TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/13 95/19/1473

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Veröffentlicht am 13.03.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AufG 1992 §1 Abs3 Z1;
AufG 1992 §1 Abs3 Z2;
AufG 1992 §1 Abs3 Z3;
AufG 1992 §1 Abs3 Z4;
AufG 1992 §1 Abs3 Z5;
AufG 1992 §1 Abs3 Z6;
AufG 1992 §3 Abs1 Z2;
AufG 1992 §3;
AufG 1992 §4 Abs1;
AufG 1992 §9 Abs3;
B-VG Art130 Abs2;
FlKonv Art26;
FlKonv Art33;
MRK Art14;
MRK Art8 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des 1959 geborenen IC in Wien, vertreten durch Dr. GL, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Oktober 1994, Zl. 100.887/3-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 26. Jänner 1994 (Datum des Einlangens bei der erstinstanzlichen Behörde) die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Er gab an, seit 9. August 1993 mit einer in Österreich aufhältigen Fremden verheiratet zu sein, welche ihrerseits als Flüchtling anerkannt worden sei. Dem Verwaltungsakt ist eine Bescheinigung des Bundesasylamtes angeschlossen, aus welcher hervorgeht, daß das Asylverfahren des Beschwerdeführers selbst seit 23. Dezember 1993 in zweiter Instanz rechtskräftig negativ abgeschlossen sei. Bis zu diesem Zeitpunkt sei dem Beschwerdeführer ein vorläufiges Aufenthaltsrecht zugekommen.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. März 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 13 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in welcher er insbesondere auch hervorhob, daß er seit März 1993 mit seiner Ehegattin in gemeinsamem Haushalt gelebt habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Oktober 1994 wurde der in Rede stehende Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 9 Abs. 3 AufG (in der Fassung vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) abgewiesen. Nach der zitierten Gesetzesstelle dürften keine weiteren Bewilligungen erteilt werden, wenn die in § 2 Abs. 1 AufG und in der darauf beruhenden Verordnung festgelegte Anzahl von Bewilligungen erreicht sei. Ab diesem Zeitpunkt seien Anträge, die sich nicht auf den in § 3 AufG aF verankerten Rechtsanspruch stützten, abzuweisen. Für das Bundesland Wien sei in der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, eine Höchstzahl von 4300 Bewilligungen festgesetzt worden. Diese sei nunmehr erreicht. Auch bei eingehender Prüfung des Gesamtvorbringens habe ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht abgeleitet werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (24. Oktober 1994) war für seine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage vor Inkrafttreten der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, maßgeblich.

§ 1 Abs. 3 Z. 1 und 6, § 3, § 4 Abs. 1 sowie § 9 Abs. 1 und 3 AufG in dieser Fassung lauteten (auszugsweise):

"§ 1. ...

...

(3) Keine Bewilligung brauchen Fremde, wenn sie

1. auf Grund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts, eines Staatsvertrages oder anderer bundesgesetzlicher Vorschriften in Österreich Niederlassungsfreiheit genießen;

2. als Grenzgänger auf Grund eines Staatsvertrages zur Einreise und zum vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind;

3. gemäß § 18 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975, für ihre Beschäftigung im Inland keine Beschäftigungsbewilligung brauchen;

4. Bedienstete ausländischer Informationsmedien sind, sofern ihr Unterhalt durch das Einkommen gedeckt wird, das sie als Bedienstete dieser Medien beziehen und sie in Österreich keine andere Erwerbstätigkeit ausüben;

5. ausübende Künstler (Art. 3 lit. a des Internationalen Abkommens über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen, BGBl. Nr. 413/1973) sind, sofern ihr Unterhalt durch das Einkommen gedeckt wird, das sie aus ihrer künstlerischen Tätigkeit beziehen und sie in Österreich keine andere Erwerbstätigkeit ausüben;

6. auf Grund des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind.

§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten

1.

von österreichischen Staatsbürgern oder

2.

von Fremden, die auf Grund einer Bewilligung, oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als zwei Jahren ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich haben,

ist eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

(2) Die Erteilung einer Bewilligung gemäß Abs. 1 für Ehegatten setzt voraus, daß die Ehe zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits mindestens ein Jahr besteht.

(3) Die Fristen des Abs. 1 Z 2 und des Abs. 2 können verkürzt werden, wenn der Ehegatte bzw. die Kinder im gemeinsamen Haushalt gelebt haben und auf Dauer ihr Lebensunterhalt und ihre Unterkünfte ausreichend gesichert sind. ...

§ 4. (1) Eine Bewilligung kann Fremden unter Beachtung der gemäß § 2 erlassenen Verordnungen sowie unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes erteilt werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. Auf die Verlängerung von Bewilligungen finden die gemäß § 2 erlassenen Verordnungen keine Anwendung.

§ 9. (1) Der Bundesminister für Inneres hat dafür zu sorgen, daß die gemäß § 2 festgelegte Anzahl von Bewilligungen nicht überschritten wird. Zu diesem Zweck hat er ein erforderlichenfalls auch automationsunterstütztes Register zu führen, in das alle in dem betreffenden Jahr erteilten Bewilligungen unverzüglich mit Angabe des Geschlechts, Alters, Berufes und Staatsangehörigkeit der Fremden, denen eine Bewilligung erteilt wurde, einzutragen sind. Wird die für dieses Jahr festgelegte Anzahl erreicht, so hat der Bundesminister für Inneres den Bundesminister für Arbeit und Soziales und alle Landeshauptmänner unverzüglich fernschriftlich oder im Wege der Datenfernübertragung zu verständigen.

...

(3) Sobald die gemäß § 2 Abs. 1 festgelegte Anzahl erreicht ist, dürfen keine weiteren Bewilligungen erteilt werden. Die Entscheidung über anhängige Anträge gemäß § 3 ist auf das folgende Jahr zu verschieben; andere anhängige Anträge sind abzuweisen."

§ 1 Z. 2, § 3, § 4 und § 25 Abs. 3 des Asylgesetzes 1991 lauteten (auszugsweise):

"§ 1. Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

...

2. Asyl, der Schutz, der einem Fremden im Hinblick auf seine Flüchtlingseigenschaft in Österreich gewährt wird. Dieser Schutz umfaßt insbesondere das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet und neben den Rechten nach diesem Bundesgesetz die Rechte, die einem Flüchtling auf Grund der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF BGBl. Nr. 78/1974 (im folgenden "Genfer Flüchtlingskonvention" genannt), zustehen; ...

    § 3. Asyl wird auf Antrag des Asylwerbers gewährt. ...

    § 4. Die Gewährung von Asyl ist auf Antrag auf die

ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kinder und den Ehegatten auszudehnen, sofern sich diese Personen in Österreich aufhalten und die Ehe schon vor der Einreise nach Österreich bestanden hat. ...

§ 25. ...

...

(3) Fremde, die gemäß § 2 Abs. 1 des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968, als Flüchtlinge anerkannt wurden und zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes zum unbefristeten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind, sind wie Fremde zu behandeln, denen gemäß § 3 Asyl gewährt wurde."

Art. 26 und Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, lauten:

"Artikel 26

Bewegungsfreiheit

Die vertragsschließenden Staaten sollen den Flüchtlingen, die sich erlaubterweise auf ihrem Gebiete aufhalten, das Recht gewähren, ihren Wohnort zu wählen und frei innerhalb ihres Gebietes herumzureisen, genau so, wie dies auch Ausländern unter den gleichen Umständen freisteht.

...

Artikel 33

Verbot der Ausweisung oder der Zurückweisung

1. Kein vertragsschließender Staat darf einen Flüchtling in irgendeiner Form in ein Gebiet ausweisen oder zurückweisen, wo sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre.

..."

Art. 8 und 14 MRK lauten:

"Art. 8. (1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Art. 14. Der Genuß der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ist ohne Benachteiligung zu gewährleisten, die insbesondere im Geschlecht, in der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, in den politischen oder sonstigen Anschauungen, in nationaler oder sozialer Herkunft, in der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, im Vermögen, in der Geburt oder im sonstigen Status begründet ist."

2. Der Beschwerdeführer rügt zunächst, die belangte Behörde habe zu Unrecht ohne Durchführung von Ermittlungen angenommen, die gemäß § 2 Abs. 1 AufG festgelegte Quote sei erschöpft. Insoweit der Beschwerdeführer damit bemängelt, die belangte Behörde habe für ihre Feststellung keinerlei Nachweise vorgelegt, ist er darauf zu verweisen, daß sich der Bundesminister für Inneres diesbezüglich auf das von ihm gemäß § 9 Abs. 1 AufG geführte Register stützen konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. November 1995, Zl. 95/21/0173). Allein mit dem Vorbringen, die belangte Behörde habe die in Rede stehende Annahme "zu Unrecht" getroffen, vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, warum diese Zweifel an der Richtigkeit dieses gesetzlich vorgesehenen Registers hätte haben sollen.

Insoweit der Beschwerdeführer im folgenden darlegt, die Behörden hätten gemäß § 2 Abs. 1 AufG auf die Quote anzurechnende Bewilligungen an andere Fremde nur insoweit und nur in dem Ausmaß erteilen dürfen, als diese die Möglichkeit der Erteilung einer Bewilligung an Fremde, denen - wie dem Beschwerdeführer - der Schutz ihres Privat- und Familienlebens zugute komme, nicht unnotwendig schmälerten oder verhinderten, er also rügt, die Quotenerschöpfung sei darauf zurückzuführen, daß die Aufenthaltsbehörden das ihnen bei der Festlegung der Reihenfolge der Bearbeitung von Anträgen zustehende Ermessen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 12. September 1997, Zl. 95/19/1665) nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt habe, ist ihm zu entgegnen, daß selbst für den Fall einer "rechtswidrigen" Übergehung eines Beschwerdeführers bei Vergabe der quotenabhängigen Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz kein Folgenbeseitigunganspruch im Sinne der Möglichkeit einer nachträglichen Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aufgrund des infolge Quotenerschöpfung abgewiesenen Antrages bestünde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1997, Zl. 96/19/0878).

War aber die gemäß § 2 Abs. 1 AufG festgelegte Anzahl von Bewilligungen erreicht, so durften keine weiteren Bewilligungen erteilt werden. Eine Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 9 Abs. 3 letzter Halbsatz AufG aF wäre nur dann ausgeschlossen, wenn es sich dabei um einen solchen "gemäß § 3" handelte.

3. Dies setzte im vorliegenden Zusammenhang voraus, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG seit mehr als zwei Jahren aufgrund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 AufG rechtmäßig ihren Hauptwohnsitz in Österreich gehabt hätte. Nun leitete sich aber das Aufenthaltsrecht eines Asylberechtigten unabhängig davon, ob er nach dem Asylgesetz 1968 als Flüchtling anerkannt wurde, oder ob ihm nach dem Asylgesetz 1991 Asyl zuerkannt wurde, aus § 1 Z. 2 des Asylgesetzes 1991 ab (vgl. § 3 und § 25 Abs. 3 AsylG 1991). Bei der Ehegattin des Beschwerdeführers handelte es sich daher um eine Fremde, die gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG keine Aufenthaltsbewilligung benötigte, weil sie aufgrund des Asylgesetzes 1991 zum Aufenthalt in Österreich berechtigt war.

Im Gegensatz zum Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde genoß die Ehegattin des Beschwerdeführers als asylberechtigte Fremde nicht gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG aufgrund eines Staatsvertrages in Österreich Niederlassungsfreiheit. Die in diesem Zusammenhang in Betracht zu ziehende Genfer Flüchtlingskonvention gewährt Flüchtlingen im Verständnis dieser Konvention nämlich kein Recht auf Niederlassungsfreiheit, also auf freie Wahl ihres Wohnortes. Bei der diesbezüglichen Bestimmung des Art. 26 dieser Konvention handelt es sich (arg.: "sollen") nicht um eine unmittelbar anwendbare Norm, welche dem Fremden ein subjektives Recht einräumt, sich an einem beliebigen inländischen Ort niederzulassen. Eine sich aus dieser Bestimmung allenfalls ergebende völkerrechtliche Verpflichtung wäre von den Vertragsstaaten innerstaatlich umzusetzen. Aus der verpflichtenden Bestimmung des Art. 33 dieser Konvention ist ein subjektives Recht auf "Niederlassungsfreiheit" im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG ebenfalls nicht ableitbar. Die Anwendung der Bestimmung des § 1 Abs. 3 Z. 1 letzter Fall AufG (betreffend die Niederlassungsfreiheit aufgrund anderer bundesgesetzlicher Vorschriften) auf nach dem AsylG 1991 aufenthaltsberechtigte Personen ist schon deshalb ausgeschlossen, weil diese Norm durch die speziell für den letztgenannten Personenkreis geschaffene Regelung des § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG verdrängt wird.

Handelte es sich aber bei der Ehegattin des Beschwerdeführers um eine ausschließlich gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG aufenthaltsberechtigte Fremde, so zählte sie nicht zu dem in § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG umschriebenen Personenkreis. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde annahm, es liege kein Antrag gemäß § 3 AufG vor und daher mit einer Abweisung gemäß § 9 Abs. 3 letzter Halbsatz AufG aF vorging.

4. Auch mit dem Vorbringen, der Bescheid verstoße gegen Art. 8 und 14 MRK, vermag der Beschwerdeführer aus folgenden Gründen keine Rechtswidrigkeit desselben aufzuzeigen.

4.1. Insofern der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang zunächst auf seinen Voraufenthalt während der Dauer seines eigenen negativ beendeten Asylverfahrens verweist, ist ihm zu entgegnen, daß die aus den Erläuternden Bemerkungen zum Aufenthaltsgesetz (vgl. RV 525 BlgNR 18. GP) abzuleitende Zielvorstellung dieses Gesetzes, die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch Stellung von Asylanträgen zu verhindern, welche zum Schutz der öffentlichen Ordnung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt erscheint, verbietet, einen abgewiesenen Asylwerber in Ansehung seiner privaten und familiären Interessen im Inland besser zu stellen als einen Fremden, der erstmals eine Aufenthaltsbewilligung beantragt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zl. 95/19/0371).

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob der Familiennachzug eines Fremden zu seinem im Bundesgebiet aufhältigen asylberechtigten Ehegatten den Schutz des Art. 8 MRK auch dann genießt, wenn - wie dies nach seinen Behauptungen beim Beschwerdeführer der Fall ist - die Ehe erst nach der Flucht des asylberechtigten Ehegatten geschlossen wurde (und daher ein Antrag auf Ausdehnung des Asyls gemäß § 4 AsylG 1991 nicht mit Erfolg gestellt werden konnte). Selbst wenn man dies bejahen würde, bestünden beim Verwaltungsgerichtshof - anders als beim Beschwerdeführer - keine Bedenken dahin, daß § 3 Abs. 1 AufG deshalb gegen Art. 8 MRK verstieße, weil er einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug zu asylberechtigten Personen nicht vorsieht. Auch bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 3 AufG wäre nämlich eine Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Bewilligungstatbestand des § 4 Abs. 1 AufG aus den vom Beschwerdeführer geltend gemachten familiären Gründen nicht von vornherein ausgeschlossen. Bei der in dieser Bestimmung vorgesehenen Ermessensübung hat die Behörde auch auf die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Rechte des Bewilligungswerbers Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1996, Zl. 95/19/0338).

Auf Basis des Inhaltes der Verwaltungsakten und des Beschwerdevorbringens steht derzeit lediglich fest, daß der jedenfalls bis Ende Dezember 1993 aufenthaltsberechtigte Beschwerdeführer mit seinem zur Erteilung einer Bewilligung im Wege einer Ermessensentscheidung nach dem Tatbestand des § 4 Abs. 1 AufG tauglichen Antrag im Rahmen der Quote für 1994 noch nicht zum Zug kam. Allein daraus kann nicht geschlossen werden, daß der Eingriff in ein allfälliges, durch Art. 8 MRK geschütztes Recht des Beschwerdeführers auf Familiennachzug zu seiner Ehegattin durch die auf § 9 Abs. 3 AufG aF gestützte Versagung der Bewilligung im Hinblick auf eine unzumutbar lange Wartezeit nicht mehr gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK im Interesse der öffentlichen Ordnung und der Regelung der Neuzuwanderung gerechtfertigt wäre (vgl. das zum Falle eines Familiennachzuges zu einem österreichischen Ehegatten ergangene hg. Erkenntnis vom 7. November 1997, Zl. 96/19/1331). Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher nicht zu erkennen, daß der angefochtene Bescheid im Hinblick auf eine Verletzung des Beschwerdeführers in einem ihm allenfalls zustehenden Recht auf Familiennachzug gemäß Art. 8 MRK rechtswidrig wäre.

4.2. Der Beschwerdeführer macht darüber hinaus aber auch geltend, die in § 3 Abs. 1 AufG angelegte Ungleichbehandlung zwischen Angehörigen von Fremden, die Asyl genießen, einerseits und solchen von Fremden, die sich aufgrund eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, andererseits, verstoße gegen Art. 14 MRK.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigte im Belgischen Sprachenfall, daß Art. 14 zwar keine selbständige, von den übrigen normativen Vorschriften der Konvention losgelöste Bedeutung habe, sprach aber aus, die Anwendbarkeit dieser Bestimmung sei nicht von der Verletzung einer entsprechenden Konventionsgarantie abhängig. Eine Maßnahme, die für sich betrachtet den Erfordernissen einer bestimmten Konventionsnorm entspreche, könne dennoch gegen jene Norm in Verbindung mit Art. 14 verstoßen, weil sie im ganzen gesehen diskriminierend sei. Art. 14 sei in der Praxis gleichsam als integraler Bestandteil aller anderen Konventionsrechte und Freiheiten zu verstehen, ungeachtet der Natur derselben, daß heißt gleichgültig, ob deren Respektierung auf Seiten der Vertragsstaaten ein positives Tun erfordere oder nur die Unterlassung von Eingriffen gebiete (vgl. EuGRZ 1975, 298). Wie der Gerichshof in diesem Fall weiters ausführte, ist eine Maßnahme oder Regelung dann diskriminierender Natur, wenn

-

sie hinsichtlich der Gewährleistung des Genusses eines Konventionsrechtes zwischen Personen oder Personengruppen unterscheidet, die sich in vergleichbarer Situation befinden,

-

und die Unterscheidung eines objektiven und angemessenen Rechtfertigungsgrundes entbehrt;

-

und/oder zwischen den eingesetzten Mitteln und dem angestrebten Ziel kein angemessenes Verhältnis besteht.

Die in § 3 Abs. 1 AufG getroffene Regelung, derzufolge Anträge von Angehörigen asylberechtigter Fremder keine solchen nach § 3 AufG sind, bewirkte nun, daß im Falle der Quotenerschöpfung die Anträge solcher Angehöriger gemäß § 9 Abs. 3 letzter Halbsatz AufG aF abzuweisen waren, während die Entscheidung über Anträge von Angehörigen der in § 3 Abs. 1 AufG umschriebenen Personengruppen bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 3 AufG auf das folgende Jahr zu verschieben war. Der Angehörige eines asylberechtigten Fremden war daher insoweit schlechter gestellt, als er zum Zweck des angestrebten Familiennachzuges nach Eröffnung einer neuen Quote abermals einen Bewilligungsantrag zu stellen hatte. Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers entbehrt die diesbezügliche Erleichterung des Familiennachzuges für Angehörige von Fremden, die sich aufgrund eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet befinden, durch das Anhängigverbleiben ihres Antrages nicht eines objektiven und angemessenen Rechtfertigungsgrundes. Ein solcher ist nämlich darin zu sehen, daß mit der Entscheidung, einem Fremden einen Aufenthaltstitel zu erteilen, und damit bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auch seinen Familienangehörigen einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu verschaffen (§ 3 Abs. 1 Z. 2 AufG), bei typisierter Betrachtung nicht nur den persönlichen Interessen des Einwanderungswerbers, sondern auch den öffentlichen Interessen an einer kontrollierten Neuzuwanderung nach Österreich Rechnung getragen wird, wohingegen die Gewährung von Asyl ausschließlich im Interesse des Flüchtlings erfolgt. Die mit dem in § 9 Abs. 3 AufG vorgesehenen Anhängigverbleiben der Anträge von Angehörigen in Österreich aufenthaltsberechtigter Fremder verbundene (geringfügige) Erleichterung des Familiennachzuges erscheint daher weder sachfremd, noch ist die den Angehörigen asylberechtigter Fremden auferlegte Neuantragstellung im Sinne der vorzitierten Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte unangemessen.

Die gleiche Beurteilung gilt auch für das Verhältnis zwischen den Angehörigen von gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 AufG und jenen von gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG aufenthaltsberechtigten Personen. Die Ausnahme der in § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 AufG genannten Fremden vom Erfordernis einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (oder die Übernahme der völkerrechtlichen Verpflichtung hiezu) erfolgte bei typisierender Betrachtung - anders als bei anerkannten Flüchtlingen - nicht ausschließlich in deren eigenem Interesse. Vielmehr werden mit diesen Ausnahmen auch öffentliche Interessen mitverfolgt (Reziprozität bei Niederlassungsfreiheit genießenden Fremden und vorübergehend aufenthaltsberechtigten Grenzgängern (Z. 1 und 2); Interesse an der Erleichterung der Geschäftsbeziehung mit ausländischen Unternehmen (Z. 3); an der Berichterstattung über Österreich in ausländischen Medien (Z. 4); an der Tätigkeit ausländischer Künstler in Österreich (Z. 5)).

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995191473.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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