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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §21 Abs7Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision der Revision des M A in W, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116/17-19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2019, L504 2207666-2/5E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein aus dem Gazastreifen stammender staatenloser Palästinenser, stellte am 7. August 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er zusammengefasst an, von Mitgliedern der Hamas festgehalten und gefoltert worden zu sein. Bei einer Rückkehr fürchte der Revisionswerber, von der Hamas umgebracht zu werden.
2 Mit Bescheid vom 21. Dezember 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz (im zweiten Rechtsgang) ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die „Palästinensischen Gebiete - Gaza“ zulässig sei, erließ ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot, erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab und sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis - ohne Durchführung einer Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Absehen von der mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; 30.7.2019, Ra 2019/20/0164, mwN).
8 Schließt das Bundesverwaltungsgericht sich nicht nur der Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde an, sondern zeigt darüber hinaus in seiner Beweiswürdigung noch weitere bedeutsame Aspekte auf, mit welchen es die Widersprüchlichkeit des Vorbringens begründet, nimmt es damit eine zusätzliche Beweiswürdigung vor, die dazu führt, dass das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung nicht bloß unwesentlich ergänzt. Eine solche (ergänzende) Beweiswürdigung hat jedoch regelmäßig erst nach einer mündlichen Verhandlung, in der auch ein persönlicher Eindruck von der betroffenen Person gewonnen werden kann, zu erfolgen (vgl. VwGH 10.9.2015, Ra 2014/20/0142, mwN).
9 Mit ihrem auf eine Abweichung von dieser Rechtsprechung gestützten Zulässigkeitsvorbringen übersieht die Revision, dass jene beweiswürdigenden Überlegungen des BVwG, in denen die Revision „zusätzliche Argumente“ erblickt, mit denen das BVwG die Beweiswürdigung des BFA „nicht bloß unwesentlich ergänzt“ habe, bereits im Bescheid des BFA enthalten waren und vom BVwG wiedergegeben und geteilt wurden. Sie legt auch nicht dar, inwiefern die in der Beschwerde unbestritten gebliebenen Überlegungen die vom BVwG (in Übereinstimmung mit dem BFA) gezogene Schlussfolgerung der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens nicht bereits für sich zu tragen vermocht hätten, weshalb sie auch mit dem Hinweis darauf, dass in der Beschwerde einzelne Elemente der Beweiswürdigung des BFA bestritten worden seien, eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht aufzeigt.
10 Soweit die Revision eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „hinsichtlich Art. 1 Abschnitt D GFK“ behauptet, führt sie dafür Rechtsprechung ins Treffen (VwGH 1.3.2018, Ra 2017/19/0273; 23.1.2018, Ra 2017/18/0274), wonach „[d]er Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, der Revisionswerber könne weiterhin den Schutz von UNRWA genießen ... die rechtskräftige Gewährung von subsidiärem Schutz durch das BFA entgegen“ stehe. Für den Fall des Revisionswerbers, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt wurde, ist dieses Vorbringen daher nicht geeignet aufzuzeigen, dass das BVwG von der genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.
11 Das BVwG traf unter anderem die Feststellung, dass der Revisionswerber „bei einer Rückkehr in die „Palästinensischen Gebiete - Gaza“ nicht in eine Notlage entsprechend Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK“ gelange und er „unter dem Schutz der UNRWA in den Palästinensischen Gebieten - Gaza“ stehe. In seinen beweiswürdigenden Überlegungen führte es an, dass sich sowohl aus den vom Revisionswerber vorgelegten Dokumenten als auch aus seinen Angaben ergebe, dass er „Leistungen der UNRWA bezogen“ habe. Es hätten keine weiteren Gründe ermittelt werden können, aus denen sich ergeben würde, dass der Wegzug des Revisionswerbers aus Gaza „auf von [ihm] nicht zu kontrollierende und von [seinem] Willen unabhängige Gründe zurückzuführen“ sei. UNRWA sei „schutzfähig und schutzwillig“ und der Revisionswerber könne sich „als registrierter UNRWA Flüchtling“ bei seiner Rückkehr wieder unter den Schutz der UNRWA stellen. Seine Feststellungen zur Lage in den Palästinensischen Gebieten stützte das BVwG auf (aus dem Bescheid des BFA übernommene) Auszüge des bereits in den Feststellungen des BFA wiedergegebenen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation des BFA „zu den Palästinensischen Gebieten - Gaza vom 12.9.2018“, die ihrerseits als Quelle - unter anderem - die UNHCR-Richtlinien zur Lage im Gaza-Streifen vom 23.2.2018 anführen.
12 Dem Vorbringen, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Indizwirkung von Stellungnahmen, Positionen und Empfehlungen des UNHCR abgewichen, weil es sich mit einer (in der Revision auszugsweise zitierten) „mit UNRWA koordinierte[n] Position“ des UNHCR vom Februar 2015 sowie einem darauf Bezug nehmenden Dokument des UNHCR vom Februar 2018 „nicht auseinandergesetzt“ habe, ist bereits der Umstand entgegenzuhalten, dass die angefochtene Entscheidung die vom BFA getroffenen Feststellungen übernahm, die auf einem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA beruhen, das die einschlägigen und aktuellen UNHCR-Richtlinien (vom Februar 2018) als Quelle berücksichtigt. Konkrete Ausführungen dazu, in welcher Hinsicht diese Berücksichtigung im Einzelnen fehlerhaft sei, finden sich in der Revision nicht.
13 Ein Verfahrensmangel, wie ihn die Revision hier geltend macht, führt im Übrigen nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, wenn das Verwaltungsgericht bei Vermeidung des Mangels zu einem anderen, für den Revisionswerber günstigeren Ergebnis hätte gelangen können. Der Revisionswerber hat daher die Relevanz des Mangels durch ein konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen. Diesem Erfordernis wird die pauschale Behauptung, das BVwG hätte bei Berücksichtigung der in der Revision auszugsweise zitierten Dokumente „erkennen müssen, dass in Gaza Verhältnisse herrschen, unter denen dem [Revisionswerber] eine Verletzung seiner Rechte nach Art 3 EMRK droht“, nicht gerecht.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 26. Mai 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019200468.L00Im RIS seit
22.07.2020Zuletzt aktualisiert am
22.07.2020