TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/28 W272 2196909-1

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Veröffentlicht am 28.11.2019
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Entscheidungsdatum

28.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W272 2196909-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Braunstein als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark vom 26.04.2018, Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkt I. und II. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerde wird festgestellt, dass gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG und § 9 Abs. 2 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und dem Beschwerdeführer gemäß § 54 Abs. 1 Z 1, § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt wird.

Der Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 10.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (in der Folge AsylG).

2. Am Tag der Antragstellung wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er zunächst zu seinen persönlichen Verhältnissen angab, dass er in Nangahar, Afghanistan, geboren sei. Er sei ledig, bekenne sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam und gehöre er der Volksgruppe der Paschtunen an. Seine Muttersprache sei Paschtu. Als Fluchtgrund gab er an, dass sein Elternhaus in der Nähe des Flughafens Nangarhar liege. Aus diesem Grund sei diese Gegend durch den IS und die Taliban sehr gefährdet und unsicher. Er habe sich dort allgemein sehr unsicher gefühlt und sei er deshalb geflohen. Im Falle einer Rückkehr fürchte er um sein Leben.

3. Nach Führung eines Konsultationsverfahrens wurde das Verfahren des Beschwerdeführers zugelassen und fand am 17.04.2018 eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Aufgefordert dezidiert seine Fluchtgründe zu schildern, brachte er zusammengefasst vor, dass er mit den Taliban und den Daesh Probleme gehabt habe. Er sei Elektrotechniker und habe beim Flughafen die Receiver der staatlichen Organisationen organisiert. Er sei nicht beim Flughafen angestellt, sondern immer mit einem anderen Techniker mitgefahren, der die Aufträge bekommen habe. Er sei sehr oft mit diesem Mann dorthin gefahren, um diese Dinge zu reparieren. Man habe in XXXX gewusst, dass er die Receiver repariere. Als die Daesh und die Taliban erfahren hätten, dass er so etwas mache, hätten sie ihn eines Tages in seinem Geschäft besucht. Es sei ein älterer Mann mit Schnurrbart und Bart mit dessen Auto zu seinem Geschäft gekommen und habe den Beschwerdeführer geholt, damit er sein Radio anschaue. Während er mit dessen Autoradio beschäftigt gewesen sei, habe er neben ihm gesessen und gesagt, dass er genau wisse, dass er dem Staat bei Reparaturen helfe. Er habe den Beschwerdeführer aufgefordert, alle Informationen - was er unterwegs sehe oder im Flughafen mitbekomme, wie er reinkomme, wie viele Security-Posten es gebe, wie viele Türen man passieren müsse, an sie weiterzuleiten. Er habe große Angst bekommen und dieser Mann sei weggegangen. Zehn Tage später sei er erneut von einem anderen Mann, der den gleichen Trick gehabt habe, dass der Beschwerdeführer sein Autoradio anschauen sollte, aufgesucht worden. Der Mann sei neben ihm gesessen und habe ihn in einem ernsten Ton angesprochen und ihn daran erinnert, dass er letztens auch von seinem Kollegen angesprochen worden sei. Er habe ihn ernsthaft aufgefordert, jegliche Information weiterzuleiten, alles was er sehe und all seine Beobachtungen. Er habe große Angst bekommen. Auch dieser Mann sei wieder weggegangen. Er habe den ersten Vorfall auch mit seinem Vater besprochen. Er habe nicht so viel dazu gesagt, aber ängstlich sei er sicher gewesen. Auch den zweiten Vorfall habe er mit seinem Vater besprochen und ihm um einen Rat gebeten, was er tun solle. Wenn er dieser Gruppierung diese Informationen weiterleite, dann bekomme er mit der Regierung Probleme. Am nächsten Tag sei ich wieder ins Geschäft gegangen. Er sei sehr unruhig und habe dort nicht mehr bleiben können. Deshalb habe er sich bei einem Freund namens XXXX in dessen Wohnung versteckt. Innerhalb von zehn bis zwölf Tagen habe er einen Reisepass und ein Visum beim iranischen Konsulat organisiert. Diese Zeit habe er bei diesem Schulkollegen verbracht, den er vorhin genannt habe. Nachdem er das Visum erhalten habe, sei er nach Kabul gefahren und von dort weiter nach Teheran geflogen.

Im Zuge der Einvernahmen brachte der Beschwerdeführer eine Tazkira, einen Studentenausweis im Original, einen Reisepass in Kopie sowie seine Integration betreffende Unterlagen, darunter diverse Kursbesuchs- und Schulbesuchsbestätigungen, Referenz- und Empfehlungsschreiben sowie Bestätigungen über seine ehrenamtlichen und gemeinnützigen Hilfstätigkeiten für die Gemeinde XXXX Tätigkeit, in Vorlage:

4. Mit Bescheid vom 26.04.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zusammengefasst aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers, sein Heimatland verlassen zu haben, weil die Taliban und die Daesh von ihm aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit beim Flughafen Informationen hätten haben wollen, nicht glaubhaft sei. Dazu folgerte die Behörde, dass die Schilderungen des Beschwerdeführers nicht plausibel und nicht nachvollziehbar seien. Weiters wären die Angaben des Beschwerdeführers bezüglich der Bedrohung relativ knapp gehalten und hätten diesbezügliche Details durch ständiges Nachfragen regelrecht "entlockt" werden müssen, wohingegen er auffallend ausschweifend über allgemeine Dinge rundum erzählt habe. Auch habe der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar vorgebracht, weshalb man gerade ihn in Afghanistan massiv suchen würde, zumal er mit keinem Wort erwähnt habe, dass der Beschwerdeführer in irgendeiner Weise eine Bedrohung für die Daesh oder die Taliban dargestellt hätte, sondern hätten sie lediglich Informationen von ihm erhalten wollen. Zudem hätte der Beschwerdeführer durchaus die Möglichkeit gehabt, in einer anderen Stadt Afghanistans wie z.B. Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif weiter zu leben. Andernfalls wiederum würde dies bedeuten, dass sowohl sein Vater als auch seine Brüder demnach höchst gefährdet wären, da davon auszugehen wäre, dass die vom Beschwerdeführer nicht identifizierbaren Leute Rache am Beschwerdeführer nehmen würden. Laut eigener Angaben lebe jedoch der Vater und seine Brüder weiterhin völlig unbehelligt in seinem Heimatdorf. Zudem habe er sein Vorbringen im Rahmen der Erstbefragung anders dargestellt und habe vorgebracht, dass er seinen Herkunftsstaat wegen der allgemeinen Sicherheitslage verlassen habe, da sich sein Heimatort in der Nähe des Flughafens befinden würde und erwähnte mit keinem Wort eine persönlich gegen ihn gerichtete Bedrohung oder Verfolgung. Eine entscheidende Komponente einer individuellen Betroffenheit die die Situation des Beschwerdeführers in den Bereich asylrechtlicher Relevanz rücken würde, vermochte er jedoch nicht glaubhaft zu machen. Zu den Feststellungen zur Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr folgerte die Behörde, dass dem Beschwerdeführer, selbst wenn er seinen Heimatort nicht erreichen könnte, ihm, wie auch aus den vorhandenen Unterlagen hervorgehe, eine Ansiedelung in Kabul, Mazar-e Sharif, Jalalabad und Herat sogar für Personen ohne Beziehungen möglich sei.

5. Mit Schriftsatz vom 18.05.2018 erhob der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, beim Bundesverwaltungsgericht. Dabei wurde im Wesentlichen das Fluchtvorbringen wiederholt. Zudem wurde ausgeführt, dass der Verfolgungsgrund des Beschwerdeführers insbesondere in dem Umstand liege, dass die Taliban rigoros gegen Personen, wie der Beschwerdeführer, die sich ihnen nicht anschließen würden, vorgingen. Zudem wurde auf die volatile Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers hingewiesen, die von der Behörde nicht entsprechend gewürdigt worden sei. Zudem wurde auf die allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in den urbanen Zentren Afghanistans sowie auf die besondere Situation von Rückkehrern aus Europa hingewiesen. Zudem wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer um seine Integration bemüht sei. Er spreche bereits sehr gut Deutsch und sei bemüht sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren und Kontakte mit Österreichern zu knüpfen.

6. Mit Eingabe vom 05.10.2018 und vom 26.06.2019 wurde jeweils die Schulbesuchsbestätigung für das Semester von 10.09.2018 bis 15.02.2019, ausgestellt durch den Studienkoordinator des Bundesgymnasiums, Bundesrealgymnasium und Wirtschaftskundliches BRG für Berufstätige XXXX beim Bundesverwaltungsgericht am 17.09.2018 in Vorlage gebracht. Des Weiteren langten mit Eingaben vom 08.04.2019 und vom 06.08.2019 folgende Unterlagen in Kopie ein:

* Geburtsurkunde der Tochter des Beschwerdeführers, ausgestellt durch das Standesamt XXXX am XXXX 2019;

* Beurkundung betreffend die Anerkennung der Vaterschaft gemäß §§ 145, 147 ABGB;

* Beglaubigte Übersetzung Personalausweis/Geburtsurkunde des BF;

* Auszüge aus dem Zentralen Melderegister betreffend den BF, seine Lebensgefährtin und seine Tochter, vom XXXX 2019;

* Mitteilung ausgestellt am 20.12.2018 durch die Landesregierung XXXX , wonach der BF selbst für seinen Lebensunterhalt aufkomme und in einer Partnerschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin lebe;

* Auszahlungsbelege von August 2018 bis Juli 2019;

* Zertifikat, ausgestellt am 08.04.2019 durch den Verein XXXX -

Gegen Unterdrückung im Namen der Ehre;

* Semesterzeugnis für das Semester 2017/18 des Bundesgymnasiums, Bundesrealgymnasium und Wirtschaftskundliches BRG für Berufstätige

XXXX ;

* Teilnahmebestätigung und Zertifikat betreffend die Teilnahme an einer dreitägigen Comic-Workshop-Reihe, ausgestellt am 04.04.2019;

* Bestätigung über gemeinnützige Hilfstätigkeiten, ausgestellt am 14.03.2018

7. Mit Schreiben vom 14.08.2019 wurde die Ladung einer Zeugin für die am 10.10.2019 anberaumten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragt, woraufhin eine diesbezügliche Ladung an die Lebensgefährtin des BF erging.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 10.10.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde mitvorgelegt:

Bestätigung durch GBG XXXX , bzgl. einer gemeinnützigen Hilfstätigkeit März 2018 bis September 2019, Anmeldebestätigung für geringfügige Beschäftigung durch die XXXX , Datensammelausdruck Beschäftigung 29.08.2019 Dienstgeber XXXX Ein Foto von Facebook, welches den BF in seinem Geschäft darstellen soll. Weiters eine Luftaufnahme auf welchem der Flughafen von Nangahar und die Entfernung zum Geschäft und zu seiner Wohnung dargestellt sei.

9. Im Zuge der Eingabe vom 15.10.2019 wurde durch die Vertretung des Beschwerdeführers eine Gehaltsabrechnung vom September 2019 und ein Ergebnis der Integrationsprüfung B1, ausgesellt am 03.09.2019 durch den ÖIF, in Vorlage gebracht. Zudem wurde darüber informiert, dass er am 12.10.2019 die ÖIF Prüfung A2 abgelegt habe und das Ergebnis bis Ende des Monats erwarte. Zu der vorgelegten Gehaltsabrechnung wurde angemerkt, dass der BF während der mündlichen Verhandlung irrtümlich eine niedrigere Summe seines Einkommens angegebene habe.

10. Am 24.10.2019 langte ein Zeugnis vom 12.10.2019 zur bestandenen Integrationsprüfung, Werte- und Orientierungswissen sowie eine Anmeldebestätigung für den ÖIF Kurs B1 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

11. Mit Schreiben vom 18.11.2019 übermittelte das BVwG den Parteien die aktuelle Länderinformation der Staatendokumentation vom 13.11.2019 und gab die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme und zur Bekanntgabe, ob diesbezüglich eine mündliche Erörterung notwendig erachtet wird.

12. Seitens BFA erfolgte keine Stellungnahme, die Vertretung des BF, brachte mit Schreiben vom 21.11.2019 vor, dass auf eine mündliche Erörterung verzichtet wird. Sie brachten weiters vor, dass aus den Berichten hervorgehe, dass sich die Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen um 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum erhöht habe. Zwar sei die Provinz Balkh relativ stabil, jedoch gebe es trotzdem Sicherheitsbedrohungen. Herat sei zwar auch eine relativ ruhige Provinz aber die Kriminalität und Gesetzlosigkeit steige und im Distrikt Shindad komme es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und so würden dort auch Sicherheitskräfte seitens der Taliban und anderen Aufständischen angegriffen werden. In Herat könne man nicht überall sicher leben. Die Provinz Nangahar sei eine der ISKP-Hochburgen Afghanistan. Zwar würden sie zurückgedrängt werden, die Taliban seien jedoch noch immer sehr aktiv und im Jahr 2018 gebe es um 111% mehr Opfer als im Jahr 2017. Der BF könne daher nicht sicher leben und nicht mit der nötigen Wahrscheinlichkeit seinen notdürftigen Lebensunterhalt erwirtschaften. Auch ergebe sich aus den detaillierten Länderberichten, dass die medizinische Versorgung sowie die Wasser- und Stromversorgung ebenso unzureichend sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Der Beschwerdeführer ist in der Provinz Nangahar, Distrikt XXXX geboren, aufgewachsen und hat dort bis vor seiner Ausreise gelebt.

Der BF hat in Afghanistan die Schule besucht und hat in seinem Heimatort ein eigenes Geschäft betrieben und war er als Elektrotechniker tätig. In Afghanistan verfügt der Beschwerdeführer über Familienangehörigen, seine Eltern, drei Brüder leben nach wie vor im Heimatdorf, der BF steht mit seinen Eltern in regelmäßigem Kontakt. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprachen Paschtu und spricht zudem noch Dari, Englisch und etwas Urdu und Hindi.

Der BF ist grundsätzlich seinem Alter entsprechend entwickelt.

Der BF ist in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft, war dort nie inhaftiert, war kein Mitglied einer politischen Partei oder sonstigen Gruppierung, er hat sich nicht politisch betätigt und hatte keine Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden im Herkunftsland.

Der unbescholtene BF führt in Österreich eine Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin. Sie leben im gemeinsamen Haushalt, in einer Mietwohnung, und haben eine gemeinsame Tochter, die am XXXX in Österreich geboren wurde, sie ist ebenfalls österreichische Staatsbürgerin. Der BF befindet sich nicht mehr in der Grundversorgung. Er ist erwerbstätig und bestreitet mit seiner Lebensgefährtin, wenngleich von dieser der größere Anteil kommt, gemeinsam deren Lebensunterhalt. Der BF ist maßgeblich in die Kindererziehung und -betreuung eingebunden. Der BF und seine Lebensgefährtin sind verlobt und wollen in Kürze heiraten. Der BF verfügt über einen Freunde- und Bekanntenkreis in Österreich. Er ist in das Familienleben seiner Lebensgefährtin eingebunden.

Der BF hat in Österreich Deutschkurse, zuletzt der Niveaustufe B2, absolviert. Der Beschwerdeführer kann sich in der deutschen Sprache verständigen. Er hat von 2017 bis Februar 2019 das Bundesgymnasium, Bundesrealgymnasium und Wirtschaftskundliches BRG für Berufstätige besucht. Der Beschwerdeführer ist geringfügig beschäftigt. Er verrichtete gemeinnützige Hilfstätigkeiten und hat an diversen Workshops und Veranstaltungen teilgenommen. In seiner Freizeit kümmert er sich um seine Familie, ist in einem Cricket-Verein und trifft gelegentlich Freunde.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er kann die Angelegenheiten seines täglichen Lebens für sich selber erledigen. Der Beschwerdeführer nimmt keine Medikamente und ist nicht in Behandlung.

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden. Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden sämtliche Angaben des Beschwerdeführers zur behaupteten Bedrohungssituation in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer keiner konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung von Seiten der Taliban als auch durch den afghanischen Staat ausgesetzt ist oder eine solche im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätte.

Eine konkrete Bedrohung oder Verfolgung gegen den BF aus anderen Gründen ist nicht hervorgekommen und zwar weder aufgrund des Vorbringens noch aus amtswegiger Wahrnehmung.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF wegen Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht oder verfolgt gewesen wäre.

Der Beschwerdeführer hatte in Afghanistan noch nie Probleme wegen seiner Religionszugehörigkeit (sunnitischer Moslem) oder wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit (Paschtune).

1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr des BF in sein Herkunftsland:

Nicht festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen seiner Volksgruppenzugehörigkeit bzw. seiner Glaubensrichtung oder seiner politischen Gesinnung einer Gefährdung ausgesetzt wäre.

Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer auf Grund der Tatsache, dass er sich dreieinhalb Jahre in Europa aufgehalten hat bzw. dass er als afghanischer Staatsangehöriger, der aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, deshalb in Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt wäre.

Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder auf Grund seines Aufenthalts in einem europäischen Land in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Nangarhar in Afghanistan, aufgrund der dort herrschenden volatilen Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen und wäre dort infolge willkürlicher Gewalt einer Bedrohung ausgesetzt bzw. einer Gefährdung seines Lebens, Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung.

Dem BF steht als innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in die Städte Mazar-e-Sharif oder Herat zur Verfügung, obwohl in diesen beiden Städten eine angespannte Situation vorherrschen. Es ist ihm jedoch möglich ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befrieden zu können, bzw. ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem BF würde bei seiner Rückkehr in eine dieser Städte kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Der BF hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und zumindest vorrübergehend verschiedene Hilfsprogramme in Anspruch nehmen, die ihn bei der Ansiedlung in Mazar- e Sharif oder Herat unterstützen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif oder Herat Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Der BF kennt sich mit der sozialen und kulturellen Umgebung in Afghanistan aus. Er ist in Afghanistan geboren, aufgewachsen und hat dort eine Ausbildung absolviert und gearbeitet. Er konnte auch für einen Teil seines Lebensunterhaltes selbst sorgen.

Die Städte Mazar-e-Sharif und Herat sind von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug zu erreichen. Und vom Flughafen ist die Stadt sicher zu erreichen.

Der BF hat keine individuellen gefahrenerhöhenden Umstände aufgezeigt, die unter Beachtung seiner persönlichen Situation innewohnenden Umstände eine Gewährung von subsidiären Schutz auch bei einem niedrigen Grad willkürlicher Gewalt angezeigt hätte.

Zur Situation in Afghanistan und zur Situation von Angehörigen der Sunniten und der Paschtunen ergibt sich unter Zugrundelegung der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass keine Gefährdung oder Bedrohung zu erwarten ist:

1.4. Zum Herkunftsstaat:

Das BVwG trifft folgende Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat unter Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Gesamtaktualisierung am 13.11.2019:

Politische Lage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).

In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).

So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).

Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).

Abb. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle 2015-2018 in ganz Afghanistan gemäß Berichten des UN-Generalsekretärs (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UN-Daten (UNGASC 7.3.2016; UNGASC 3.3.2017; UNGASC 28.2.2018; UNGASC 28.2.2019))

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Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).

Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit

29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).

Folgender Tabelle kann die Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Jahr im Zeitraum 2016-2018, sowie bis einschließlich August des Jahres 2019 entnommen werden:

Tab. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan lt. INSO 2016-8.2019, monatlicher Überblick (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO-Daten (INSO o.D.))

 

2016

2017

2018

2019

Jänner

2111

2203

2588

2118

Februar

2225

2062

2377

1809

März

2157

2533

2626

2168

April

2310

2441

2894

2326

Mai

2734

2508

2802

2394

Juni

2345

2245

2164

2386

Juli

2398

2804

2554

2794

August

2829

2850

2234

2443

September

2493

2548

2389

-

Oktober

2607

2725

2682

-

November

2348

2488

2086

-

Dezember

2281

2459

2097

-

insgesamt

28.838

29.866

29.493

18.438

Global Incident Map (GIM)

verzeichnete in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 3.540 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahr 2018 waren es 4.433. Die folgende Grafik der Staatendokumentation schlüsselt die sicherheitsrelevanten Vorfälle anhand ihrer Vorfallarten und nach Quartalen auf (BFA Staatendokumentation 4.11.2019):

Abb. 3: Sicherheitsrelevante Vorfälle nach Quartalen und Vorfallsarten im Zeitraum 1.1.2018-30.9.2019 (Global Incident Map, Darstellung der Staatendokumentation; BFA Staatendokumentation 4.11.2019)

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Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.1.2019).

Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019).

Zivile Opfer

Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) - dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September - im Gegensatz zu 2019 - von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).

Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl - Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) - 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.2.2019; vgl. SIGAR 30.4.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.2.2019).

Tab. 2: Zivile Opfer im Zeitverlauf 1.1.2009-30.9.2019 nach UNAMA (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNAMA-Daten (UNAMA 24.2.2019; UNAMA 17.10.2019))

Jahr

Tote

Verletzte

Insgesamt

2009

2.412

3.557

5.969

2010

2.794

4.368

7.162

2011

3.133

4.709

7.842

2012

2.769

4.821

7.590

2013

2.969

5.669

8.638

2014

3.701

6.834

10.535

2015

3.565

7.470

11.035

2016

3.527

7.925

11.452

2017

3.440

7.019

10.459

2018

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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