TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/16 W259 2203018-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.03.2020
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Entscheidungsdatum

16.03.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W259 2203018-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz

stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

B) Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz:

Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 21.12.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am 23.21.2015 stützte er sich darauf, dass im Iran Kurden sehr schlecht behandelt werden würden. Er habe dort nicht in die Schule gehen können. Er sei Sportler gewesen und habe diesen (Sport) nicht mehr ausüben können. Die iranischen Behörden hätten ihn nach Syrien schicken wollen um dort zu kämpfen. Er sei geflüchtet, da er im Iran keine Zukunft habe.

Am 12.06.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge: "BFA") niederschriftlich einvernommen und er gab dabei im Wesentlichen zum Fluchtgrund an, dass er wiederholt von Personen mitgenommen worden sei und nach seinem Vater befragt worden sei. Er habe jedoch nichts gesagt. Auch sein Vater sei damit bedroht worden, dass sein Sohn getötet werde, wenn er ihnen nicht sage, was sie wissen wollen würden. Sein Vater habe ihn dann nach Teheran geschickt und sein Onkel habe dem Beschwerdeführer eine Telefonnummer eines Schleppers gegeben. In Österreich sei er in die Kirche gegangen und habe sich entschieden Christ zu werden.

Mit Bescheid des BFA vom 25.06.2018, Zl. XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 23.12.2015 auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 52 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.)

Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen sei nicht glaubwürdig. Seine Angaben zu seinem Fluchtgrund seien nicht nachvollziehbar und äußerst vage und unkonkret geblieben. Dem Beschwerdeführer sei es auch nicht möglich gewesen, durch Darlegung von seriösen Motiven plausibel bzw. glaubhaft zu machen, dass bei ihm eine ernsthafte, aufrichtige und innere Überzeugung vorliege, sich dem christlichen Glauben ernsthaft zuzuwenden. Festzuhalten sei, dass selbst der Nachweis der Konversion alleine nicht genüge, um eine Verfolgungsgefahr anzunehmen bzw. zu begründen. Unbestritten sei, dass sich der Beschwerdeführer nunmehr mit dem christlichen Glauben auseinandersetze bzw. beschäftige und diesbezüglich auch unterrichtet werde. Nicht glaubhaft sei hingegen, dass sich der Beschwerdeführer dieser Glaubensrichtung aus tiefster, innerster Überzeugung zugewandt habe bzw. sich nunmehr zuwendet. Die belangte Behörde vertrat dabei die Ansicht, dass der Beschwerdeführer in dieser Hinsicht lediglich eine Fluchtgeschichte konstruiert habe, um in weiterer Folge in Österreich Asyl, aber zumindest ein Aufenthaltsrecht zu erlangen. Aus seinen allgemeinen und oberflächlichen Angaben sei kein plausibler Grund für die behauptete Hinwendung zum Christentum erkennbar. Auch seiner Begründung zur Hinwendung zum Christentum wurde die Glaubwürdigkeit versagt. Der Beschwerdeführer selbst habe weder mit Sicherheit angeben können, wann die Taufe stattgefunden habe, noch wie sein Taufspruch gelautet habe. Die von ihm nach außen hin gesetzten sichtbaren Aktivitäten (Kirchenbesuch, Taufe) würden nach Ansicht des BFA nicht die dargelegten Mängel, welche gegen einen tatsächlichen Glaubens- bzw. Gesinnungswandel bei ihm sprechen würden, kompensieren. Es sei davon auszugehen, dass es sich bei seiner beabsichtigten Konversion lediglich bzw. einzig und allein um eine Scheinkonversion handle. Da das BFA zur Überzeugung gelangt sei, dass es sich bei seinem Vorbringen nur um eine Scheinkonversion handle, könne davon ausgegangen werden, dass er im Iran keineswegs in auffälliger Weise des Christentums gelehrt worden sei und somit auch nicht von staatlicher Seite gesucht worden sei bzw. werde. Es hätten keine besonderen Umstände entnommen werden können, aus denen - glaubhaft - hervorgehe, dass der Beschwerdeführer im Falle einer rückkehrunmittelbaren oder mittelbaren staatlichen Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt werde. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 27.06.2018 wirksam zugestellt. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.10.2019, GZ W274 2203018 - 1 als verspätet zurückgewiesen. Und erwuchs der Bescheid vom 25.06.2018 somit am 26.07.2018 in Rechtskraft.

1.2. Zum verfahrensgegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz:

Am 17.01.2020 brachte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz ein und gab dazu in der Erstbefragung an:

"Der Fluchtgrund ist der gleiche wie beim Erstantrag. Ich bin im April 2018 Christ geworden (Taufschein vorhanden) und seitdem ich in Österreich bin gab es mehrere Demonstrationen gegen das iranische Regime, bei denen ich auch mitgemacht habe. Mein Leben ist im Iran in Gefahr. Meine Familie wird dort unterdrückt. Das habe ich auch bereits in meiner ersten Einvernahme erwähnt. Wir Kurden (Feili) sind eine Minderheit im Iran. Meine Mutter hat zum Beispiel bis zu ihrem Tod keine Dokumente erhalten können. Der oberste Aytullah Khumaini hat die Kurden als Ungläubige bezeichnet. Seitdem sieht man uns als Ungläubige an. Ich kann nicht mehr in den Iran zurückgehen, da mein Leben dort bedroht ist.". Die Änderung seiner Situation bzw. seiner Fluchtgründe sei ihm seit seiner Konversion zum Christentum bekannt. Das sei am 01.04.2018 gewesen (AS 25).

Am 11.02.2020 wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA niederschriftlich einvernommen und führte zusammengefasst aus, dass er neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz stelle, weil er nicht in den Iran zurückkehren wolle. Er könne nicht zurückkehren. Er würde den Bescheid, den er von den Behörden bekommen habe nicht korrekt empfinden. Außerdem sei auch seine Beschwerde abgewiesen worden. Er habe seine Beschwerde auch fristgerecht abgeschickt, jedoch habe es einen Systemfehler gegeben. Seine neuen Fluchtgründe seien, dass er an all den Demonstrationen gegen die iranische Regierung teilgenommen habe. Er habe auch Interviews bei diesen Demonstrationen gegeben. Er habe auch Filme gemacht und diese an Journalisten weitergegeben. Auch seine Verwandten würden Bescheid wissen, dass er Christ geworden sei.

Mit Bescheid vom XXXX wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 17.01.2020 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt II). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen ab 12.02.2020 im Quartier XXXX , Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt V.). Der gegenständliche Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich der Beschwerdeführer nach wie vor auf Rückkehrhindernisse, welche bereits im Kern in seinem Vorverfahren zur Sprache gebracht worden seien, erweitere die Bedrohungen im Iran nun aber damit, dass er in XXXX an Demonstrationen teilgenommen habe. Die Fluchtgründe aus seinem Vorverfahren seien noch immer aufrecht. Die dargestellten Angaben, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der Teilnahme an Demonstrationen in Österreich gegen die Regierung bzw. für die Freiheit im Iran, im Iran eine Verfolgung drohen würde, seien nicht glaubhaft. Seine Angaben seien zu keinem Zeitpunkt genügend substantiiert, um diese als glaubwürdig zu bezeichnen oder um darin einen neuen Sachverhalt zu erkennen. Mit den nun erstmals vorgebrachten Angaben, dass ihm im Iran aufgrund der Teilnahme an Demonstrationen in Österreich Verfolgung drohen würde, würde er keine seit Rechtskraft des Vorverfahrens neu entstandene asylrelevante Gründe vorbringen. Das BFA komme sohin zum zwingenden Schluss, dass der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert sei. Es liege somit entschiedene Sache vor. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels würden nicht vorliegen. Ein schützenswertes Familien- oder Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich liege ebenfalls nicht vor. Zudem wurde die Abschiebung für zulässig erklärt und bestehe im Falle einer zurückweisenden Entscheidung keine Frist für die freiwillige Ausreise. Das Einreiseverbot im Ausmaß von 2 Jahren wurde mit Art. 11 der Statusrichtlinie begründet. Es liege ein unbegründeter und missbräuchlicher Asylantrag vor und jedenfalls auch eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Gegen den Beschwerdeführer sei eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung erlassen worden und erfolge die Anordnung der Unterkunftnahme.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und zusammengefasst ausgeführt, dass wesentliche Änderungen der Umstände eingetreten seien, welche einen glaubhaften Kern aufweisen würden. Der Beschwerdeführer habe schon im Vorverfahren beweisen können, dass eine Konversion stattgefunden habe und er mittlerweile exilpolitisch tätig sei und regelmäßig an Demonstrationen gegen das iranische Regime teilgenommen habe. Es sei davon auszugehen, dass die Sicherheitsbehörden davon wissen würden, da mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, dass sie die Teilnehmer der Demonstrationen vor der iranischen Botschaft überwacht hätten. Der Beschwerdeführer habe auch Interviews gegeben und sei seine exilpolitische Tätigkeit einem größeren Personenkreis bekannt. Mittlerweile wisse auch seine Familie von der Konversion, was auch eine wesentliche Sachverhaltsänderung darstelle.

Am 06.03.2020 legte das BFA die Verwaltungsakte dem Bundesverwaltungsgericht vor. Am 10.03.2020 langten diese bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die Bezug habenden Verwaltungsakten sowie in die Vorverfahren, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zum Folgeantrag:

Die Ausführungen unter Punkt I. zum Verfahrensgang werden festgestellt.

Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet im Dezember 2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass im Iran Kurden sehr schlecht behandelt werden würden und er im Iran keine Zukunft habe.

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme am 12.06.2018 ergänzte er seine Darstellungen dahingehend, dass er wiederholt von Personen mitgenommen und nach seinem Vater befragt worden sei. Seinem Vater sei gedroht worden, seinen Sohn - den Beschwerdeführer - zu töten. Zudem sei der Beschwerdeführer Christ geworden.

Der Beschwerdeführer wurde am 01.04.2018 in Österreich getauft.

Mit Bescheid des BFA vom 25.06.2018, Zl. XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 23.12.2015 auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 52 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.) Die belangte Behörde führte darin begründend aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen nicht glaubwürdig sei. Es sei von einer Scheinkonversion auszugehen.

Dieser Bescheid erwuchs am 26.07.2018 in Rechtskraft.

Am 17.01.2020 brachte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz ein und gab dazu in der Erstbefragung an:

"Der Fluchtgrund ist der gleiche wie beim Erstantrag. Ich bin im April 2018 Christ geworden (Taufschein vorhanden) und seitdem ich in Österreich bin gab es mehrere Demonstrationen gegen das iranische Regime, bei denen ich auch mitgemacht habe. Mein Leben ist im Iran in Gefahr. Meine Familie wird dort unterdrückt. Das habe ich auch bereits in meiner ersten Einvernahme erwähnt. Wir Kurden (Feili) sind eine Minderheit im Iran. Meine Mutter hat zum Beispiel bis zu ihrem Tod keine Dokumente erhalten können. Der oberste Aytullah Khumaini hat die Kurden als Ungläubige bezeichnet. Seitdem sieht man uns als Ungläubige an. Ich kann nicht mehr in den Iran zurückgehen, da mein Leben dort bedroht ist.".

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 11.02.2020 führte er ergänzend an, dass seine neuen Fluchtgründe seien, dass er an all den Demonstrationen gegen die iranische Regierung teilgenommen habe. Er habe auch Interviews bei diesen Demonstrationen gegeben. Er habe auch Filme gemacht und diese an Journalisten weitergegeben. Auch seine Verwandten würden Bescheid wissen, dass er Christ geworden sei.

Mit Bescheid vom XXXX wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 17.01.2020 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt II). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen ab 12.02.2020 im Quartier XXXX , Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt V.). Der gegenständliche Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich der Beschwerdeführer nach wie vor auf Rückkehrhindernisse berufe, welche bereits im Kern in seinem Vorverfahren zur Sprache gebracht worden seien und die Bedrohungen im Iran nun aber damit erweitert habe, dass er in XXXX an Demonstrationen teilgenommen habe. Die dargestellten Angaben, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der Teilnahme an Demonstrationen in Österreich gegen die Regierung bzw. für die Freiheit im Iran, im Iran eine Verfolgung drohen würde, seien nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen fristgerecht Beschwerde.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt des Bundesamtes sowie in den Gerichtsakt.

Die Feststellungen hinsichtlich der Antragstellung und des Verfahrensablaufes sowie der Erlassung der Bescheide gründen sich auf den unstrittigen Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Zur Aufhebung des Bescheides:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).

Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. Zudem folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (VwGH vom 24.5.2016, Ra 2016/03/0050, mwN; 13.9.2016, Ro 2015/03/0045; vgl. weiters VwGH vom 8.8.2018, Ra 2017/04/0112; 20.9.2018, Ra 2017/09/0043).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH vom 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN). Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen "glaubhaften Kern" aufzuweisen, dem Asylrelevanz zukommt (VwGH vom 21.3.2006, 2006/01/0028, sowie VwGH vom 18.6.2014, Ra 2014/01/0029, mwN).

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH vom 29.06.2011, U 1533/10; VwGH vom 19.02.2009, 2008/01/0344 mwN).

Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn dasselbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben (VwGH vom 30.9.1994, 94/08/0183, mwN; 24.8.2004, 2003/01/0431; 17.9.2008, 2008/23/0684; 6.11.2009, 2008/19/0783; vgl. zum VwGVG: VwGH vom 25.10.2018, Ra 2018/07/0353: "Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides erfasst").

Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen iSd § 18 Abs. 1 AsylG 2005 - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH vom 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN, zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 1 AsylG 2005, nämlich § 28 Asylgesetz 1997 BGBl. I 76; 17.9.2008, 2008/23/0684; weiters VwGH vom 6.11.2009, 2008/19/0783). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben ihre Ermittlungen, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH vom 9.3.2015, Ra 2015/19/0048; 25.2.2016, Ra 2015/19/0267; 12.10.2016, Ra 2015/18/0221; 24.5.2018, Ra 2018/19/0187 und 27.11.2018, Ra 2018/14/0213).

Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrages in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen steht, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden sind, schließt dies nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handelt, das auf seinen "glaubhaften Kern" zu beurteilen ist. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der neu behaupteten Tatsachen von Bedeutung sein, macht eine neue Beweiswürdigung aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar unzulässig, etwa in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden. "Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit" (VwGH vom 25.4.2007, 2005/20/0300 und 13.11.2014, Ra 2014/18/0025; vgl. weiters VwGH 26.9.2007, 2007/19/0342).

"Sache" des Beschwerdeverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, das Verwaltungsgericht darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Verwaltungsbehörde den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Das Verwaltungsgericht darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.5.1995, 93/08/0207; 7.10.2010, 2006/20/0035; 18.12.2014, Ra 2014/07/0002).

Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist das Verfahren zugelassen, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben ist. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Daraus ergibt sich für den Beschwerdefall Folgendes:

Der Beschwerdeführer hat sich auf Fluchtgründe berufen, die er bereits im ersten Asylverfahren angeführt hatte, weiters dass seine Konversion bei seinen Verwandten nun bekannt sei und schließlich darauf, dass er an Demonstrationen in XXXX gegen die iranische Regierung teilgenommen habe sowie dabei Interviews und Filmaufnahmen gemacht und weitergegeben habe.

Auf Grund des rechtskräftigen Bescheides vom 25.06.2018 steht fest, dass der Beschwerdeführer damals nicht zum Christentum konvertiert war, jedenfalls nicht in dem Sinn, dass bei ihm eine ernsthafte, aufrichtige und innere Überzeugung vorliege, sich dem christlichen Glauben ernsthaft zuzuwenden, die nach der Rechtsprechung eine Rückkehr in den Iran unzumutbar gemacht hätte. Es wurde im rechtskräftigen Bescheid davon ausgegangen, dass es sich bei seiner vorgebrachten Konversion lediglich bzw. einzig und allein um eine Scheinkonversion handle. Inwieweit die Kenntnis seiner Verwandten von der vorgebrachten Konversion nun zu einem neuen maßgeblichen Sachverhalt führen soll wurde vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigt. Die bloße Darstellung, dass nun seine Verwandten Bescheid wissen würden, vermögen keine konkrete Tatsachenänderung seit Rechtskraft darzulegen. Die Demonstrationen in XXXX , an denen er nach seinen Angaben teilgenommen hat, sollen im Jahr 2017, im Jänner 2018, Ende Dezember 2019 und im Jänner 2020 stattgefunden haben. Sie sind daher zumindest zum Teil von der Rechtskraft des Bescheides vom 25.06.2018 erfasst, ungeachtet dessen, dass der Beschwerdeführer bei seinen Einvernahmen vom 12.06.2018 dazu nichts vorgebracht hatte und vielmehr die Frage bejahte, ob er alle Fluchtgründe genannt habe (Seite 13 der Niederschrift vom 12.06.2018).

Anders liegt es bei den behaupteten Demonstrationen, die erst Ende Dezember 2019 und im Jänner 2020 stattgefunden haben sollen. Mit dieser Behauptung hat sich das BFA nur sehr oberflächlich auseinandergesetzt. Das BFA führte im bekämpften Bescheid begründend aus, dass die diesbezüglichen Angaben nicht glaubhaft seien. Sie seien zu keinem Zeitpunkt genügend substantiiert gewesen, um diese als glaubwürdig zu bezeichnen oder um darin einen neuen Sachverhalt zu erkennen. Der Beschwerdeführer bringe mit seinen diesbezüglichen erstmals im Verfahren vorgebrachten Angaben keine seit Rechtskraft des Vorverfahrens neu entstandenen asylrelevanten Fluchtgründe vor. Eine genaue Begründung im bekämpften Bescheid fehlt jedoch. Insoweit das BFA anführte, dass die Angaben des Beschwerdeführers nicht substantiiert genug gewesen seien, ergibt sich aus der niederschriftlichen Einvernahme vom 11.02.2020, dass der Beschwerdeführer auf die Frage, ob er Gelegenheit gehabt habe alles vorzubringen, was ihm wichtig erscheine, antwortete: "Nein, im Moment nicht." (Seite 8 der Niederschrift vom 11.02.2020). Es ist daher nicht zweifelsfrei erkennbar, dass der Beschwerdeführer seine Angaben über die Teilnahme an Demonstrationen nach Rechtskraft des Bescheides vom 25.06.2018 ausreichend darstellen konnte.

Das Bundesverwaltungsgericht ist der Ansicht, dass die dem BFA vorliegenden Beweisergebnisse nicht den Schluss zugelassen haben, eine andere, dh. positive Beurteilung des Antrags sei von vorherein ausgeschlossen und es liege nicht einmal ein "glaubhafter Kern" vor. Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, dass sich der wesentliche Sachverhalt gegenüber dem Vorbescheid nicht geändert habe. Somit liegt "entschiedene Sache" nicht vor. Die Zurückweisung des Antrags mit dieser Begründung steht daher mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im Beschwerdefall gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG, wonach die Verhandlung (u.a. dann) entfallen kann, wenn bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war, abgesehen werden.

3.5. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A wiedergegeben. Die unter Spruchpunkt A angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, entschiedene Sache, Voraussetzungen,
Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W259.2203018.3.00

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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