TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/12 I409 2178838-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.12.2019
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Entscheidungsdatum

12.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I409 2178834-1/17E

I409 2178838-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn als Einzelrichter über die Beschwerden 1. der XXXX, geboren am XXXX, und 2. des XXXX auch XXXX, geboren am XXXX, jeweils Staatsangehörigkeit Nigeria, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 17. November 2017, ZIen. 1142072005/170150123 und 1142072005/170150131, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die belangte Behörde führt in der Begründung des erstangefochtenen Bescheides unter dem Punkt "A) Verfahrensgang" (u.a.) Folgendes aus:

"Sie stellten am 03/02/2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei Sie angaben, den Namen M. P. O. zu fuhren, aus Nigeria zu stammen und am XX/XX/19XX geboren worden zu sein. Sie waren unverheiratet und waren Mutter zweier Kinder. Gleichzeitig stellten Sie einen Antrag auf internationalen Schutz für Ihren am XX/XX/20XX geborenen Sohn.

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme gaben Sie unter anderem folgenden Angaben zu Protokoll:

9.3 Wann und womit haben Sie ihre/n Heimat/Herkunftsstaat/Aufenthalts verlassen?

Abreise aus Wohnort: 2007 mit einem Flugzeug über ein unbekanntes Land nach Tschechien

...

9.5.1 Wenn ja, welches und von wem ausgestellt?

Nigerianischer RP ausgestellt von der nigerianischen Botschaft in Wien Nr. A XXXXXXX gültig vom

XX.XX.2015

9.6.1 Was können Sie noch über den Aufenthalt in diesen durchgereisten EU-Ländern angeben:

Von 2007 bis Februar 2016 lebte ich in Tschechien es war nicht so gut für mich. Mein Leben war sehr

schwierig da ich kein zu Hause und keine Versicherung hatte. Von Februar 2016 bin ich mit dem Vater meines Sohnes zusammen und bin öfter zwischen Österreich und Tschechien hin und her gefahren.

9.8.1 Wenn ja: wann und von wem wurde das Visum oder der Aufenthaltstitel ausgestellt und bis wann ist es gültig:

in Tschechien ausgestellt 2016

9.9 Haben Sie jetzt ein bestimmtes Reiseziel (Zielland)? Wenn ja, welches:

Nein, ich möchte nur hier in Osterreich mit meinem Kind und dessen Vater leben.

Zu den Gründen Ihrer Ausreise aus Nigeria gaben Sie folgenden an:

Mein Vater und 2 meiner Schwestern wurden bei einem Massaker in einer Kirche von Moslems getötet. Anschließend waren die Moslems auch hinter den überlebenden Mitgliedern meiner Familie her. Aus diesem Grund musste ich flüchten.

Im Zuge der erkennungsdienstlichen Behandlung betreffend Ihrer Asylantragstellung ergab sich, dass Sie am 02/04/2007 in Tschechien erkennungsdienstlich behandelt wurden und ein Eurodac-Treffer der Kategorie 1 vorliegt.

...

Am 10/03/2017 wurden Sie durch einen Organwalter des BFA Erstaufnahmestelle Ost niederschriftlich einvernommen. Im Wesentlichen gaben Sie dabei folgendes zu Protokoll:

...

LA: Sind Sie verheiratet?

VP: Nein.

LA: Sie haben am XX.XX.20XX ein Kind bekommen. Wer ist der Vater?

VP: E. O.

LA; Wo ist jetzt E. O.?

VP: Er ist in X, er ist mein Freund.

LA: Wann sind Sie nach Österreich eingereist?

VP: Im Februar 2016 kam ich nach Österreich.

LA: Warum haben Sie erst am 03.02.2017 einen Asylantrag gestellt?

VP: Weil ich jetzt mein Kind hier habe und auch der Vater meines Kindes ist hier.

LA: Wo waren Sie die ganze Zeit?

VP: Ich war in Tschechien und bin nach X gekommen. Mein Freund ist schon lange in X.

LA: Wo haben Sie Ihren Freund, Hrn. E., kennengelernt?

VP: Wir haben uns über das Internet kennen gelernt.

LA: Wo wohnen Sie jetzt?

VP: Ich wohne mit ihm zusammen in X.

LA. Welchen Status hat Ihr Freund in Österreich?

VP: Er hat einen Aufenthaltstitel für 5 Jahre.

LA: Ich beende jetzt die Befragung, wollen Sie noch etwas angeben?

VP: Ich möchte nochmals angeben, dass ich mit dem Vater meines Kindes Zusammenleben möchte hier in Österreich. Ich will das Kind gemeinsam mit seinem Vater aufziehen. Ich will nicht wieder eine alleinerziehende Mutter sein, wie das in Afrika bei meiner Tochter war.

LA: Welchen Status hatten Sie in Tschechien?

VP: Ich hatte in Tschechien ein Visum, das immer wieder für 2 Monate gültig war.

...

Mit Schreiben des Standesamtes der Stadt X vom 27/04/2017 wurde dem BFA mitgeteilt, dass Sie diesem im Verfahren zur Ermittlung der Ehefähigkeit bzw. bei der Beurkundung der Geburt Ihres Kindes eine Eheschließung verschwiegen haben. Im Zuge dieses Verfahrens wurde festgestellt, dass Sie am 25/10/2007 den tschechischen Staatsangehörigen S. R. ehelichten und seither den Namen S. P. O. führen. Diese Ehe wäre am 03/04/2017 rechtskräftig geschieden worden. Das am XX/XX/20XX geborene Kind E. O. führt somit den Familienamen S. und wäre somit nicht Sohn des E. I. Als Beilage wurde die Heiratsurkunde, die Scheidungsurkunde so wie die berichtigte Geburtsurkunde übermittelt.

Mit Schreiben der Marktgemeinde Y vom 09/05/2017 wurde dem BFA mitgeteilt, dass diese ebenfalls ein Verfahren zur Ermittlung der Ehefähigkeit fuhren und ebenfalls Ungereimtheiten in der Namensgebung Ihres Kindes bzw. Ihres Familiennamens auftreten wurden.

Am 12/09/2017 brachten Sie in der Außenstelle X eine Heiratsurkunde in Vorlage, welche Ihre Eheschließung mit Hrn. E. I. am 22/08/2017 dokumentiert.

Am 10/10/2017 wurden Sie durch einen Organwalter des BFA Außenstelle X niederschriftlich einvernommen. Im Wesentlichen gaben Sie dabei folgendes zu Protokoll:

...

LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

VP: Ja, die Angaben sind richtig. Es hat zwar ein paar Missverständnisse gegeben, aber das ist jetzt ja alles im Laufen.

LA: Welche Missverständnisse meinen Sie?

VP: Ais ich in der Asylunterkunft war, hatte ich nicht gesagt, dass ich mit meinem ersten Mann verheiratet war.

LA: Nennen Sie Ihren vollständigen Namen, ihr Geburtsdatum und Ihren Geburtsort und Ihre Staatszugehörigkeit!

VP: Nun ist mein E. P. O., geb. am XX/XX/19XX in Z. Ich bin nigerianische Staatsangehörige.

Mein lediger Familienname lautete M.

...

LA: Waren Sie jemals im Besitz eines Reisepasses oder eines anderen identitätsbezeugenden Dokumentes?

VP: Ja, ich hatte einen nigerianischen Reisepass mit einem tschechischen Visum. Dieser ging allerdings verloren, bevor ich in Osterreich in die Asylunterkunft gekommen bin.

LA: Wo haben Sie im Heimatland zuletzt gelebt? Nennen Sie die Adresse.

VP: Ich lebte in Z City, in der A. Av.

LA: Wie lange haben Sie an der genannten Adresse gelebt?

VP: Seit meiner Geburt.

LA: Mit wem lebten Sie an Ihrer letzten Adresse in Nigeria?

VP: ich lebte dort mit meinen Eltern, meiner Tochter und meinem Bruder.

LA: Bitte beschreiben Sie Ihre Wohnsituation. Lebten Sie in einem Haus, einer Wohnung bzw. befand sich diese in Ihrem Eigentum?

VP: Es war das Haus meines Vaters. Es war ein Haus mit 3 Wohnungen.

...

LA: Haben Sie bzw. Ihre Familie irgendwelche Besitztümer in ihrem Heimatland?

VP: Nur das Haus meines Vaters.

LA: Wie wurden Sie Ihre wirtschaftliche/ finanzielle Situation zuletzt (vor der Flucht) im Heimatland gemessen am landesüblichen Durchschnitt bezeichnen (zB, gut/mittel/schlecht)?

VP: Ich wurde sagen, uns ging es durchschnittlich gut. Wir hatten einen gewissen Wohlstand.

LA: Wie haben Sie sich Ihren Lebensunterhalt in Nigeria finanziert?

VP: Mein Vater war Pastor und hat in Z gearbeitet, bevor er in den Norden des Landes versetzt wurde und ich dann schließlich Probleme bekommen habe.

...

LA: Welchen Familienstand haben Sie?

VP: Ich bin in Osterreich verheiratet. (VP legt Heiratsurkunde vor) und ich habe 2 Kinder. Eines in Afrika und eines hier.

LA: Wie lautet der Name ihres Mannes bzw. Ihrer Kinder?

VP: Der Name meines Mannes ist E. I. Der Name meines Kindes ist S. O., der Name meine Tochter

lautet I. I. B., geboren am XX/XX/20XX.

LA: Haben Sie Geschwister?

AV: Ja, ich habe einen Bruder, O. M. Er ist 20 Jahre alt.

LA: Wo befinden sich Ihre nächsten Angehörigen, also Eltern, Geschwister bzw. Ihre Tochter?

VP: Mein Vater ist tot. Meine Mutter, mein Bruder und meine Tochter leben in Afrika.

LA: Wo genau in Afrika?

VP: In Z.

LA: Wer kümmert sich um Ihre Tochter?

VP: Meine Mutter, ich sende ihr auch Geld.

LA: Stehen Sie mit ihrer Angehörigen in Kontakt?

VP: Ja. Ich habe mit meiner Tochter über Facebook täglichen Kontakt. Mit meiner Mutter telefoniere ich einmal wöchentlich.

LA: Haben Sie noch weiter Angehörige, die in Nigeria aufhältig sind?

VP: Ja, aber mit diesen habe ich keinen Kontakt.

LA: Wann haben Sie Nigeria verlassen?

VP: Ich habe Nigeria 2007 verlassen.

LA: Wer organisierte Ihre Flucht?

VP: Mein Vater wurde 2005 getötet und die Kirche niedergebrannt. Er war ursprünglich Moslem und ist dann zum Christentum konvertiert. Man hat versucht, meine ganze Familie auszulöschen. Die Ältesten der Kirche haben meine Ausreise organisiert. Man hat mich an jemanden vermittelt, der mir geholfen hat Nigeria zu verlassen.

LA: Auf welche Weise haben Sie Nigeria verlassen (Flugzeug/Auto etc...)?

VP: Ich bin geflogen.

LA: Was hat Sie Ihre Flucht insgesamt gekostet? (Schlepperkosten)

VP: Ich hab gar nichts bezahlt.

...

LA: Hatten Sie in einem anderen Land schon einmal einen Asylantrag gestellt?

VP: Ja. In der Tschechischen Republik.

LA: Wurde das Asylverfahren in der Tschechischen Republik abgeschlossen worden?

VP: Ja, es wurde abgeschlossen, als ich geheiratet habe.

...

LA: Wie lange waren Sie in Tschechien aufhältig?

VP: Ca. 9 Jahre. Von 2007 bis 2017.

...

LA: Wann sind Sie in Osterreich erstmals eingereist?

VP: Das erste Mal war im Feb. 2016.

LA: Was war der Grund der Einreise?

VP: Ich war hier um meinen jetzigen Ehemann E. zu besuchen.

LA: Welchen Aufenthaltstitel hatten Sie für die tschechische Republik.

VP: Ich habe ein Visum bekommen.

LA: Welche Art vom Visum?

VP: Ich habe angesucht um eine Aufenthaltsbewilligung, welche ich allerdings nicht erhalten habe. Ich erhielt ein Visum, welches für 2 Monate gültig war.

LA: Wann sind Sie in die Tschechische Republik eingereist?

VP: Das war im April 2007.

LA: Aus welchem Grund haben Sie nunmehr Ihren Heimatstaat verlassen? Schildern Sie ihre Fluchtgründe. Versuchen Sie chronologisch vorzugehen, schildern Sie es so, dass es auch unbeteiligte Personen nachvollziehen können.

VP: Der Hauptgrund war, dass mein Vater in der Kirche getötet wurde. Sie haben der ganzen Familie nach dem Leben getrachtet. Sie wollten die ganze Familie auslöschen, da mein Vater konvertiert ist. Das war der Grund, warum ich Nigeria verlassen habe.

LA: Wie schon zuvor erwähnt, fordere ich Sie nochmals auf, ein genaues detailliertes Bild zu zeichnen, welches, wenn möglich, in einer chronologischen Abfolge die damaligen Geschehnisse beschreibt.

VP: Ais mein Vater getötet wurde. Die Kirche wurde angezündet, er verbrannte in der Kirche. Wir waren an diesem Tag nicht in der Kirche. Deshalb waren Sie hinter uns her. Sie wollten die ganze Familie auslöschen, weil mein Vater konvertiert ist. Zwei meiner Schwestern waren ebenfalls in der Kirche.

LA: Wo befand sich diese Kirche?

VP: Sie war im Norden des Landes, in K.

...

LA: Sie gaben an Ihren Reisepass verloren zu haben?

VP: Ja, das war der Grund warum ich um Asyl angesucht habe, da ich meinen Reisepass und alles verloren habe.

LA: Verstehe ich Sie richtig? Sie haben um Asyl angesucht da Sie Ihren Reisepass verloren haben. Können Sie das naher erklären?

VP: Nicht nur weil ich meinen Reisepass verloren habe. Der Vater meines Kindes lebt hier und ich konnte in Tschechien nicht mehr Leben.

LA: Warum konnten Sie Tschechien nicht mehr Leben?

VP: In der Tschechischen hatte ich nichts kein Zuhause, keine Familie, gar nichts. Mein Leben ist jetzt hier beim Vater meines Kindes.

LA: Warum hatten Sie nichts in Tschechien. Sie waren immerhin dort verheiratet?

VP: Meine Hochzeit war 2008. Meine Ehe war 2009 beendet, ich habe meinen Mann damals nicht mehr gesehen.

LA: Warum erfolgte die Scheidung dann erst im April 2017?

VP: Weil das Gericht so lange Zeit nach dem Mann gesucht hat.

LA: Warum haben Sie dann Ihren ehemaligen Ehemann als Kindesvater angegeben?

VP: Das war am Beginn meines Aufenthaltes. Es war ein Missverständnis. Ich habe immer gesagt das E. der Vater meines Kindes ist.

...

LA: Gibt es ein offizielles Dokument das die Vaterschaft des Hr. E. bestätigt?

VP: Ja das hab ich. Ich habe einen DNA Test. AV: Kopien werden dem Akt beigefügt

LA: Nach Ihren Angaben halten Sie sich zumindest seit 9 Jahren im EU Raum und seit Jahren in Osterreich auf. Warum stellen Sie jetzt einen Antrag auf internationalen Schutz?

VP: Der Grund warum ich hier um Asyl ansuche ist das der Vater meines Kindes in Österreich lebt und mein Kind hier in Österreich geboren ist. Deswegen habe ich das so beschlossen. ...".

Mit den angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde jeweils vom 17. November 2017 wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten "gemäß § 3 Absatz 1 iVm

§ 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (Spruchpunkt I) idgF" sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria "gemäß

§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG" (Spruchpunkt II) als unbegründet ab. Zugleich wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt. Gemäß "§ 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" wurden Rückkehrentscheidungen gemäß "§ 52 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" erlassen. Weiters wurde gemäß "§ 52 Absatz 9 FPG" festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß "§ 46 FPG" nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III). Letztlich wurde ihnen gemäß "§ 55 Absatz 1 bis 3 FPG" eine Frist für die freiwillige Ausreise in der Dauer von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt IV).

Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Entscheidung über die Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide

A) 1. Feststellungen

A) 1.1. Zu den Beschwerdeführern:

Die Erstbeschwerdeführerin ist volljährig, gesund und erwerbsfähig. Der Zweitbeschwerdeführer ist minderjährig und gesund.

Die Erstbeschwerdeführerin verließ Nigeria im Jahre 2007 und reiste nach Tschechien, wo sie sich bis Februar 2017 (jedenfalls zuletzt) ohne reguläre Aufenthaltsberechtigung aufhielt. Im Februar 2016 lernte die Erstbeschwerdeführerin ihren derzeitigen Ehemann kennen, begann mit ihm eine Beziehung und pendelte öfter zwischen Österreich und Tschechien. Die schwangere Erstbeschwerdeführerin reiste nach Österreich ein und der minderjährige Zweitbeschwerdeführer wurde hier am XXXX 2017 geboren. Am 3. Februar 2017 stellten die Beschwerdeführer Anträge auf internationalen Schutz.

Bei der Ermittlung der Ehefähigkeit bzw. bei der Beurkundung der Geburt des Zweitbeschwerdeführers verschwieg die Erstbeschwerdeführerin dem Standesamt, dass sie am 25. Oktober 2007 den tschechischen Staatsangehörigen S. R. geheiratet hat und seither den Namen S. P. O. führt. Diese Ehe wurde am 3. April 2017 rechtskräftig geschieden.

Am 22. August 2017 heiratete die Erstbeschwerdeführerin einen aufenthaltsberechtigten, nigerianischen Staatsangehörigen.

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Nigeria; sie verfügen - bis auf den Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. den Vater des Zweitbeschwerdeführers - im Bundesgebiet über keine maßgeblichen privaten oder familiären Beziehungen. Ihre übrige Familie, insbesondere ihre 2003 geborene Tochter, lebt in Nigeria.

Entgegen den Angaben der Erstbeschwerdeführerin lebte sie nicht in K., ihre Familie ist auch nicht vom Islam zum Christentum konvertiert und ihr Vater und ihre Schwestern starben nicht bei einem Anschlag.

Es kann daher nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern in Nigeria aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würden. Auch aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird festgestellt, dass sie im Fall ihrer Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein werden.

A) 1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur aktuellen Lage in Nigeria werden folgende Feststellungen getroffen:

"Politische Lage

Nigeria ist in 36 Bundesstaaten und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (LGA/Bezirke) untergliedert. Die Bundesstaaten werden von direkt gewählten Gouverneuren regiert (AA 21.11.2016; vgl. AA 4.2017a; vgl. GIZ 7.2017a). Die Bundesstaaten verfügen auch über direkt gewählte Parlamente (AA 4.2017a).

Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die Verfassung vom 29.5.1999 enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog), und orientiert sich insgesamt am System der USA. Einem starken Präsidenten, der zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, und einem Vizepräsidenten stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber (AA 21.11.2016; vgl. AA 4.2017a). In der Verfassungswirklichkeit dominiert die Exekutive in Gestalt des direkt gewählten Präsidenten und die direkt gewählten Gouverneure. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität und häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Polizei und Justiz werden ebenfalls vom Bund kontrolliert (AA 21.11.2016).

Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich bei den meisten der ca. 50 kleineren Parteien an Führungspersonen. Loyalitäten gegenüber der eigenen ethnischen Gruppe bzw. gegenüber Personen gehen anderen Loyalitäten vor; entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung (AA 21.11.2016).

Die Wahlen von Präsident und Nationalversammlung 2015 und die seitdem stattgefundenen Wahlen der Gouverneur- und Landesparlamente in 31 von 36 Bundesstaaten haben die politische Landschaft in Nigeria grundlegend verändert. Die seit 2013 im All Progressives' Congress (APC) vereinigte Opposition gewann neben der Präsidentschaftswahl eine klare Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments und regiert nun auch in 23 der 36 Bundesstaaten. Die seit 1999 dominierende People-s Democratic Party (PDP) musste zum ersten Mal in die Opposition und ist durch Streitigkeiten um die Parteiführung stark geschwächt. Lediglich in den südöstlichen Bundesstaaten des ölreichen Niger-Deltas konnte sie sich als Regierungspartei behaupten (AA 21.11.2016).

Bei den Präsidentschaftswahlen am 28.3.2015 besiegte der frühere Militärmachthaber und Kandidat der Opposition, Muhammadu Buhari, den bisherigen Amtsinhaber Goodluck Jonathan mit 54,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei diesen Wahlen, die von der internationalen Öffentlichkeit als beispielhaft für die Demokratie Afrikas gelobt wurden, kam es zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit Nigerias zu einem demokratischen Machtwechsel (GIZ 7.2017a). Der APC gewann die Gouverneurswahlen in 20 von 29 Bundesstaaten. Er stellt in den 36 Bundesstaaten derzeit 24 Gouverneure, die PDP 11 und All Progress Grand Alliance (APGA) einen Gouverneur. Unter den 36 Gouverneuren ist weiterhin keine Frau. Die Wahlen vom März/April 2015 wurden sowohl in Nigeria als auch von internationalen Wahlbeobachtern trotz organisatorischer Mängel als im Großen und Ganzen frei und fair bezeichnet. Die Spitzenkandidaten Jonathan und Buhari hatten sich in einer Vereinbarung (Abuja Accord) zur Gewaltlosigkeit verpflichtet. Dies und die Tatsache, dass Präsident Jonathan seine Wahlniederlage sofort anerkannte, dürfte größere gewalttätige Auseinandersetzungen verhindert haben. Die Minister der Regierung Buhari wurden nach einem längeren Sondierungsprozess am 11.11.2015 vereidigt (AA 4.2017a).

Neben der modernen Staatsgewalt haben auch die traditionellen Führer immer noch einen nicht zu unterschätzenden, wenn auch weitgehend informellen Einfluss. Sie gelten als Kommunikationszentrum und moralische Instanz und können wichtige Vermittler in kommunalen und in religiös gefärbten Konflikten sein (AA 4.2017a).

Fast im ganzen Norden Nigerias ist das System der LGA kollabiert. Große Teile kamen unter Kontrolle von Milizen und lokalen "Strongmen", die den politischen und sozio-ökonomischen Raum ausfüllen. Dies führte zur Vertiefung lokaler und regionaler Missstände (BS 2016).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.7.2017

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report, https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 6.7.2017

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 2.8.2017

Sicherheitslage

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete und keine Bürgerkriegsparteien (AA 21.11.2016). In drei Gebieten herrschen Unsicherheit und Spannungen: im Nordosten (islamistische Gruppe Boko Haram); im Middle Belt (v.a. im Bundesstaat Plateau); und im Nigerdelta (SBM 17.1.2017). Laut SBM Intel war Boko Haram im Jahr 2016 für 71 Vorfälle mit 1.240 Toten verantwortlich. Den Fulani-Hirten werden für das Jahr 2016 47 Vorfälle mit 1425 Toten zugeschrieben. Viehdiebstahl, welcher für viele Jahre an Bedeutung verloren hat, ist inzwischen für Hirten, die hauptsächlich von Fulani abstammen, ein Grund für Konflikte und Angriffe geworden. Bei zwölf Vorfällen von Viehdiebstahl sind 470 Menschen getötet worden. Die Ölkonflikte, die sich im Jahr 2016 im Nigerdelta zugetragen haben, haben sich auf die ölproduzierenden Bundesstaaten im Südwesten und Südosten verbreitet. Bei 32 Vorfällen wurden 97 Menschen getötet (SBM 17.1.2017).

Es besteht aufgrund wiederholter Angriffe und Sprengstoffanschläge militanter Gruppen (Boko Haram, Ansaru) derzeit ein sehr hohes Anschlagsrisiko insbesondere für Nord- und Nordostnigeria, einschließlich für die Hauptstadt Abuja. In mehreren Städten Nord- und Nordostnigerias finden immer wieder Gefechte zwischen Sicherheitskräften und militanten Gruppen statt. Angehörige der Sicherheitskräfte, Regierungsstellen, christliche Einrichtungen - aber auch Einrichtungen gemäßigter Moslems - sowie Märkte, Wohnviertel und internationale Organisationen sind Anschlagsziele der militanten Gruppen. Drohungen bestehen gegen moslemische Einrichtungen im Süden (BMEIA 24.7.2017).

Das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Reisen in die nördlichen Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Bauchi und Gombe. Darüber hinaus wird auch von nicht notwendigen Reisen in die übrigen Landesteile Nordnigerias abgeraten. Wegen des besonders hohen Entführungsrisikos wird außerdem von Reisen in die Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Imo (insb. Hauptstadt Owerri), Abia, Anambra, Ebonyi, Edo, Enugu, Delta, Kogi, den südlichen Teil von Cross Rivers, Ogun und Akwa Ibom abgeraten (AA 24.7.2017). Auch das österreichische Außenministerium warnt vor Reisen in die Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Plateau sowie den südlichen Landesteil von Bauchi und Kano. Mit Gewaltausbrüchen in allen zwölf nördlichen Bundestaaten ist jederzeit zu rechnen (BMEIA 24.7.2017). Das britische Außenministerium warnt zusätzlich noch vor Reisen in die Flussgegenden der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom und Cross River States sowie an die Grenze zu Niger im Bundesstaat Zamfara (UKFCO 24.7.2017).

Das österreichische Außenministerium hat für folgende Bundesstaaten eine partielle Reisewarnung ausgesprochen: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bayelsa, Delta, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, Imo, Kaduna, Kano, Oyo, Ondo, Rivers, einschließlich Port Harcourt und die vorgelagerten Küstengewässer (BMEIA 24.7.2017). Das britische Außenministerium warnt vor unnötigen Reisen nach: Bauchi, Zamfara, Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Kogi, Abia sowie an die Grenze zu Niger in Sokoto und Kebbi und die Trockengebiete von Delta, Bayelesa und Rivers (UKFCO 24.7.2017). In Nigeria können in allen Regionen meist kaum vorhersehbar lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe dafür sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist sind diese Auseinandersetzungen von kurzer Dauer (wenige Tage) und örtlich begrenzt (meist nur einzelne Orte, in größeren Städten nur einzelne Stadtteile) (AA 24.7.2017).

In Lagos kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen verschiedenen Ethnien, politischen Gruppierungen aber auch zwischen Militär und Polizeikräften (BMEIA 24.7.2017) bzw. zu Problemen (u.a. Mobs, Plünderungen) durch die sogenannten "Area Boys". Der Einsatz von Schlägertruppen und privaten Milizen zur Erreichung politischer oder wirtschaftlicher Ziele ist weit verbreitet (AA 21.11.2016).

Gemäß den Zahlen des Council on Foreign Relations für die Zeitspanne Jänner 2016 bis Juni 2017 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (3.097), Benue (754), Rivers (360), Zamfara (308) und Adamawa (201). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer relativ niedrigen Zahl hervor: Jigawa (2), Gombe (3), Kebbi (7) und Sokoto (8) (CFR 2017). Laut OSAC besteht eine erhebliche terroristische Bedrohung vor allem in Nordnigeria. Boko Haram hat für die meisten terroristischen Aktivitäten die Verantwortung übernommen. In der gesamten Nigerdelta-Region greifen mehrere aufständische Gruppen gezielt die Infrastruktur und Mitarbeiter von internationalen Ölgesellschaften an. Viele Gebiete im südlichen Nigeria erleben aufgrund großer Armut, mangelnder Bildung, Jugendarbeitslosigkeit und bedeutender Inflation Unruhen verursacht durch Zivilisten (OSAC 4.7.2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

CFR - Council on Foreign Relations (2017): Nigeria Security Tracker, http://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 25.7.2017

OSAC - Overseas Security Advisory Council (4.7.2017): Nigeria 2017 Crime and Safety Report - Abuja, https://www.osac.gov/pages/ContentReportDetails.aspx?cid=21604, Zugriff 25.7.2017

SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria's Security Situation, http://sbmintel.com/wp-content/uploads/2016/03/201701_Security-report.pdf, Zugriff 24.7.2017

UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (24.7.2017):

Foreign Travel Advice - Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 24.7.2017

Nigerdelta

Das Nigerdelta, welches die Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River umfasst, sorgt mit seinen Öl- und Gasreserven für 95 Prozent der Exporterlöse Nigerias (DACH 2.2013; vgl. OP 22.6.2017).

Die Lage im Nigerdelta hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, ist aber noch nicht vollständig stabil und bleibt volatil; die Bedrohung der dort angesiedelten Öl- und Gasförderung durch militante Gruppen und Piraten bleibt ein Risiko, ebenso wie die Verschlechterung der ökologischen Grundlagen der Region (AA 4.2017c). Es gab eine Reihe von Angriffen auf die Ölinfrastrukturen, so zum Beispiel übernahm im Mai 2016 die aufständische Gruppe Niger Delta Avengers die Verantwortung für mehrere Angriffe auf die Ölgiganten Chevron, Shell und Nigerian National Petroleum Company (N24 29.5.2016). Ende August 2016 gaben die Niger Delta Avengers bekannt, dass die Gruppe die Feindseligkeiten einstellt und zum Dialog mit der Regierung bereit sei (NW 30.8.2016). Die Delta Avengers haben mit ihren Angriffen aufgehört, um den Friedensgesprächen eine Chance zu geben. Allerdings hat sich eine neue Gruppe, die sich die "New Delta Avengers" nennen, gebildet (Reuters 14.6.2017; vgl. NW 29.6.2017). Der Vizepräsident, Yemi Osinbajo, hat dem Nigerdelta bereits mehrere Besuche abgestattet und sich dabei mit traditionellen Führern und lokalen Politikern getroffen, um die Lage zu besprechen (FT 9.4.2017).

Entführungen sind besonders häufig im Nigerdelta und in den südöstlichen Bundesstaaten Abia, Imo und Anambra. Politiker, Reiche und Ausländer waren die häufigsten Opfer (FH 1.2017).

Von 2000 bis 2010 agierten im Nigerdelta militante Gruppen, die den Anspruch erhoben, die Rechte der Deltabewohner zu verteidigen und die Forderungen auf Teilhabe an den Öleinnahmen auch mittels Gewalt gegenüber der Regierung durchzusetzen (AA 21.11.2016).

2009 gelang dem damaligen Präsidenten Yar'Adua mit dem Amnestieangebot für die Militanten im Niger-Delta eine Beruhigung des Konflikts. Unter Buhari lief das Programm am 15.12.2015 aus. Damit begannen wieder die Angriffe auf die Ölinfrastruktur und die Produktion brach ein. Die Regierung scheint vornehmlich auf eine militärische Lösung zu setzen (AA 21.11.2016). Mit dem Amnestieprogramm gingen Kriminalität und Gewalt im Süden zunächst merklich zurück. Allerdings steigen Kriminalität und Gewalt in letzter Zeit wieder an. Deshalb hat die Regierung Buhari im Februar 2016 beschlossen, das Ende 2015 ausgelaufene Amnestieprogramm um weitere zwei Jahre bis 2017 zu verlängern (AA 4.2017a).

Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen im Nigerdelta handelt es sich sowohl um einen Konflikt zwischen regionalen militanten Gruppen und der Staatsgewalt, als auch um Rivalitäten zwischen den unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im ersten Fall stehen in der Regel finanzielle Interessen der bewaffneten Gruppen im Vordergrund, im zweiten Fall geht es um einen Verteilungskampf rivalisierender Gruppen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind bis heute teils unter Kontrolle von separatistischen und kriminellen Gruppen. Teile des unzugänglichen Gebiets stellen weiterhin einen weitgehend rechtsfreien Raum dar, in dem die Einflussmöglichkeiten staatlicher Ordnungskräfte begrenzt sind (AA 21.11.2016). Das UK Home Office berichtet, dass laut DefenceWeb eine Joint Task Force (JTF) 2013 eingerichtet wurde, um den Terrorismus und andere Bedrohungen im Nigerdelta zu bekämpfen (UKHO 8.2016a). Die JTF, auch Operation Pulo Shield genannt, wurde im Juni 2016 umstrukturiert und mit der neuen Operation Delta Safe ersetzt, damit die derzeitigen Sicherheitsprobleme im Nigerdelta angegangen werden können (PT 22.6.2016; vgl. auch NT 9.7.2016).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

AA - Auswärtiges Amt (4.2017c): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 26.7.2017

AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 24.8.2016

DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013):

D-A-CH Fact-sheet zu Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 27.7.2017

FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/341818/485138_de.html, Zugriff 26.7.2017

FT - Financial Times (9.4.2017): Talks help crude and peace flow in the Niger Delta,

https://www.ft.com/content/8fc6b24c-152a-11e7-80f4-13e067d5072c, Zugriff 26.7.2017

N24 - News 24 (29.5.2016): Buhari to keep Delta amnesty programme, http://www.news24.com/Africa/News/buhari-to-keep-delta-amnesty-programme-20160529-2, Zugriff 26.7.2017

NT - Nigerian Tribune (9.7.2016): Operation Delta Safe gets new Coordinator,

http://tribuneonlineng.com/operation-delta-safe-gets-new-coordinator/, Zugriff 26.7.2017

NW - Newsweek (29.6.2017): Nigeria Oil: Militants Will 'Give Peace a Chance' and Stop Attacks in Niger Delta, http://www.newsweek.com/nigeria-oil-yemi-osinbajo-niger-delta-629964, Zugriff 26.7.2017

NW - Newsweek (30.8.2016): Niger Delta Avengers say 'Hostilities ceased' against Nigerian Government, http://europe.newsweek.com/niger-delta-avengers-say-hostilities-ceased-against-nigerian-government-494387?rm=eu, Zugriff 2.8.2017

OP - Oilprice.com (22.6.2017): Once Again, Tensions Are Rising In Nigeria's Oil Sector,

http://oilprice.com/Energy/Crude-Oil/Once-Again-Tensions-Are-Rising-In-Nigerias-Oil-Sector.html, Zugriff 25.7.2017

PT - Premium Times (22.6.2016): Nigerian military scraps Niger Delta 'Operation Pulo Shield',

http://www.premiumtimesng.com/news/top-news/205761-nigerian-military-scraps-niger-delta-operation-pulo-shield.html, Zugriff 26.7.2017

Reuters (14.6.2017): Nigeria Oil: Militants Will 'Give Peace a Chance' and Stop Attacks in Niger Delta, http://www.reuters.com/article/nigeria-security-avengers-idUSL8N1J94QB, Zugriff 26.7.2017

UKHO - UK Home Office (8.2016a): Country Information and Guidance Nigeria: Background information, including actors of protection, and internal relocation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471849541_cig-nigeria-background-v2-0-august-2016.pdf, Zugriff 26.7.2017

Middle Belt inkl. Jos/Plateau

Die ethnischen Gegensätze in Nigeria werden durch religiös-konfessionelle Trennlinien verstärkt, die aufgrund historischer Entwicklungen und moderner Binnenmigration viel komplizierter verlaufen, als es das vereinfachte Bild einer Nord-Süd-Teilung Nigerias in einen überwiegend muslimischen Norden und einen stärker christlich geprägten Süden nahelegt. Immer wieder kommt es zu lokalen Konflikten zwischen einzelnen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen, wie insbesondere zwischen Hirten und Bauern in Zentralnigeria (AA 4.2017a). Während diese Gewalt gewöhnlich nicht als religiöser Konflikt beginnt, nimmt es häufig religiöse Untertöne an und wird so von vielen Beteiligten als religiöser Konflikt wahrgenommen (USCIRF 26.4.2017). Bei derartiger Gewalt liegt der Ursprung gewöhnlich jedoch darin, dass in einem sehr heterogenen und ethnisch vielfältigen Teil Nigerias eine Gruppe die Kontrolle des Staatsapparates gegenüber einer anderen Gruppe beansprucht (KAS 12.7.2013; vgl. WWR 20.3.2015, IRIN 13.6.2017). Die Gründe, die für die Gewalt genannt werden, sind unter anderem Landstreitigkeiten, da Hirten Weideland für ihre Rinder suchen; bewaffnete Hirten, die sich vor Viehdiebstahl schützen wollen; und Fulani, die im Süden von Kaduna Rache für 500 Muslime, die bei Gewalt nach den Wahlen getötet wurden, ausüben (USCIRF 26.4.2017).

Obwohl kommunale Auseinandersetzungen in nahezu allen Regionen des Landes vorkommen, sind Intensität und Opfer in der Region des "Middle Belt? gravierender. Dies gilt v.a. für die Bundesstaaten Kaduna und Plateau, wo zahllose Menschen, vornehmlich Frauen und Kinder, auf brutalste Weise ermordet werden (KAS 12.7.2013; vgl. WWR 20.3.2015). Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Die Region wird von kleinen christlichen Ethnien dominiert, die eine lange Tradition des Widerstandes gegen die muslimischen Ethnien aus dem Norden haben. Die Spannungen im Middle Belt sind mit dem Problem der "Indigenität" verbunden: Jeder Bundesstaat und jede LGA in Nigeria unterteilt seine Bevölkerung in "indigene" und "nicht-indigene" Bürger, oder "Einheimische" und "Siedler". Im Middle Belt genießen vorwiegend die o.g. kleinen christlichen Ethnien den Status der Indigenen, während die muslimischen Hausa und Fulani als Siedler eingestuft werden (DACH 2.2013; vgl. WWR 20.3.2015; IRIN 13.6.2017).

In Nigeria leben 18 Millionen Fulani, die auch Fulbe oder Peul genannt werden. 98 Prozent der Fulani sind muslimisch (CWI 6.2016). Die Fulani haben seit Jahrhunderten in einem großen Bereich Westafrikas ihre Rinderherden weiden lassen, doch sind sie dem wachsenden Druck ausgesetzt sich niederzulassen. Viele von ihnen haben es auch bereits getan. Da die Umweltbedingungen sich in der Sahelzone verschlechtern, sind die Fulani-Hirten gezwungen, auf der Suche nach neuen Weidegebieten langsam Richtung Süden und Westen zu wandern. Dies führt zu Konkurrenz und somit auch zu Kämpfen zwischen den Hirten und den Bauern um die natürlichen Ressourcen (CWI 6.2016; vgl. IRIN 27.7.2017).

Die wiederkehrende Gewalt zwischen den überwiegend christlichen Bauern und überwiegend muslimischen nomadischen Hirten ist im Jahr 2016 und Anfang 2017 angestiegen und hat zu hunderten von Toten und Zerstörungen von Kirchen geführt. Solche Angriffe wurden für Kaduna, Plateau, Bauchi, Taraba und Benue vermeldet. So wurden im März 2016 in Agatu Local Government Area, Benue zwischen 100-300 Menschen getötet und laut Berichten zufolge mindestens sechs Dörfer zerstört (USCIRF 26.4.2017). Eine andere Quelle spricht von über 500 Toten. Insgesamt sind im Jahr 2016 bei 59 Vorfällen 1.895 Menschen getötet worden (SBM 7.1.2017).

Die Regierung hat es lange nicht geschafft auf diese Gewalt adäquat zu reagieren. Die Bundespolizei wird selten eingesetzt, geschweige denn rechtzeitig. Die Regierung hat Polizei und Militär ins südliche Kaduna entsandt, um die Gewalt dort in den Griff zu bekommen. Jedoch gibt es Berichte, dass die Truppen sich nur bei den Hauptstraßen aufhielten und nicht weiter in die ländlichen Gebiete, wo es auch zu Gewalt kommt, vorgedrungen sind (USCIRF 26.4.2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 26.7.2017

CWI - 21st Century Wilberforce Initiative (6.2016): Nigeria, Fractured and Forgotten, Discrimination And Violence Along Religious Fault Lines,

http://www.standwithnigeria.org/wp-content/uploads/2016/06/NIgeria-Fractured-and-Forgotten.pdf, Zugriff 27.7.2017

DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013):

D-A-CH Factsheet zu Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 27.7.2017

IRIN - IRIN News (13.7.2017): The deadly conflict tearing Nigeria apart (and it's not Boko Haram), https://www.irinnews.org/analysis/2017/06/13/deadly-conflict-tearing-nigeria-apart-and-it%E2%80%99s-not-boko-haram, Zugriff 27.7.2017

KAS - Konrad Adenauer Stiftung (12.7.2013): Unsicherheit in Nigeria, http://www.kas.de/wf/doc/kas_34967-544-1-30.pdf?130716165200, Zugriff 27.7.2017

SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria's Security Situation, http://sbmintel.com/wp-content/uploads/2016/03/201701_Security-report.pdf, Zugriff 24.7.2017

USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (26.4.2017): Nigeria,

https://www.ecoi.net/file_upload/5250_1494486149_nigeria-2017.pdf, Zugriff 7.7.2017

WWR - World Watch Research (30.3.2015): Migration and Violent Conflict in Divided Societies, Non-Boko Haram violence against Christians in the Middle Belt region of Nigeria, https://www.worldwatchmonitor.org/wp-content/uploads/2015/07/Migration-and-Violent-Conflict-in-Divided-Societies-March-2015-1.pdf, Zugriff 27.7.2017

Nordnigeria - Boko Haram

In den ersten eineinhalb Jahren Amtszeit hat es Buhari geschafft, die Bedrohung durch Boko Haram (Jama'atu Ahlis Sunna Lidda'awati wal-Jihad (USDOS 2.6.2016) weitgehend einzudämmen (AA 4.2017a). Boko Haram ist seit Mitte 2010 für zahlreiche schwere Anschläge mit tausenden von Todesopfern verantwortlich. Seitdem fielen diesem Konflikt unterschiedlichen unabhängigen Schätzungen zufolge zwischen 20.000 und 30.000 Menschenleben zum Opfer (AA 4.2017a).

Im Nordosten und Zentrum Nigerias hatte sich die Sicherheitslage insgesamt verbessert. Die nigerianischen Streitkräfte konnten den Großteil der von Boko Haram eingenommenen Territorien wieder zurückerobern, allerdings gelingt es ihnen kaum, diese Gebiete zu sichern (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 19.7.2017). In den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es weiterhin zu tödlichen Anschlägen der Islamisten; nur die Distriktzentren gelten als sicher (AA 21.11.2016).

Die von Boko Haram betroffenen Staaten haben sich im Februar 2015 auf die Aufstellung einer 8.700 Mann starken Multinational Joint Task Force (MNJTF) zur gemeinsamen Bekämpfung von Boko Haram verständigt (AA 4.2017a). Bei der im April gestarteten Offensive des Militärs im Sambisa Forest, dem wichtigsten Rückzugsraum Boko Harams, konnten bis Anfang Mai ca. 700 von Boko Haram entführte Frauen und Kinder befreit werden (AA 21.11.2016). Bis Oktober 2015 konnte Boko Haram aus allen von ihr kontrollierten Städten und aus fast allen Landkreisen im Nordosten Nigerias vertrieben werden, ohne das es den nigerianischen Sicherheitsbehörden bisher gelungen ist, diese Gebiete dann auch abzusichern und vor weiteren Angriffen der Islamisten zu schützen. Mit Selbstmordanschlägen in den Städten und Angriffen auf einzelne Orte vor allen in ländlichen Regionen, bleiben die Islamisten weiterhin aktiv (AA 4.2017). In den Bundesstaaten Adamawa und Borno gab es die meisten Anschläge (USDOS 19.6.2017). Boko Haram übte weiterhin Morde, Bombenanschläge, Selbstmordanschläge und Angriffe auf zivile und militärische Ziele aus (USDOS 19.7.2017). Beim verheerendsten Angriff der Boko Haram seit Monaten sind in Nigeria mindestens 50 Menschen ums Leben gekommen, als ein Konvoi mit Mitarbeitern des staatlichen Ölkonzerns NNPC am 25.7.2017 im Nordosten des Landes in einen Hinterhalt geriet. Auch Soldaten und Mitarbeiter der Universität Maiduguri waren unter den Opfern. Der Konvoi wurde nahe Magumeri im Bundesstaat Borno angegriffen (DS 28.7.2017).

Frauen und Kinder gerieten in den vergangenen zwei Jahren zunehmend auch ins Visier von Boko Haram, die sie nach ihrer Entführung zur Konversion zum Islam und zur Heirat mit Kämpfern zwangen, als Arbeitssklaven missbrauchten oder verkauften (AA 21.11.2016). Viele von den Frauen werden sexuell versklavt oder zu Kämpferinnen ausgebildet (AI 14.4.2015; vgl. USDOS 3.3.2017) und als Selbstmordattentäterinnen eingesetzt (AI 24.2.2016). Außerdem setzt Boko Haram Kindersoldaten ein (USDOS 3.3.2017). Nach langen Verhandlungen mit der nigerianischen Regierung hat die Extremistengruppe Boko Haram 82 weitere der über 200 Mädchen freigelassen - im Austausch für einige von den Behörden festgehaltene Boko-Haram-Verdächtige (DS 6.5.2017; vgl. FAZ 6.5.2017). Die 82 freigelassenen Mädchen gehören zu den rund 270 meist christlichen Schülerinnen, die im April 2014 in der Stadt Chibok im Nordosten Nigerias in der Nacht entführt worden waren (DW 6.5.2017).

Boko Haram möchte eine Version vom Islam durchsetzen, die es für Muslimen "haram" macht oder ihnen verbietet an irgendeiner politischen oder sozialen Tätigkeit teilzunehmen, die mit dem Westen assoziiert wird. Dazu gehört das Wählen, das Tragen von Hemden und Hosen oder säkulare Bildung. Boko Haram betrachtet den nigerianischen Staat als von Ungläubigen betrieben, ungeachtet dessen, ob der Präsident muslimisch ist oder nicht (BBC 24.11.2016). Grob datiert werden kann die Entstehung der Gruppe auf das Jahr 2002. Sie hat sich in Maiduguri im Norden Nigerias formiert. Ihr Vorgehen war zunächst friedlich. Experten sehen die anfängliche Attraktivität von Boko Haram vor allem in den politischen und sozialen Verhältnissen im Norden Nigerias begründet: Die Gesellschaft ist ethnisch und religiös zersplittert, Armut und Arbeitslosigkeit sind höher als in anderen Landesteilen. Der Staat kommt seinen Aufgaben nur bedingt nach, die Lokalregierungen sind oft korrupt. Etwa ab 2009 radikalisierte sich die Gruppe und bekämpft seither aktiv den nigerianischen Staat. Seit 2011 kommt es beinahe im Wochenrhythmus zu Überfällen auf Kirchen, Polizeistationen, Schulen, Universitäten und andere Einrichtungen des Staates. Markenzeichen von Boko Haram sind sogenannte Drive-by-Shootings, gezielte Tötungen vom Motorrad aus, die sogar zu einem Motorrad-Verbot in Maiduguri führten. Aufgrund des anhaltenden Terrors rief der ehemalige nigerianische Präsident Goodluck Jonathan im Mai 2013 in den drei nördlichen Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa den Notstand aus. Der Konflikt weitete sich inzwischen auf die Nachbarländer Kamerun, Tschad und Niger aus. Seit November 2013 wird Boko Haram von den USA als Terrororganisation eingestuft. Die finanziellen Mittel Boko Harams stammen einerseits von Überfällen, bei denen in den vergangenen Jahren mutmaßlich Millionen von Dollar erbeutet wurden. Die Organisation wird aber auch von anderen Terrororganisationen wie Al-Kaida und ihrem nordafrikanischen Ableger Al-Kaida im islamischen Maghreb (Aqmi), der somalischen al-Schabab oder dem Islamischen Staat unterstützt. Der Chef von Boko Haram war von 2010 bis 2016 Abubakar Shekau. Wie viel Kontrolle Shekau über die diversen Gruppierungen von Boko Haram hatte, ist fraglich. Im August 2016 meldete das IS-Magazin Al-Naba, dass Shekau als Chef von Boko Haram entmachtet wurde. Als Nachfolger nannte das Magazin den bisherigen Sprecher der Organisation, Abu Musab al-Barnawi (Zeit 18.1.2017). Es gibt Berichte, dass Boko Haram sich in zwei Gruppierungen aufgeteilt hat, eine wird von Abubakar Shekau geführt und die andere von Abu Musab al-Barnawi (NW 15.3.2017; vgl. DW 4.8.2016). Boko Haram soll in untergeordneten, lokalen Zellen organisiert sein. Zudem soll es einen Rat geben, der das oberste Entscheidungsorgan der Gruppe ist und auf dessen Zustimmung der Anführer bei Entscheidungen angewiesen ist (Zeit 18.1.2017).

Im Jahr 2015 hat die nigerianische Regierung mehrere Schritte im Kampf gegen Boko Haram unternommen. So wurde im Laufe des Jahres von Mitgliedern des nigerianischen Militärs berichteten, dass seit Buhari sein Amt antrat, sie zunehmend die erforderlichen Ressourcen im Kampf gegen Boko Haram erhalten haben (USDOS 2.6.2016). Buhari ordnete im Mai an, dass das nigerianische Militär sein Hauptquartier nach Maiduguri verlegt, damit Boko Haram besser bekämpft werden kann (USDOS 2.6.2016, BBC 8.6.2015). Boko Haram war aufgrund der Versuche des nigerianischen Militärs die Organisation zu isolieren zunehmend auf das Sambisa Waldgebiet beschränkt (USDOS 2.6.2016) und im Dezember 2016 erklärte das nigerianische Militär den Sambisa Wald frei von Boko Haram (VOA 31.3.2017). Boko Haram übte trotzdem sporadische Angriffe im Sambisa Waldgebiet aus und verstärkte Überfälle auf Dörfer und Städte in der Suche nach Nahrungsmitteln (DW 28.3.2017)

Die nigerianische Armee beging bei ihrem Kampf gegen Boko Haram zwischen 2011 und 2015 Kriegsverbrechen und mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Präsident Buhari versprach, Hinweisen auf mehrere Kriegsverbrechen des Militärs im Zeitraum Juni bis Dezember 2015 nachzugehen. Es wurden jedoch keine weiteren Maßnahmen ergriffen, um unabhängige und unparteiische Untersuchungen einzuleiten (AI 24.2.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). Die Sicherheitskräfte unter dem Kommando der 7. und 3. Division der nigerianischen Armee, die Polizei und das Department of State Service (DSS) haben weiterhin militärische Operationen gegen Boko Haram im Nordosten des Landes durchgeführt. Einige der Truppen töteten mutmaßliche Boko Haram Mitglieder. Auch gab es Massenverhaftungen von Männern und Buben, die auch gefoltert wurde. Laut einem AI-Bericht hat das nigerianische Militär in den Jahren 2013 und 2014 im Zuge von militärischen Operationen 1.200 außergerichtliche Tötungen durc

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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