Entscheidungsdatum
20.07.2015Index
90/02 KraftfahrgesetzNorm
KFG 1967 §103 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat durch den Richter Mag.Dr. Hans Schlager über die Beschwerde des Herrn B. A., D. 16, C., vertreten durch die Rechtsanwälte E., F. 14, G., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg vom 27.03.2015, Zahl yy,
zu Recht e r k a n n t :
1. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
2. Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 32 zu leisten.
3. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten vorgeworfen wie folgt:
"Angaben zur Tat:
Zeit der Begehung: siehe unten
Ort der Begehung: Bezirkshauptmannschaft Tamsweg
Fahrzeug: PKW, xxx (D)
? Sie haben als Zulassungsbesitzer auf schriftliches Verlangen der Behörde vom 2.7.2014, nachweislich zugestellt am 8.7.2014, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung keine Auskunft darüber erteilt, wer am 2.5.2014 um 10:31 Uhr das Kraftfahrzeug auf der Tauernautobahn A10, St.Michael/Lg., Km. 101.880, Ri. Salzburg gelenkt hat.
Sie haben dadurch folgende Verwaltungsübertretung begangen:
? Übertretung gemäß
§ 103(2) Kraftfahrgesetz
Deshalb wird gegen Sie folgende Verwaltungsstrafe verhängt:
Strafe gemäß:
§ 134(1) Kraftfahrgesetz
Euro
160,00
Ersatzfreiheitsstrafe:
42 Stunden
Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 64(2) des Verwaltungsstrafgesetzes, das sind 10% der Strafe, mindestens jedoch je € 10,- (je ein Tag Arrest wird gleich € 100,- angerechnet)
Euro
16,00
Gesamtbetrag:
Euro
176,00"
Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschwerdeführer durch die Rechtsanwälte E., F. 14, G., mit Eingabe vom 15.04.2015 folgende Beschwerde eingebracht:
"Im umseits bezeichneten Verwaltungsstrafverfahren erhebt der Beschwerdeführer gegen das Straferkenntnis der BH Tamsweg vom 27.03.2015, Geschäftszahl: yy, zugestellt am 31.03.2015, sohin binnen offener Frist nachstehende
BESCHWERDE
an das Landesverwaltungsgericht Salzburg, und zwar wegen
Rechtswidrigkeit des Inhaltes
1. Sachverhalt:
Am 05.06.2014 erstattete das Landespolizeikommando Salzburg Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft Tamsweg wegen einer angeblichen Geschwindigkeitsübertretung vom 02.05.2014 um 10:31 Uhr auf der A10 Tauernautobahn bei Strkm. 101.880, Fahrtrichtung Salzburg, durch den Lenker des Pkw mit dem Kz. xxx (D).
Mit darauffolgendem Schreiben vom 02.07.2014 forderte die Bezirkshauptmannschaft den Beschwerdeführer zur Bekanntgabe des Lenkers (oder einer sonstigen Auskunftsperson) auf. Der Rückschein trägt war eine Unterschrift, aber keinen Zustellort und kein Zustelldatum. Mit Schreiben vom 11.07.2014 ersuchte die (deutsche) Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers um Akteneinsicht; dies mit der Begründung, dass aus der Lenkererhebung nicht ersichtlich ist, was dem Beschwerdeführer (als Zulassungsbesitzer) vorgeworfen wird.
Ohne weitere Reaktion (bzw. Gewährung einer Akteneinsicht) wurde der deutschen Rechtsvertretern ca. 2 Monate später eine mit 09.09.2014 datierte Strafverfügung direkt zugestellt. Diese erhob dagegen Einspruch. Die weitere Vertretung des Beschwerdeführers erfolgte durch die jetzt ausgewiesenen Verteidiger. Diese haben mit Stellungnahme vom 05.02.2015 insb. darauf hingewiesen, dass einerseits die Zustellung der Lenkererhebung mangelhaft war und andererseits auch ein (näher beschriebener) Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vorliegt, wobei auf die deutsche Rechtslage und die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hingewiesen wurde.
Mit dem nun angefochtenen Straferkenntnis vom 27.03.2015 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von EUR 160,00 zzgl. Verfahrenskostenbeitrag verhängt. Demnach hätte der Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer auf schriftliches Verlangen der Behörde vom 02.07.2014, nachweislich zugestellt am 08.07.2014, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung keine Auskunft darüber erteilt, wer am 02.05.2014 um 10:31 Uhr das Kraftfahrzeug mit dem Kz. xxx (D) auf der Tauernautobahn A10, St.Michael/Lg., Km. 101.880, Richtung Salzburg, gelenkt habe. Dadurch habe der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG verletzt und wurde über ihn gem. § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe von € 160,00 verhängt. Ferner habe der Beschwerdeführer gem. § 64 Abs. 2 VStG einen Verfahrenskostenbeitrag von € 16,00 zu leisten.
2. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:
Das Straferkenntnis der BH Tamsweg vom 27.03.2015, Geschäftszahl yy, wurde den ausgewiesenen Verteidigern per Post am 31.03.2015 zugestellt. Die vierwöchige Beschwerdefrist gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG ist somit gewährt.
3. Beschwerdeklärung und Beschwerdegründe:
Das Straferkenntnis der BH Tamsweg vom 27.03.2015, Geschäftszahl yy, wird seinem gesamten Inhalt nach, hinsichtlich sämtlicher Spruchteile, angefochten und wird nachstehender Beschwerdegrund geltend gemacht:
Rechtswidrigkeit des Inhalts
1. Bereits mit Stellungnahme vom 05.02.2015 wurde seitens des Beschwerdeführers mitgeteilt bzw. vorgebracht, dass zwar ein mit 02.07.2015 datiertes Schreiben samt Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe an den Zulassungsbesitzer gerichtet wurde. Im Rahmen der am 30.01.2015 erfolgten Akteneinsicht wurde aber festgestellt, dass sich im Akt ein Rückschein befindet worauf zwar der Empfang der Sendung quittiert wurde, das Datum der angeblichen Zustellung jedoch nicht festgehalten wurde.
Wenn die Erstbehörde nunmehr im angefochtenen Erkenntnis die Ansicht vertritt, auf dem Zustellnachweis wäre "sehr wohl das Zustelldatum vermerkt" und wäre dies der "08.07.2014" gewesen, so ist die Erstbehörde auf ihre eigene Strafverfügung zu verweisen. In der Strafverfügung konnte nämlich die Erstbehörde offensichtlich noch kein Zustelldatum angeben. Hier heißt es nämlich nur, dass die Zustellung (ohne Angabe eines Datums) nachweislich erfolgt wäre.
In der Spalte "Obgenannte Sendung wurde ordnungsgemäß ausgefolgt ... Datum und Unterschrift ... Name des Empfängers in Großbuchstaben" ist weder ein Datum noch der Name des Empfängers in Großbuchstaben angeführt. Hier findet sich nur eine Unterschrift.
Ein Zustelldatum 08.07.2014 kann auch dem handschriftlichen Vermerk etwa in der Mitte des Zustellscheins nicht entnommen werden. Einerseits steht nicht einmal fest, wer diesen Vermerk gesetzt hat (der Empfänger, der Zusteller). Andererseits steht hier nur "Empfänger", darauf folgt ein nicht leserliches Zeichen und anschließend die Zahlenfolge "8/9" oder "8/x". Aus diesen Worten kann die Erstbehörde aber unmöglich ableiten, dies wäre ein Nachweis über eine Zustellung am 08.07.; dem Postzusteller kann hier auch nicht unterstellt werden, er wäre nicht dazu in der Lage, das Zustelldatum ordnungsgemäß auf einem Zustellschein festzuhalten. In der späteren Zustellung der Strafverfügung an die deutsche Rechtsvertreterin ist nämlich klipp und klar in der Spalte "Datum" der 17.09.2014 eingetragen.
Die Zustellung der Lenkererhebung nach § 103 Abs 2 KFG war daher unwirksam, da es zur Konkretisierung der Tatzeit gem. § 44a Ziffer 1 VStG der konkreten Angabe des Zustelldatums bedarf. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses entspricht daher nicht der Vorschrift des § 44a VStG. Nach § 44a VStG ist es rechtlich geboten, die Tat unter anderem hinsichtlich der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift. die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale, so auch die genaue Tatzeit, ermöglicht wird. Was diese Zuordnung betrifft, sind entsprechende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloßes paragraphenmäßiges Zitieren von Gebots- oder Verbotsnormen (den abstrakten Wortlaut der übertretenen Norm) ersetzt werden können. Es genügt daher nicht, die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat auf den reinen Wortlaut der Gesetzesvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, zu beschränken und dieses essentielle Erfordernis durch eine entsprechende Begründung zu ersetzen (vgl. VwGH 17.6.1980, 3232/79 uva).
2. Zudem war die Zustellung der Strafverfügung an die deutsche Rechtsvertreterin RA Claßen nicht rechtmäßig und deshalb unwirksam. Die deutsche Kollegin hat sich lediglich im Lenkererhebungsverfahren als Rechtsvertreterin ausgewiesen und um Akteneinsicht ersucht. Bei diesem Lenkererhebungsverfahren handelt es sich um ein reines Administrativverfahren (eigenständiges Verwaltungsverfahren). Das anschließend eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren wegen angeblicher Verletzung der Lenkerauskunft bildet hingegen ein eigenes (nachfolgendes) Strafverfahren, in dem eine Vollmachtsbekanntgabe noch gar nicht erfolgt ist. So hat die deutsche Rechtsvertreterin in ihrer Eingabe im Administrativverfahren ja keineswegs ausgeführt, dass ihr eine allfällige Strafverfügung ("ein Bußgeldbescheid" odgl.) zugestellt werden möge.
3. Unabhängig von diesem Formalfehlern liegt aber auch ein Verstoß gegen den ordre public und das Gemeinschschaftsrecht vor. Mit diesem Einwand hat sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinandergesetzt.
Nachdem sich durch die Anhebung des § 103 Abs. 2 KFG in den Verfassungsrang am Zwang zur Selbstbezichtigung nichts geändert hat, hat das deutsche Innenministerium mit Runderlass vom 03.12.1997, I.7/04-02/97, die deutschen Behörden angewiesen, Vollstreckungsersuchen österreichischer Behörden zur Einbringung von Strafen nach §§ 103 Abs. 2, 134 KFG nicht mehr auszuführen. Darin heißt es wörtlich:
"Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrechte zugunsten naher Angehöriger und zum Schutz vor einem Zwang zur Selbstbezichtigung stellen verfassungsrechtlich gebotene wesentliche Elemente unserer Rechtsordnung dar, die eine Ablehnung der Vollstreckung der in Rede stehenden österreichischen Verwaltungsstrafbescheide gem. Artikel 4 des deutsch-österreichischen Vertrages rechtfertigen."
Artikel 4 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom 31.05.1988 lautet wie folgt:
"Amts- und Rechtshilfe wird nicht geleistet, wenn sie nach dem Recht des ersuchten Staates unzulässig ist oder wenn die Erledigung des Ersuchens geeignet wäre, die Souveränität, die Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder andere wesentliche Interessen des ersuchten Staates zu beeinträchtigen."
Art. 5 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 24.02.2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen erlaubt die Verweigerung der Vollstreckung in Fällen, die nicht unter Art. 5 Abs. 1 fallen. Unter die genannte Vorschrift fallen allerdings nur "Verstöße gegen die den Straßenverkehr regelnden Vorschriften". Da eine Lenkererhebung nach dem Kraftfahrgesetz (die es in Deutschland beispielsweise nicht gibt) nicht unter einem Verstoß gegen Straßenverkehrsvorschriften anzusehen ist, blieb es bis dato bei der Vollstreckungsverweigerung der deutschen Behörden.
Die Bestimmung des § 103 Abs. 2 KFG widerspricht somit dem Gemeinschaftsrecht und ist infolge des geltenden Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes § 103 Abs. 2 KFG nicht anzuwenden.
Dass § 103 Abs. 2 KFG und die Folgen einer Nichtabgabe der Lenkerauskunft dem Gemeinschaftsrecht bzw, auch der Europäischen Menschenrechtskonvention widerspricht, zeigte sich erst vor kurzem durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Ein deutscher Fahrzeuglenker wurde als Lenker bestraft, weil er dem Ersuchen um Lenkerauskunft keine Folge leistete. Diese Bestrafung gründete sich auf die Rsp. des VwGH, wonach einen Zulassungsbesitzer eine erhöhte Mitwirkungspflicht trifft und im Falle der Verweigerung anzunehmen ist, dass er das Fahrzeug gelenkt hat. Im Urteil vom 18.03.2010 (Krumpholz gegen Österreich, Bsw. Nr. 13.201/05, Newsletter Menschenrechte, 2/2010, 99f.) sah der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte durch diese Vorgehensweise das Recht des Beschwerdeführers zu schweigen sowie die Unschuldsvermutung nach Art. 6 EMRK verletzt. Die Beweislast sei damit in unzulässiger Weise von der Anklage auf die Verteidigung überwälzt worden, so der EGMR.
4. Selbst wenn man von einer Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG in objektiver und subjektiver Hinsicht ausgehen würde, erweist sich die verhängte Geldstrafe als unangemessen. Im konkreten Fall ist zu berücksichtigen, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen deutschen Staatsbürger handelt, der durch seine deutsche Rechtsvertretung auch um Akteneinsicht in den Administrativakt ersuchte. In Unkenntnis der österreichischen Rechtslage wurde also nicht gleich der Lenker bekannt gegeben und nicht bedacht, dass allenfalls automatisch nach Ablauf der Zweiwochenfrist eine Verwaltungsübertretung begangen wird. Dass die belangte Behörde auf das Akteneinsichts- Verlangen der deutschen Rechtsvertretung nicht reagieren musste und einfach zuwartete, bis die Frist ihrer Ansicht nach verstrichen ist, ist zwar rechtskonform, lässt den Tatvorwurf aber in einem milderen Licht erscheinen. Es wäre auch möglich gewesen, dass die belangte Behörde auf diese Rechtsfolge nochmals hinweist, dies etwa zusammen mit der Gewährung der Akteneinsicht. Dadurch hätte der Beschwerdeführer dann dem Auskunftsverlangen fristgerecht nachkommen können.
Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang die Rechtsansicht der belangten Behörde, der Unrechtsgehalt dieser Tat wäre deshalb beträchtlich, weil "dadurch eine Bestrafung des tatsächlich Schuldigen der ursprünglichen Verwaltungsübertretung verhindert worden wäre". Abgesehen davon, dass dies bei einer Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG ja immer der Fall wäre (und man nicht jedes Mal automatisch von einem beträchtlichen Unrechtsgehalt ausgehen kann), steht keineswegs fest, dass es "einen Schuldigen" gibt, der die "ursprüngliche Verwaltungsübertretung auch tatsächlich begangen hat". Dies würde nämlich voraussetzen, dass jetzt schon feststeht, dass beispielsweise die Messung korrekt war, also keine Messfehler odgl. vorlagen. Dies wurde aber bis dato nicht geprüft, weil es hier um eine Verletzung der Verpflichtung der Lenkerauskunft und nicht um den Vorwurf einer allfälligen Geschwindigkeitsübertretung geht.
Soweit aus dem Straferkenntnis ersichtlich, hat sich der Beschwerdeführer in Österreich bis dato nichts zu Schulden kommen lassen, ist also im Straßenverkehr noch nie negativ in Erscheinung getreten. In diesem Sinne ist nach Ansicht des Beschwerdeführers mit Einstellung, allenfalls unter gleichzeitigem Ausspruch einer Ermahnung (ohne Verhängung einer [in Deutschland zudem nicht exequierbaren] Geldstrafe) vorzugehen. Jedenfalls wäre die Geldstrafe zu reduzieren.
4. Antragstellung / Beschwerdeanträge:
Zusammenfassend werden deshalb gestellt nachstehende
ANTRÄGE
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg möge
a. eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen, und
b. in Stattgebung der Beschwerde das angefochtene Straferkenntnis aufheben und gemäß § 45 Abs. 1 VStG die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, allenfalls unter Ausspruch einer Ermahnung, verfügen; in eventu
c. in Stattgebung der Beschwerde die verhängte Geldstrafe tat- und schuldangemessen herabsetzen."
Zu dieser Beschwerde hat am 20.07.2015 eine öffentliche mündliche Verhandlung stattgefunden. Dabei hat der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers über Befragen durch den Richter nicht bestritten, dass der Beschwerdeführer das Verlangen nach Lenkerauskunft vom 02.07.2014 erhalten hat.
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat erwogen:
Soweit seitens des Beschuldigten die Lenkereigenschaft zum Tatzeitpunkt bestritten wird ist darauf hinzuweisen, dass nach der österreichischen Rechtslage und diesbezüglichen einhelligen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Sachverhaltsfeststellung für einen Beschuldigten besondere Mitwirkungspflichten bestehen. Diese schließen im Zusammenhang mit kraftfahr- und straßenpolizeilichen Übertretungen mit ein, dass von einem Zulassungsbesitzer (Halter oder sonst über ein Fahrzeug Verfügungsberechtigten) jederzeit Auskünfte darüber verlangt werden können, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt Lenker seines auf ihn zugelassenen oder in seinem Verfügungsbereich gestandenen Fahrzeuges gewesen ist. In letzter Konsequenz dieser erhöhten Mitwirkungspflichten ist nach der höchstgerichtlichen Judikatur der Schluss zulässig, dass ein Zulassungsbesitzer (Halter) oder über ein Fahrzeug sonst Verfügungsberechtigter selbst Lenker des Fahrzeuges gewesen ist, solange er jegliche Auskunft darüber verweigert, wer sein Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt lenkt bzw. seine diesbezüglichen Angaben einer nachfolgenden Verifizierung nicht standhalten.
Im vorliegenden Fall hat der Beschuldigte vorgebracht, dass das Datum der angeblichen Zustellung nicht festgehalten wurde. Er hat somit im gesamten Verfahren abseits dieser pauschalen Bestreitung der Lenkereigenschaft keinen anderen Hinweis dahingehend abgegeben, als "zum Fahrzeug nächststehende Person" nicht auch dessen Lenker gewesen zu sein. Zur öffentlichen mündlichen Verhandlung mit dem Zweck der weiteren Sachverhaltsklärung ist der Beschuldigte nicht erschienen.
Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und auch aus dem ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahren ergibt sich, dass der Beschwerdeführer von der belangten Behörde mit Schreiben vom 02.07.2014 zur Auskunft darüber aufgefordert worden ist, wer am 02.05.2014, 10.31 Uhr, in St. Michael, A 10, bei Strkm 101.880 bei Oberweißburg, Richtung Salzburg, das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen xxx (D) gelenkt hat. Dass der Beschwerdeführer dieses Auskunftsersuchen erhalten hat, wurde nicht bestritten. Mit 11.07.2014 wurde mitgeteilt, dass der Lenkerauskunft nicht zu entnehmen sei, was dem Lenker des Fahrzeuges für den 02.05.2014 um 10.31 Uhr auf der A 10 Tauernautobahn vorgeworfen worden ist. Somit erfolgte die Zustellung spätestens mit 11.07.2014.
Mit dieser Mitteilung ist der Beschuldigte seiner oben angeführten Auskunftspflicht im Sinne von § 103 Abs 2 KFG nicht nachgekommen. Diese Bestimmung erfordert im gegenständlichen Zusammenhang die dezidierte Bekanntgabe einer Lenker- oder Auskunftsperson. Eine derartige Personenbenennung ist aus der vorliegenden Lenkeranfragebeantwortung nicht auszumachen und ist somit von einem tatbildlichen Sachverhalt im Sinne der dem Beschuldigten vorgeworfenen Übertretung auszugehen.
Wenn der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde auf EU-Recht verweist, ist ihm in diesem Zusammenhang die oben angeführte Verfassungsbestimmung des § 103 Abs 2 KFG letzter Satz sowie die diesbezügliche Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte sowie des EGMR (vgl Lückhof und Spanner gegen Österreich vom 10.01.2008) entgegenzuhalten und treten demgemäß die Rechte der Auskunftsverweigerung gegenüber der hier zutreffenden Auskunftspflicht zurück bzw ist behördlicherseits keine Mitwirkung etwa in Form der Beischaffung von fotografischem Dokumentationsmaterial odgl vorgesehen.
Das angefochtene Straferkenntnis war daher in seinem Schuldspruch zu bestätigen.
Zur Strafbemessung:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nach Abs 2 dieser Norm sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und ist auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden und die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
In Bezug auf die Strafbemessung vermag zum vorliegenden Fall keine Unangemessenheit erkannt werden. Der erstinstanzliche Strafbetrag in der Höhe von € 160 befindet sich im aller untersten Bereich des hiefür vorgesehenen Strafrahmens bis € 5.000. Dabei ist zu berücksichtigen, dass allein in Ansehung der vorliegenden Übertretung (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 36 km/h) von einer solchen mit nicht gänzlich zu vernachlässigendem Unrechtsgehalt auszugehen ist und somit allein deshalb keine Unangemessenheit im Sinne von § 19 Abs 1 VStG zu erkennen ist.
Bei der Berücksichtigung der subjektiven Strafbemessungskriterien im Sinne von § 19 Abs 2 VStG sind keine besonderen Erschwerungs- oder Milderungsgründe - abgesehen von der erstinstanzlich bereits berücksichtigten Unbescholtenheit des Beschuldigten - bekannt geworden. An Verschulden ist dem Beschuldigten zumindest die fahrlässige Begehung dieser Übertretung vorzuwerfen und bei der Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse war mangels diesbezüglicher Angaben von durchschnittlichen Verhältnissen auszugehen; es vermag auch darin kein Anhaltspunkt für eine Herabsetzung der erstinstanzlich festgesetzten Geldstrafe erkannt zu werden.
Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Lenkerauskunft, unionsrechtliche KonformitätAnmerkung
ao Revision, VwGH vom 6.11.2015, Ra 2015/02/0193-3, ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGSA:2015:LVwG.4.2000.4.2015Zuletzt aktualisiert am
16.06.2020