Entscheidungsdatum
30.09.2019Norm
AMA-Gesetz 1992 §21aSpruch
W270 2172293-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. GRASSL über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch die Mag. Dr. Christian Janda Rechtsanwalts KG, Herrengasse 1, 4550 Kremsmünster, gegen den Bescheid des Vorstands für den Geschäftsbereichs I der Agrarmarkt Austria vom 06.09.2017, Zl. I/I/5-Schue/AMBBS-82/2017, in einer Angelegenheit betreffend Agrarmarketingbeitrag, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung vom 20.09.2017, Zl 1/5-Schue/AMBBS-85/2017, ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 01.06.2017, 22.06.2017, 24.07.2017 und 04.09.2017 übermittelte die XXXX (in Folge: "Beschwerdeführerin") Beitragserklärungen an die belangte Behörde.
2. Mit Bescheid vom 06.09.2017 schrieb die belangte Behörde der Beschwerdeführerin gemäß § 21g Abs. 2 AMA-Gesetz 1992 iVm § 1 Abs. 3 AMA-Beitragsverordnung 2015 für die Beitragszeiträume April 2017 bis einschließlich Juli 2017 einen Agrarmarketingbeitrag i.d.H.v. EUR 64.895,88 für die Übernahme von Milch zum Versand oder zur Bearbeitung oder Verarbeitung vor.
3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 11.09.2017 Beschwerde wegen eines mangelhaften Verfahrens und einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragte ersatzlose Aufhebung und Feststellung der Nichtbeitragspflicht und "in eventu" die Behebung und Zurückverweisung sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Die Beschwerdeführerin brachte in ihrer Beschwerde insbesondere vor, dass bisher noch in keinem Fall der gesamten Speditionsbranche versucht worden sei, den Transporteur der Beitragspflicht zu unterwerfen. In den Transportpreisen wäre der Agrarmarketingbeitrag noch zu keinem Zeitpunkt eingepreist worden und wäre dies auch nicht wirtschaftlich tragbar. Mangelhaft sei begründet worden, worin die belangte Behörde im gegenständlichen Fall eine Differenz zwischen der äußeren Erscheinungsform des Sachverhalts und dem wahren wirtschaftlichen Gehalt sehe. Klarzustellen sei, dass jeder einzelne Landwirt je einen eigenen höchstpersönlichen Transportvertrag mit der Beschwerdeführerin abgeschlossen habe. Außerdem habe die belangte Behörde den Begriff "Übernahme" unrichtig angewandt. Dieser sei in § 21b Z 12 AMA-Gesetz 1992 als "Erwerb der Verfügungsmacht" definiert. Es sei - was auch die belangte Behörde so angenommen habe - weder ein Eigentumsübergang noch die Übertragung der Verfügungsmacht an die Beschwerdeführerin erfolgt, weswegen auch zu keinem Zeitpunkt eine Beitragspflicht entstanden sein könne.
5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 20.09.2017 wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab und den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mangels Berechtigung zurück. Sie begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin Milch von mehreren Produzenten zum Versand übernehme, weswegen sie als Versender der Milch iSv § 21e Abs. 1 Z 1 AMA-Gesetz 1992 auftrete. Die Beitragspflicht entstehe ex lege. Ob der Beitrag wirtschaftlich tragbar sei, spiele keine Rolle. Es sei klar ersichtlich, dass der Kostenbestimmung offenkundig eine betriebswirtschaftliche Kostenberechnung zugrunde gelegt wurde. Unter Hinweis auf § 21 Abs. 1 BAO führte die belangte Behörde aus, dass die Tatsache der Vermischung der Milch verschiedener Produzenten nichts daran ändere, dass Milch übernommen werde, die zweifelsfrei zur weiteren Bearbeitung bzw. Verarbeitung bestimmt sei. Die Beschwerdeführerin trete somit als Versenderin auf. Die AMA verwies außerdem auf die Definition von "Übernahme" im Verlautbarungsblatt Nr. 4/2015, nach welcher die Übernahme von Milch als "physischer Übergang" von Behältnissen des Produzenten in Behältnisse des Übernehmers und die dort stattfindende Vermischung mit Erzeugnissen anderer Produzenten sei. Die Vermischung von Erzeugnissen verschiedener Produzenten bewirke in diesem Fall die Übertragung der Verfügungsmacht an den Spediteur, weswegen - weil dies in Österreich erfolge - Beitragspflicht entstünde.
Die Zurückweisung des Antrags auf aufschiebende Wirkung begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass die BAO als Verfahrensordnung im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht subsidiär gelte. Nach § 13 Abs. 1 VwGVG komme rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerden ex lege aufschiebende Wirkung zu. § 212a BAO werde durch das VwGVG materiell derogiert.
6. Mit Schriftsatz vom 28.09.2017 beantragte die Beschwerdeführerin, die Beschwerde vom 11.09.2017 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Am 03.10.2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vor.
7. Mit Beschluss vom 13.11.2017, Zl. W270 2172293-1/3Z, setzte das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 271 Abs. 1 BAO das Verfahren bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über Revisionen gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts W147 2157723-1/2E, W147 2157724-1/2E, W147 2164391-1/2E, W147 2157328-1/3E, alle vom 04.08.2017, sowie das Erkenntnis W147 2166944-1/3E vom 21.09.2017, aus.
8. Nachdem der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21.11.2018, Ra 2017/17/0779, über die Revisionen entschieden hatte, setzte das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren fort und ordnete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung am. In dieser, durchgeführt am 18.06.2019, wurde neben der ergänzenden Aufnahme weiterer Beweise auch die Rechtslage im Lichte des erwähnten Erkenntnisses vom 21.11.2018 mit den Verfahrensparteien erörtert.
II. Feststellungen:
1. Zum Unternehmen der Beschwerdeführerin:
1.1. Die Beschwerdeführerin betreibt gemäß den österreichischen Rechtsvorschriften ein Speditionsgewerbe mit Sitz in XXXX .
1.2. Milchtransporte machen derzeit rund ein Viertel des jährlichen Gesamtumsatzes des Unternehmens der Beschwerdeführerin aus.
2. Zu den Auftragsverhältnissen der Beschwerdeführerin:
2.1. Die Beschwerdeführerin hat sich gegenüber ungefähr 350 einzelnen Landwirten (in Folge: "Milchproduzenten") vertraglich verpflichtet, im Zeitraum 01.01.2016 bis 31.12.2020 Milch abzuholen und diese an eine Übergabestelle der XXXX in Deutschland (in Folge: "Übergabestelle in Deutschland"), laut einer "Tourenplanung" auf eigene Rechnung und Gefahr zu transportieren. Die Verrechnung erfolgt monatlich im Nachhinein automatisiert auf Basis der Milchgeldabrechnung und ist unverzüglich nach Abrechnung zur Überweisung zu bringen.
2.2. Der " XXXX " hat sich gegenüber der Beschwerdeführerin durch Vertrag verpflichtet, die sich aus dem Transport der Milch von den Milchproduzenten an die Übergabestelle in Deutschland ergebenden Werklohnbeiträge mit schuldbefreiender Wirkung an die Beschwerdeführerin nach monatlicher Abrechnung zur Überweisung zu bringen. Er hat sich auch vertraglich verbindlich bevollmächtigen zu lassen, für alle Milchproduzenten, welche die Milch von der Beschwerdeführerin an die Übergabestelle in Deutschland transportieren lassen, den Werklohn zuzüglich Umsatzsteuer verbindlich auszuhandeln.
2.3. Die Beschwerdeführerin hat sich gegenüber der XXXX mit Sitz in XXXX , Bundesrepublik Deutschland (in Folge: "Milchverarbeiterin"), gegen Werklohn mittels Vertrags verpflichtet, Milch von der Übergabestelle in Deutschland an den Standort der Milchverarbeiterin zu transportieren.
2.4. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin berechtigt ist, über das Schicksal bzw. den Verbleib der von den Milchproduzenten abzuholende Milch aus eigenem zu disponieren. Überdies konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin Eigentum an der Milch erwirbt.
3. Durch die Beschwerdeführerin durchgeführte Milchtransporte:
Die Beschwerdeführerin hat im Zeitraum April 2017 bis einschließlich Juli 2017 Milch von Milchproduzenten im Umfang von 21.631.960 kg von diesen im Rahmen der unter Pkt. 2. festgestellten Auftragsverhältnisse von den einzelnen Milchproduzenten abgeholt und zur Milchverarbeiterin transportiert (in Folge: "streitgegenständliche Milchtransporte"). Dabei kam es in der Regel zu einer Vermischung der Milch in den von der Beschwerdeführerin eingesetzten Transportfahrzeugen.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zum Unternehmen der Beschwerdeführerin:
2.1.1. Die Feststellungen zu Pkt. 1.1. folgen aus einer Einsicht in das offene Firmenbuch sowie das offene Gewerbeinformationssystem Austria zur Gesellschaft der Beschwerdeführerin.
2.1.2. Die Feststellungen zum Umsatzanteil aus dem Transport von Milch durch die Beschwerdeführerin im Verhältnis zu sonstigen Umsätzen des Unternehmens folgt aus den nicht als unglaubwürdig zu erkennenden, und auch von der belangten Behörde unbestritten gebliebenen, Angaben in der mündlichen Verhandlung (OZ 8, S. 3).
2.2. Zu den Feststellungen zu den Auftragsverhältnissen der Beschwerdeführerin:
2.2.1. Die Feststellungen beruhen auf den nicht als unecht oder unrichtig zu erkennenden, von der Beschwerdeführerin vorgelegten Vertragsurkunden, welche auch von der belangten Behörde vollumfänglich unbestritten blieben. Die (ungefähre) Anzahl der Milchproduzenten, mit denen Vertragsverhältnisse bestehen, folgt aus den nicht als unglaubwürdig zu erkennenden Angaben der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung (OZ 8, S. 7), welche überdies unbestritten blieben.
2.2.2. Es ist auch sonst bei entsprechender Ermittlungstätigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und bei Berücksichtigung der Mitwirkungspflichten der Parteien im Verfahren nicht hervorgekommen, dass daneben dennoch eine anderslautende Dispositionsbefugnis zwischen der Beschwerdeführerin, der Milchverarbeiterin, den Milchproduzenten oder dem XXXX als vereinbart festzustellen wäre. Auch gab der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin ausdrücklich an, dass keine Milch von Milchproduzenten aufgekauft werde (OZ 8, S. 15). Dies wurde von der belangten Behörde auch ausdrücklich nicht bestritten (OZ 8, S. 16).
2.3. Zu den Feststellungen zu den von der Beschwerdeführerin durchgeführten Milchtransporten:
2.3.1. Die Feststellungen zu durchgeführten Milchtransporten folgen aus den im verwaltungsbehördlichen Verfahren von der Beschwerdeführerin abgegeben, in den Verfahrensakten einliegenden, Beitragserklärungen und der Tatsache, dass diese so von der belangten Behörde als Grundlage für Feststellungen in der angefochtenen Beschwerdevorentscheidung herangezogen wurden.
2.3.2. Die Feststellung, dass die Transporte unter den festgestellten Auftragsverhältnissen erfolgten, ergibt sich auch aus den nicht als unglaubwürdig zu erkennenden, und dahingehend unbestritten gebliebenen, Angaben des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 7). Dies gilt auch für die Feststellung, dass die von einzelnen Milchproduzenten übernommenen Milchmengen in den von der Beschwerdeführerin eingesetzten Fahrzeugen vermischt wurde.
IV. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Ersatzlose Behebung der Beschwerdevorentscheidung
3.1. Maßgebliche Rechtslage:
3.1.1. § 21a Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Errichtung der Marktordnungsstelle "Agrarmarkt Austria" (in Folge: "AMA-Gesetz") lautet samt Überschrift:
"Beitragszweck
§ 21a. (1) Der Agrarmarketingbeitrag (im folgenden Beitrag genannt) wird für folgende Zwecke erhoben:
1. zur Förderung und Sicherung des Absatzes von land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnissen und daraus hergestellten Erzeugnissen;
2. zur Erschließung und Pflege von Märkten für diese Erzeugnisse im In- und Ausland;
3. zur Verbesserung des Vertriebs dieser Erzeugnisse;
4. zur Förderung von allgemeinen Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung und -sicherung bezüglich dieser Erzeugnisse (insbesondere der entsprechenden landwirtschaftlichen Erzeugnisse) sowie zur Vermittlung von für die Verbraucher relevanten Informationen hinsichtlich Qualität, Aspekte des Verbraucherschutzes und des Wohlergehens der Tiere sowie sonstiger Produkteigenschaften dieser Erzeugnisse;
5. zur Förderung sonstiger Marketingmaßnahmen (insbesondere damit zusammenhängender Serviceleistungen und Personalkosten).
(2) ..."
3.1.2. § 21b Z 2 und 12 AMA-Gesetz lauten samt Überschrift
"Begriffsbestimmungen
§ 21b. Im Sinne dieses Abschnitts sind:
1. [...]
2. Versand: die Übernahme von Milch und deren Weiterleitung zur Bearbeitung oder Verarbeitung;
3. ... 11.
12. Übernahme: Erwerb der Verfügungsmacht über eine Ware;
13. ... 17. [...]"
3.1.3. Gemäß § 21c Abs. 1 Z 1 AMA-Gesetz ist bei Übernahme von Milch zum Versand oder zur Bearbeitung oder Verarbeitung, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen ein Beitrag zu entrichten.
3.1.4. Gemäß § 21e Abs. 1 Z 1 AMA-Gesetz ist Beitragsschuldner für Milch der Versender oder der Inhaber des Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebs, soweit nicht bereits ein Versender oder Inhaber eines anderen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebs beitragspflichtig ist.
3.1.5. § 21i Abs. 1 bis 3 AMA-Gesetz lauten samt Überschrift:
"Beitragserhebung
§ 21i. (1) Die Erhebung des Beitrags obliegt der AMA.
(2) Gegen Bescheide der AMA auf Grund dieses Abschnittes ist eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig.
(3) Die AMA hat bei der Vollziehung dieses Abschnittes die BAO in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.
(4) ..."
3.1.6. Die §§ 21 Abs. 1 und 22 BAO lauten samt Überschrift:
"2. Wirtschaftliche Betrachtungsweise.
§ 21. (1) Für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.
(2) Vom Abs. 1 abweichende Grundsätze der Abgabenvorschriften bleiben unberührt.
§ 22. (1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des privaten Rechts kann die Abgabepflicht nicht umgangen oder gemindert werden.
(2) Missbrauch liegt vor, wenn eine rechtliche Gestaltung, die einen oder mehrere Schritte umfassen kann, oder eine Abfolge rechtlicher Gestaltungen im Hinblick auf die wirtschaftliche Zielsetzung unangemessen ist. Unangemessen sind solche Gestaltungen, die unter Außerachtlassung der damit verbundenen Steuerersparnis nicht mehr sinnvoll erscheinen, weil der wesentliche Zweck oder einer der wesentlichen Zwecke darin besteht, einen steuerlichen Vorteil zu erlangen, der dem Ziel oder Zweck des geltenden Steuerrechts zuwiderläuft. Bei Vorliegen von triftigen wirtschaftlichen Gründen, die die wirtschaftliche Realität widerspiegeln, liegt kein Missbrauch vor.
(3) Liegt Missbrauch vor, so sind die Abgaben so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären."
3.2. Anwendung auf den gegenständlichen Fall:
3.2.1. Zusammengefasst ging die belangte Behörde gegenständlich davon aus, dass die Beschwerdeführerin bereits durch deren physische Übernahme der Milch der Milchproduzenten und den Transport und die Übergabe an die Milchverarbeiterin als "Versender" i.S.d. § 21e Abs. 1 Z 1 AMA-Gesetz Agrarmarketingbeiträge schuldet. Anders wäre dies aus Sicht der belangten Behörde hingegen zu sehen, wenn es zu keiner sammellogistischen Vorgangsweise käme, d.h. es Einzelaufträge eines einzelnen Landwirts gäbe und dessen Milch zu einem milchverarbeitenden Betrieb gebracht werde. Dies sei eben durch das Anfahren mehrerer Landwirte samt der Vermischung der Milch anders (OZ 8, S. 5 f).
3.2.2. Demgegenüber vertritt die Beschwerde die Auffassung, dass die Beschwerdeführerin durch die bloß physische Übernahme der Milch noch keine "Verfügungsmacht" über eine Ware i.S.d. § 21b Z 12 erlangt habe. Sohin sei die Beschwerdeführerin aber noch nicht Versender und damit auch keine Beitragsschuldnerin. Damit ist die Beschwerde im Recht:
3.2.3. Dem in § 21a AMA-Gesetz genannten Beitragszweck zufolge kommen die durch die AMA eingehobenen Agrarmarketingbeiträge durch die dem Gesetz entsprechende Mittelverwendung im Ergebnis grundsätzlich den Betrieben des jeweiligen Produktionszweiges zugute. Der Beitragsbelastung durch den Agrarmarketingbeitrag stehen typischerweise die wirtschaftlichen Vorteile aus der Mittelverwendung für Zwecke der Marketingmaßnahmen im jeweiligen Produktionsbereich gegenüber. Der Agrarmarketingbeitrag ist sohin von allen Unternehmen, die im jeweiligen Produktionszweig tätig sind, einzuheben (vgl. VwGH 21.11.2018, Ra 2017/17/0777, Rz. 21 bis 23).
3.2.4. Die Beschwerdeführerin ist als Speditionsunternehmen, welches mit Milchtransporten von Erzeugern zu Verarbeitern etwa ein Viertel seines Gesamtumsatzes erzielt, nicht als im Produktionszweig der Milchproduktion- bzw. -verarbeitung tätig seien anzusehen. Schon deshalb scheidet eine Qualifikation als Beitragspflichtiger aus.
3.2.5. Selbst wenn man dies anders sehen würde, so ist die Beschwerdeführerin auch nicht als "Versender" i.S.d. § 21e Abs. 1 Z 1 AMA-Gesetz anzusehen: Dies würde zunächst eine "Übernahme der Verfügungsmacht" über die Milch voraussetzen. Darunter wiederum ist das bzw. ein Recht zu verstehen, anzuordnen zu können, was mit der Milch zu geschehen hat, z.B. wohin sie konkret zu transportieren ist (vgl. das erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 21.11.2018, Rz. 16). Nach den festgestellten Auftragsverhältnissen, nach diesen wurden die streitgegenständlichen Transporte durch die Beschwerdeführerin auch durchgeführt, kommt der Beschwerdeführerin ein solches Recht jedoch nicht zu. Auch sonst ist nicht hervorgekommen, dass ein solches Recht bestehen würde oder der Beschwerdeführerin eingeräumt wurde.
3.2.6. Die Beschwerdeführerin hat sich verpflichtet, Milch von den Milchproduzenten - nach einer vereinbarten "Tourenplanung" - abzuholen, zur Übergabestelle in Deutschland zu transportieren und von dort weiter zur Milchverarbeiterin. Ein Recht, eigenständig über das Schicksal bzw. den Verbleib der Milch zu bestimmen, etwa wohin diese zu transportieren ist, kommt ihr danach nicht zu. Somit erwirbt sie bei Abholung keine "Verfügungsmacht" über die Milch und "übernimmt" diese i.S.d. § 21b Z 12 AMA-Gesetz daher auch nicht. Die Beschwerdeführerin wurde mit den streitgegenständlichen Transporten letztlich auch nicht "Versender". In der Folge scheidet auch eine Beitragspflicht nach dem AMA-Gesetz aus.
3.2.7. Auch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise i.S.d. § 21 Abs. 1 BAO, auf diese weist die belangte Behörde in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung hin, führt zu keinem anderslautenden Ergebnis: So ist zwar richtigerweise bei der Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht das äußere Erscheinungsbild des Sachverhalts maßgebend (vgl. etwa VwGH 22.11.2018, Ra 2017/17/0025). Fallbezogen ändert nun jedoch die Tatsache, dass die Milch im Rahmen einer Tour von mehreren Milchproduzenten abgeholt und vor Ablieferung bei der Milchverarbeiterin vermischt wird nichts. Schon die allgemeine Lebenserfahrung besagt, dass Speditionsunternehmen (Transportunternehmen) durch die hiefür eingesetzten Fahrzeuge (Milchtanklastwagen) und deren Fassungsvermögen in der Regel mehr als nur die Milch von einem Produzenten abholen und etwa bei einem Verarbeitungsbetrieb abliefern. Eine solche "Sammellogistik" macht also einen bloß "faktischen" Übernehmer der Milch, welcher gemäß vertraglicher Vorgaben diese an eine bestimmte Person nur zu liefern hat, noch nicht zum "Versender" i.S.d. § 21e Abs. 1 Z 1 AMA-Gesetz. Eine solche Rolle folgt auch nicht daraus, dass die Verrechnung des Werklohns für die Transporte über einen Dritten (hier dem " XXXX ") erfolgt; ebenso nicht, dass der Dritte bevollmächtigt wird, für die einzelnen Milchproduzenten die Höhe des Werklohns auszuhandeln. Auch diese Umstände bringen die Beschwerdeführerin noch nicht in eine Rolle, welche ihr wiederum eine (wenn auch nur wirtschaftliche) Befugnis einräumt, über den Verbleib der übernommenen Milch zu disponieren. Schließlich folgt für das erkennende Gericht auch aus dem Umstand, dass die Milchverarbeiterin in Österreich keine "Fakturierungsstelle" mehr hat (über diese wurde vor Ende der Milchquotenregelung kontrahiert), keine Rolle der Beschwerdeführerin als "Versender" i.S.d. AMA-Gesetzes.
3.2.8. Auch sonst erschließt sich aus dem festgestellten Sachverhalt für das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass die gewählten Vertragskonstruktionen zwischen ihr und den Milchproduzenten, mit der Milchverarbeiterin oder dem XXXX i.S.d. § 22 BAO auf eine Umgehung der Beitragspflicht durch einen "Versender" § 21e Abs. 1 Z 1 AMA-Gesetz abzielen würden.
3.2.9. Da die Voraussetzungen für die Vorschreibung für einen Agrarmarketingbeitrag für die streitgegenständlichen Transporte gemäß dem zweiten Abschnitt des AMA-Gesetzes niemals vorlagen und der die Leistung der Beiträge vorschreibende Bescheid vom 06.09.2017 nicht hätte ergehen dürfen, war die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde ersatzlos zu beheben (vgl. zur Behandlung einer Beschwerdevorentscheidung im Fall, dass eine Entscheidung in der betreffenden Sache gar nicht hätte ergehen dürfen VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026). Auf die mit der Beschwerdevorentscheidung (Spruchpunkt 2.) erfolgte Zurückweisung des Antrags auf aufschiebende Wirkung war in weiterer Folge nicht mehr einzugehen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (s. die oben unter A) wiedergegebene Rechtsprechung, insbesondere das die Auslegung des Begriffs der Verfügungsmacht klärende Erkenntnis vom 21.11.2018); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, insbesondere auch weil die fallbezogen anzuwendenden Bestimmungen bereits ihrem Wortlaut nach ausreichend klar sind.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Beitragserklärung, Beitragspflicht,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W270.2172293.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.06.2020