TE OGH 2020/5/29 16Ok2/20k

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Veröffentlicht am 29.05.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Kodek und die Hofrätin Dr. Solé als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerinnen 1. Bundeswettbewerbsbehörde, Wien 3, Radetzkystraße 2, 2. Bundeskartellanwalt, Wien 1, Schmerlingplatz 11, und der Antragsgegnerinnen 1. F***** GmbH, *****, 2. W***** GmbH, *****, beide vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Prüfung eines Zusammenschlusses, über den Rekurs der Einschreiter 1. H***** D*****, 2. M***** D*****, 3. J***** D*****, und 4. Dr. C***** D*****, alle vertreten durch Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 10. März 2020, GZ 25 Kt 1/20i, 25 Kt 2/20m-17, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Gegenstand des zugrundeliegenden Zusammenschlusskontrollverfahrens ist die Anmeldung der F***** GmbH (in der Folge: Erstantragsgegnerin) und der W***** GmbH (in der Folge: Zweitantragsgegnerin) vom 30. 12. 2019, in der ein Wechsel von gemeinsamer Kontrolle zu alleiniger Kontrolle der Zweitantragsgegnerin über die „K*****-Gesellschaften“ (nämlich die *****) angezeigt wird. Dieser Kontrollwechsel sei dadurch zustande gekommen, dass die Stammeinlage von 250.000 ATS an der K***** Gesellschaft m.b.H. (entsprechend 50 % der Gesellschaftsanteile) vom verstorbenen Gesellschafter H***** D***** im Wege der Einantwortung auf die Einschreiter als seine Erben übertragen worden sei und nach dem Gesellschaftsvertrag der K***** Gesellschaft m.b.H. je 1.000 ATS einer übernommenen Stammeinlage eine Stimme gewährten, sodass nunmehr der Gesellschaftergruppe der Einschreiter insgesamt 248 Stimmen zustünden, während der verbliebenen Hälfte-Gesellschafterin mit einer eingezahlten Stammeinlage von 250.000 ATS 250 Stimmrechte zukämen. Gleiches gelte für andere Konzerngesellschaften. Die Verschiebung von gemeinsamer Kontrolle zur alleinigen Kontrolle sei ohne Zutun der Antragsgegnerinnen eingetreten. In der Vergangenheit seien bestimmte Entscheidungen auf Grundlage der zwischen dem Verstorbenen und der Zweitantragsgegnerin abgeschlossenen Rahmenvereinbarung vom 5. 11. 1987 sowie der dazu geschlossenen Nachtragsvereinbarungen getroffen worden. Diese Rahmenvereinbarung hätten die Antragsgegnerinnen mittlerweile außerordentlich (und hilfsweise mehrfach ordentlich) gekündigt. Die Wirksamkeit der Vereinbarungen sei Gegenstand eines anhängigen Schiedsverfahrens.

Die BWB und der Bundeskartellanwalt beantragten die Prüfung des angemeldeten Zusammenschlusses nach den §§ 11 ff KartG und stellten den Antrag auf Zurückweisung des Prüfungsantrags mangels Vorliegens eines Zusammenschlusses. Für die Beurteilung der Zusammenschlussanmeldung sei die Klärung gesellschaftsrechtlicher Fragen, insbesondere, ob es im Zuge der Einantwortung durch die Erben nach H***** D***** tatsächlich zu einem Stimmrechtsverlust auf Seiten der Erben und dadurch zu einem Kontrollwechsel gekommen sei, Voraussetzung. Dies hänge auch von der Frage des Bestands der Rahmenvereinbarung ab, die eine über die Gesellschaftsverträge hinausgehende und vorrangig geltende Vereinbarung zwischen den Antragsgegnerinnen und der Gesellschaftergruppe der Einschreiter sei. Aufgrund des anhängigen Schiedsverfahrens sei noch nicht geklärt, ob die Rahmenvereinbarung noch in Geltung stehe. Ein Zusammenschlussvorhaben sei aber erst anmeldefähig, wenn die beteiligten Unternehmen den angemeldeten Zusammenschluss innerhalb einer absehbaren Zeit durchzuführen planten und Klarheit über die genaue Struktur des Zusammenschlusses und den Zeitplan der Umsetzung vorliege. Die kartellrechtliche Fusionskontrolle befasse sich hingegen nicht mit rein hypothetischen Szenarien. Das vorliegende Zusammenschlussvorhaben sei insofern ungewiss, als die der Anmeldung zugrundeliegende Rechtsansicht über die Verschiebung der Stimmrechte, die infolge des Erbfalls nach dem Tod eines Hälfte-Gesellschafters eingetreten sein soll, Gegenstand mehrerer anhängiger Rechtsstreitigkeiten sei.

Die Einschreiter beantragten am 12. 2. 2020, sie als Parteien in das Zusammenschlusskontrollverfahren einzubeziehen, ihnen den verfahrenseinleitenden Antrag sowie sämtliche weiteren Schriftsätze zuzustellen und Einsicht in den Verfahrensakt zu gewähren. Der hier zu entscheidende Fall habe keinen Zusammenschluss zum Gegenstand, bei dem ein Kontrollwechsel Folge eines einvernehmlichen Rechtsgeschäfts zwischen zwei Parteien sei. Zweck der Anmeldung sei vielmehr der Versuch, indirekt Fragen der gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten der Antragsgegnerinnen bzw der Gesellschaftergruppe der Einschreiter zu klären, weshalb letztere durch die Anmeldung zu beteiligten Parteien gemacht worden seien. Auch wenn solche Streitfragen verfahrensbegründend durch die Anmelderinnen vorgebracht würden, müsse die Möglichkeit der „anderen Seite“ (nämlich der Gesellschaftergruppe der Einschreiter) bestehen, am Verfahren teilzunehmen und dazu als Partei Stellung zu nehmen. Die Beantwortung der Frage, ob die Erstantragsgegnerin alleinige Kontrolle über die „K*****-Gesellschaften“ gewonnen habe, könne die geschützte Rechtsstellung der Gesellschaftergruppe der Einschreiter unmittelbar beeinträchtigen, weil im Fall einer Bejahung sowohl das Eigentumsrecht als auch die Stellung der Gesellschaftergruppe der Einschreiter als Gesellschafter betroffen sei. Insofern wäre die Marktposition der Gesellschaftergruppe der Einschreiter als „unfreiwillige Veräußerer“ von dem angemeldeten Zusammenschluss ebenso unmittelbar betroffen wie die Marktposition der Zielunternehmen des Zusammenschlusses (die „K*****-Gesellschaften“). Die Einschreiter erfüllten daher den materiellen Parteibegriff des § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG.

Die Antragsgegnerinnen sprachen sich gegen die Einräumung der Parteienrechte an die Einschreiter aus. Diese seien in ihrer Funktion als „Veräußerer“ (im Gegensatz zum Erwerber und dem Zielunternehmen) definitionsgemäß nicht an einem Zusammenschluss beteiligt. Daran ändere auch nichts, dass ein Veräußerer in seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Stellung durch den Zusammenschluss berührt sein könnte. Eine kartellgerichtliche Entscheidung beeinflusse die Einschreiter nicht unmittelbar (wie für eine Parteistellung gesetzlich gefordert), ihre rechtliche Stellung sei vielmehr die Folge der Einantwortung der Verlassenschaft nach dem Erblasser, die durch die kartellgerichtliche Entscheidung unverändert bleibe. Die Einschreiter könnten durch die kartellgerichtliche Entscheidung allenfalls in ihrer wirtschaftlichen Stellung berührt werden, dies reiche jedoch nicht, um ihnen materielle Parteistellung zuzuerkennen. Die Entscheidung des Kartellgerichts entfalte – wenn
überhaupt – bloße Reflexwirkungen auf die Einschreiter.

Das Kartellgericht wies den Antrag ab. Der Rahmen der Parteistellung ergebe sich aus der potentiellen unmittelbaren Betroffenheit der rechtlich geschützten Stellung durch die gerichtliche Tätigkeit. Die Fusionskontrollentscheidung könne die rechtliche Position der Gesellschafter weder unmittelbar verändern noch modifizieren. Wenn es durch einen Zusammenschlussvorgang zu einer Veränderung der Einflussmöglichkeit der einzelnen Gesellschafter komme, sei das keine unmittelbare Wirkung der Fusionsentscheidung, sondern durch außerhalb des Fusionskontrollverfahrens stattgefundene Vorgänge bewirkt worden, nämlich durch eine Veräußerung oder andere außerprozessliche Rechtsvorgänge. Dem Veräußerer von Gesellschaftsanteilen komme keine materielle Parteistellung zu. Selbst wenn der in der Anmeldung behauptete Vorgang keine Veräußerung sei, komme die Einräumung der Parteistellung an die davon betroffenen Gesellschafter nicht in Betracht, weil die durch den Erbfall ausgelöste Veränderung der Gesellschafterstruktur und damit die Änderung der Rechtsposition der Erben bereits durch die Einantwortung bewirkt worden sei und nicht erst durch eine Entscheidung des Kartellgerichts im Fusionskontrollverfahren herbeigeführt werde. Wenn die Einschreiter ihre unmittelbare Betroffenheit damit begründeten, dass es zu einem „unfreiwilligen Wegfall der Marktstellung der Gesellschaftergruppe der Einschreiter“, der sich auf die Marktstruktur auswirke, gekommen sei und daher die Interessen und die Rolle der Gesellschaftergruppe der Einschreiter nicht mit jener von „normalen“ Veräußerern, Wettbewerbern, anderen Dritten oder gar der Allgemeinheit zu vergleichen sei, gestünden sie damit selbst ein, dass der behauptete gesellschaftsrechtliche Veränderungsvorgang bereits stattgefunden habe und nicht erst durch eine Entscheidung des Kartellgerichts erfolge. Dass die Einschreiter ein (bloßes) Interesse am Ausgang dieses Verfahrens hätten, führe nicht zu einer unmittelbaren Beeinflussung ihrer Rechtsposition iSd § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Einschreiter, mit dem sie die Abänderung der Entscheidung des Kartellgerichts im Sinne einer Antragstattgebung anstreben.

Die Antragsgegnerinnen beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

I. Argumente in Rechtsmittel und Gegenschrift

I.1. Die Einschreiter stützen sich in ihrem Rechtsmittel zusammengefasst darauf, dass im Fusionskontrollverfahren dem Veräußerer wie der Zielgesellschaft Parteistellung zukomme, jedenfalls wenn er, wie hier, (mit-)kontrollierende Stellung beibehalte. Auch ein Wechsel von gemeinsamer zu alleiniger Kontrolle zwischen mitkontrollierenden Gesellschaften führe zur unmittelbaren Betroffenheit des (nach den Behauptungen) die Kontrolle verlierenden Unternehmens. Wie bei der Zielgesellschaft ändere sich auch hier die Marktstellung des Veräußerers in seiner (mit-)beherrschenden Stellung. Die Veränderung der Marktstellung zeige sich als Kehrseite des Zugewinns an Marktmacht durch den Erwerber in der Veränderung der Marktmachtverhältnisse. Auch die Verhältnisse der Zielgesellschaft würden in gleicher Weise nicht durch die Entscheidung des Kartellgerichts, sondern die dieser zugrundeliegenden Verträge bewirkt. Der Ausgang des Fusionskontrollverfahrens sei geeignet, sich unmittelbar auf die rechtliche Stellung eines Veräußerers und dessen Marktstellung auszuwirken. Dies ergebe sich auch aus dem damit verbundenen Wegfall des Durchführungsverbots und sei keine reine Reflexwirkung. Den Einschreitern komme hier Parteistellung zu, weil ihre Gesellschafterstellung zusätzlich zur Marktstellung eine rechtlich geschützte Position iSd § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG sei. Die strittigen gesellschaftsrechtlichen Fragen seien Vorfragen der Kartellentscheidung, bei ihrer Lösung müsse den Einschreitern Mitsprache gewährt werden. Auch wenn diese Themen Hauptfragen in anderen Verfahren seien, sei ihre Mitsprache schon deshalb erforderlich, weil dort eine Beeinflussung durch die Kartellentscheidung möglich sei.

I.2. Die Antragsgegnerinnen halten dem im Wesentlichen entgegen, dass die kartellgerichtliche Entscheidung vom Standpunkt des Veräußerers aus gesehen einen dekonzentrativen Vorgang betreffe (Verlust gemeinsamer Kontrolle), der Fusionskontrolle aber nur konzentrative Vorgänge unterlägen. Bloße Betroffenheit reiche nicht für eine Parteistellung. Die Entscheidung des Kartellgerichts zur Vorfrage der Verlagerung der Stimmrechtsverhältnisse sei wie jede gerichtliche Vorfragenprüfung zu beurteilen. Werde sie bejaht, würden die Rechte der Rekurswerber nicht verändert, werde sie verneint, sei der Prüfungsantrag ohnehin zurückzuweisen.

II. Zur Parteistellung nach dem AußStrG

II.1. Materielle Parteistellung genießt nach § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG jede Person, soweit ihre rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung oder durch eine sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst würde.

II.2. Die Bestimmung ist nach der Judikatur eng auszulegen (RIS-Justiz RS0123029; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 2 Rz 45; aA Motal in Schneider/Verweijen, AußStrG § 2 Rz 30). Der Gesetzgeber wollte mit dieser Formulierung die materielle Parteistellung möglichst „eng und scharf“ fassen. Die Parteistellung wird darüber hinaus noch durch Verwendung des Wortes „soweit“ eingeschränkt: Aus dem Umfang der potenziellen unmittelbaren Betroffenheit der rechtlich geschützten Stellung ergibt sich der Rahmen für die (materielle) Parteistellung (G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 2 Rz 45 und 49).

II.3. Die Prüfung der Parteistellung nach § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG erfolgt ex ante. Unerheblich ist, ob die spätere Entscheidung oder sonstige gerichtliche Tätigkeit in die rechtlich geschützte Stellung tatsächlich eingreift; es kommt nur auf die Möglichkeit der Beeinflussung an. Stets reicht die Parteistellung einer Person nur so weit, als sie von einer Handlung des Gerichts in ihrer rechtlich geschützten Stellung beeinflusst wird (Motal in Schneider/Verweijen, AußStrG § 2 Rz 29).

II.4. Die rechtlich geschützte Stellung einer Person wird dann unmittelbar beeinflusst, wenn die in Aussicht genommene Entscheidung oder gerichtliche Tätigkeit Rechte oder Pflichten dieser Person ändert, ohne dass noch eine andere Entscheidung gefällt werden muss. Die Rechtsstellung ist daher unmittelbar vom Ausgang des Verfahrens abhängig (G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 2 Rz 50; Motal in Schneider/Verweijen, AußStrG § 2 Rz 28).

Die Parteistellung ist insoweit eingegrenzt, als im jeweiligen Verfahren oder Verfahrensabschnitt die rechtlich geschützte Stellung tangiert wird (G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 2 Rz 56). Der mögliche Eingriff muss zu einer unmittelbaren Beeinflussung der rechtlichen Stellung führen, eine bloße Reflex- oder Tatbestandswirkung reicht nicht aus. Eine rechtlich geschützte Stellung fehlt, wenn die gerichtliche Maßnahme (nur) wirtschaftliche oder ideelle Betroffenheit herbeiführt. Auch das bloße rechtliche Interesse an einem bestimmten Verfahrensausgang (ohne dass eine Bindungswirkung der Entscheidung bestünde) bewirkt keine rechtlich geschützte Stellung (G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 2 Rz 57 ff).

II.5. Der Gesetzgeber hat die Formulierung „rechtliche geschützte Stellung“ und nicht etwa „Rechtsstellung“ oder „rechtliches Interesse“ gewählt, um auch den jeweiligen Verfahrenszweck als wichtigen Gesichtspunkt in die Beurteilung einfließen zu lassen. Für eine Parteistellung reicht daher nicht jede Rechtsstellung oder jegliches rechtliches Interesse aus, sondern es ist auf den jeweiligen Verfahrenszweck Bedacht zu nehmen (RS0128451). Die Ausformung des Begriffs der „rechtlich geschützten Stellung“ variiert von Verfahren zu Verfahren, weil es auf das konkrete Verfahren und dessen Zweck ankommt (8 Ob 83/09b; 6 Ob 119/16t; RS0123027 [T5]; RS0123028 [T2]; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 2 Rz 54). Daraus folgt, dass die Beurteilung der materiellen Parteistellung stets vom Zweck des konkreten Verfahrens abhängt (Motal in Schneider/Verweijen, AußStrG § 2 Rz 26). Entscheidend ist, wer bzw wessen Stellung durch das jeweilige Verfahren geschützt werden soll (RS0123028). Ob eine rechtlich geschützte Stellung beeinflusst wird, ergibt sich demnach aus dem materiellen Recht (RS0123027).

III. Zweck der Zusammenschlusskontrolle

III.1. Gegenstand der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle ist das externe Unternehmenswachstum. Ihre Zielrichtung ist es, wettbewerblich strukturierte Märkte möglichst zu erhalten und zu fördern und zu verhindern, dass eine marktbeherrschende Stellung entstehen oder verstärkt werden kann. Es geht um strukturpolitische Ziele und nicht um den Schutz einzelner Mitbewerber. Die Fusionskontrolle hat damit den Charakter einer ordnungspolitischen Maßnahme, für die ausschließlich gesamtwirtschaftliche Gesichtspunkte maßgeblich sind (16 Ok 9/16h; RS0121884 [T2]; Solé/Kodek/Völkl-Torggler, Das Verfahren vor dem Kartellgericht, Rz 116).

Die Zielrichtung der Zusammenschlusskontrolle liegt daher darin, präventiv das Interesse der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung einer „österreichischen“ Marktstruktur – mag sich diese auch etwa als Teil eines Weltmarktes präsentieren – zu gewährleisten, die einen funktionierenden Wettbewerb verspricht. Es soll eine entsprechende Anzahl an potentiell miteinander konkurrierenden „selbständigen Marktteilnehmern“ auf diesem Markt und das daraus resultierende Potential zum Wettbewerb erhalten bleiben (16 Ok 49/05; RS0117535 [T2]); geschützt ist aber nicht der einzelne Mitbewerber vor missbräuchlichem Verhalten (vgl RS0117535 [T4]; Solé/Kodek/Völkl-Torggler, Das Verfahren vor dem Kartellgericht, Rz 116).

III.2. Die nunmehr in § 11 Abs 3 KartG ausdrücklich vorgesehenen Äußerungsrechte und der damit verbundene klarstellende Hinweis auf den Ausschluss der Parteistellung knüpfen daran an, dass rechtliche oder auch nur wirtschaftliche Interessen „berührt“ werden. Demgegenüber verlangt der materielle Parteibegriff eine unmittelbare Beeinflussung der rechtlich geschützten Stellung. Insoweit schließt § 11 Abs 3 KartG die Parteistellung daher nicht aus, weil § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG weitergehende Voraussetzungen enthält (16 Ok 9/16h; RS0118601 [T2]).

III.3. Die Frage, wer Gesellschafter des Zielunternehmens ist, hat nach der Rechtsprechung unmittelbare Auswirkungen auf die zukünftigen Möglichkeiten des Zielunternehmens vor dem Hintergrund der (neuen) Marktstellung mit oder ohne Durchführung des Zusammenschlusses. Das Zielunternehmen ist daher nicht bloß passiver Zuseher in einem Zusammenschlussverfahren. Vielmehr hängt die künftige Stellung des Zielunternehmens wesentlich vom Ausgang des Zusammenschlussverfahrens und der Frage, ob der Anmelder eine kontrollierende Beteiligung erwerben darf, ab (16 Ok 9/16h). Daher ist im kartellrechtlichen Fusionskontrollverfahren auch das Zielunternehmen Partei des Verfahrens (16 Ok 9/16h; RS0118601 [T1]).

III.4. Dagegen ist der Veräußerer definitionsgemäß nicht am Zusammenschluss beteiligt und daher nach § 10 Abs 1 KartG nicht zur Anmeldung berechtigt. Am Zusammenschluss beteiligte Unternehmen waren bereits nach der Rechtsprechung zu § 41 Abs 3 KartG 1988 beim Anteilserwerb nur der Erwerber und dasjenige Unternehmen, an dem die erworbenen Anteile bestehen, nicht jedoch der (mitwirkende) Veräußerer (16 Ok 16/04 = RS0119975; Solé/Kodek/Völkl-Torggler, Das Verfahren vor dem Kartellgericht, Rz 117; Lukaschek in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG², § 10 Rz 5).

IV. Konsequenzen für den vorliegenden Fall

IV.1. Zielrichtung der Zusammenschlusskontrolle ist es, wie dargelegt, wettbewerblich strukturierte Märkte möglichst zu erhalten und zu fördern und zu verhindern, dass eine marktbeherrschende Stellung entstehen oder verstärkt werden kann. Die Verringerung der Marktposition bestimmter Marktteilnehmer (also die von den Einschreitern so bezeichnete „Kehrseite“ der allfälligen Marktmachtvergrößerung der Antragsgegner) ist dagegen weder Zweck des Verfahrens noch dessen Schutzobjekt. Es geht – wie dargelegt – in der Zusammenschlusskontrolle nicht um den Schutz einzelner Mitbewerber (16 Ok 9/16h; RS0117535), aber auch nicht – wie hier – um den Schutz von Gesellschaftern bzw der Marktstellung des Veräußerers.

Die Einschreiter können daher aus einer allfälligen Verringerung ihrer Einflussmöglichkeiten auf die Zielunternehmen bzw aus Kontrollveränderungen im Sinne einer Abgabe von Kontrolle keine Parteistellung im Zusammenschlusskontrollverfahren ableiten, weil dieses Verfahren weder ihren Schutz bezweckt noch ihre rechtlich geschützte Stellung unmittelbar beeinflusst.

IV.2. Dass bei einer allfälligen inhaltlichen Prüfung und Nichtuntersagung das Durchführungsverbot wegfiele, ist gesetzliche Folge der Nichtuntersagung und kann für sich allein ebenfalls keine Parteistellung davon Betroffener im Fusionskontrollverfahren begründen.

IV.3. Letztlich geht es hier aber im Kern nicht um einen Veräußerungsvorgang, sondern um die Frage, ob durch den Anteilserwerb der Einschreiter im Erbweg eine Veränderung in den Stimmrechtsverhältnissen der davon betroffenen Unternehmen und damit ein Kontrollwechsel eingetreten ist.

Unstrittig zwischen den Parteien des Rekursverfahrens ist, dass gegebenenfalls ein Erwerbsvorgang nach § 7 Abs 1 KartG vorläge, strittig ist dagegen, ob er überhaupt stattgefunden hat. Diese Frage ist auch Gegenstand anderer Verfahren und der Grund, weshalb die Amtsparteien auch die Zurückweisung ihrer Prüfungsanträge mangels anzumeldenden Zusammenschlusses beantragt haben.

IV.4. Gegenstand der kartellgerichtlichen Entscheidung im Zusammenschlusskontrollverfahren ist gemäß § 12 KartG die Frage, ob ein Zusammenschluss anzumelden ist, und wenn ja, ob er zu untersagen ist oder nicht, bzw ob gegebenenfalls Auflagen oder Beschränkungen damit zu verbinden sind.

Nach ständiger Rechtsprechung muss für die Anmeldung eines Zusammenschlusses Klarheit über die genauen Strukturen des Zusammenschlusses und den Zeitplan zur Umsetzung vorliegen; die präventive Fusionskontrolle soll nicht mit rein hypothetischen Szenarien befasst werden (16 Ok 11/16b; 16 Ok 4/97; RS0107572; Solé/Kodek/Völkl-Torggler, Das Verfahren vor dem Kartellgericht, Rz 414).

IV.5. Geprüft wird vom Kartellgericht im Rahmen des Zusammenschlusskontrollverfahrens, ob eine marktbeherrschende Stellung entstehen oder verstärkt werden kann (§ 12 Abs 1 Z 2 KartG). Keine Aufgabe des Zusammenschlusskontrollverfahrens ist es dagegen, über die Wirksamkeit oder Gültigkeit von Erwerbsvorgängen im Sinne des Kartellrechts abzusprechen. Soweit ein angemeldeter Erwerbsvorgang deshalb als „hypothetisch“ einzustufen ist, ist seine Anmeldung unzulässig; soweit dies nicht der Fall ist, wird mit der Entscheidung des Kartellgerichts nicht über die Frage der Wirksamkeit und Gültigkeit der ihm zugrundeliegenden Vorgänge abgesprochen, und zwar auch nicht als Vorfrage, sondern es werden lediglich die Auswirkungen des Erwerbsvorgangs auf den betroffenen Markt aus wettbewerbsrechtlicher Sicht beurteilt.

Damit bewirkt aber auch ein rechtlich geschütztes Interesse an der Frage der Wirksamkeit und Gültigkeit der dem Erwerbsvorgang zugrundeliegenden Rechtsgeschäfte aufgrund der nach dem Verfahrenszweck zu beurteilenden Parteistellung noch keine Grundlage für eine Parteistellung der Einschreiter im hier vorliegenden kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrollverfahren, weil dieses Verfahren einerseits nicht dem Schutz ihrer rechtlich geschützten Stellung dient und andererseits die künftige Entscheidung des Kartellgerichts die Rechte und Pflichten der Einschreiter nicht unmittelbar ändert, sondern eine derartige Änderung den Entscheidungen in den weiteren, die gesellschaftsrechtlichen bzw erbrechtlichen Fragen betreffenden Verfahren vorbehalten bleibt. Derartige Fragen werden im vorliegenden Verfahren
– wenn überhaupt – nur als Vorfragen beurteilt. Eine derartige Entscheidung über bloße Vorfragen entfaltet aber keine Bindungswirkung über das konkrete Verfahren hinaus, sodass aus dem Interesse an einer derartigen Entscheidung auch keine Parteistellung der Einschreiter abgeleitet werden kann. Dies steht in Einklang mit dem allgemeinen Grundsatz, dass ein bloßes Interesse an einer bestimmten Begründung einer Entscheidung kein Rechtsschutzinteresse begründet (vgl zur Beschwer Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I² § 45 Rz 60 mwN; 4 Ob 550/95; RS0006598 [T23]).

IV.6. Dem Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Da über ein Rechtsmittel gegen eine Zwischenerledigung abzusprechen war, erfolgte die Entscheidung durch einen Dreiersenat (§ 62 Abs 2 KartG).

Schlagworte

Kontrollwechsel - Parteistellung,

Textnummer

E128282

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0160OK00002.20K.0529.000

Im RIS seit

16.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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