TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/13 96/19/1187

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.03.1998
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/05 Reisedokumente Sichtvermerke;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Kroatien 1995 Art1;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Kroatien 1995 Art2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des 1957 geborenen I A in Wien, vertreten durch Mag. Dr. I W, Rechtsanwältin in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Februar 1996, Zl. 305.072/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte (nach der Aktenlage persönlich) am 20. Juni 1995 bei der österreichischen Botschaft in Zagreb einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 27. Juni 1995 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Als derzeitigen Wohnsitz gab der Beschwerdeführer eine Adresse im 20. Wiener Gemeindebezirk, als Aufenthaltszweck die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit an.

Mit Bescheid vom 30. August 1995, nach der Aktenlage in Zagreb zugestellt, wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag gemäß § 4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab.

Die dagegen erhobene Berufung, in der der Beschwerdeführer eine Adresse im 9. Wiener Gemeindebezirk anführte und als Ort der Berufungserhebung "Wien" angab, wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 8. Februar 1996 gemäß § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz eingewendet, daß dieser unzureichend begründet sei, daß Selbständige bei den Verordnungen gemäß § 2 AufG unselbständigen Erwerbstätigen gleichzustellen seien und daß der Beschwerdeführer als selbständiger Erwerbstätiger eher Arbeitsplätze schaffen würde, als eine "negative Einwirkung auf den Arbeitsmarkt zu haben". Nach der auf seinen eigenen Angaben beruhenden Aktenlage sei der Beschwerdeführer als kroatischer Staatsangehöriger "sichtvermerksfrei eingereist" und habe seinen damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern wollen. Aufgrund der Aktenlage stehe eindeutig fest, daß der Beschwerdeführer seit dem September 1994 in Wien aufrecht gemeldet sei und hier arbeite. Dies ergebe sich unter anderem durch einen von ihm am 6. Oktober 1994 unterzeichneten Notariatsakt bezüglich einer Gesellschaftsgründung. Da der Sitz der Gesellschaft Wien sei, habe der Beschwerdeführer selbst den Nachweis erbracht, in Wien arbeiten zu wollen. Damit benötige aber auch ein Antragsteller, der grundsätzlich sichtvermerksfrei einreisen dürfe, eine gültige Aufenthaltsbewilligung, über die der Beschwerdeführer "bis dato" nicht verfüge, was Recherchen der Berufungsbehörde ergeben hätten. Der Beschwerdeführer habe darüberhinaus gegen fremdenrechtliche Bestimmungen verstoßen, weshalb auch ein Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vorliege. Im Hinblick auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, B 338/93 und B 445/93, erübrige sich das Eingehen auf eventuelle private und familiäre Interessen des Beschwerdeführers, weil das Vorliegen des Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG einen zulässigen Eingriff in das durch Art. 8 MRK geschützte Grundrecht darstelle. Was die privaten Interessen des Beschwerdeführers anlange, so stelle die Berufungsbehörde fest, daß dieser eindeutig gegen fremdenrechtliche Bestimmungen verstoßen habe, indem er bewußt längere Zeit ohne gültige Aufenthaltsberechtigung in Österreich aufhältig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt. Zwar sei es richtig, daß der Beschwerdeführer im September 1994 in Wien aufrecht gemeldet gewesen sei und in weiterer Folge einen Notariatsakt unterschrieben und "eine Firma gegründet" habe. Er verweise jedoch darauf, daß er als kroatischer Staatsbürger die Möglichkeit habe, sichtvermerksfrei einzureisen. Er halte sich nie länger als drei Monate durchgehend in Österreich auf, und sein Gesamtaufenthalt in Österreich übersteige nicht sechs Monate pro Jahr. Zwar sei er als Gesellschafter am im angefochtenen Bescheid erwähnten Unternehmen beteiligt, Geschäftsführer sei allerdings J.G., welcher österreichischer Staatsbürger sei und sämtliche Geschäfte während der Abwesenheit des Beschwerdeführers führe. Die Feststellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer halte sich seit September 1994 ununterbrochen in Österreich auf, sei unrichtig. Ordnungsgemäß habe der Beschwerdeführer am 20. Juni 1995 seinen Antrag vom Ausland aus gestellt. Ohne ihm Parteiengehör zu gewähren, habe die belangte Behörde den Versagungsgrund gewechselt. Schon deswegen sei der Bescheid rechtswidrig. Für das Vorliegen des Versagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG komme es überdies auf den unmittelbaren Anschluß der beiden Aufenthalte an. Da der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides am 19. März 1996 bereits wieder im Ausland gewesen sei, sei der Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 zweiter Fall AufG nicht gegeben. Auch diesbezüglich sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig. Zwar sei es richtig, daß der Beschwerdeführer "in Zukunft arbeiten möchte", bis dato habe er dies jedoch unterlassen. Da der Beschwerdeführer, wie bereits vorgebracht, stets rechtmäßig in Österreich aufhältig gewesen sei, weil er sichtvermerksfrei einreisen durfte, sei auch die Heranziehung des Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG zu Unrecht erfolgt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 19. März 1996 in Zagreb) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

§ 5 Abs. 1 AufG lautete in der Fassung dieser Novelle (auszugsweise):

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ..."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG lautete (auszugsweise):

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4.

der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;

...

6.

der Sichtvermerk ... nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"

Die Art. 1 und 2 des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Republik Kroatien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 487/1995, lauten:

Art. 1

Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die einen der im Art. 3 angeführten Reiseausweise mit sich führen, können ohne Sichtvermerke des anderen Vertragsstaates die Grenzen der Vertragsstaaten überschreiten und sich drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten.

Art. 2

Art. 1 findet keine Anwendung auf jene Personen, die sich länger als drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten wollen oder dort die Ausübung einer Erwerbstätigkeit beabsichtigen. In diesen Fällen ist vor der Einreise die Erteilung eines Sichtvermerkes oder einer Aufenthaltsbewilligung erforderlich."

Diese Bestimmungen sind gemäß Art. 7 Abs. 2 des Abkommens mit 1. August 1995 in Kraft getreten (vgl. die Kundmachung BGBl. Nr. 487/1995).

Der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann verwirklicht, wenn sich ein Fremder in dem für die Entscheidung der Behörde maßgeblichen Zeitpunkt im Anschluß an eine mit einem Touristensichtvermerk erfolgte Einreise oder nach sichtvermerksfreier Einreise (weiterhin) im Bundesgebiet aufhält. Ein nahtloser Anschluß der angestrebten Aufenthaltsbewilligung an einen mit sichtvermerksfreier Einreise begonnenen Aufenthalt im Bundesgebiet ist hingegen nicht erforderlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1995, Zl. 95/19/0500). Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht im Bundesgebiet aufhältig war, erweist sich die Heranziehung dieses Sichtvermerksversagungsgrundes nicht als zutreffend.

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung jedoch, wie die Begründung des angefochtenen Bescheides zweifelsfrei zeigt, auch auf § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gestützt. Eine Einreise in das Bundesgebiet ohne erforderlichen Sichtvermerk und ein anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet verwirklichen den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (vgl. z. B. die hg. Erkenntnisse vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0259, sowie vom 13. Juni 1997, Zl. 95/19/1913).

Da die in § 6 Abs. 1 AufG verankerte Pflicht des Antragstellers, glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund vorliegt, nicht so weit reicht, auch das Nichtvorliegen eines Sichtvermerksversagungsgrundes im Sinne des § 10 Abs. 1 FrG darzutun, durfte die belangte Behörde § 10 Abs. 1 FrG nur nach Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens heranziehen, in dessen Rahmen sie von Amts wegen zu prüfen hatte, ob der Beschwerdeführer ohne einen erforderlichen Sichtvermerk nach Österreich eingereist ist. Die Partei traf dabei die Pflicht, an den Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 321, sowie das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1997,

Zlen. 95/19/1311, 1312). Die belangte Behörde, die sich anders als die Behörde erster Instanz auf § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG stützte, hatte der Partei zu ihren Sachverhaltsannahmen auch Parteiengehör einzuräumen. Hingegen brauchte die belangte Behörde die Partei zu jenen Sachverhaltselementen, die diese selbst geliefert hat, nicht zu hören (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1985, Zl. 85/18/0219).

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren selbst eine Bestätigung eines Wirtschaftstreuhänders vom 20. April 1995 vorgelegt, derzufolge dieser für die vom Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen gegründete Gesellschaft die steuerliche Vertretung übernommen habe und der Beschwerdeführer als Gesellschafter-Geschäftsführer tätig sei und einen monatlichen Geschäftsführerbezug von S 15.000,-- erhalte (vgl. OZl. 15 des Verwaltungsaktes). Auch die vom Beschwerdeführer vorgelegte Firmenbucheintragung des Handelsgerichtes Wien vom 18. Oktober 1994 enthält den Vermerk, daß der Beschwerdeführer die Gesellschaft seit 19. Oktober 1994 selbständig vertrete (vgl. OZl. 23 des Verwaltungsaktes). Schließlich ergibt sich aus den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Dezember 1994 bis April 1995, daß das betreffende Unternehmen in diesem Zeitraum Leistungen erbracht hat (vgl. OZl. 28 des Verwaltungsaktes). In seiner Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz vom 18. Dezember 1995 gab der Beschwerdeführer nicht nur eine Adresse im 9. Wiener Gemeindebezirk an, sondern bezeichnete sich auch ausdrücklich als Selbständigen, der Arbeitsplätze schaffe und schon deswegen bevorzugt zu berücksichtigen sei. Die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung würde in seinem Fall den Effekt haben, daß auch sein Unternehmen geschlossen werden müsse (vgl. OZl. 45 des Verwaltungsaktes). Da der Beschwerdeführer den Bescheid der Behörde erster Instanz nach der Aktenlage in Zagreb übernommen hat (vgl. OZl. 42 des Verwaltungsaktes), konnte die belangte Behörde aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers folgern, daß dieser seit der Übernahme des Bescheides der Behörde erster Instanz und der Erhebung der Berufung nach Österreich eingereist ist. Ebenfalls aufgrund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers konnte die belangte Behörde auch davon ausgehen, daß - mangels eines ihr bekanntgegebenen gegenteiligen Vorbringens im Verwaltungsverfahren - der Beschwerdeführer mit der Absicht der Ausübung einer Erwerbstätigkeit eingereist war. Zum Zeitpunkt dieser Einreise stand jedoch das oben wiedergegebene Abkommen zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Republik Kroatien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht in Geltung, nach dessen Art. 2 eine sichtvermerksfreie Einreise von Staatsbürgern der Vertragsstaaten dann ausgeschlossen ist, wenn die Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates beabsichtigt ist. Die belangte Behörde konnte daher davon ausgehen, daß die zwischen der Übernahme des Bescheides der Behörde erster Instanz und der Erhebung der Berufung erfolgte Einreise in das Bundesgebiet entgegen Art. 2 des genannten Abkommens erfolgte. Diese Einreise des Beschwerdeführers ist folglich als rechtswidrig zu qualifizieren. Da an diese Einreise ein unrechtmäßiger Aufenthalt des Beschwerdeführers anschloß und dieser selbst Voraufenthalte im letzten halben Jahr vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht bestreitet, kann trotz des Umstandes, daß der Beschwerdeführer kurz vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides das Bundesgebiet wieder verlassen und damit sein rechtswidriges Verhalten beendet hat, wegen der dargelegten unrechtmäßigen Einreise und des daran anschließenden unrechtmäßigen Aufenthalts (zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit) die Rechtsansicht der belangten Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden, daß mit diesem Verhalten der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG und damit der Abweisungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG gegeben war.

Eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Fremden kommt im Falle einer unrechtmäßigen Einreise auch beim Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0259).

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996191187.X00

Im RIS seit

13.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten