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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §10 Abs1 idF 1995/351;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der 1974 geborenen D P in Wien, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. August 1995, Zl. 303.493/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Jugoslawiens, beantragte mit ihrer am 23. Jänner 1995 beim österreichischen Generalkonsulat in Zürich überreichten und bei der erstinstanzlichen Behörde am 1. Februar 1995 eingelangten Eingabe die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem in Österreich lebenden Ehegatten.
Sie führte darin als ihren derzeitigen Wohnsitz eine Anschrift in der Schweiz an, gab weiters an, in Österreich aufrecht polizeilich gemeldet zu sein und an dieser Anschrift in Österreich über eine gesicherte Unterkunft zu verfügen. Als Ort, an dem der vorliegende "Erstantrag" gefertigt wurde, ist Zürich ersichtlich.
Aus den dem Antrag beigeschlossenen Urkunden ergibt sich das Datum der Eheschließung in der (Teil)Republik Serbien mit 2. Jänner 1994 und eine polizeiliche Meldung in Wien mit 8. Februar 1994.
Nach der Aktenlage hatte die Beschwerdeführerin vor dem soeben erwähnten Antrag bereits einen weiteren Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt, welcher am 2. Februar 1994 bei der Erstbehörde eingelangt war. Mit den dabei angeschlossenen Urkunden wurde die Ablichtung einer auf die Beschwerdeführerin lautenden Niederlassungsbewilligung für den Kanton Zürich mit einer "Kontrollfrist" bis zum 12. Dezember 1996 vorgelegt. (Dieser - vorhergehende - Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung wurde mit Bescheid der Erstbehörde vom 17. Juni 1994, gestützt auf § 4 Abs. 1 AufG, rechtskräftig abgewiesen.)
Mit Bescheid der Behörde erster Instanz vom 8. Juli 1995 wurde der vorliegende, am 1. Februar 1995 bei der Behörde erster Instanz eingelangte Antrag abgewiesen. Die Behörde stützte sich hiebei auf § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992 (FrG).
In ihrer dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin eine Adresse in Wien als die ihre an. Sie sei zwar seit Februar 1994 in Wien an der Anschrift ihres Mannes gemeldet, reise aber des öfteren in die Schweiz, wo ihre Eltern lebten und sie gleichfalls gemeldet sei. Sie verfüge über eine Niederlassungsbewilligung für die Schweiz, ausgestellt vom Kanton Zürich. Zuletzt sei sie im Juni 1995 in der Schweiz gewesen. Für den Fall der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung hätte sie die Bewilligung beim österreichischen Konsulat in Zürich abholen müssen, sodaß schon aus diesem Grunde eine Aufenthaltsbewilligung nicht an eine sichtvermerksfreie Einreise oder die Einreise aufgrund eines Touristensichtvermerkes anschließen könnte.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 5 Abs. 1 AufG und (u.a.) § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf Fremden eine Bewilligung u.a. dann nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 FrG vorliegt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn dieser zeitlich (u.a.) an eine sichtvermerksfreie Einreise anschließen soll.
Soweit die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof (wieder) darauf verweist, daß es sich bei der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung um einen Bescheid handle und sie zu dessen Zustellung nach Zürich fahren müsse, somit schon deshalb die Verlängerung eines Aufenthaltes im Inland im (unmittelbaren) Anschluß an eine (sichtvermerksfreie) Einreise durch die zu erteilende Bewilligung ausgeschlossen sei, trifft dies nicht zu. Gemäß § 10 Abs. 1 zweiter Satz AufG ist die Bewilligung in Form eines österreichischen Sichtvermerkes zu erteilen. Ein Sichtvermerk ist gemäß § 7 Abs. 6 FrG im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen. Daß dies nur im Ausland geschehen könnte, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
Darüberhinaus ist nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, daß diese sich im Inland aufhält (§ 1 Abs. 1 AufG). Daß die Beschwerdeführerin Österreich für kürzere Zeit verläßt, etwa um ihre Eltern in der Schweiz zu besuchen, ändert daran nichts. § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG trägt nun dem Bestreben Rechnung, die Fortsetzung des Aufenthaltes im Anschluß an eine sichtvermerksfreie Einreise nicht mehr zu gestatten. Aus diesem Grunde hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen, daß die sichtvermerksfreie Aufenthaltsnahme im Inland vor Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung eine Bewilligung selbst dann ausschließt, wenn der Antrag vom Ausland aus gestellt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0573 mwN). Entscheidend ist für die Verwirklichung des Tatbestandes nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG allein, daß sich der Fremde im Anschluß an eine sichtvermerksfreie Einreise im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Bundesgebiet aufhält (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1998, Zl. 95/19/1498 mwN). Der bekämpfte abweisliche Bescheid wurde aber nach der Aktenlage der Beschwerdeführerin im Inland zugestellt. Die Behörde ist nicht gehalten, einen sich nach sichtvermerksfreier Einreise im Inland aufhaltenden Fremden aufzufordern, das Bundesgebiet zum Zweck der Entgegenahme seiner Bewilligung zu verlassen und damit die Versagung nach § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG zu vermeiden. Sie kann ihm - wie gesagt - vielmehr während seines Inlandsaufenthaltes den (abweislichen) Bescheid zustellen.
Die Beschwerdeführerin bestreitet weiters die Tatsache der (unerlaubten) sichtvermerksfreien Einreise. Sie verweist insoferne auf den Notenwechsel zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, betreffend die Aufhebung des Paßzwanges zwischen Österreich und der Schweiz, BGBl. Nr. 159/1957 in der Fassung BGBl. Nr. 165/1959.
Die hier festgehaltenen Regelungen beziehen sich schon dem Wortlaut nach nur auf "Schweizerbürger" und österreichische Staatsbürger; die Beschwerdeführerin ist aber unbestritten Staatsbürgerin Jugoslawiens, sodaß eine sichtvermerksfreie Einreise aufgrund des soeben erwähnten Notenwechsels in das Bundesgebiet nicht möglich war.
Infolge der Aussetzung der Sichtvermerksfreiheit im Verhältnis zur "Bundesrepublik Jugoslawien" (vgl. die diesbezügliche Kundmachung des Bundeskanzlers
BGBl. Nr. 386a/1992) hätte die Beschwerdeführerin als Staatsbürgerin Jugoslawiens mit dem Wohnsitz in diesem Staat auch nicht aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht (BGBl. Nr. 365/1965) sichtvermerksfrei einreisen können.
Aktenkundig ist jedoch, daß die Beschwerdeführerin einen aufenthaltsrechtlichen Titel der Schweiz hatte. Aufgrund dessen bestand für sie eine Ausnahme von der Sichtvermerkspflicht aufgrund der diesbezüglichen Verordnung des Bundesministers für Inneres, BGBl. Nr. 407/1992. Diese lautet auszugsweise wie folgt:
"Personen, für die aufgrund der Aussetzung der Sichtvermerksfreiheit im Verhältnis zur "Bundesrepublik Jugoslawien" (Serbien und Montenegro), BGBl. Nr. 386a/1992, Sichtvermerkspflicht besteht, sind dann von dieser befreit, wenn sie
a) einen gültigen Reisepaß und weiters einen aufenthaltsrechtlichen Titel ..., der Schweiz, ... vorweisen, der zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich noch mehr als drei Monate gültig ist, oder ..."
Die Beschwerdeführerin konnte daher aufgrund der zuletzt zitierten Verordnung sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet einreisen. Damit aber erfüllte sie objektiv im Hinblick auf den gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG (iVm § 5 Abs. 1 AufG).
Soweit sich die Beschwerdeführerin auf eine Beeinträchtigung ihrer durch Art. 8 MRK geschützten Rechte beruft, ist ihr zu entgegnen, daß aus den im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Slg. Nr. 13.497, dargelegten Gründen eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Fremden bei einer auf § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gestützten Entscheidung nicht in Betracht kommt. Dort heißt es im gegebenen Zusammenhang: "Eine rigorose, Ausnahmen ausschließende (daher in Einzelfällen Härten bedingende) Regelung, wie sie § 10 Abs. 1 Z. 6 und 7 FrG trifft, kann nämlich deshalb notwendig sein, um zu sichern, daß das in anderen fremdenrechtlichen Vorschriften (insbesondere im Aufenthaltsgesetz) entwickelte geschlossene Ordnungssystem nicht gestört wird, welches der Erreichung des - sachlich begründbaren und durch Art. 8 Abs. 2 EMRK gedeckten - Zieles, die Einreise von Fremden nach Österreich zwecks längerem oder dauerndem Aufenthalt im Bundesgebiet (Einwanderung) in geordnete Bahnen zu lenken, dient." (Vgl. auch das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1998).
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne daß noch auf den weiteren, von der belangten Behörde gebrauchten Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (iVm § 5 Abs. 1 AufG) und die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen einzugehen gewesen wäre. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995191194.X00Im RIS seit
02.05.2001