TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/17 97/04/0204

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Veröffentlicht am 17.03.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §82 Abs1;
GewO 1994 §82 Abs4;
TankstellenGaspendelleitungenV 1992 §3 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde der M Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 21. August 1997, Zl. 319.539/2-III/A/2a/97, betreffend Verfahren gemäß § 77 GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 21. August 1997 erteilte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten der Beschwerdeführerin gemäß § 77 GewO 1994 die gewerberechtliche Genehmigung einer näher bezeichneten Tankstellen-Betriebsanlage unter Vorschreibung von Auflagen.

Die Auflage Punkt 90. hat folgenden Wortlaut:

"Das gesamte Gasrückführsystem ist jährlich wiederkehrend von einem hiezu befugten Fachkundigen auf ordnungsgemäße Funktion nachweislich überprüfen zu lassen, wobei die Rückführrate in den einzelnen Abgaberasten anzugeben ist."

Zur Begründung dieser Auflage führte der Bundesminister aus, die Beschwerdeführerin habe in ihrer gegen den erstbehördlichen Bescheid gerichteten Berufung eine Verlängerung des Überprüfungsintervalls auf zwei Jahre begehrt. Er habe dazu ein Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen eingeholt. Dieser habe dazu ausgeführt, die Auflage beziehe sich auf das Gasrückführungssystem, welches sicherstellen solle, daß ein möglichst großer Teil des beim Betanken aus dem Fahrzeugtank verdrängten Treibstoffdampfes nicht in die Umgebung entweiche, sondern in den Lagerbehälter der Tankstelle zurückgeführt würde. Durch die Verordnung über die Ausstattung von Tankstellen mit Gaspendelleitungen, BGBl. Nr. 793/1992, seien nähere Bestimmungen dafür erlassen worden. Im § 3 dieser Verordnung werde gefordert, daß mindestens 80 % des Kraftstoffdampfes unter definierten Prüfbedingungen rückgeführt werden müßten. Der Nachweis der Erfüllung dieser Bestimmung sei vor Ort in eingebautem Zustand relativ aufwendig, sodaß in der Regel eine Typenprüfung des Gasrückführungssystems erfolge und im eingebauten Zustand nur noch das Verhältnis abgegebene Kraftstoffmenge : rückgesaugte Luft/Dampfmenge ermittelt werde. Das Verhältnis zwischen diesen beiden Prüfungen müsse bekannt sein, sodaß bei der Vor-Ort-Prüfung (der sogenannten "Trockenprüfung") auf eine einwandfreie Funktionsweise der Gasrückführung geschlossen werden könne. Durch Abnutzungserscheinungen könne es im Laufe der Zeit zu Verschiebungen des oben beschriebenen Verhältnisses kommen und eine Neueinstellung der Gasrückführpumpe erforderlich werden. Zu diesem Zweck werde eine regelmäßige Überprüfung des Gasrückführungssystems vorgeschrieben, wie auch im Falle der bekämpften Auflagen. Üblicherweise werde derzeit ein Prüfintervall von einem Jahr für die Prüfung der Einhaltung der vorgeschriebenen Rückführrate vorgeschrieben und von den meisten Betreibern auch akzeptiert. In dem im Berufungsvorbringen zitierten Fall sei bereits früher die Frage aufgeworfen worden, ob dieses Prüfintervall aus technischer Sicht erforderlich sei. Der gegenwärtige Kenntnisstand, welcher in diesem Punkt auch schon längere Zeit gegeben sei, lasse tatsächlich den Schluß zu, daß bei den nun zur Anwendung kommenden Kundensteuerungen des Gasrückführungssystems höhere Zuverlässigkeiten gegeben seien und auch ein zweijähriges Prüfintervall gerechtfertigt wäre. Andererseits ergebe sich aus den Einreichunterlagen, daß das im gegenständlichen Fall zur Anwendung kommende Gasrückführungssystem einer Erstprüfung durch den deutschen TÜV Rheinland unterzogen worden sei. Zusätzlich sei mit Prüfzeugnis vom 8. Oktober 1993 von einem näher genannten Zivilingenieurbüro die Übereinstimmung mit den speziell österreichischen Bestimmungen bestätigt worden. Die deutsche Erstzertifizierung nehme ihrerseits Bezug auf die deutschen gesetzlichen Bestimmungen, im besonderen die

21. Verordnung zur Begrenzung der Kohlenwasserstoffemissionen bei der Betankung von Kraftfahrzeugen vom 7. Oktober 1992. Im § 5 dieser Verordnung werde eine jährliche Überprüfung des Gasrückführungssystems vorgeschrieben. Derzeit wäre die behördliche Vorschreibung mit der Zuverlässigkeitsgewährleistung, die sich indirekt aus den Einreichunterlagen ergebe, konsistent. Bei einer Erweiterung des Prüfintervalls auf zwei Jahre wäre dies nicht mehr der Fall, wobei prinzipiell nochmals zu bestätigen sei, daß nach den Informationen der Ämter der Landesregierung in letzter Zeit keine Probleme mit den Steuerungen der Gasrückfuhrpumpen aufgetreten seien. Im Hinblick auf die Bedeutung der Einreichunterlagen und der dadurch auferlegten Selbstverpflichtung eines Konsenswerbers werde jedoch im konkreten Fall vorgeschlagen, das Prüfintervall in der vorliegenden Form zu belassen. Dieses Gutachten sei der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht worden, worauf diese neuerlich um ein zweijähriges Prüfintervall ersucht habe, da mit den jährlich wiederkehrenden Überprüfungen des Gasrückführungssystems bei der großen Anzahl der betroffenen Tankstellen nicht unwesentliche Überprüfungskosten verbunden seien. Diesem Vorbringen sei entgegenzuhalten, daß die Gewerbebehörde bei der Genehmigung einer Betriebsanlage auch für den Betriebsanlageninhaber wirtschaftlich beeinträchtigende Auflagen vorschreiben dürfe, wenn dies zum Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen erforderlich sei. Aus dem schlüssig und ausführlich begründeten Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen ergebe sich, "daß die behördliche Vorschreibung bei einer Erweiterung des Prüfintervalls auf zwei Jahre mit der Zuverlässigkeitsgewährleistung, die sich indirekt aus den Einreichunterlagen ergebe, nicht konsistent wäre".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Vorschreibung eines Überprüfungsintervalls, das von den Festlegungen in den bezughabenden, gemäß § 82 Abs. 1 GewO 1994 erlassenen Verordnungen nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 82 Abs. 4 GewO 1994 abweicht, bzw. das die Erreichung der Schutzziele der GewO 1994 bei geringstmöglicher Belastung der Beschwerdeführerin gewährleistet, verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringt sie vor, in Ausführung des § 82 Abs. 1 GewO 1994 sei die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Ausstattung von Tankstellen mit Gaspendelleitungen, BGBl. Nr. 793/1992, ergangen. Nach deren § 3 Abs. 1 müßten Tankstellen mit einem System zur Gasrückführung ausgestattet sein, das zumindest einen 80 %-igen Wirkungsgrad erreiche. Die Erfüllung dieser Anforderung sei auf Verlangen nachzuweisen. Nach dem Abs. 3 dieser Bestimmung habe der Betriebsanlageninhaber das System mindestens einmal wöchentlich durch eine äußere Besichtigung auf dessen Funktionstüchtigkeit zu prüfen. Weitere Prüfpflichten seien in dieser Verordnung nicht normiert. Im Beschwerdefall sei auch die Verordnung über brennbare Flüssigkeiten, BGBl. Nr. 240/1991, anzuwenden. Diese enthalte in ihren §§ 14 und 15 Regelungen über wiederkehrende Prüfungen, die auch auf die im § 12 Abs. 1 genannten Tankstellen und damit auch auf das dazugehörige Gasrückführungssystem anzuwenden seien. Demnach seien gemäß § 15 Abs. 1 Z. 1 dieser Verordnung Tankstellen

bzw. Gasrückführungssysteme in einem Intervall von sechs Jahren auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu prüfen. Kürzere Fristen seien nach dieser Norm von der Behörde dann festzusetzen, wenn dies wegen der besonderen Eigenschaften der gelagerten brennbaren Flüssigkeiten oder auf Grund des Ergebnisses der letzten Prüfung notwendig sei. Ein Abgehen von den in diesen Verordnungen genannten Überprüfungsfristen wäre nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 82 Abs. 4 GewO 1994 möglich. Die belangte Behörde habe sich aber mit den diesbezüglichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht auseinandergesetzt. Zu Unrecht habe die belangte Behörde aus dem Prüfzertifikat des TÜV Rheinland den Schluß gezogen, es liege für das Gasrückführungssystem eine Zuverlässigkeitsgewährung nur für ein Jahr vor. Demgegenüber werde im Prüfzertifikat lediglich festgestellt, daß das Gasrückführungssystem dem in der genannten deutschen Verordnung festgelegten Stand der Technik entspreche. Das in der Verordnung festgelegte Prüfintervall zähle hingegen nicht zum Stand der Technik. Außerdem habe die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auch das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Prüfzeugnis des österreichischen Zivilingenieurs nicht berücksichtigt. In diesem werde festgestellt, daß das geprüfte Gasrückführungssystem dem Stand der Technik im Sinne der Verordnung zur Ausstattung von Tankstellen mit Gaspendelleitungen, BGBl. Nr. 793/1992, entspreche. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften weist die Beschwerdeführerin darauf hin, daß es nicht Aufgabe des Sachverständigen sei, dem dem Verfahren zugrunde liegenden Antrag einen bestimmten rechtlichen Inhalt zu geben. Das fachliche Substrat der Ausführungen des Amtssachverständigen könne aber dahingehend zusammengefaßt werden, daß aus gewerbetechnischer Sicht ein zweijähriges Überprüfungsintervall nicht bloß möglich, sondern fachlich auch gerechtfertigt sei.

Gemäß § 82 Abs. 1 GewO 1994 hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Soziales (jetzt: für Arbeit, Gesundheit und Soziales) und dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie durch Verordnung für genehmigungspflichtige Arten von Anlagen die nach dem Stand der Technik (§ 71 a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zum Schutz der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen und zur Vermeidung von Belastungen der Umwelt (§ 89 a) erforderlichen näheren Vorschriften über die Bauart, die Betriebsweise, die Ausstattung oder das zulässige Ausmaß der Emissionen von Anlagen oder Anlageteilen zu erlassen.

Wird im Einzelfall durch die Einhaltung der Bestimmungen einer Verordnung gemäß Abs. 1 der mit dieser Verordnung angestrebte Schutz nicht gewährleistet, so sind nach dem Abs. 4 dieser Gesetzesstelle zur Erreichung dieses Schutzes auch über die Bestimmungen der Verordnung hinausgehende Auflagen vorzuschreiben.

Nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut der zuletzt genannten Gesetzesstelle ist die Vorschreibung von Auflagen, die über die Bestimmungen einer nach § 82 Abs. 1 GewO 1994 ergangenen Verordnung hinausgehen, nicht schon dann zulässig, wenn die Behörde der Meinung ist, die Bestimmungen einer solchen Verordnung seien generell ergänzungsbedürftig, sondern nur dann, wenn "im Einzelfall", also auf Grund der besonderen Verhältnisse der im konkreten Fall zu genehmigenden Betriebsanlage, der mit der Verordnung angestrebte Schutz nicht gewährleistet wird.

Wie die Beschwerdeführerin zutreffend darlegt, ist in Ausführung des § 82 Abs. 1 GewO 1994 die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Ausstattung von Tankstellen mit Gaspendelleitungen, BGBl. Nr. 793/1992, ergangen. Nach dem § 3 Abs. 1 dieser Verordnung müssen Tankstellen mit einem System zur Gasrückführung ausgestattet sein, das zumindest einen 80 %-igen Wirkungsgrad erreicht. Nach dem Abs. 3 dieser Bestimmung hat der Betriebsanlageninhaber das System mindestens einmal wöchentlich durch eine äußere Besichtigung auf dessen Funktionstüchtigkeit zu prüfen. Weitere Prüfpflichten sind in dieser Verordnung nicht normiert.

Schutzzweck dieser Verordnung ist der Schutz der Umwelt vor Treibstoffdampf, der beim Tankvorgang entweichen könnte. Wie sich aus dem im angefochtenen Bescheid zitierten Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen ergibt, dient auch die in Rede stehende Auflage einer jährlichen Überprüfung des Gasrückführungssystems durch einen hiezu befugten Fachkundigen demselben Schutzzweck. Entsprechend der oben dargestellten Rechtslage wäre die Vorschreibung einer derartigen, über die Bestimmungen der Verordnung BGBl. Nr. 793/1992 hinausgehenden Auflage nur dann zulässig, wenn aus Gründen der besonderen Gestaltung der zu genehmigenden Betriebsanlage der mit der Verordnung angestrebte Schutzzweck mit den darin genannten Vorkehrungen nicht erreicht werden könnte. Daß dies der Fall wäre, wurde von der belangten Behörde nicht festgestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich aber auch nicht der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vertretenen Rechtsansicht anzuschließen, dadurch, daß die Beschwerdeführerin mit ihrem Genehmigungsantrag auch ein Prüfzertifikat des TÜV Rheinland vorgelegt habe, in dem auf eine in Deutschland geltende Norm verwiesen werde, die u.a. eine jährliche Überprüfung des Gasrückführungssystems vorsehe, habe sie eine derartige jährliche Überprüfung zum Inhalt ihres Antrages erhoben. Es kann im gegebenen Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob dieses Prüfzertifikat im Hinblick auf die oben dargestellte, in Österreich geltende Rechtslage einen ausreichenden Nachweis über eine mit den österreichischen Vorschriften übereinstimmende Gestaltung dieses Gasrückführungssystems darstellt. Eine, wenn auch nur mittelbare Willensäußerung der Beschwerdeführerin, sich einer jährlichen Überprüfung dieses Gasrückführungssystems zu unterwerfen, vermag der Verwaltungsgerichtshof in der Aufnahme dieses Prüfzertifikats in die Antragsunterlagen nicht zu erkennen.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997040204.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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