TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/4 W103 2177037-2

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Veröffentlicht am 04.02.2019
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Entscheidungsdatum

04.02.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W103 2177037-2/3E

W103 2177038-2/3E

W103 2177040-2/3E

W103 2177042-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT, als Einzelrichter im Verfahren über die durch die mündlich verkündeten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, EAST Ost vom 25.01.2019, Zln. 1.) 1169124807-180836235, 2.) 1169124709-181236651,

3.) 1169124404-180836227, und 4.) 1169124502-18123660, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend 1.) von XXXX , geb. XXXX , 2.) von XXXX , geb. XXXX , 3.) von XXXX , geb. XXXX und

4.) von XXXX , geb. XXXX , alle StA. Ukraine, BF1 und 2 alias Russische Föderation, beschlossen:

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 22 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, nicht rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet, und die Dritt- und Viertbeschwerdeführer ihre minderjährigen Kinder, sie sind Staatsbürger der Ukraine, bzw. die BF1 und BF2 alias Russische Föderation und stellten am 23.09.2017 erstmals Anträge auf internationalen Schutz, welche vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vollinhaltlich abgewiesen wurden. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.06.2018 ebenfalls abgewiesen und erwuchsen in Rechtskraft.

1.2. In diesem abgeschlossenen Verfahren wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Beschwerdeführer von der Krim Halbinsel stammen würden und der Religion der Zeugen Jehovas zugehörig wären. Durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der Russischen Föderation vom Juli 2017 würde auf der Krim die Religion der Zeugen Jehovas verboten und deren Gotteshäuser verstaatlicht worden sein. Sie hätten sohin ihre Religion nicht mehr frei ausüben können und würden Angehörige dieser Religion als Extremisten betrachtet und als solche behandelt werden.

Des Weiteren wurde ins Treffen geführt, dass die Drittbeschwerdeführerin an einer seltenen Lungenerkrankung (Mukoviszidose) leide.

1.3. Das BVwG begründete seine Entscheidung damit, dass die Familie auch außerhalb der Krim - im Rest der Ukraine - leben könne, ohne Verfolgungshandlungen wegen ihrer Religion befürchten zu müssen. Es würde auch von Seiten des Staates Unterstützungsleistungen für Personen, welches aus der Krim geflohen seien geben.

Hinsichtlich der Erkrankung der BF3 (Mukoviszidose) könne diese auch in der Ukraine behandelt werden.

2.1 Am 31.08.2018 wurde die BF2 und die BF4 in die Ukraine abgeschoben.

2.2. Am 04.09.2018 stellte der BF1 und die BF3 einen neuen Antrag auf internationalen Schutz.

2.3. Am 27.12.2018 stellte die BF2 und die BF4 einen neuen Antrag auf internationalen Schutz.

3.1. Die BF2 gab anlässlich ihrer Befragung vom 17.01.2019 in Bezug auf die Gründe ihrer neuerlichen Antragstellung im Wesentlichen zu Protokoll, dass sie versucht hätte - sich beim ukrainischen Migrationsdienst - als Krimflüchtlinge in der Ukraine registrieren zu lassen, es sei ihr jedoch nicht gelungen. Es sei weder möglich gewesen sich anzumelden, noch hätte sie einen Platz im Kindergarten für die BF4 (mj. Tochter XXXX ) erhalten. Auch habe sie weder einen Arbeitsplatz noch eine Wohnung erhalten. Alle seien sehr aggressiv gewesen und sei ihr vorgeworfen worden, warum sie erst jetzt komme und nicht bereits im Jahre 2014 gekommen sei.

Hinsichtlich der mj. Tochter BF3 ( XXXX ) seien die erforderlichen Medikamente in der Ukraine nicht erhältlich, bzw. hätten die Ersatzmedikamente Nebenwirkungen, welche Taubheit oder Diabetes verursachen, oder die inneren Organe angreifen.

Sie habe deshalb bei der russischen Botschaft in der Ukraine einen russischen Reisepass beantragt und nach längerer Wartezeit auch bekommen. Als sie bei der russischen Botschaft gewartet habe, sei ein ukrainische Uniformierter gekommen und habe alle, welche auf einen russischen Reisepass gewartet hätten gefilmt. Dieser hätte angegeben, dass Leute wie sie ins Gefängnis gehören würden.

3.2. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahmen (Sprache russisch) vom 02.10.2018 gab der Ersteschwerdeführer an, dass er seit der ersten Antragstellung Österreich nicht verlassen hätten, er sei auf der Krim geboren und aufgewachsen, er werde im Rest der Ukraine als Verräter bezeichnet. Er bekomme weder Arbeit noch Wohnung noch medizinische Versorgung in der Ukraine, die erste Frage sei immer, ob er die russische Staatsbürgerschaft zurückgelegt habe. Seine Asylgründe seien nach wie vor aufrecht.

Er sei über die Ukraine ausgereist, da dies einfacher gewesen sei. Er habe jemanden Geld gegeben um sich einen Ukrainischen RP ausstellen zu lassen. Er habe Angst gehabt mit russischen Dokumenten auszureisen, da er ja als Zeuge Jehovas Probleme bekommen hätte.

Auch hätte er nicht die Zeit gehabt über Russland auszureisen, weil die BF3 schwer krank gewesen sei (Mukoviszedose) und diese dringend ärztliche Versorgung gebraucht habe. In der Ukraine sei ihn von ärztlicher Seite geraten worden, dieses Kind zu vergessen. Dzt. benötige die BF3 ca. 5 Stunden Betreuung pro Tag.

4.1. Mit den mündlich verkündeten Bescheiden vom 25.01.2019 wurde der faktische Abschiebeschutz der Beschwerdeführer gem. § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben. Die belangte Behörde traf Feststellungen zum Herkunftsstaat und gab den Verfahrensgang wieder. Die Beschwerdeführer hätten in Österreich nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechtes des Asylverfahrens verfügt. In rechtlicher Hinsicht verwies die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 12a Abs. 2 AsylG und begründete die Entscheidung damit, dass die nunmehrigen Folgeanträge voraussichtlich zurückzuweisen sein werden, da sich die Beschwerdeführer auf Gründe bezogen hätten, welche bereits vor rechtskräftigem Abschluss der vorangegangenen Verfahren vorgelegen hätten. Anhand der vorgelegten Unterlagen in Zusammenschau mit dessen niederschriftlichen Angaben könne keine Verfolgung der Beschwerdeführer festgestellt werden. Auch die allgemeine Lage im Herkunftsstaat habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse der beschwerdeführenden Parteien seien ebenfalls keine Änderungen seit der rechtskräftigen Entscheidung eingetreten.

4.2. Die Beschwerdeführer gaben im Anschluss an die mündliche Verkündung der dargestellten Bescheide zu Protokoll, Beschwerden zu erheben, im Bescheid stehe nicht, dass es sich bei der Erkrankung der BF3 um eine spezifische Form handle, welche nicht einmal in Österreich vollkommen geheilt werden könne.

4.3. Der rechtsfreundliche Vertreter (Legal Focus) der beschwerdeführenden Parteien legte am 26.01.2019 folgenden Schriftsatz vor:

Signifikant sei, das das BVwG in seiner jüngsten Rechtsprechung, richtungsweisend festgehalten habe, dass bei Asylanträgen von ehemaligen Bewohnen der Krim die Frage der Staatsbürgerschaft und der Sicherheitslage aktuell zu überprüfen sei.

Auch die Frage der Staatsbürgerschaft und wieweit diese international gültig sei müsse lt. dem Beschluss geprüft werden. Im Bescheid der BF2 auf Seite 85 frage diese den BFA-Referenten, ob sie im Falle einer Rückkehr in die Ukraine als russische Staatsbürgerin dort einen Asylantrag stelle solle.

Auf die Entscheidung der BVwG vom 17.01.2019 zu den Zlen.

W111 2184400-3E

W111 2184403-3E

W111 2184401-3E

W111 2184396-3E

W111 2184402-3E

wurde verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Die maßgeblichen Bestimmungen (in der Sache) lauten:

1.1. §12a (2) AsylG 2005 idgF:

Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

§ 22 (10) Asylg 2005 idgF:

Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

§ 22 BFA-VG:

(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.

1.2. Die im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 3.5.2018, Ra 2018/19/0010, dargelegten Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 10 dritter und vierter Satz AsylG, welcher - mit Art. 130 BV-G nicht im Einklang - ein "amtswegiges" Tätigwerden eines Verwaltungsgerichts vorsehen würde, erweisen sich im gegenständlichen Verfahren als nicht präjudiziell, zumal davon unabhängig eine zulässigerweise mündlich gestellte und niederschriftlich protokollierte (vgl VwGH 18.12.2015, Ra 2015/02/0169) Beschwerde vorliegt.

1.3. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321). "Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235; 17.09.2008, 2008/23/0684; 11.11.2008, 2008/23/1251; 19.02.2009, 2008/01/0344; 06.11.2009, 2008/19/0783). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. zB VwGH 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2007, 2004/20/0100; 17.09.2008, 2008/23/0684; 19.02.2009, 2008/01/0344; 06.11.2009, 2008/19/0783). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (späteren) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes; vgl. VwGH 20.2.1992, 91/09/0196) fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung vgl. zB VwGH 04.05.2000, 99/20/0192; 21.09.2000, 98/20/0564; 24.08.2004, 2003/01/0431; 04.11.2004, 2002/20/0391), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes iSd § 68 Abs. 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn dasselbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183 mwN; 24.08.2004, 2003/01/0431; 17.09.2008, 2008/23/0684).

Es erfordert eine Prognose, um bestimmen zu können, dass der Asylantrag voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird. (vgl. die Erläut. zur RV des FrÄG 2009, 330 BlgNR 24. GP, 13: "Die Z 2 stellt eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags dar."). Es kann daher der Fall eintreten, dass die Prognose, der Antrag werde zurückzuweisen sein, nicht zutrifft und sich im Laufe des Verfahrens herausstellt, dass eine inhaltliche Entscheidung über den Antrag zu treffen sein wird (vgl. nochmals die Erläut. zur RV des FrÄG 2009, 330 BlgNR 24. GP, 13: "In keinem Fall wird mit der Aufhebung des Abschiebeschutzes die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz selbst vorweggenommen, auch wenn in der Praxis wohl regelmäßig eine zurückweisende Entscheidung gemäß § 68 AVG folgen wird. Vielmehr handelt es sich um eine der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz vorgelagerte Prüfung im Rahmen des Zulassungsverfahrens."). Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes kann in diesen Fällen dazu führen, dass der Asylwerber trotzdem - vor der inhaltlichen Entscheidung über den Antrag - außer Landes gebracht wird und dass dies u.U. mit Folgen verbunden ist, vor denen das Asylrecht gerade schützen will. An eine solche Prognose sind daher strengere Maßstäbe anzulegen als in vergleichbaren Fällen (etwa der Beschleunigung eines Verfahrens gemäß § 27 Abs. 4 AsylG 2005 auf Grund der irrigen Prognose, der Asylantrag werde abzuweisen sein). Umgekehrt steht der Verzicht auf die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes der Zurückweisung des Asylantrages gemäß § 68 Abs. 1 AVG selbstverständlich nicht entgegen. In diesem Zusammenhang hat es auch Bedeutung, dass das Bundesasylamt auch dann, wenn die Voraussetzungen vorliegen, den faktischen Abschiebeschutz nicht aufheben muss, sondern dass ihm das Gesetz Ermessen einräumt (verbo "kann" in § § 12 a Abs. 2 AsylG 2005); die Ermessensübung ist im Bescheid zu begründen. In Frage werden bei der notwendigen Abwägung z.B. Umstände kommen wie jener, wie lange Zeit seit der Rechtskraft des Vorbescheides verstrichen ist, wenn der neue Antrag gestellt wird, oder wie häufig der Asylwerber Asylanträge stellt (vgl. dazu wieder AsylGH 03.03.2010, C5 265.439-2/2010/2E).

1.4. Zu den Voraussetzungen des § 12a AsylG 2005, auf den gegenständlichen Fall bezogen, im Detail:

Gegen die beschwerdeführenden Parteien bestehen nach der - rechtskräftigen - Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.06.2018 aufrechte Rückkehrentscheidungen.

Das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien zu ihren Folgeanträgen, nämlich, dass die Verfolgungsgründe hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zu der Religionsgemeinschaft der "Zeugen Jehovas", dürfte a priori keinen neuen Sachverhalt erkennen lassen, da sich die vorgebrachten Sachverhaltselemente allesamt auf einen Zeitraum vor rechtskräftigem Abschluss der vorangegangenen Verfahren beziehen und insofern keinen "neu entstandenen" Sachverhalt begründen. Nichts desto trotz muss jedoch im Lichte der rezenten politischen Entwicklungen der Frage der Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführer näher nachgegangen werden. Medienberichte legen dar, dass nach dem Zwischenfall im Asowschen Meer Kiew per 28.11.2018 das Kriegsrecht, befristet auf 30 Tage, verhängt habe. Außerdem wurde für russische Männer zwischen 16 und 60 Jahren ein Einreisestopp in die Ukraine erlassen.

Die Beschwerdeführer sind russischer Volksgruppenzugehörigkeit und wurde der BF2 lt. deren Angaben von den russischen Vertretungsbehörden in der Ukraine ein russischer Reisepass ausgestellt. Der BF2 gibt ebenfalls an russischer Staatsangehöriger zu sein. Relevant ist daher einerseits, ob der verhängte Einreisestopp nach wie vor Gültigkeit hat. Darüber hinaus lässt sich dem Verwaltungsakt nicht entnehmen, ob der Einreisestopp auch Personen einer ukrainischen und russischen Doppelstaatsbürgerschaft betreffen, respektive ob eine solche Doppelstaatsbürgerschaft überhaupt rechtlich möglich ist. Es geht ebensowenig aus den Verwaltungsakten hervor, ob die Beschwerdeführerin 2 zwecks Ausstellung des russischen Reisepasses ihre ukrainische Staatsbürgerschaft niederlegen mussten. Es geht weiters nicht hervor ob für die mj. BF4 ebenfalls die russischen Staatsbürgerschaft beantragt wurde.

Diese Abklärung ist notwendig und relevant, da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Bescheid des ersten Asylverfahrens festhielt, dass an eine Rücküberstellung in die Krim nicht gedacht ist, einem Aufenthalt der Beschwerdeführer in der restlichen Ukraine jedoch keine maßgeblichen Gründe entgegenstehen. Auch im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.06.2018 wird mehrmals festgehalten, dass "in Bezug auf sämtliche der angeführten Aspekte - ohne deren Glaubwürdigkeit respektive deren Relevanz für die Gewährung internationalen Schutzes bezogen auf das Gebiet der Krim Halbinsel abschließend zu beurteilen - jedenfalls die Möglichkeit bestehe, sich den dargelegten Befürchtungen durch Niederlassung in einem unter Kontrolle der ukrainischen Regierung bestehenden Landesteil zu entziehen.

Die Frage der Staatsangehörigkeit und der daraus resultierenden Konsequenzen wurde vom BFA in den Bescheiden überhaupt nicht thematisiert, obwohl die BF2 angegeben hat, sich in der Ukraine einen Russischen Reisepass ausstellen zu lassen haben. Auch der BF1 gibt an russische Staatsangehöriger zu sein und fällt mit seine Alter von 40 Jahren genau in die Gruppe russischer Männer von 16 bis 60 Jahren für welche ein Einreisestopp in die Ukraine besteht, diese Umstände bedürfen daher einer weiteren Abklärung.

Da es sich um eine Familienverfahren handelt war die Entscheidung hinsichtlich aller Personen gleichlautend zu treffen.

Da auch im verkürzten Verfahren nach § 12a AsylG 2005 der amtswegige Ermittlungsgrundsatz (in Zusammenschau mit den Mitwirkungspflichten des Asylwerbers gemäß § 15 AsylG 2005) naturgemäß aufrecht bleibt (vgl. auch RV 330 XXIV. GP zu §12a Abs. 2 AsylG 2005), bedarf es sohin der weiter oben dargelegten ergänzenden Ermittlungen und Auseinandersetzung im Rahmen einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung.

1.5. Insofern kann das Bundesverwaltungsgericht im derzeitigen Verfahrensstadium - innerhalb des zur Verfügung stehenden und in mehrfacher Hinsicht eingeschränkten Beurteilungsspielraums - nicht abschließend beurteilen, ob das Verfahren nicht zuzulassen gewesen wäre, der vorliegende Antrag wegen entschiedener Sache jedenfalls zurückzuweisen sein wird bzw. die Abschiebung der BeschwerdeführerInnen keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

1.6. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Da die in der gegenständlichen Entscheidung die maßgeblichen Rechtsfragen klar waren und keiner Auslegung bedurften, ging das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus. In vorliegendem Fall liegen daher die Voraussetzungen für die Zulassung der ordentlichen Revision nicht vor, es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung nicht rechtmäßig,
Familienverfahren, mangelnder Anknüpfungspunkt, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W103.2177037.2.00

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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