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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BAO §167 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der G GmbH & Co KG in K, vertreten durch die Anzböck & Brait Rechtsanwälte GmbH in 3430 Tulln, Stiegengasse 8, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 9. Juli 2018, Zl. RV/7100298/2017, betreffend Umsatzsteuer 2011 bis 2013, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 In der Niederschrift vom 5. November 2015 über die Schlussbesprechung anlässlich einer Außenprüfung wurde u.a. festgehalten, von Mai bis November 2013 seien Getränkelieferungen im Ausmaß von ca. 220.000 € als innergemeinschaftliche Lieferungen an A (Bulgarien) steuerfrei behandelt worden. Von Jänner bis Dezember 2013 seien weiters Getränke im Wert von ca. 200.000 € an N (Tschechien) als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei verkauft worden. Schließlich habe die Revisionswerberin ab dem Jahr 2011 bis März 2015 Getränke an die slowakische H verkauft und als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt. Dass die gelieferten Gegenstände in einen anderen Mitgliedstaat gelangt wären, sei nicht nachgewiesen worden. Auch könne die Vertrauensschutzregelung des Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 nicht zur Anwendung gelangen. Die Revisionswerberin schulde daher die Steuer.
2 Im Bericht über das Ergebnis dieser Außenprüfung (vom 21. Jänner 2016) wurde sodann u.a. ausgeführt, im Prüfungszeitraum (2010 bis 2013) habe die Revisionswerberin stetig steigende innergemeinschaftliche Lieferungen erklärt (von ca. 200.000 € im Jahr 2010 auf ca. 2 Mio. € im Jahr 2013). Es handle sich dabei um Lieferungen nach Bulgarien, Tschechien und in die Slowakei, die ausnahmslos abgeholt und bar bezahlt worden seien. Die angeführten, bisher steuerfrei erklärten Lieferungen würden nicht anerkannt und der Umsatzsteuer unterzogen.
3 Gegen die aufgrund der Außenprüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2013 erhob die Revisionswerberin Beschwerde.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht - nach Beschwerdevorentscheidungen des Finanzamts und Vorlageantrag der Revisionswerberin - die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die in der Verordnung Nr. 401/1996 festgelegte Voraussetzung des Nachweises der Verbringung der Ware in den EU-Mitgliedstaat sei weder durch das vorgesehene Formular noch durch andere gleichwertige Unterlagen erfüllt worden. Pauschale Bestätigungen aus späteren Jahren könnten den konkreten Nachweis der Verbringung nicht ersetzen. Das Bundesfinanzgericht gehe daher davon aus, dass der materiellrechtliche Nachweis der Verbringung der Ware nicht erbracht worden sei.
6 Im vorliegenden Fall sei die Beförderung (durch den Abholenden) nach der Darstellung der Revisionswerberin durch Unterschrift des Abholenden auf der Rechnung nachgewiesen worden. Die Unterschrift auf den Rechnungen sei allerdings nur als Kaufbestätigung zu werten und nicht als Bestätigung für die Beförderung der Ware ins Ausland. Ziel der Regelungen zu den innergemeinschaftlichen Lieferungen und innergemeinschaftlichen Erwerben sei die Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Missbräuchen sowie die Einmalbesteuerung im Mitgliedstaat der Lieferung. Die ausdrückliche Bestätigung der Beförderung ins Gemeinschaftsgebiet diene diesem Zweck und sei Voraussetzung dafür, den Abnehmer überhaupt belangen zu können. Werde diese Bestätigung nicht ausgestellt, sei eine Vorschreibung der Mehrwertsteuer beim Abnehmer im Betrugsfall verunmöglicht. Nachträgliche Bestätigungen der Beförderung seien nicht glaubwürdig. Pauschale Aussagen ohne konkrete Hinweise könnten die Bestätigung der Beförderung ins EU-Ausland nicht ersetzen. Sie widersprächen auch anderen Aussagen aus dem Umfeld der (slowakischen) H.
7 Die Steuerbefreiung sei deswegen zu versagen, weil der Nachweis der Beförderung der Waren in das EU-Ausland nicht erbracht worden sei. Aufgrund des fehlenden Nachweises der Bestätigung der Beförderung greife der Vertrauensschutz nicht. Der Unternehmer sei geschützt, wenn er auf unrichtige Angaben des Abnehmers vertraue. Im vorliegenden Fall liege aber keine Falschinformation vor, die Daten (Bestätigung der Beförderung in den EU-Mitgliedstaat) seien vielmehr von vornherein nicht festgehalten worden. Es liege sohin keine Täuschung vor.
8 Es seien daher in den Zeiträumen 2011 bis 2013 die Nachweise für die Beförderung der Waren in den EU-Mitgliedstaat nicht erbracht worden, sodass diese Lieferungen der Besteuerung zu unterziehen seien.
9 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 23. September 2019, E 3358/2018-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 In der Revision wird zur Zulässigkeit geltend gemacht, im Gegensatz zur Auffassung der „belangten Behörde“ (gemeint: des Bundesfinanzgerichtes) sei die Verwendung des von der Finanzverwaltung entworfenen Formblatts zum Nachweis der Beförderung in das übrige Gemeinschaftsgebiet nicht zwingend.
14 Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten, dass das Bundesfinanzgericht nicht von einem derartigen Erfordernis ausgeht. Es führt vielmehr explizit aus, dass der Nachweis weder durch das vorgesehene Formular noch durch andere gleichwertige Unterlagen erbracht worden sei. Insoweit besteht auch - entgegen der Revision - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 20.12.2012, 2009/15/0146, VwSlg. 8776/F; 27.11.2014, 2012/15/0192; 25.1.2017, Ra 2014/13/0012). Ob der Nachweis der Beförderung erbracht ist, ist demnach eine Frage der Beweiswürdigung. Diese Ansicht des Bundesfinanzgerichts weicht damit (wiederum entgegen dem Revisionsvorbringen) auch nicht von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Die Beweiswürdigung selbst wird aber im Rahmen des Vorbringens zur Zulässigkeit der Revision nicht angegriffen.
15 Die Revision macht weiters geltend, das angefochtene Erkenntnis weiche auch von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit der Vertrauensschutzregelung ab (Hinweis auf VwGH 27.4.2016, 2013/13/0051).
16 Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Art. 7 Abs. 1 UStG 1994 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gemäß Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 dennoch als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.
17 Im vorliegenden Fall beruhte die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung durch die Revisionswerberin - anders als in jenem, der dem Erkenntnis vom 27. April 2016 zu Grunde lag - nicht auf unrichtigen Angaben des Abnehmers. Wenn dazu die Revisionswerberin darauf verweist, dass ihre eigenen Rechnungen einen Hinweis auf eine innergemeinschaftliche Lieferung enthielten, so handelt es sich hiebei um keine Angaben des Abnehmers. Wenn sie weiters auf die auf ihren Rechnungen befindlichen Unterschriften der Abholenden verweist, so handelt es sich dabei aber - wie aus den in den vorgelegten Verfahrensakten befindlichen Rechnungen (dort vorgedruckt) ersichtlich ist - lediglich um die Bestätigung der Übernahme der Ware durch den Abholenden („Waren-/Gebindeübernahme bestätigt“), während die Revisionswerberin in gleicher Weise die Zahlung bestätigt („Betrag dankend erhalten“). Dass die Waren in einen anderen Mitgliedstaat verbracht würden, wird damit vom Abholenden aber nicht erklärt.
18 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 25. Mai 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019130116.L00Im RIS seit
08.07.2020Zuletzt aktualisiert am
14.07.2020