TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/27 W270 2134246-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.11.2019
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Entscheidungsdatum

27.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W270 2134246-2/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. GRASSL über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch RA Dr. Helmut Blum, Mozartstraße 11/6, A-4020 Linz, sowie die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Reichsstraße 173, 6800 Feldkirch, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2019, Zl. XXXX , in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., III., IV., V., und VI. des angefochtenen Bescheids wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG 2014 i. V.m. § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 stattgegeben und diese Spruchpunkte ersatzlos behoben.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG 2014 i.V.m. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 18.07.2021 gewährt.

B)

Die Revision gegen die Spruchpunkte A.I. und A.II. ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 11.06.2019 stellte XXXX (in Folge: "Beschwerdeführer") den Antrag auf Verlängerung einer im eingeräumten befristeten Aufenthaltsberechtigung. Aufgrund von der belangten Behörde im Zuge des Ermittlungsverfahrens dazu bekannt gewordener Sachverhaltselemente leitete die Behörde auch von Amts wegen ein Verfahren zur Aberkennung subsidiären Schutzes wegen geänderter Umstände ein.

2. Am 31.07.2019 vernahm die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zu seinem Antrag sowie betreffend die Aberkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter ein.

3. Mit Bescheid vom 02.08.2019 erkannte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den ihm mit Bescheid vom 14.07.2016 zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkt I.), wies den Antrag vom 11.04.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Ebenso stellte die belangte Behörde fest, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass sich die subjektive Lage des Beschwerdeführers geändert habe. Der Beschwerdeführer habe auch keine aktuelle Furcht vor Verfolgung in Afghanistan glaubhaft machen können. Auch sonst liege keine Voraussetzung für die Gewährung subsidiären Schutzes vor, weil dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe. Auch sah die die belangte Behörde keine besondere Integration des Beschwerdeführers in Österreich, damit kein schützenswertes Privat- oder Familienleben und keine Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung.

4. In einer gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde legte der Beschwerdeführer insbesondere dar, dass sich die Lage in Afghanistan nicht geändert habe. Vielmehr würden wirtschaftliche Rahmenbedingungen und Sicherheitslage weiterhin subsidiären Schutz erfordern. Der Beschwerdeführer wies auch auf bestimmte integrative Schritte hin, welche die Entscheidung rechtfertigen würden, eine Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu sehen. Seiner Beschwerde schloss der Beschwerdeführer auch Urkunden über Vorgänge in seinem Leben in Österreich an.

5. Am 13.09.2019 erstattete der Beschwerdeführer eine Beschwerdeergänzung.

6. Mit verfahrensleitender Anordnung vom 17.10.2019 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht um die Vorlage weiterer Unterlagen betreffend den Inhalt von Arbeitstätigkeiten des Beschwerdeführers in Österreich.

7. Mit Stellungnahme vom 29.10.2019 legte der Beschwerdeführer u.a. weitere Beweismittel betreffend Arbeitstätigkeiten in Österreich vor.

8. Im Rahmen des in der Folge eingeräumten Parteiengehörs äußerte sich die belangte Behörde zur Stellungnahme des Beschwerdeführers sowie den vorgelegten Beweismitteln nicht.

II. Feststellungen:

1. Zur Zuerkennung und Verlängerung des Status als subsidiär

Schutzberechtigter:

1.1. Mit Bescheid vom 14.07.2016 erkannte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu. Sie erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 18.07.2017.

1.2. Die belangte Behörde stellte auf S. 6 f des Bescheids vom 14.07.2016 als Sachverhalt u.a. fest, dass der Beschwerdeführer 12 Jahre lang die Schule besucht und seinen Lebensunterhalt als selbstständiger Tischler verdient habe. In Afghanistan, und zwar in der Provinz Jawzjan, im Distrikt Aqcha würden nach wie vor die Eltern des Beschwerdeführers und weitere Angehörige leben. Er sei lediglich in der nahen Umgebung seines Heimatdorfs ortskundig und die Situation in der Heimatprovinz sei prekär.

1.3. Die belangte Behörde traf u.a. folgende Feststellungen zur Lage in Afghanistan betreffend die Situation von Rückkehrern (S. 68 ff des Bescheids vom 14.07.2016):

"In den letzten zehn Jahren sind im Rahmen der freiwilligen Rückkehr durch UNHCR 3.5 Millionen afghanische Flüchtlinge zurückgekehrt. Insgesamt sind 5.8 Millionen Afghaninnen und Afghanen aus verschiedenen Teilen der Welt nach Afghanistan zurückgekehrt. USDOS berichtet, dass in den Jahren von 2002 bis 2014, Finanzierungen verwendet wurden um Transportkosten und anfängliche Notwendigkeit bei Rückkehr, für mehr als 4.7 Millionen zur Verfügung zu stellen. Somit hat eine große Zahl der afghanischen Bevölkerung einen Flüchtlingshintergrund. Im Jahr 2015 sind 50.000 afghanische Flüchtlinge aus Pakistan im Rahmen des Programms der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan zurückgekehrt.

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Rückkehrer aus Iran und Pakistan stark gestiegen. 2014 lag die Zahl der Rückkehrer bei knapp 17.000, davon über 12.000 aus PAK. Bis Ende Oktober 2015 sind im laufenden Jahr fast 56.000 zurückgekehrt, davon über 53.000 aus Pakistan. Zwei Drittel der Rückkehrer siedeln sich in fünf Provinzen an: Kabul, Nangarhar, Kunduz, Logar und Baghlan. Laut UNHCR-Afghanistan kehrten im Jahr 2014 insgesamt 17.000 Menschen freiwillig nach Afghanistan zurück. Die Kapazität der Regierung Rückkehrer/innen aufzunehmen war auch weiterhin niedrig. Die Zahl der Rückkehrer/innen während des Jahres 2014 verringerte sich aufgrund von Unsicherheiten in Bezug auf die Sicherheitslage im Rahmen der Post-Transitionszeitraumes und aufgrund des Auslaufens der proof of Residence Card (PoR Card) für afghanische Flüchtlinge in Pakistan. In Pakistan werden etwa 1.5 Millionen afghanische Flüchtlinge, die im Besitz einer PoR Card sind von UNHCR unterstüzt.

Die afghanische Regierung kooperierte auch weiterhin mit UNHCR, der Internationalen Organisation für Migration (IOM), sowie anderen humanitären Organisationen, um intern vertrieben Personen, Flüchtlingen, Rückkehrer/innen und andern Menschen Schutz und Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Regierungsunterstützung für vulnerable Personen, inklusive Rückkehrer/innen aus Pakistan und Iran, war gering, mit einer anhaltenden Abhängigkeit von der internationalen Gemeinschaft. Die Reintegration von Rückkehrer/innen war schwierig. Rückkehrerinnen und Rückkehr hatten angeblich gleichwertigen Zugang zu Gesundheits-, Bildungs- und anderen Leistungen, obwohl manche Gemeinden, die für Rückkehrer/innen vorgesehen waren, angaben, dass eingeschränkter Zugang zu Transport und Straßen zu größeren, besser etablierten Dörfern und städtischen Zentren fehlte. Dies erschwerte den Zugang zu Dienstleistungen und wirtschaftlichen Möglichkeiten.

In Iran und Pakistan halten sich derzeit noch ca. 3 Millionen afghanische Flüchtlinge auf. Dazu kommen nicht registrierte Afghanen, die von der iranischen Regierung jedoch nicht als Flüchtlinge anerkannt sind. Insbesondere von iranischer Seite, in Teilen auch von Pakistan, werden sie gelegentlich als politisches Druckmittel gegenüber Afghanistan ins Feld geführt. Gleichzeitig gelten die Flüchtlinge auch als günstige Arbeitskräfte. In Afghanistan wird zwischen Rückkehrern aus den Nachbarstaaten Iran und Pakistan (die größte Gruppe afghanischer Flüchtlinge) und freiwilliger Rückkehr oder Abschiebung aus v.a. westlichen Staaten unterschieden. Für Rückkehrer aus den genannten Nachbarländern leistet UNHCR in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung bestehen Probleme in der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, so dass Hilfe nicht immer dort ankommt, wo Rückkehrer sich niedergelassen haben.

Die Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, die Niederlande und Schweden haben mit Afghanistan und dem UNHCR sog. Drei-Parteien-Abkommen zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland geschlossen. Die Abkommen sehen u.a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Von Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Australien ist bekannt, dass diese Länder abgelehnte Asylbewerber afghanischer Herkunft nach Afghanistan abschieben. Von Norwegen ist bekannt, dass auch Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Einige Länder arbeiten eng mit IOM in Afghanistan zusammen, insbesondere auch, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet psychologische Betreuung, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche an.

Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bin hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani selbst verbrachte die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil.

1.4. Rechtlich folgte für die belangte Behörde (AS 245) vor dem Hintergrund des § 8 AsylG 2005 von einer realen Gefahr einer Bedrohung auszugehen sei. Eine aktuelle instabile Sicherheitslage der Heimatprovinz Jawzjan sei erkennbar. In einer anderen Provinz Afghanistans verfüge der Beschwerdeführer nicht über soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte. Daher sei ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, zumal für ihn als Zivilperson eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens nicht ausreichend ausgeschlossen werden kann.

1.5. Mit Bescheid vom 24.07.2019 wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 18.07.2019 erteilt.

1.6. Am 11.06.2019 brachte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde den Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes ein.

2. Zu möglichen geänderten Umständen:

2.1. Zur derzeit maßgeblichen Lage in Afghanistan:

2.1.1 Zur Lage von Rückkehrern:

Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand 21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück.

Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98% aus Pakistan sowie 2% aus Iran und anderen Ländern).

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Nichtsdestotrotz versucht die afghanische Regierung die gebildete Jugend, die aus Pakistan zurückkehrt, aufzunehmen (BTI 2018). Von den 2.1 Millionen Personen, die in informellen Siedlungen leben, sind 44% Rückkehrer/innen. In den informellen Siedlungen von Nangarhar lebt eine Million Menschen, wovon 69% Rückkehrer/innen sind. Die Zustände in diesen Siedlungen sind unterdurchschnittlich und sind besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81% der Menschen in informellen Siedlungen sind Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26% haben keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24% leben in überfüllten Haushalten.

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten. Im Jangalak Aufnahmezentrum befanden sich 24 Zimmer, mit jeweils 2-3 Betten. Jedes Zimmer war mit einem Kühlschrank, Fernseher, einer Klimaanlage und einem Kleiderschrank ausgestattet. Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden.

Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:

IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM-Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt läuft mit 31.12.2019 aus und sieht eine Teilnahme von 490 Personen vor. IOM setzt im Zuge von Restart II unterschiedliche Maßnahmen um, darunter Rückkehr - und Reintegrationsunterstützung. In Kooperation mit Partnerinstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert. IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an. ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind. AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an. Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird.

NRC (Norwegian Refugee Council) bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an. Auch hilft NRC Rückkehrer/innen bei Grundstücksstreitigkeiten. Kinder von Binnenvertriebenen und speziell von Rückkehrer/innen aus Pakistan sollen auch die Möglichkeit haben die Schule zu besuchen. NRC arbeitet mit dem afghanischen Bildungsministerium zusammen, um Schulen mit Unterrichtsmaterialien zu unterstützen und die Kapazitäten in diesen Institutionen zu erweitern. IDPs werden im Rahmen von Notfallprogrammen von NRC mit Sachleistungen, Nahrungsmitteln und Unterkunft versorgt; nach etwa zwei Monaten soll eine permanente Lösung für IDPs gefunden sein. Auch wird IDPs finanzielle Unterstützung geboten: pro Familie werden zwischen 5.000 und 14.000 Afghani Förderung ausbezahlt. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden.

UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben.

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten.

(Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan [in Folge: "LIB"], Abschnitt 24. "Rückkehr")

2.1.2. Änderungen im Hinblick auf die Sicherheitslage sowie die sonstigen sozioökonomischen Rahmenbedingungen für Neuansiedler in den Städten Mazar-e Sharif sowie Herat:

Die Sicherheitslage und die - sofern dazu nicht bereits unter Pkt. II.2.1.1. Feststellungen getroffen wurden - sozioökonomischen Rahmenbedingungen betreffend die Grundversorgung der Bevölkerung, die sanitäre Situation, die medizinische Versorgungssituation den Zugang zu Wohnraum- und Erwerbstätigkeiten sowie die allgemeinen Lebensbedingungen in den Städten Herat sowie Mazar-e Sharif haben sich gegenüber der Lage bzw. den Bedingungen im Mai 2016 für Rückkehrer bzw. Neuansiedler nicht nachhaltig bzw. wesentlich verbessert.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

2.2.1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und wurde am XXXX in der Provinz Jawzjan geboren und wuchs dort auch auf. Es leben noch Verwandte des Beschwerdeführers in dessen Heimatdorf, jedoch nicht an anderen Orten in Afghanistan. Auch sonstige soziale Kontakte bestehen nicht außerhalb des Heimatdorfs.

2.2.2. Der Beschwerdeführer verfügt über eine zwölfjährige Schulbildung in Afghanistan und auch mehrjährige Arbeitserfahrung. So war er vor seiner Ausreise aus diesem Staat drei Jahre Tischlerlehrling und arbeitete anschließend zwei Jahre in diesem Beruf.

2.2.3. Der Beschwerdeführer arbeitete in Österreich von 01.02.2017 bis 10.04.2017 als "Hilfskraft" bei der XXXX , von 19.07.2017 bis 18.08.2017 als Abwäscher bei der XXXX ., von 15.12.2017 bis 10.04.2018 bei der XXXX als Hilfskraft. Seit dem 16.05.2018 arbeitet er als Abwäscher für die XXXX .

III. Beweiswürdigung:

1. Zu den Feststellungen zur Zuerkennung und Verlängerung des Status als subsidiär Schutzberechtigter sowie zur gegenständlichen Antragstellung:

Die Feststellungen zur Zuerkennung und Verlängerung des Status als subsidiär Schutzberechtigten sowie zur gegenständlichen Antragstellung folgen aus den in den vorlegten Akten einliegenden Bescheiden.

2. Zu den Feststellungen zu möglichen geänderten Umständen:

2.1. Zu den Feststellungen zur maßgeblichen Lage in Afghanistan:

2.1.1. Die Feststellungen zur maßgeblichen Lage in Afghanistan beruhen einerseits auf den nachvollziehbaren und aktuellen Angaben der Staatendokumentation. Sie wurden auch bereits von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffen. Insoweit vom Beschwerdeführer auf S. 6 der Beschwerde auf Aussagen von Thomas Ruttig hingewiesen werden ist festzuhalten, dass diese einerseits aus 2017 stammen. Auch sind sie wertend (d.h. Ruttig beurteilt die Werthaltigkeit vorhandener Unterstützungsmaßnahmen) und stehen letztlich den im LIB genannten Unterstützungsmöglichkeiten auch nicht entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht sah sich vor dem Hintergrund dieses Vorbringens nicht veranlasst anderslautende Feststellungen zu treffen oder weitere Ermittlungsschritte zu setzen.

2.1.2. Die Feststellungen zu Lage in Afghanistan beruhen andererseits auch auf einem, vom Bundesverwaltungsgericht zusätzlich in das Verfahren eingeführten, nachvollziehbaren Bericht des EASO aus Februar 2018 betreffend die Funktionsweise und Bedeutung von Netzwerken in der afghanischen Gesellschaft. Dieser Bericht blieb von den Parteien unbestritten.

2.1.3. Die Feststellungen betreffend den Vergleich der Sicherheitslage folgen aus einer Gegenüberstellung der Ausführungen zur Sicherheitslage auf den S. 7 bis 14 des Bescheids vom 31.05.2016 mit dem LIB in der Fassung der Kurzinformation vom 04.06.2019 und den dortigen Ausführungen zur Sicherheitslage in den Städten Mazar-e Sharif und Herat. Die Feststellungen betreffend die sozioökonomischem Rahmenbedingungen gründen auf einem Vergleich der Feststellungen auf den S. 22 bis 23 des im Vorsatz erwähnten Bescheids mit den Ausführungen im LIB in der Fassung der Kurzinformation vom 04.06.2019 sowie dem nachvollziehbaren und von den Verfahrensparteien als solches unbestritten gebliebenen Bericht des EASO über sozioökonomische Rahmenbedingungen u.a. in den Städten Mazar-e Sharif und Herat vom April 2019 (abrufbar unter:

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO_COI_Afghanistan_KSEI_April_2019.pdf, abgerufen am 26.11.2019).

2.2. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

2.2.1. Die Feststellungen zu den Arbeitstätigkeiten des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf den von ihm mit der Stellungnahme vom 29.10.2019 (OZ 5) vorgelegten Urkunden, an deren Echtheit und Richtigkeit sich das erkennende Gericht nicht zu zweifeln veranlasst sah. Sie decken sich auch mit dem im Verfahrensakt einliegenden Versicherungsdatenauszug.

2.2.3. Die übrigen Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers beruhen auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid. Die diesbezügliche Beweiswürdigung wird als richtig gesehen. Die Tatsachenfeststellungen blieben auch unbestritten. Leichte Ergänzungen erfolgten aufgrund der nicht als unglaubwürdig zu sehenden Angaben in der Vernehmung am 31.07.2019 betreffend die Tätigkeit als Tischler.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A.I.: Ersatzlose Behebung der Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheids

1. Maßgebliche Rechtslage:

1.1. Unionsrecht:

1.1.1. Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in Folge: "Statusrichtlinie") lautet samt Überschrift:

"Interner Schutz

(1) Bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz können die Mitgliedstaaten feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern er in einem Teil seines Herkunftslandes

a) keine begründete Furcht vor Verfolgung hat oder keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht oder

b) Zugang zu Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden gemäß Artikel 7 hat,

und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei Prüfung der Frage, ob ein Antragsteller begründete Furcht vor Verfolgung hat oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht, oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden in einem Teil seines Herkunftslandes gemäß Absatz 1 in Anspruch nehmen kann, berücksichtigen die Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers gemäß Artikel 4. Zu diesem Zweck stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, eingeholt werden."

1.1.2. Art. 16der Statusrichtlinie lautet samt Überschrift:

"Erlöschen

(1) Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser hat keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist.

(2) Bei Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

(3) Absatz 1 findet keine Anwendung auf eine Person, der subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, die sich auf zwingende, auf früher erlittenem ernsthaftem Schaden beruhende Gründe berufen kann, um die Inanspruchnahme des Schutzes des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, oder wenn sie staatenlos ist, des Landes, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, abzulehnen."

1.1.3. Art. 19 der Statusrichtlinie lautet samt Überschrift:

"Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des subsidiären Schutzstatus

(1) Bei Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG gestellt wurden, erkennen die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannten subsidiären Schutzstatus ab, beenden diesen oder lehnen seine Verlängerung ab, wenn die betreffende Person gemäß Artikel 16 nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann.

(2) Die Mitgliedstaaten können einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannten subsidiären Schutzstatus aberkennen, diesen beenden oder seine Verlängerung ablehnen, wenn er nach der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß Artikel 17 Absatz 3 von der Gewährung subsidiären Schutzes hätte ausgeschlossen werden müssen.

(3) Die Mitgliedstaaten erkennen einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den subsidiären Schutzstatus ab, beenden diesen oder lehnen eine Verlängerung ab, wenn

a) er nach der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß Artikel 17 Absätze 1 und 2 von der Gewährung subsidiären Schutzes hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen ist;

b) eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen seinerseits, einschließlich der Verwendung falscher oder gefälschter Dokumente, für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ausschlaggebend war.

(4) Unbeschadet der Pflicht des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, gemäß Artikel 4 Absatz 1 alle maßgeblichen Tatsachen offen zu legen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen, weist der Mitgliedstaat, der ihm den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat, in jedem Einzelfall nach, dass die betreffende Person gemäß den Absätzen 1 bis 3 dieses Artikels keinen oder nicht mehr Anspruch auf subsidiären Schutz hat."

1.2. Nationales Recht:

1.2.1. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 lautet samt Überschrift:

"Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

1.2.2. § 9 Abs. 1 AsylG 2005 lautet samt Überschrift:

"Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

2. Anwendung auf den gegenständlichen Fall:

Streitwesentliche Ausführungen im angefochtenen Bescheid bzw. streitwesentliches Vorbringen der Parteien

2.1. Auf S. 8 des angefochtenen Bescheids stellte die belangte Behörde eine Änderung der subjektiven Lage des Beschwerdeführers im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt fest.

2.2. In der Beweiswürdigung ab S. 90 des angefochtenen Bescheids weist die belangte Behörde darauf hin, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei, weil er damals, d.h. zum Entscheidungszeitpunt, über keine familiären Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfügt habe und somit von keiner innerstaatlichen Fluchtalternative ausgegangen werden konnte. Diese Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten lägen zum gegenwertigen Entscheidungszeitpunkt jedoch nicht mehr vor. Zwar seien laut den aktuellen Länderinformationen Teile des Heimatlandes des Beschwerdeführers nach wie vor als (gemeint wohl: nicht ausreichend) stabil zu bewerten, ihm sei jedoch eine Neuansiedlung in den Städten Mazar-e Scharif und Herat zuzumuten. Er sei ein gesunder Mann und befinde sich im erwerbsfähigen Alter. Er verfüge über Schulbildung und habe Arbeitserfahrung gesammelt. Es sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr für seine Existenzsicherung aufkommen könne. Auch führe ein fehlender sozialer bzw. familiärer "Background" bzw. eine fehlende Unterstützung in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif führen nicht mehr zur Unzumutbarkeit einer Neuansiedlung. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer als Erwachsener, arbeitsfähig und gesunden Mann seinen Lebensunterhalt in eigener Regie organisieren und bewerkstelligen konnte und dabei im Bedarfsfall auch auf die diversen Unterstützungsnetzwerke zurückgreifen könnte. Somit sei es ihm auch zuzumuten, sich in Mazar-e Sharif oder Herat niederzulassen, zumal diese Städte lauten Länderfeststellungen als relativ sicher gelten. Deshalb lägen derzeit jene Voraussetzungen, die die Gewährung subsidiären Schutzes unabdingbar machten, nicht mehr vor.

2.3. "Des Weiteren", so die belangte Behörde in der Bescheidbegründung außerdem, habe sich auch die "subjektive Lage "im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt dahingehend geändert, als der Beschwerdeführer aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in Europa und einer damit einhergehenden Sammlung eines massiven Zuwachses an Lebenserfahrung nunmehr auch sich alleine gestellt seinen Lebensunterhalt in Afghanistan bestreiten könne. Es sei ihm nun schließlich zuzumuten, selbst unter durchaus schweren Bedingungen am Arbeitsmarkt einer Beschäftigung zu suchen und möglicherweise durch das verrichten von Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, umso mehr er auch in einem fremden Land, dessen Sprache er nicht beherrsche, Arbeit gefunden habe. Helfen könne ihm dabei auch die vielseitige Arbeit, die der Beschwerdeführer in Österreich gemacht habe, so habe er hier in der Küche wie auch als Abwäscher gearbeitet. Er könne somit den verschiedenen Branchen arbeiten und habe deswegen einen Vorteil gegenüber anderen, die nur in einer Branche eine Arbeit finden können. Ebenso sei als Mensch gereift, habe somit mehr Lebenserfahrung vorzuweisen, was ihm bei einer Ansiedlungen Herat oder in Mazar-e Scharif von Nutzen sein werde.

2.4. Überdies fügte die belangten Behörde ihrer Entscheidungsbegründung hinzu, dass der Beschwerdeführer nun "freilich" auch auf eine Vielzahl an internationalen Einrichtungen zurückgreifen könnte, die Rückkehr unterstützen. Dazu zählen neben der afghanischen Regierung auch internationale äußert Ionen wie die Internationale Organisation für Migration UNHCR, US-amerikanische Organisationen sowie lokale Nichtregierungsorganisationen. Weiters könne eine finanzielle Rückkehrhilfe als Startkapital für ihren Neubeginn im Heimatland gewährt werden.

2.5. In der rechtlichen Beurteilung (S. 94) des angefochtenen Bescheids hielt die belangte Behörde die nicht mehr vorliegenden Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten fest und verwies neuerlich auf die oben auf das Wesentliche zusammengefassten Ausführungen in der Beweiswürdigung. Sie fügte sie fügte auch hinzu, dass der Beschwerdeführer auch auf Nachfragen der belangten Behörde nichts vorbrachte oder glaubhaft machte, dass eine aktuell vorliegende Gefährdung seiner Person annehmen ließe.

2.6. In seiner Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, dass sich die Lage in Afghanistan keineswegs derart maßgeblich geändert habe, dass eine Aberkennung des subsidiären Schutzstatus gerechtfertigt wäre. In der Beschwerde wird auch die Feststellung bestritten, dass Angehörige des Beschwerdeführers in der Lage wären, diesen finanziell zu unterstützen. Ebenso führt die Beschwerde unter Hinweis etwa auf die Richtlinien des UNHCR darauf hin, dass etwa in den steten Herat und Mazar I Scharif keine entsprechende langfristige Sicherheit und Lebensgrundlage gegeben wäre.

2.7. Die Beschwerdeergänzung vom 13.09.2019 führt darüber hinaus auch aus, dass im Fall des Beschwerdeführers Umstände vorliegen, die zusammengefasst dazu führen, dass nicht vom Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgegangen werden kann. Aus bestimmten Berichten sei zu entnehmen, dass sich die Situation in Afghanistan im Hinblick auf die Sicherheitslage keinesfalls gebessert habe. Der Beschwerdeführer führt weiters aus, dass dem Grundprinzip der Rechtssicherheit entsprechend nur bei wesentlichen Änderungen der Sachlage eine Durchbrechung der Rechtskraft zulässig sei. Auch sei Art. 16 Abs. 2 der Statusrichtlinie in der Weise zu lesen, dass nur bei dauerhafter und wesentlicher Veränderung im Herkunftsstaat kein subsidiärer Schutz mehr gebühre. Zu betonen sei ebenso, dass eine geänderte Rechtsprechung der Höchstgerichte, nach der die Wahrnehmung einer innerstaatlichen Fluchtalternative grundsätzlich dann möglich und zumutbar sei, wenn es sich um einen jungen gesunden erwerbsfähigen Mann handle, keine rechtliche Grundlage dafür bietet, den Grundsatz der Rechtskraft zu durchbrechen. Auch aus § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 und der Statusrichtlinie lasse sich eine solche Berechtigung nicht ableiten. In seiner Beschwerdeergänzung bringt der Beschwerdeführer weiters vor (S. 52), dass sich seine persönliche Situation, abgesehen von seiner Integrationsverfestigung in Österreich, nicht verändert habe. Den Österreich erlernte Beruf würde dem Beschwerdeführer in seiner Heimat nichts nützen, zumal dort ein ganz anderes Wirtschaftssystem herrsche. Er wendet sich auch gegen das Argument der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe durch länderübergreifende Reisen Lebenserfahrung sammeln können.

2.8. Mit seinen Einwendungen gegen die Aberkennung subsidiären Schutzes ist der Beschwerdeführer letztlich im Recht:

Zur möglichen Erfüllung von § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005

2.9. Wie dargelegt geht die belangte Behörde davon aus, dass die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Hinblick auf den Beschwerdeführer "nicht mehr" vorliegen, also der zweite Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 erfüllt sei. Allerdings begründet die belangte Behörde ihren Bescheid auch damit, dass "derzeit" jene Voraussetzungen, welche die Gewährung "unabdingbar machten", nicht mehr vorliegen (Bescheid S. 90). Davor führt sie insbesondere aus, dass ein "fehlender sozialer bzw. familiärer Background" nicht zu einer Unzumutbarkeit einer Neuansiedlung in Städten wie Herat oder Mazar-e-Sharif führe; dies umso mehr, als der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt als Erwachsener, arbeitsfähig und gesunder Mann in eigener Regie organisieren und bewerkstelligen könne". Dies "im Bedarfsfall" auch unter Rückgriff auf "diverse Unterstützungsnetzwerke". Daraus könnte man einerseits schließen, dass die belangte Behörde davon ausgeht, dass ein Aberkennungsgrund aus "nicht mehr" vorliegenden Gründen gegeben sei. Allerdings spricht die Bescheidbegründung in der Folge davon, dass sich eben "des Weiteren" die "subjektive Lage" des Beschwerdeführers geändert habe. Die belangte Behörde könnte also möglicherweise (auch) davon ausgehen, dass eine Neubeurteilung der "Zumutbarkeit" einer Neuansiedlung an einem anderen Ort als dem Herkunftsort möglich sei, auch wenn sich Umstände (Tatsachen) nicht geändert haben (und nicht bloß begründen wollen, dass einem vorliegenden Aberkennungsgrund kein anderer Grund für die Gewährung subsidiären Schutzes entgegensteht).

2.10. Allenfalls könnte aber die belangte Behörde auch die "Zumutbarkeit" einer innerstaatlichen Fluchtalternative selbst als Umstand bzw. Tatsache verstehen.

2.11. Insoweit die belangte Behörde davon ausgeht, dass die Zumutbarkeit vor einem unveränderten Sachverhalt neu beurteilt werden kann bzw. neu zu beurteilen ist, ist sie nicht im Recht:

2.12. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der (1.) in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder (2.) dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn in den Fallen 1. oder 2. eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden u.a. dann der Status als subsidiär Schutzberechtigter abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung dieses Status "nicht" (1. Fall) oder "nicht mehr" (2. Fall) gegeben sind.

2.13. Auf unionsrechtlicher Ebene behandelt Art. 19 der Statusrichtlinie die Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des subsidiären Schutzstatus. Mit dieser Bestimmung setzte sich der EuGH zuletzt in seiner Entscheidung in der Rechtssache Bilali vom 23.05.2019, Rechtssache C- 720/17 (in Folge: "Urteil Bilali"), auseinander und führte in den Erwägungsgründen 40 bis 44, 47 bis 49 und 51 wörtlich aus:

"40 In Art. 19 der Richtlinie 2011/95 sind die Fälle festgelegt, in denen die Mitgliedstaaten den Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkennen, beenden oder seine Verlängerung ablehnen können oder müssen.

41 In diesem Zusammenhang ist zweitens darauf hinzuweisen, dass Art. 19 Abs. 3 Buchst. b dieser Richtlinie, wie das vorlegende Gericht ausführt, den Verlust des subsidiären Schutzstatus nur für den Fall vorsieht, dass der Betroffene etwas falsch dargestellt oder verschwiegen hat und dies bei der Entscheidung, ihm diesen Status zuzuerkennen, ausschlaggebend war. Des Weiteren sieht keine andere Bestimmung dieser Richtlinie ausdrücklich vor, dass der genannte Status dann aberkannt werden muss oder kann, wenn die betreffende Entscheidung über die Zuerkennung wie im Ausgangsverfahren ohne eine falsche Darstellung oder das Verschweigen seitens des Betroffenen aufgrund unzutreffender Tatsachen getroffen wurde.

42 Drittens ist jedoch festzustellen, dass Art. 19 der Richtlinie 2011/95 auch nicht ausdrücklich ausschließt, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten verloren gehen kann, wenn sich der Aufnahmemitgliedstaat gewahr wird, dass er diesen Status aufgrund unzutreffender, nicht dem Betroffenen zuzurechnender Daten gewährt hat.

43 Es ist daher zu prüfen, ob unter Berücksichtigung auch der Zielsetzung und der allgemeinen Systematik der Richtlinie 2011/95 auf eine solche Situation einer der anderen Gründe für den Verlust des subsidiären Schutzes anwendbar ist, die in Art. 19 der Richtlinie 2011/95 aufgeführt sind.

44 Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass es der allgemeinen Systematik und den Zielen der Richtlinie 2011/95 widersprechen würde, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechtsstellungen Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2014, M'Bodj, C-542/13, EU:C:2014:2452, Rn. 44). Die Situation einer Person, die den subsidiären Schutzstatus auf der Grundlage falscher Daten erlangt hat, ohne jemals die Voraussetzungen hierfür erfüllt zu haben, steht aber in keinem Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes."

[...]

"47 Gemäß diesem Art. 16 Abs. 1 ist ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser grundsätzlich nicht mehr subsidiär Schutzberechtigter, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. Eine solche Änderung der Umstände muss nach Art. 16 Abs. 2 so wesentlich und endgültig sein, dass die betroffene Person nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie zu erleiden.

48 Bereits aus dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95 ergibt sich somit, dass ein Kausalzusammenhang besteht zwischen der Änderung der Umstände nach Art. 16 dieser Richtlinie und der Unmöglichkeit für den Betroffenen, seinen Status des subsidiär Schutzberechtigten zu behalten, da seine ursprüngliche Furcht, einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie zu erleiden, nicht mehr begründet erscheint (vgl. entsprechend Urteil vom 2. März 2010, Salahadin Abdulla u. a., C-175/08, C-176/08, C-178/08 und C-179/08, EU:C:2010:105, Rn. 66).

49 Zwar ergibt sich eine solche Änderung im Allgemeinen daraus, dass sich die tatsächlichen Umstände im Drittland geändert haben und durch diese Änderung die Ursachen, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, beseitigt worden sind, jedoch sieht zum einen Art. 16 der Richtlinie 2011/95 nicht ausdrücklich vor, dass sein Anwendungsbereich auf einen solchen Fall beschränkt ist, und zum anderen kann eine Änderung des Kenntnisstands des Aufnahmemitgliedstaats hinsichtlich der persönlichen Situation der betroffenen Person in gleicher Weise dazu führen, dass die ursprüngliche Befürchtung, dass Letztere einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 dieser Richtlinie erleidet, im Licht der neuen Informationen, die diesem Mitgliedstaat zur Verfügung stehen, nicht mehr begründet erscheint."

[...]

"51 Somit ergibt sich aus Art. 16 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95 im Licht der allgemeinen Systematik und der Zielsetzung dieser Richtlinie, dass der Aufnahmemitgliedstaat, wenn er über neue Informationen verfügt, die belegen, dass ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser, dem er subsidiären Schutz gewährt hat, entgegen seiner ursprünglichen, auf unzutreffende Tatsachen gestützten Beurteilung der Situation dieses Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen niemals einer tatsächlichen Gefahr, einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 dieser Richtlinie zu erleiden, ausgesetzt war, daraus schließen muss, dass sich die der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus zugrunde liegenden Umstände in einer Weise verändert haben, dass die Aufrechterhaltung dieses Status nicht mehr gerechtfertigt ist."

2.14. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs verfolgt § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 das Ziel sicherzustellen, dass nur jenen Fremden, die die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllen, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt. Dies lässt sich auch den Materialien zum Fremdenrechtspaket 2005, kundgemacht mit BGBl. I Nr. 100/2005 entnehmen, indem betont wird, dass der Fremde auch in einem solchen Fall den Schutz Österreichs nicht mehr benötige. Während der erste Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 die Konstellation erfasst, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung von subsidiären Schutz die dafür notwendigen Voraussetzung nicht erfüllt hat, betrifft der von der Behörde und vom Bundesverwaltungsgericht hier zur Anwendung gebrachte § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind. Dies steht im Einklang mit Art. 19 Abs. 1 Statusrichtlinie, wonach bei Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG gestellt wurden, die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannten subsidiären Schutzstatus aberkennen, diesen beenden oder seine Verlängerung ablehnen, wenn die betreffende Person gemäß Art. 16 StatusRL nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rz. 77 f, unter Hinweis auf das erwähnte Urteil des EuGH vom 23.05.2019, und darin Rz. 44 ff).

2.15. Nun liest das Bundesverwaltungsgerichts Rz. 43 des Urteils Bilali so, dass aus Sicht des EuGH eine Aberkennung (bzw. Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung) ausschließlich aus Gründen erfolgen dürfe, welche in Art. 19 der Statusrichtlinie angeführt sind. Dies wären die in Art. 19 Abs. 3 leg.cit. selbst genannten Gründe oder eben die Gründe der Art. 17 und 16 dieser Richtlinie. Wie im Vorabsatz erwogen kommt jedoch fallbezogen Art. 16 Statusrichtlinie nicht in Frage. Da weiters auch die übrigen Fälle des Art. 17 bzw. Art. 19 dafür nicht einschlägig sind, scheidet eine Möglichkeit (oder gar Pflicht) zur Aberkennung, Beendigung oder Verlängerung subsidiären Schutzes aufgrund einer auf einem Rechtsirrtum bzw. einer im Nachhinein als unrichtig erkannten rechtlichen Beurteilung beruhenden Gewährung aus.

2.16. Unbeschadet der Pflicht des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, gemäß dem Art. 4 Abs. 1 Statusrichtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offen zu legen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen, weist gemäß Art. 19 Abs. 4 leg. cit. der Mitgliedstaat, der ihm den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat, in jedem Einzelfall nach, dass die betreffende Person gemäß den Abs. 1 bis 3 dieses Artikels keinen oder nicht mehr Anspruch auf subsidiären Schutz hat (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rz. 78).

2.17. Es ist in Erinnerung zu rufen, dass die von Amts wegen durch die belangte Behörde wie auch durch das Bundesverwaltungsgericht zu prüfende Frage, ob einem Antragsteller auf internationalem Schutz eine - ihm auch zumutbare - innerstaatliche Fluchtalternative i.S.d.

§ 11 AsylG offensteht oder nicht eine Frage der rechtlichen Beurteilung ist, welche auf Grundlage entsprechender Sachverhaltsfeststellungen zu beantworten ist (vgl. VwGH 21.05.2019, Ra 2018/19/0217, Rz. 15). "Zumutbar" bedeutet i.S. einer Auslegung konform mit Art. 8 der Statusrichtlinie, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/02/0096, m.w.N.). Dabei reicht es nicht aus, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er im als innerstaatliche Fluchtalternative angenommenen Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat. Vielmehr muss es ihm möglich sein, in diesem Gebiet nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landesleute führen können (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, Rz. 23). Betreffend die Sicherheitslage wiederum muss mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass der Asylwerber im als innerstaatliche Fluchtalternative angenommenen Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würde, findet (vgl. VwGH 17.09.2019, Ra 2019/14/0160, Rz. 37). Diese Fragen sind auf Grundlage ausreichender Sachverhaltsfeststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit zu beantworten (vgl. VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, m.w.N.).

2.18. Das erkennende Gericht geht davon aus, dass die rechtliche Beurteilung kein "Umstand" i.S.d. Art. 16 der Statusrichtlinie ist und ein rechtlicher Beurteilungsirrtum - wie etwa über die Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative - kein "Irrtum über einen Umstand". Die Anwendung des Art. 16 leg. cit. auf einen Fall einer im Zuge der Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigten erfolgten unrichtigen rechtlichen Beurteilung scheidet also aus.

2.19. Auch das EASO geht davon aus, dass es unter der geltenden Unionsrechtslage nicht ausreicht, dass eine Verwaltungsbehörde zu dem Schluss gelangt, dass der subsidiäre Schutz nicht hätte gewährt werden dürfen, und sich darum bemüht, ihre ursprüngliche Entscheidung zu revidieren (vgl. EASO, Richterliche Analyse Beendigung des internationalen Schutzes: Artikel 11, 14, 16 und 19 der Anerkennungsrichtlinie [2018, in Folge: "Richterliche Analyse"], abrufbar unter:

https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/ending-international-protection_de.pdf, S. 57).

2.20. Ebenso schloss Generalanwalt Bot in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Bilali, dass der Unionsgesetzgeber den Mitgliedstaaten lediglich in den in Art. 19 der Statusrichtlinie genannten Fällen hat gestatten wollen, den subsidiären Schutzstatus abzuerkennen oder zu entziehen (vgl. Schlussanträge in der Rechtssache Bilali, Rz. 76).

2.21. Bei unionsrechtskonformer Auslegung ermöglicht daher § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005 ("nicht") keine Aberkennung subsidiären Schutzes in Form einer Neubeurteilung der Rechtsfrage der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative, wenn sich das zugrundeliegende Tatsachensubstrat nicht geändert hat. Die Tatsachen (Daten, Informationen), dass der Beschwerdeführer gesund, arbeitsfähig und erwachen ist, lagen bereits im Zeitpunkt der Zuerkennung subsidiären Schutzes vor. Eine Änderung dahingehend oder auch einen Irrtum darüber im Zuerkennungszeitpunkt (z.B. über das Vorhandensein zum damaligen Zeitpunkt einer weiteren Qualifikation des Beschwerdeführers) weitere führt die belangte Behörde nicht aus und ist dahingehend aus den Verfahrensakten auch nichts erkennbar.

2.22. Damit kommt es fallbezogen auch nicht mehr darauf an, ob bzw. inwieweit - wie dies die Beschwerde auch zu bestreiten scheint - mit § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005 eine (allfällige) Rechtskraftdurchbrechung auch für Rechtsirrtümern im Einklang mit der Bundesverfassung steht. So hat der Verfassungsgerichtshof vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips ausgesprochen, dass der einfache Gesetzgeber - hier des § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005 grundsätzlich berechtigt ist, Durchbrechungen der Rechtskraft vorzusehen; dies allerdings unter die Einschränkung gestellt, dass dies nur insofern gerechtfertigt ist, als solche Bestimmungen das öffentliche Interesse an der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung zum Ausdruck bringen. Regelungen, die die materielle Rechtskraft zur Gänze und undifferenziert durchbrechen, sind nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar (vgl. etwa VfSlg 16.740/2002, m.w.N.). Der Verwaltungsgerichtshof wiederum hat bereits ausgesprochen, dass eine Durchbrechung der Rechtskraftwirkung der Gewährung subsidiären Schutzes "nur dann" gerechtfertigt sei, wenn sich nach Erlassung der Entscheidung der belangten Behörde der Sachverhalt od

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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