TE OGH 2020/4/16 1Ob61/20g

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Veröffentlicht am 16.04.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. DI K***** B*****, und 2. Mag. A***** B*****, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger und andere Rechtsanwälte in Gmunden, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach M***** S*****, verstorben am *****, vertreten durch Dr. Andreas Cwitkovits, Rechtsanwalt in Wien, und die Nebenintervenientinnen auf Seite der beklagten Partei 1. I***** S*****, und 2. G***** S.L., *****, Spanien, beide vertreten durch die König & Kliemstein Rechtsanwälte OG, Salzburg, wegen 50.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Jänner 2020, GZ 13 R 192/19d-77, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 27. September 2019, GZ 25 Cg 42/17f-70, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird auf „Verlassenschaft nach M***** S*****“ berichtigt.

II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

I. Der anwaltlich vertretene Beklagte ist am ***** verstorben (vgl § 155 ZPO). Das Verlassenschaftsverfahren ist zu AZ ***** des Bezirksgerichts ***** anhängig, eine Einantwortung ist noch nicht erfolgt. Die Bezeichnung des Beklagten ist daher entsprechend zu berichtigen (§ 235 Abs 5 ZPO).

II.

1. Eine vom Berufungsgericht aus verfahrensrechtlichen Gründen verneinte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens kann in dritter Instanz nicht mehr angefochten werden (RIS-Justiz RS0042963). Da den Klägern die Verfärbung des einen Bildes ohnehin bekannt war, stellt sich auch die materiell-rechtliche Frage nicht, ob der Beklagte darauf hinweisen musste. Dass sich das Berufungsgericht mit der von den Klägern ebenfalls geltend gemachten Anspruchsgrundlage eines wesentlichen Geschäftsirrtums nicht mehr befasste, weil es bereits deren Gewährleistungsanspruch auf Wandlung bejahte, ist entgegen der unbegründeten Behauptung des Beklagten kein „weiterer Verfahrensmangel“ (im Sinn des § 503 Z 2 ZPO).

2. Die beiden Kläger kauften vom beklagten Galeristen ein 15 Jahre altes Werk eines österreichischen Künstlers, das aus sechs quadratischen Bildern besteht, um 50.000 EUR. Das Werk weist einige auch für den Nichtfachmann erkennbare Veränderungen auf, die erheblichen Einfluss auf seinen Wert haben. Für den Nichtfachmann – wie die Kläger – ist es schwierig festzustellen, ob es sich dabei um einen Schaden oder einen „normalen Alterswert“ handelt. Vor Vertragsabschluss sprachen die Zweitklägerin und der Beklagte über die Vergilbung eines der Bilder, wobei der Beklagte meinte, diese Vergilbung sei „normal“, obwohl ihm die „Bedeutung“ der Verfärbung bekannt war. Die Kläger verließen sich darauf, dass die Zusicherung des Beklagten, die Verfärbung sei normal und damit „nicht relevant“, richtig sei; das war dem Beklagten auch bewusst. Die gelbliche Verfärbung des Bildes, die zu einer Wertminderung des (gesamten) Werks von 30 % führt, ist nicht behebbar und sowohl für die Kläger bedeutsam als auch am Kunstmarkt grundsätzlich wesentlich. Sie resultiert nicht aus einem „technischen Fehler“, sondern daraus, dass das Bild „anderen Umständen“ (zB Lichteinwirkung, Wärme) ausgesetzt worden war als die anderen Bilder. Auch der Wert als „Kunstwerk an sich“ ist gemindert, weil ein vom Künstler nicht intendierter Gesamteindruck des Werks entstanden ist.

Nach § 928 Satz 1 ABGB hebt auch ein in die Augen fallender Zustand des Kaufobjekts im Fall einer ausdrücklichen Zusage der Freiheit von Fehlern die Gewährleistungspflicht nicht auf; in einem solchen Fall kann sich der Erwerber ja auf die Zusage des Veräußerers verlassen und von einer näheren Prüfung des Objekts Abstand nehmen (vgl 1 Ob 129/16a mwN; Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 928 Rz 13; Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 928 Rz 28 f; Hödl in Schwimann/Kodek, ABGB-TaKom4 § 928 Rz 6). Maßgeblich ist dabei der Inhalt der Zusage, dass die Sache von diesem Fehler (oder überhaupt von allen Fehlern) frei sei (6 Ob 390/97i).

Das Berufungsgericht ging von diesen Rechtsgrundsätzen aus und beurteilte die Zusage des Beklagten, die Vergilbung sei „normal“, dahin, dass es sich dabei um eine Alterserscheinung („Alterswert“) und keinen (auch wertbeeinflussenden) Fehler infolge unsachgemäßen „art handlings“ handle. Der Beklagte habe ausdrücklich zugesagt, dass die Vergilbung ein bloßer „Alterswert“ sei, obwohl er gewusst habe, dass sich die Kläger auf diese unrichtige Zusage von ihm als sachkundigen Fachmann verlassen. Er habe daher nicht darauf vertrauen dürfen, dass sie den „offenkundigen Mangel“ akzeptierten und in ihre Kaufpreisbildung miteinbezogen hätten. Er bleibe daher gewährleistungspflichtig. Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden. Der beklagte Galerist hat aufgrund seiner Zusicherung dafür einzustehen, dass die Verfärbung des einen Bildes im Hinblick auf dessen Art und Alter typischerweise zum Kunstwerk dazugehört. Geschuldet war ein Kunstwerk im Zustand natürlicher Alterung. Diese war aber gerade nicht gegeben, weil die gelbliche Verfärbung auf ein nicht fachgerechtes „art handling“ zurückzuführen ist und damit eine Beschädigung (ein Mangel) vorliegt, die als solche für die Käufer bei Vertragsabschluss keineswegs augenscheinlich war. Warum dieser Mangel, der auch den ideellen und materiellen Wert des Kunstobjekts maßgeblich beeinflusst, gewährleistungsrechtlich nicht relevant sein soll, vermag der Beklagte nicht aufzuzeigen. Entgegen seiner Auffassung geht es nicht um die Frage, ob die „Bewertung“ eines „offenkundigen und tatsächlich erkannten Mangels“ eine bedungene Eigenschaft betrifft.

Zum Gewährleistungsbehelf der Wandlung nimmt die Revision nicht Stellung.

3. Einer weiteren Begründung – speziell zur irrtumsrechtlichen Anspruchsgrundlage des Klagebegehrens – bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E128289

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00061.20G.0416.000

Im RIS seit

17.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.09.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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