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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
BAO §245 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der R GmbH in W, vertreten durch Dr. Heinrich Balas, Steuerberater in 1040 Wien, Operngasse 18/12A-16, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 12. März 2019, Zl. RV/7100868/2019, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Bei der Revisionswerberin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wurde eine Außenprüfung durchgeführt, bei der der Prüfer Feststellungen hinsichtlich Umsatz-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuer für das Jahr 2016 sowie Umsatz- und Kapitalertragsteuer für den Zeitraum Jänner bis Oktober 2017 traf.
2 Das Finanzamt folgte dem Prüfer, erließ am 5. Juni 2018 entsprechende Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide und zog die Revisionswerberin zur Haftung für Kapitalertragsteuer heran.
3 Die Revisionswerberin erhob mit Schriftsatz vom 5. Juli 2018 gegen diese Bescheide Beschwerde.
4 Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 13. Dezember 2018, zugestellt am 15. Dezember 2018, wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
5 Am 9. Jänner 2019 brachte die Revisionswerberin beim Finanzamt einen Antrag auf Fristverlängerung zur Einbringung des Vorlageantrages ein.
6 Mit Bescheid vom 15. Jänner 2019, zugestellt am 17. Jänner 2019, gab das Finanzamt dem Antrag auf Fristverlängerung nicht statt.
7 Die Revisionswerberin beantragte mit Schriftsatz vom 23. Jänner 2019, der gemäß den Beilagen zur Revision und den Ausführungen des Finanzamts in der Revisionsbeantwortung noch am selben Tag elektronisch beim Finanzamt eingebracht und (zudem) am 24. Jänner 2019 in Papierform zur Post gegeben wurde, die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
8 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht den Vorlageantrag vom „24. Jänner 2019“ als nicht fristgerecht eingebracht zurück und begründete die Zurückweisung in der rechtlichen Beurteilung wie folgt:
„Die Frist zur Einbringung des Vorlageantrags begann gem. § 245 Abs. 1 BAO am 15.12.2018 mit rechtswirksamer Zustellung der Begründung der Beschwerdevorentscheidungen.
Somit wäre die Einbringung eines Vorlageantrages gem. § 245 Abs. 1 BAO bis zum 15.01.2019 rechtzeitig gewesen.
Der Fristverlängerungsantrag vom 09.01.2019 führte gem. § 245 Abs. 4 BAO zur Hemmung der Frist zur Einbringung des Vorlageantrags ab dem 09.01.2019 bis zum ursprünglichen Ende der Beschwerdefrist am 15.01.2019, das sind 7 Tage.
Mit Zustellung des Abweisungsbescheides des Fristverlängerungsantrages am 17.01.2019 beginnt gem. § 245 Abs. 4 BAO der Lauf der Restfrist von 7 Tagen, womit dem Beschwerdeführer zur Stellung des Vorlageantrages eine Frist bis inklusive 23.01.2019, das bedeutet, 7 Tage gezählt ab dem 17.01.2019 bis zum 23.01.2019, offen gestanden wäre.
Wie das Bundesfinanzgericht in einer Entscheidung aus 2018 zu § 245 Abs. 4 BAO festgestellt hat, kommt es beim Beginn des Laufes der Restfrist nach Hemmung auf den Zustellungstag des hemmungsbeendigenden Ereignisses - im konkreten Fall der Tag der Zustellung des Abweisungsbescheides des Fristverlängerungsantrages vom 15.01.2019 - das ist im konkreten Fall der 17.01.2019 - an, denn ‚die restliche Frist beginnt sofort zu laufen‘ (BFG 19.11.2018, RV/610081/2014).
Auch in der Literatur wird diese Meinung vertreten: ‚der Lauf der Fristen des Rechtsmittelverfahrens wird schließlich an dem Tag ausgelöst, an dem ein Bescheid als bekanntgemacht gilt‘ (Summersberger, BFG-Journal Nr. 12, 488).
Da der von der [Revisionswerberin] eingebrachte Vorlageantrag das Postaufgabedatum vom 24.01.2019 aufweist, ist dieser gem. § 264 Abs. 4 lit. e BAO iVm. § 260 Abs. 1 BAO als verspätet zurückzuweisen.“
9 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, „da die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des Ablaufs der Restfrist gem. § 245 Abs. 4 BAO uneinheitlich ist (VwGH 18.3.1986, 85/14/0148; VwGH 16.1.1962, 1250/60)“.
10 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision, in der unter anderem vorgebracht wird, der Vorlageantrag sei - entgegen der Feststellung des Bundesfinanzgerichts - bereits am 23. Jänner 2019 und damit jedenfalls fristgerecht beim Finanzamt eingebracht worden.
11 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der u.a. ausgeführt wird, die Feststellung des Bundesfinanzgerichts sei insoweit unrichtig, als der Vorlageantrag zwar nicht am 23. Jänner 2019 zur Post gegeben, sehr wohl aber am 23. Jänner 2019 elektronisch über FinanzOnline beim Finanzamt eingebracht worden sei. Der Vorlageantrag sei wirksam und fristgerecht eingebracht und zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen worden.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
13 Gemäß § 245 Abs. 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat. Die Beschwerdefrist ist nach § 245 Abs. 3 BAO von der Abgabenbehörde auf Antrag aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, zu verlängern. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Beschwerdefrist gehemmt. Die Hemmung des Fristenlaufes beginnt nach § 245 Abs. 4 BAO mit dem Tag der Einbringung des Antrages auf Fristverlängerung und endet mit dem Tag, an dem die Entscheidung über den Antrag dem Antragsteller zugestellt wird.
14 Nach § 264 Abs. 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag), wobei § 245 Abs. 3 und 4 BAO sinngemäß anzuwenden sind.
15 Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 5. März 2020, Ro 2019/15/0008, ausgesprochen hat, beginnt mit Ablauf des Tages, an dem die Hemmung des Fristenlaufes endet, jener Teil der Frist weiterzulaufen, der mit Ablauf des Tages, der dem Tag der Einbringung des Fristverlängerungsantrags vorangegangen ist, noch unverbraucht war.
16 Die Beschwerdevorentscheidungen des Finanzamts wurden der Revisionswerberin unstrittig am 15. Dezember 2018 zugestellt, weshalb die in § 264 Abs. 1 BAO vorgesehene Frist für die Stellung eines Vorlageantrages am 15. Jänner 2019 endete. Am 9. Jänner 2019 hat die Revisionswerberin einen Antrag auf Fristverlängerung gestellt. An diesem Tag waren noch sieben Tage der Vorlagefrist offen. Die Abweisung des Antrages auf Fristverlängerung wurde der Revisionswerberin - wiederum unstrittig - am 17. Jänner 2019 zugestellt. Die am 9. Jänner noch nicht verbrauchte siebentägige Frist begann somit am 18. Jänner 2019 zu laufen und endete demnach am 24. Jänner 2019. Zum selben Ergebnis gelangt man auch, wenn man die am 15. Jänner 2019 abgelaufene reguläre Frist um den neuntägigen Hemmungszeitraum vom 9. Jänner bis 17. Jänner 2019 verlängert.
17 Der Vorlageantrag, der gemäß den Beilagen zur Revision und den insoweit übereinstimmenden Angaben des Finanzamts in der Revisionsbeantwortung am 23. Jänner 2019 elektronisch beim Finanzamt eingebracht und (zudem) am 24. Jänner 2019 in Papierform zur Post gegeben worden ist, wurde demnach jedenfalls fristgerecht eingebracht.
18 Der angefochtene Beschluss erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
19 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 25. Mai 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019130023.J00Im RIS seit
08.07.2020Zuletzt aktualisiert am
14.07.2020