TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/17 98/04/0032

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Veröffentlicht am 17.03.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §38;
GewO 1994 §13 Abs3;
GewO 1994 §26 Abs2;
GewO 1994 §87 Abs1 Z2;
GewO 1994 §87 Abs1;
GewO 1994 §87 Abs2;
GewO 1994 §87 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Dezember 1997, Zl. MA 63-K 18/95, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde dem Beschwerdeführer mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Dezember 1997 eine näher beschriebene Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 i.V.m.

§ 13 Abs. 3 GewO 1994 entzogen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 2. Februar 1994, GZ. 4 Nc 1193/93, sei der Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Beschwerdeführers mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen worden. Zur Frage, ob die weitere Gewerbeausübung im Sinne des § 87 Abs. 2 GewO 1994 vorwiegend im Interesse der Gläubiger des Beschwerdeführers gelegen wäre, habe die Wiener Gebietskrankenkasse mit Schreiben vom 3. Februar 1995 mitgeteilt, daß Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum 7/91 bis 7/93 (inklusive Verzugszinsen und Verwaltungsauslagen) in der Höhe von S 26.062,90 unberichtigt aushafteten. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (der Beschwerdeführer habe die ausständigen Sozialversicherungsabgaben in seiner Berufung mit

ca. S 200.000,-- beziffert) habe mit Schreiben vom 31. Jänner 1995 mitgeteilt, daß dem Beschwerdeführer keine Ratenbewilligung erteilt worden sei und er bereits seit dem 20. November 1990 keinerlei Beiträge mehr geleistet habe. Schließlich habe das Exekutionsgericht Wien mit Schreiben vom 26. Jänner 1995 bekanntgegeben, daß in das Vermögen des Beschwerdeführers neun Exekutionen bewilligt worden seien, denen Forderungen von insgesamt S 100.619,54 zugrunde lägen. Dieses Ermittlungsergebnis sei dem Beschwerdeführer mit dem Ersuchen vorgehalten worden darzustellen, ob und wie es ihm möglich sein werde, die Beitragsrückstände sowie die den bewilligten Exekutionen zugrundeliegenden Forderungen zu begleichen bzw. zu vermindern, und woher er die dafür erforderlichen Mittel habe bzw. wie er sich diese beschaffen werde. Der Beschwerdeführer habe dazu erklärt, daß er aus den Einnahmen als Marktfahrer die offenen Beiträge bei der Wiener Gebietskrankenkasse in monatlichen Raten zu S 2.000,-- und die offenen Beiträge bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in monatlichen Raten zu S 3.000,-- bezahlen werde. Die entsprechenden Ratengesuche seien bereits eingebracht worden. Er könne Zahlungen nur aus den Einnahmen seines Gewerbebetriebes leisten; andere Geldbeträge stünden ihm nicht zur Verfügung. Zur Frage, ob und wie er die den bewilligten Exekutionen zugrundeliegenden Forderungen zu bezahlen beabsichtige, habe sich der Beschwerdeführer nicht geäußert. Zwischenzeitig sei der Beitragsrückstand des Beschwerdeführers bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft auf S 411.553,-- angewachsen und es stehe diesem Rückstand ein permanenter Leistungsbezug durch den Beschwerdeführer gegenüber. Der Beschwerdeführer sei offenkundig nicht in der Lage, die im Zusammenhang mit einer weiteren Gewerbeausübung zu erwartenden Verbindlichkeiten durch liquide Mittel bei Fälligkeit zu begleichen. Vielmehr sei zu befürchten, daß durch die fortgesetzte Gewerbeausübung die Gläubiger in einem noch höheren Maß geschädigt würden. So trete eine ständige weitere Schädigung der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft ein, weil eine Leistung von Beiträgen durch den Beschwerdeführer nicht mehr zu erwarten sei. Eine Entziehung der Gewerbeberechtigung nur für eine bestimmte Zeit komme - im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers - nur dann in Betracht, wenn die Entziehung der Gewerbeberechtigung in einer strafbaren Handlung begründet sei. Soweit der Beschwerdeführer vorbringe, daß ihm die Nachsicht vom Ausschluß von der Gewerbeausübung zu erteilen sei, verkenne er, daß eine solche Nachsicht nur auf Antrag erteilt werden könne, der Beschwerdeführer einen solchen Antrag aber bisher nicht gestellt habe und Nachsicht vom Ausschluß von der Gewerbeausübung auch nicht zu dem Zweck erteilt werden könne, um dadurch die Entziehung der Gewerbeberechtigung zu verhindern.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer erachtet sich - seinem gesamten Vorbringen zufolge - durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Unterbleiben der Gewerbeentziehung verletzt. Er bringt hiezu im wesentlichen vor, entgegen der Meinung der belangten Behörde lägen die Voraussetzungen für die Entziehung der Gewerbeberechtigung nur für eine bestimmte Zeit vor, weil der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. März 1994 u.a. wegen fahrlässiger Krida zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Wochen unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt worden sei; die Probezeit von drei Jahren sei abgelaufen, die verhängte Freiheitsstrafe somit endgültig nachgesehen. Weiters sei der Beschwerdeführer - obwohl rechtsunkundig - nicht dazu angeleitet worden, einen Antrag auf Nachsicht vom Ausschluß von der Gewerbeausübung zu stellen. Schließlich habe die belangte Behörde auch übersehen, daß ein Unterbleiben der Entziehung der Gewerbeberechtigung im Interesse der Gläubiger des Beschwerdeführers liege. Im Falle einer Entziehung der Gewerbeberechtigung des Beschwerdeführers müßte nämlich für die K-GmbH ein anderer gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt werden. Dies würde zusätzliche Kosten verursachen und die Rückzahlungen an die Gläubiger schmälern. Auch sei die familiäre Situation des Beschwerdeführers (er habe für seine Gattin und drei Kinder zu sorgen), aber auch seine Existenzmöglichkeit, die ihm selbst im Interesse der Gläubiger nicht entzogen werden dürfe, zu berücksichtigen gewesen. Der Beschwerdeführer sei jedenfalls redlich bemüht, seiner Familie einen ausreichenden Unterhalt zu beschaffen und auch seinen Verpflichtungen als Kaufmann nachzukommen.

Der Beschwerdeführer bestreitet mit diesem Vorbringen nicht das Vorliegen des Entziehungsgrundes gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 i. V.m. § 13 Abs. 3 GewO 1994. Er meint vielmehr, es seien die Voraussetzungen des § 87 Abs. 2 leg. cit. gegeben, wonach von der im Abs. 1 Z. 2 vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung wegen Eröffnung des Konkurses oder Abweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgesehen werden kann, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im interesse der Gläubiger gelegen ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, ist - ausgehend vom normativen Gehalt der zitierten Bestimmung - die Gewerbeausübung nur dann "vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen", wenn aufgrund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage erwartet werden kann, daß der Gewerbetreibende auch den mit der Ausübung des den Gegenstand der ausgesprochenen Entziehung bildenden Gewerbes verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird, was jedenfalls voraussetzt, daß die erforderlichen liquiden Mittel zur Abdeckung der diesbezüglichen Verbindlichkeiten vorhanden sind. Hingegen ist es nicht schon allein entscheidungsrelevant, daß das den Gegenstand der Entziehung bildende Gewerbe ausgeübt wird, damit die vorhandenen Forderungen berichtigt werden. Es muß ferner die pünktliche Erfüllung aller Zahlungspflichten erwartet werden können. Eine bloße Verbesserung der wirtschaftlichen Situation verbunden mit einer lediglich teilweisen Abzahlung von Rückständen ist nicht ausreichend. Es muß nämlich sichergestellt sein, daß die im Zusammenhang mit einer weiteren Gewerbeausübung zu erwartenden Verbindlichkeiten durch liquide Mittel beglichen werden können, um nicht eine Schädigung weiterer Gläubiger durch die fortgesetzte Gewerbeausübung eintreten zu lassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 97/04/0170, und die hier zitierte Vorjudikatur). Auch bieten die Bestimmungen der §§ 87 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 GewO 1994 der Behörde keine Möglichkeit, bei ihrer Entscheidung über die Entziehung der Gewerbeberechtigung die Erhaltung der Existenzgrundlage des Gewerbeberechtigten mitzuberücksichtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1994, Zl. 94/04/0186, und die hier zitierte Vorjudikatur). Gleiches gilt für die familiäre Situation des Gewerbeberechtigten.

Von dieser Rechtslage ausgehend vermag der Beschwerdeführer mit seinem Beschwerdevorbringen keine Rechtswidrigkeit in der Auffassung der belangten Behörde, eine weitere Gewerbeausübung durch den Beschwerdeführer sei nicht im Sinne des § 87 Abs. 2 GewO 1994 "vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen", aufzuzeigen. Daß er nämlich in der Lage wäre, jederzeit alle vorhandenen und fälligen Forderungen zur Gänze zu berichtigen, wird vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, es lägen die Voraussetzungen für eine befristete Entziehung der Gewerbeberechtigung im Sinne des § 87 Abs. 3 GewO 1994 vor, ist ihm zunächst entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde die Entziehung der Gewerbeberechtigung nicht auf das Vorliegen eines Entziehungsgrundes nach § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994, sondern auf das Vorliegen eines Entziehungsgrundes nach § 87 Abs. 1 Z. 2 leg. cit., nämlich auf die Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Beschwerdeführers mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens, gestützt hat. In Ansehung des herangezogenen Entziehungstatbestandes sind allerdings in § 87 Abs. 2 leg. cit. die Voraussetzungen für ein Absehen von der Entziehung der Gewerbeberechtigung, abgestellt auf das vorwiegende Gläubigerinteresse an der (fortgesetzten) Gewerbeausübung, abschließend geregelt. Es besteht daher bei Nichtvorliegen eines vorwiegenden Gläubigerinteresses an der Gewerbeausübung im Sinne des § 87 Abs. 2 leg. cit. keine gesetzliche Handhabe für die Heranziehung der Regelung des § 87 Abs. 3 leg. cit. (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1997, Zl. 95/04/0085, und die hier zitierte Vorjudikatur).

Schließlich ist der Beschwerdeführer, soweit er eine Verletzung der behördlichen Manuduktionspflicht zufolge Nichtanleitung zur Stellung eines Nachsichtsantrages rügt, auf die ständige hg. Judikatur hinzuweisen, wonach die Bestimmungen des § 26 Abs. 2 GewO 1994 im Entziehungsverfahren gemäß § 87 leg. cit. nicht anzuwenden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1997, Zl. 97/04/0049, und die hier zitierte Vorjudikatur). Auch eine allenfalls von der Nachsichtsbehörde im Zuge der Anhängigkeit des Entziehungsverfahrens gemäß § 26 leg. cit. erteilte Nachsicht vom Ausschluß von der Gewerbeausübung stellt keine bindende Entscheidung für die Entziehungsbehörde bei der Beurteilung der Frage dar, ob die Voraussetzungen für ein Absehen von der Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1994 gegeben sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1995, Zl. 95/04/0199, und die hier zitierte Vorjudikatur). Schon aus diesem Grund vermag der Beschwerdeführer mit seinem - den Umfang der behördlichen Manuduktionspflicht freilich verkennenden - Vorwurf, er sei nicht angeleitet worden, einen Antrag auf Erteilung der entsprechenden Nachsicht zu stellen, keinen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen.

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998040032.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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