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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 95/19/1456 E 13. März 1998Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des R A, geboren 1978, vertreten durch seinen Vater J A in Wien, dieser vertreten durch Dr. H E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. September 1995, Zl. 115.755/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am 14. September 1994, vertreten durch seinen Vater, bei der österreichischen Botschaft in Preßburg einen Antrag auf Erteilung einer Aufenhaltsbewilligung, der am 20. September 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag mit Bescheid vom 4. April 1995 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) mangels einer ortsüblichen Unterkunft ab.
Die dagegen fristgerecht erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 8. September 1995 gemäß § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen. Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer habe seinem Antrag eine aktuelle Lohnbestätigung seines Vaters beigeschlossen, wonach monatliche Unterhaltsmittel im Ausmaß von S 11.500,-- netto zur Verfügung stünden, die jedoch für einen fünfköpfigen Haushalt zu gering seien.
Die ebenfalls dem Antrag beigeschlossene Verpflichtungserklärung des Herrn R. zur Sicherung des Unterhaltes des Beschwerdeführers habe nicht berücksichtigt werden können, da eine Finanzierung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers durch Dritte nicht geeignet sei, die dauernde Sicherung seines Lebensunterhaltes im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG zu gewährleisten.
Gerade die Notwendigkeit, in einem ohnedies sensiblen Bereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, mache es erforderlich, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der gesicherten Unterhaltsmittel von Zuwanderern anzulegen. Sei der Unterhalt für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert, so dürfe gemäß § 5 Abs. 1 AufG eine Bewilligung nicht erteilt werden.
Aufgrund der Aktenlage stehe fest, daß die Eltern des Beschwerdeführers im Bundesgebiet aufhältig seien. Im Hinblick auf den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 MRK habe der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach erkannt, daß der § 5 Abs. 1 AufG iVm Art. 8 Abs. 1 MRK verfassungskonform interpretiert werden könne. Dabei habe eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber der privaten Interessen stattzufinden.
Diese Abwägung habe im Fall des Beschwerdeführers ergeben, daß den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Priorität einzuräumen gewesen sei, da die zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel nicht als ausreichend zu betrachten seien.
Es sei davon auszugehen, daß die Unterhaltsmittel des Beschwerdeführers nicht dazu ausreichten, um ohne Unterstützung der Sozialhilfeträger auskommen zu können. Unter Berücksichtigung der für das Bundesland Wien feststehenden Höhe des Mindestunterhaltes müßte der "Sozialversicherungsträger" Geldmittel zuschießen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt. In seiner Beschwerde rügt der Beschwerdeführer insbesondere, daß die Berufungsbehörde einen anderen Versagungsgrund herangezogen habe als die Behörde erster Instanz, ohne ihm jedoch Parteiengehör zu gewähren.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (22. September 1995) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 anzuwenden.
Die §§ 5 Abs. 1 lautet in der Fassung dieser Novelle:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
Bei der Prüfung der Frage, ob der Unterhalt eines Fremden im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG gesichert ist, steht der Behörde kein Ermessensspielraum zu. Sie hat diese Frage vielmehr in rechtlicher Gebundenheit zu berurteilen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hätte die belangte Behörde ihrer Beurteilung, ob die von ihr festzustellenden, dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel ausreichend sind, den Sozialhilferichtsatz für das Bundesland Wien zugrundelegen dürfen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1996, Zl. 96/19/0764, 0765). Eine derartige nähere Begründung läßt der angefochtene Bescheid jedoch nicht erkennen.
Die belangte Behörde ging zwar offenbar davon aus, daß dem Beschwerdeführer nur Unterhaltsmittel in der Höhe von S 11.500,-- zur Verfügung stünden, die durch das Einkommen des Vaters als Taxifahrer aufbracht werden, sie unterließ aber sowohl eine nachvollziehbare Beweiswürdigung, weshalb sie aufgrund der Aktenlage nur von dieser Einkommenshöhe ausging, als auch eine Begründung, weshalb der von ihr angenommene Betrag für einen fünfköpfigen Haushalt nicht ausreichend sei (wie hoch der Bedarf für eine fünfköpfige Familie sei, wurde von der Behörde ebenfalls nicht festgestellt).
Darüberhinaus hat es die belangte Behörde unterlassen, auf die niederschriftliche Einvernahme des Vaters des Beschwerdeführers vom 16. März 1995 (Seite 46 des Verwaltungsaktes) durch die Behörde erster Instanz einzugehen, in der dieser angab, in seinem Beruf als Taxilenker durchschnittlich ein monatliches Trinkgeld von S 5.000,-- zu erhalten und sein "Nettogehalt" 14 mal im Jahr zu beziehen. Aufgrund dieser Unterlassung ist bereits der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht ausreichend festgestellt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1997, Zl. 95/21/0699) wäre nämlich dieses Trinkgeld (gegebenenfalls) pauschaliert - wenn auch unter Bedachtnahme darauf, daß es der Einkommensteuer unterliegt - bei der Berechnung des monatlich für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Einkommens zu berücksichtigen gewesen; gleiches trifft hinsichtlich der Sonderzahlungen des Monatsbezuges zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zlen. 96/19/2559, 2560, 2561).
Sollte sich das Vorbringen des Vaters des Beschwerdeführers zur Höhe des ihm monatlich zukommenden Trinkgeldes als zutreffend erweisen, so stünden dem Beschwerdeführer weitere Unterhaltsmittel zur Verfügung, bei deren Einbeziehung es - auch bei Zugrundelegung des Sozialhilferichtsatzes für das Bundesland Wien (vgl. die hier maßgebliche Verordnung der Wiener Landesregierung LGBl. Nr. 68/1994) - nicht ausgeschlossen wäre, daß die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.
Der belangten Behörde fällt somit ein Verstoß sowohl gegen die Pflicht zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes als auch gegen die Begründungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 iVm § 67 AVG zur Last, weshalb ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995191381.X00Im RIS seit
02.05.2001