sich den Asylbehörden für Zwecke des Verfahrens nach diesem Bundesgesetz zur Verfügung zu halten."
Wie aus der Begründung der angefochtenen Bescheide hervorgeht, ging die belangte Behörde davon aus, daß die Beschwerdeführer aufgrund § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG, weil sie zu dem in dieser Bestimmung umschriebenen Personenkreis zählten, keine Aufenthaltsbewilligung benötigten. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz zu einem Zeitpunkt, in dem ein Antragsteller nach § 7 des Asylgesetzes 1991 vorläufig zum Aufenthalt in Österreich berechtigt war, nicht zu erteilen (vgl. zur näheren Begründung das Erkenntnis vom 12. September 1997, Zl. 96/19/0280).
Die angefochtenen Bescheide wären demnach nur dann rechtmäßig, wenn die Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG aufgrund des Asylgesetzes 1991 zum Aufenthalt in Österreich berechtigt gewesen wären.
Bis zum Abschluß des Verwaltungsverfahrens wären die Beschwerdeführer nur dann nach dem Asylgesetz 1991 zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen, wenn sie die in § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 umschriebenen Voraussetzungen (ua. eine zeitgerechte Antragstellung) erfüllt hätten. Im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide wären die Beschwerdeführer schließlich auch dann aufgrund des Asylgesetzes 1991 zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt gewesen, wenn zu diesem Zeitpunkt ein u.a. rechtzeitig gestellter Asylantrag der Beschwerdeführer zwar bereits abgewiesen, der gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres erhobenen Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof jedoch aufschiebende Wirkung zuerkannt worden wäre (vgl. z.B. das zit. hg. Erkenntnis vom 12. September 1997, Zl. 96/19/0280).
In den angefochtenen Bescheiden wurde jedoch das Vorliegen keiner der beiden Möglichkeiten mit ausreichender Deutlichkeit festgestellt. Wie die belangte Behörde zu ihrer rechtlichen Beurteilung gelangte, ist somit nicht nachvollziehbar. Daß diesbezügliche Feststellungen relevant wären, zeigen schon die von der belangten Behörde ergänzend vorgelegten Akten des Asylverfahrens betreffend die Beschwerdeführer sowie diejenigen Verwaltungsakten, die von der belangten Behörde im Beschwerdeverfahren des Vaters der Beschwerdeführer (protokolliert zur hg. Zl. 97/20/0185) vorgelegt wurden. Diesen Verwaltungsakten zufolge hat die Mutter der Beschwerdeführer bereits im Jahr 1992 für sich und die Beschwerdeführer Anträge auf Ausdehnung von Asyl gemäß § 4 des Asylgesetzes 1991 gestellt, die mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. November 1993 abgewiesen wurden (Beschwerden vor dem Verwaltungsgerichtshof wurden dagegen nicht erhoben). Erneut haben die Beschwerdeführer dann erst im Jahr 1997 Asylanträge gestellt. Treffen diese Umstände aber zu, so wären die Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide nicht aufgrund des Asylgesetzes 1991 zum Aufenthalt in Österreich berechtigt gewesen.
Da die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Feststellungs- und Begründungsmängel offenkundig zu anderen Bescheiden hätte gelangen können, waren die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996192871.X00Im RIS seit
02.05.2001