TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/13 96/19/2326

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Veröffentlicht am 13.03.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §1 Z1;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §1 Z4;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z1;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z3;
B-VG Art7 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der 1980 geborenen D K, vertreten durch ihre gesetzliche Vertreterin S K, beide in Wien, letztere vertreten durch Dr. H E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Oktober 1995, Zl. 303.455/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am 1. März 1995, vertreten durch ihre gesetzliche Vertreterin, einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung beim Magistrat der Stadt Wien. Als Geburtsort gab die Beschwerdeführerin "Innsbruck", als Aufenthaltszweck "Familienzusammenführung/Familiengemeinschaft", und zwar mit ihrer gesetzlichen Vertreterin (ihrer Pflegemutter) an.

Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag mit Bescheid vom 13. März 1995 mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab.

Die dagegen erhobene Berufung, in der die Beschwerdeführerin neuerlich vorbrachte, in Österreich geboren zu sein und überdies auf die Möglichkeit der Inlandsantragstellung nach der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 hinwies, wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 6. Oktober 1995 gemäß § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes 1992 (im folgenden: FrG) abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Beschwerdeführerin sei nach der auf ihren eigenen Angaben beruhenden Aktenlage mit einem Touristensichtvermerk eingereist und habe ihren damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorigen Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern wollen. Damit liege der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vor, weil der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen solle. Gerade im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen habe die Berufungsbehörde festgestellt, daß unter Abwägung der persönlichen Interessen mit den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK letztere überwögen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluß vom 17. Juni 1996, B 3637/95-8, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie von der Beschwerdeführerin ergänzt. Sie erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt. Nach der Geburt in Österreich habe sie den größten Teil ihres bisherigen Lebens in Österreich zugebracht, allerdings auch einige Jahre in Jugoslawien, dem Land, dessen Staatsbürgerschaft sie besitze. Die Mutter der Beschwerdeführerin sei am 2. Februar 1992 in Wien verstorben, ihr Vater lebe in Jugoslawien, habe dort eine neue Familie, es bestehe "praktisch kein Kontakt mehr zu seiner Tochter". In dieser Situation habe eine Bekannte der Familie de facto die Obsorge für das Kind übernommen und auch vom Bezirksgericht Hernals mit Beschluß vom 24. Oktober 1994 die gesetzlichen Sorgerechte für das Kind übertragen erhalten. Die Beschwerdeführerin habe mittlerweile selbst ein Kind geboren, weshalb Art. 8 MRK von der Behörde zu berücksichtigen gewesen wäre. Die Beschwerdeführerin habe aufgrund der beantragten Familienzusammenführung mit ihrer Pflegemutter grundsätzlich ihren Antrag vom Inland aus stellen dürfen. Auch die belangte Behörde habe keinen Verstoß gegen § 6 AufG angenommen. Da die Beschwerdeführerin zu ihrer Pflegemutter überdies in einem Verhältnis im Sinne des § 3 Abs. 1 AufG stehe, bestehe ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 16. Oktober 1995) ist für die Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

Die §§ 2 Abs. 3, 5 Abs. 1 und 6 Abs. 2 AufG lauteten in der Fassung dieser Novelle (auszugsweise):

"§ 2.

...

(3) Die Bundesregierung kann in dieser Verordnung insbesondere

...

4. in Österreich geborene Kinder von Fremden (§ 3 Abs. 1 Z. 2), Angehörige österreichischer Staatsbürger (§ 3 Abs. 1 Z. 1), Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 aufenthaltsberechtigt sind oder waren, sowie Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, einer Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines und deren Familienangehörige im Sinne des § 3, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten, insoweit von der Anrechnung auf die Zahl der Bewilligungen ausnehmen, als dadurch das Ziel der Zuwanderungsregelung nicht beeinträchtigt wird, ...

...

§ 5 (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden,

bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG)

vorliegt, ...

...

§ 6

...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ... Schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. ..."

§ 10 Abs. 1 Z. 6 FrG lautete:

"§ 10.(1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

6. Der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll; ..."

Die §§ 1 und 3 der am 27. Juni 1995 im Bundesgesetzblatt kundgemachten Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, lauteten (auszugsweise):

"§ 1. Folgende Personen werden von der Anrechnung auf die in der Verordnung der Bundesregierung, BGBl. Nr. 123/1994, festgelegte Zahl von Bewilligungen ausgenommen:

1.

In Österreich geborene Kinder von Fremden, die auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung oder eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind,

...

4.

Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist und deren Familienangehörige im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten.

...

§ 3. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

1.

In Österreich geborenen Kindern von Fremden, die auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung oder eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind,

...

3.

Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist und deren Familienangehörige im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten.

..."

Der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits dann verwirklicht, wenn sich ein Fremder in dem für die Entscheidung der Behörde maßgeblichen Zeitpunkt im Anschluß an eine mit einem Touristensichtvermerk erfolgte Einreise oder nach sichtvermerksfreier Einreise (weiterhin) im Bundesgebiet aufhält (vgl. zur Maßgeblichkeit des Entscheidungszeitpunktes das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1995, Zl. 95/19/0500).

Die Beschwerdeführerin tritt der Feststellung im angefochtenen Bescheid nicht entgegen, sie sei mit einem Touristensichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist und habe mit ihrem gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung den damit begonnenen Aufenthalt im Bundesgebiet verlängern wollen. Die Beschwerdeführerin vertritt aber die Auffassung, sie sei als in Österreich geborene Fremde und Angehörige aufenthaltsberechtigter Fremder zur Antragstellung im Inland legitimiert, weshalb § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG auf ihren Fall nicht anzuwenden sei.

Es kann im vorliegenden Zusammenhang jedoch dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin nach § 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 zur Antragstellung im Inland berechtigt gewesen wäre, weil für sie in Ansehung des von der belangten Behörde gebrauchten Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 1 AufG iVm dem Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG aus folgenden Gründen nichts gewonnen wäre:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. April 1997, Zl. 95/19/1910, AW 97/19/0423, ausführlich dargelegt hat, ergibt sich aus dem Zusammenhalt des § 6 Abs. 2 AufG iVm § 3 Z. 1 und 3 der Verordnung

BGBl. Nr. 408/1995 einerseits und des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 andererseits, daß die Ausnahmebestimmungen vom Grundsatz der Antragstellung vom Ausland aus jenen Fremden zugute kommen sollen, die entweder in Österreich als Kinder der in § 3 Z. 1 der genannten Verordnung umschriebenen Fremden geboren wurden oder die Frist zur Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung versäumten, ihren Inlandsaufenthalt jedoch dessen ungeachtet fortsetzten. Solchen Fremden sollte, falls sie die Voraussetzungen des § 3 Z. 1 oder 3 der erwähnten Verordnung erfüllten, die Ausreise vor einer neuerlichen Antragstellung erspart werden. Hat ein Fremder hingegen - wie die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung behauptete - das Bundesgebiet zu einem länger dauernden Aufenthalt (in ihrer Heimat Jugoslawien) verlassen und erfolgte vor der gegenständlichen Antragstellung im Bundesgebiet eine Einreise aufgrund eines Touristensichtvermerkes, so besteht keine gesetzliche Grundlage dafür, ihr die Wiedereinreise unter Verwendung eines Touristensichtvermerks und den daran anschließenden (unrechtmäßigen) Aufenthalt im Bundesgebiet bis zur Entscheidung über ihren - gemäß § 1 Z. 1 und 4 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 dann nicht quotenabhängigen - Antrag ohne Schaden für dessen Erfolg zu ermöglichen. Daß solche Fremde die Entscheidung über ihre nicht quotenabhängigen Erstanträge vom Inland aus abzuwarten haben, erscheint nicht unsachlich. Die Anwendung des Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG wird daher durch die Ausnahmebestimmungen des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG im Zusammenhang mit der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 jedenfalls im vorliegenden Fall nicht berührt.

Da nach dem bisher Gesagten ein Sichtvermerksversagungsgrund, somit ein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG vorliegt, kommt ein Rechtsanspruch der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG schon deshalb nicht in Frage. Im übrigen wird darauf hingewiesen, daß die Beschwerdeführerin als Pflegekind nicht den im § 3 Abs. 1 erwähnten ehelichen und außerehelichen Kindern gleichzusetzen ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erweist sich der angefochtene Bescheid schließlich auch im Hinblick auf Art. 8 MRK nicht als rechtswidrig, weil eine Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen eines Fremden bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 6 gestützten Entscheidung aus den vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 1. Juli 1993, Slg. Nr. 13.497, dargelegten Gründen nicht in Frage kommt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zl. 95/19/0715).

Da somit die behaupteten Rechtswidrigkeiten des angefochtenen Bescheides nicht vorliegen, war die Beschwerde als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1997.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996192326.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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