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E1ENorm
LSD-BG 2016 §12 Abs1 Z3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des J S in P (Slowenien), vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, Dr. Maria Skof, MMag. Maja Ranc und Mag. Sara Julia Grilc, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 6. März 2018, Zl. LVwG-S-2856/001-2017, betreffend Übertretungen nach dem LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gmünd),
Spruch
I. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird, soweit sie sich gegen den Schuldausspruch des angefochtenen Erkenntnisses richtet, zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Strafausspruches und des Ausspruches über den Beitrag zu den Verfahrenskosten wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde, im Wesentlichen durch Bestätigung des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 20. November 2017 (mit der Maßgabe einer teilweisen Herabsetzung der Geld- und der Ersatzfreiheitsstrafen), der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe es als der gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufene einer Gesellschaft mit Sitz in Slowenien zu verantworten, dass diese als Arbeitgeberin
1) hinsichtlich von acht namentlich genannten Arbeitnehmern die Lohnunterlagen nur teilweise bereitgehalten,
2) hinsichtlich derselben Arbeitnehmer die Lohnunterlagen trotz Aufforderung durch die Finanzpolizei bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktages nur teilweise übermittelt und
3) die Entsendung von fünf namentlich genannten Arbeitnehmern nicht vor deren Arbeitsaufnahme der Zentralen Koordinationsstelle gemeldet habe.
2 Der Revisionswerber habe dadurch
zu 1) § 22 Abs. 1 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz - LSD-BG, BGBl. Nr. 44/2016, übertreten, weswegen über ihn gemäß § 28 Z 1 LSD-BG Geldstrafen von jeweils EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils 34 Stunden) verhängt wurden, zu 2) § 12 Abs. 1 Z 3 LSD-BG übertreten, weswegen über ihn gemäß § 27 Abs. 1 LSD-BG Geldstrafen von jeweils EUR 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils 12 Stunden) verhängt wurden, und zu 3) § 19 Abs. 1 LSD-BG übertreten, weswegen über ihn gemäß § 26 Abs. 1 Z 1 LSD-BG Geldstrafen von jeweils EUR 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils 12 Stunden) verhängt wurden.
3 Weiters wurde dem Revisionswerber mit dem angefochtenen Erkenntnis ein Kostenbeitrag für das behördliche Strafverfahren von EUR 2.250,-- (10% der Geldstrafen gemäß § 64 Abs. 2 VStG) und ein Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren von EUR 3.200,-- (20% der Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 VStG) vorgeschrieben.
4 Schließlich wurde im angefochtenen Erkenntnis gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht als entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest, dass für die acht genannten Arbeitnehmer die Lohnunterlagen in deutscher Sprache nicht vorgelegen und auch vor Ort nicht elektronisch zugänglich gemacht und trotz Aufforderung durch die Finanzpolizei nicht innerhalb der Zweitagesfrist nachgereicht worden seien, und dass für die fünf genannten Arbeitnehmer von der vom Revisionswerber nach außen vertretenen slowenischen Gesellschaft keine ZKO-Meldung an die Zentrale Koordinationsstelle erstattet worden sei.
6 Zur Strafbemessung führte das Verwaltungsgericht aus, über den Revisionswerber sei hinsichtlich der mangelnden Bereithaltung und Nachreichung der Lohnunterlagen jeweils die gesetzliche Mindeststrafe verhängt worden. Hinsichtlich der fehlenden ZKO-Meldung hätten beim Revisionswerber die Milderungsgründe überwogen, sodass die Mindeststrafen unterschritten worden seien.
7 Mit Beschluss vom 9. Oktober 2018, E 1071/2018-6, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diese Erkenntnisse erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde mit Beschluss vom 18. September 2019, E 1071/2018-9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision. Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
10 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, die "Sanktionsbestimmungen" des LSD-BG seien im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 12. September 2019, Maksimovic ua, C-64/18 ua, nicht mit dem Unionsrecht vereinbar.
Zum Schuldspruch des angefochtenen Erkentnnisses:
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in
nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer
außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat im - u.a. Bestrafungen wegen Übertretungen der Pflichten zur Bereithaltung der Lohnunterlagen betreffenden - Erkenntnis vom 18. Februar 2020, Ra 2019/11/0195, 0196, unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom 15. Oktober 2019, Ra 2019/11/0033 bis 0034, dargelegt, dass durch das Urteil des EuGH vom 12. September 2019, Maksimovic ua, C- 64/18 ua, nur die Strafnormen betreffend Verstöße gegen die Bereithaltepflichten von Lohnunterlagen nach dem LSD-BG - in Teilbereichen - unionsrechtlich verdrängt werden. Demgegenüber werden die in Rede stehenden Gebotsnormen (Bereithaltepflichten betreffend entsprechende Unterlagen für entsandte Arbeitnehmer) durch das zitierte Urteil des EuGH nicht unionsrechtlich verdrängt, sodass die Erfüllung des objektiven und subjektiven Tatbestandes weiterhin möglich ist (vgl. auch die Rn. 40 f. dieses Urteils, wiedergegeben im Erkenntnis Ra 2019/11/0033 bis 0034).
15 Diese Ausführungen gelten in gleicher Weise für die Verpflichtung zur Übermittlung der zur Lohnkontrolle erforderlichen Lohnunterlagen gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 iVm § 27 Abs. 1 LSD-BG und die Verpflichtung zur Meldung der Entsendung an die Zentrale Koordinationsstelle vor Arbeitsaufnahme gemäß § 19 Abs. 1 iVm § 26 Abs. 1 Z 1 LSD-BG.
16 Insoweit sich die Revision also auch gegen den Schuldspruch des angefochtenen Erkenntnisses richtet, werden in ihr keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, sodass die Revision insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen war. Zu den verhängten Strafen und zur Vorschreibung eines Kostenbeitrages:
17 Das Verwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidung über das Strafausmaß von den in § 28 Z 1 LSD-BG für die Nichtbereithaltung von Lohnunterlagen, in § 27 Abs. 1 LSD-BG für die Nichtübermittlung solcher Unterlagen und in § 26 Abs. 1 Z 1 LSD-BG für die mangelnde Meldung bei Entsendung vorgesehenen gesetzlichen Mindeststrafen sowie von den dort normierten Geboten der Verhängung einer Geldstrafe pro betroffenem Arbeitnehmer ausgegangen und hat überdies für die Übertretung der in Rede stehenden Bereithalte- und Meldepflichten für jede Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe (§ 16 VStG) verhängt.
18 Der Revisionsfall gleicht daher, was den Strafausspruch und die Vorschreibung des Kostenbeitrages in Zusammenhang mit der Nichtbereithaltung von Lohnunterlagen betrifft, jenem, der dem - zu den entsprechenden Vorgängerregelungen im AVRAG ergangenen - Erkenntnis VwGH 15.10.2019, Ra 2019/11/0033 bis 0034, zu Grunde lag. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
19 Das im Erkenntnis Ra 2019/11/0033 bis 0034 Ausgeführte gilt in gleicher Weise insoweit, als das Verwaltungsgericht von der - im Wesentlichen gleichartigen - in § 27 Abs. 1 LSD-BG vorgesehenen gesetzlichen Mindeststrafe für die Nichtübermittlung von Lohnunterlagen und der in § 26 Abs. 1 Z 1 LSD-BG für die mangelnde Meldung bei Entsendung sowie von den dort normierten Geboten der Verhängung einer Geldstrafe pro betroffenem Arbeitnehmer ausgegangen ist und für die Übertretung dieser Meldepflichten für jede Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe (§ 16 VStG) verhängt und einen Kostenbeitrag vorgeschrieben hat (vgl. EuGH 19.12.2019, NE, C-645/18; VwGH 25.2.2020, Ra 2018/11/0110; VfGH 27.11.2019, E 2047/2019 ua; 27.11.2019, E 2893/2019 ua).
20 Das angefochtene Erkenntnis war somit hinsichtlich der verhängten Strafen und der daran anknüpfenden Kostenbeiträge gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
21 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 27. April 2020
Gerichtsentscheidung
EuGH 62018CJ0064 Maksimovic VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019110171.L00Im RIS seit
16.06.2020Zuletzt aktualisiert am
16.06.2020