Kopf
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat als Rekursgericht durch Dr. Streller als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Hasibeder und den Richter Dr. Schaumberger in der Grundbuchssache des Antragstellers S***** W*****, wegen Auskunft aus dem Personenverzeichnis über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Meidling vom 6.9.2019, 13 NGB 17/2019, den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.
Text
B e g r ü n d u n g :
Mit Schreiben vom 13.8.2019 begehrte der Antragsteller Auskunft über herrenlose Grundstücke. Er beantragte den Zugang zu den amtlichen Informationen, welche Grundstücke/Liegenschaften derzeit herrenlos seien, d.h. freistehend nach ABGB bzw derelinquiert, aufgegeben und dergleichen.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht diesen Antrag abgewiesen und dies damit begründet, dass kein rechtliches Interesse dargetan worden sei. Um festzustellen, ob es herrenlose Grundstücke gebe, sei eine Abfrage aus dem Personenverzeichnis erforderlich. Gemäß § 5 Abs 4 GUG seien Abschriften und Mitteilungen aus dem Personenverzeichnis unter anderem nur denjenigen Personen, die ein rechtliches Interesse daran darlegen, in dem dadurch gerechtfertigten Umfang zu erteilen. Allenfalls vermöge dem Antragsteller ein wirtschaftliches Interesse an der Information über derartige Liegenschaften gelegen sein, keinesfalls könne hiermit konkret ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht werden. Das rechtliche Interesse müsse ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloß wirtschaftliche Interesse oder über ein reines Informationsbedürfnis hinausreiche.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Antragstellers. Darin führt er zur Darlegung seines rechtlichen Interesses aus, dass dieses sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung als ein verständiges Anliegen betrachtet werde. Dafür müsse ein sachlicher Grund vorgetragen werden, dass durch die Einsicht ein rechtlich erhebliches Handeln ermöglicht werden solle. Er habe grundsätzlich einen Aneignungswillen an solchen Grundstücken/Flurstücken. Im Bereich der herrenlosen Grundstücke werde das rechtliche Interesse nur verneint, wenn die Verfolgung unbefugten Zwecken oder der bloßen Neugier diene. Dies sei beim Antragsteller nicht der Fall. Er habe sich bereits in der Vergangenheit nach Einsichtnahme in das Grundbuch und zugehörige Personenverzeichnisse herrenlose Grundstücke angeeignet. Das rechtliche Interesse sei bei ihm durch den etwaigen Aneignungswillen gegeben. Darüber hinaus würden durch die Einsicht auch keinerlei schutzwürdige Interessen verletzt. Bei herrenlosen Grundstücken gehe die Abwägung der materiellen Publizität des Grundbuchs und des Personenverzeichnisses mit gegenläufigen Interessen eines etwaig eingetragenen Berechtigten zu Gunsten der Einsichtnahme aus, da kein Berechtigter mit Grundrechten vorhanden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Gemäß § 7 Abs 1 GBG ist das Grundbuch öffentlich. Nach § 5 Abs 2 GUG ist die Einsicht in das Hauptbuch, die Urkundensammlung und die Hilfsverzeichnisse durch die Ausfertigung von Abschriften zu gewähren. Für die Auskunft aus dem Personenverzeichnis bestimmt § 5 Abs 4 GUG:
Abschriften und Mitteilungen aus dem Personenverzeichnis sind den dort eingetragenen Personen über die sie betreffenden Eintragungen zu erteilen. Darüber hinaus sind Abschriften und Mitteilungen aus dem Personenverzeichnis nur denjenigen Personen, die ein rechtliches Interesse daran darlegen, in dem dadurch gerechtfertigten Umfang zu erteilen.
Mit seinen Rekursausführungen vermag der Antragsteller lediglich ein wirtschaftliches, aber kein rechtliches Interesse zu begründen. Das hier zu prüfende rechtliche Interesse des Dritten im Sinne des § 5 Abs 4 2. Satz GUG wird neben § 219 ZPO, auf den § 22 AußStrG verweist, auch an mehreren Stellen der ZPO verwendet (Zulässigkeit der Nebenintervention, Feststellungsklage, Beweissicherung). Das rechtliche Interesse ist dabei jeweils an einen bestimmten Verfahrensvorgang geknüpft und aus diesem Grund nicht generalisierend zu betrachten (vgl Rassi in Fasching/Konecny³ § 219 ZPO Rz 44). Das für die Gewährung eines Auszugs aus dem Personenverzeichnis mit jenem für eine Akteneinsicht weitgehend gleichlaufende rechtliche Interesse muss jedenfalls über ein allgemeines öffentliches Interesse an Informationen bzw einem reinen Informationsbedürfnis des Einsichtbegehrenden hinausgehen. Ein derartiges Interesse besteht nicht nur, wenn der Antragsteller bereits titulierte Forderungen geltend machen will, sondern bereits dann, wenn sich die Kenntnis auf die privat- oder öffentlich-rechtliche Verhältnisse des Einsichtnehmenden günstig auswirkt, sei es auch nur, dass sich die Beweislage für ihn günstiger gestaltet. So hat der OGH das Ersuchen um Einsicht in Verlassenschaftsakten eines Noterben und eines Vermächtnisnehmers des Verstorbenen gegen den Erben als ausreichend erachtet (vgl 6 Ob 197/14k). In der nach § 219 Abs 2 ZPO vorzunehmenden Interessenabwägung sind sowohl Interessen anderer Personen als auch öffentliche Interessen im Rahmen einer Abwägung dem Interesse des Antragstellers auf Akteneinsicht gegenüberzustellen, dies unabhängig von einer Parteienzustimmung. Dabei hat auch eine Prüfung gemäß § 1 Abs 1 DSG zu erfolgen, wonach jedermann auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten hat, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Da im vorliegenden Fall das Auskunftsbegehren ausdrücklich auf herrenlose Grundstücke gerichtet ist, kommt eine Interessenabwägung mit den Interessen anderer Personen nicht in Betracht. Daraus ergibt sich aber noch kein rechtliches Interesse des Antragsteller.
Der Antragsteller will das rechtliche Interesse allein aus seinem Aneignungswillen ableiten. Gemäß § 381 ABGB besteht bei freistehenden Sachen der Titel für den Eigentumserwerb in der angeborenen Freiheit, sie in Besitz zu nehmen. Die Erwerbungsart ist die Zueignung, wodurch man sich einer freistehenden Sache bemächtigt, in der Absicht, sie als die seinige zu behandeln. Nach § 382 ABGB können freistehende Sachen von allen Mitgliedern des Staates durch die Zueignung erworben werden, insofern diese Befugnis nicht durch politische Gesetze eingeschränkt ist, oder einigen Mitgliedern das Vorrecht der Zueignung zusteht.
Der Wille, sich im Rahmen dieser gesetzlichen Möglichkeit herrenlose Grundstücke anzueignen, begründet nur ein wirtschaftliches Interesse, aber kein rechtliches. Der Antragsteller steht zu den vielleicht gar nicht existierenden Sachen in keinerlei rechtlicher Beziehung. Sein Wille, sich solche Sachen anzueignen, falls er sie findet, kann nicht als rechtliches Interesse antizipiert werden.
Die Entscheidung des Erstgerichtes war daher zu bestätigen.
Der ordentliche Revisionsrekurs war gemäß § 5 Abs 4 GUG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zuzulassen. Soweit ersichtlich liegt keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vor, ob der Aneignungswille ein rechtliches Interesse für die Auskunft aus dem Personenverzeichnis begründet.
Textnummer
EWZ0000215European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LG00003:2019:04600R00335.19H.1211.000Im RIS seit
22.06.2020Zuletzt aktualisiert am
22.06.2020