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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §21 Abs7Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des M A, vertreten durch Kocher & Bucher Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. August 2018, W133 2204459-1/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 21. Dezember 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er habe den Herkunftsstaat im Alter von zehn Jahren mit seiner Familie verlassen und sei in den Iran gezogen. Warum sie Afghanistan verlassen hätten, wisse er nicht. Den Iran, in dem sie illegal aufhältig gewesen seien, hätten sie verlassen, weil sie Angst vor einer Abschiebung nach Afghanistan gehabt hätten und weil sein Vater keine Zukunft für sie im Iran gesehen habe.
2 Mit Bescheid vom 26. Juli 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe, und erkannte einer Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung ab. Unter einem sprach das BFA aus, der Revisionswerber habe sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab einem näher bestimmten Zeitpunkt verloren.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Mit Beschluss vom 12. Dezember 2018, E 4089/2018-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG habe zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen, weil das BFA seiner Entscheidung keine einschlägigen und aktuellen Länderinformationen zu Grunde gelegt habe und daher den Sachverhalt nicht vollständig erhoben habe. Auch habe der Revisionswerber in seiner Beschwerde an das BVwG näher genannte Integrationsmerkmale vorgebracht, womit er den vom BFA festgestellten Sachverhalt substantiiert bestritten habe.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zur Beurteilung, ob der Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG geklärt erscheint und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich:
10 Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 9.1.2020, Ra 2018/19/0501, mwN).
11 Die Revision zeigt nicht auf, dass das BVwG von diesen Leitlinien abgewichen wäre: Das BFA legte seiner Entscheidung das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29. Juni 2018 und somit aktuelle Länderberichte zugrunde. Wenn die Revision unter dem Gesichtspunkt der Bestreitung des vom BFA festgestellten Sachverhaltes vorbringt, der Revisionswerber habe in der Beschwerde darauf hingewiesen, dass eine Verurteilung „wegen § 269 StGB“ dem Akt nicht zu entnehmen sei, genügt der Hinweis, dass das BFA gar nicht von einer solchen Verurteilung ausgegangen ist (vgl. Bescheid S 3). Insoweit die Revision behauptet, der Revisionswerber habe in der Beschwerde die Feststellung bestritten, er „habe in Afghanistan eine Schwester mit 8 Kindern“, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das BFA lediglich davon ausgegangen ist, die Schwester des Revisionswerbers lebe in Afghanistan (Bescheid S 118 und 126), und dass der Revisionswerber in der Beschwerde lediglich vorgebracht hat, er habe „keine Informationen und keinen Kontakt“ zu seiner in Afghanistan lebenden Schwester. Damit wurden aber die vom BFA seiner Entscheidung zu Grunde gelegten Annahmen in der Beschwerde nicht substantiiert bestritten. Dasselbe gilt für das Vorbringen, der Revisionswerber habe in der Beschwerde gerügt, er spreche entgegen den Feststellungen des BFA ausgezeichnet Deutsch. Tatsächlich hat der Revisionswerber in der Beschwerde aber eingeräumt, er verfüge nur über „geringe Deutschkenntnisse“, sei jedoch um das Erlernen der Sprache bemüht, was sich jedoch auf Grund seiner niedrigen Ausbildung als schwierig erweise. Wenn die Revision schließlich behauptet, der Revisionswerber habe in der Beschwerde vorgebracht, er sei entgegen den Feststellungen des BFA legal in das Bundesgebiet eingereist, zeigt sie damit schon deswegen keinen vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Verstoß gegen die Rechtsprechung zur Verhandlungspflicht auf, weil die Feststellung der illegalen Einreise des Revisionswerbers nicht in die rechtliche Beurteilung des BFA eingeflossen ist.
12 Insoweit die Revision vorbringt, das BVwG habe das zum Zeitpunkt seiner Entscheidung bereits verfügbare Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29. Juni 2018 nicht herangezogen, ist ihr zu entgegen, dass das BVwG gerade dieses Länderinformationsblatt seinen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat zu Grunde gelegt hat. Da bereits das BFA dieses Länderinformationsblatt herangezogen hat, geht auch das Vorbringen ins Leere, der Revisionswerber habe zu diesen Länderfeststellungen nicht Stellung nehmen können, zumal er sich auch in seiner Beschwerde mit diesen Länderinformationen auseinandergesetzt hat.
13 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 22. Mai 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019190060.L00Im RIS seit
08.07.2020Zuletzt aktualisiert am
14.07.2020