Entscheidungsdatum
04.12.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W228 2175499-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter in der Beschwerdesache des XXXX , geboren am XXXX 2000, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.09.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat am 28.04.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 28.04.2015 gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, dass er vor zweieinhalb Jahren von Afghanistan in den Iran gereist sei um dort zu arbeiten. Aus Angst vor einer Abschiebung nach Afghanistan habe er den Iran verlassen.
Der Beschwerdeführer wurde am 29.08.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er aus der Provinz Daikundi stamme. Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, dass die Taliban öfter in seine Schule gekommen seien und ihn und die anderen Schüler aufgefordert hätten, mit der Schule aufzuhören und stattdessen die Koranschule zu besuchen. Die Eltern des Beschwerdeführers hätten den Beschwerdeführer schließlich in den Iran geschickt. Eines Tages habe ihm seine Mutter am Telefon erzählt, dass zwei seiner Onkel von den Taliban umgebracht worden seien. Die Taliban hätten auch den Vater des Beschwerdeführers mit dem Tod bedroht, falls sie herausfinden sollten, dass er für die Regierung arbeite. Die Mutter des Beschwerdeführers habe dem Beschwerdeführer schließlich gesagt, dass er nicht mehr nach Afghanistan zurückkommen solle, weil es zu gefährlich sei. Der Beschwerdeführer führte weiters aus, dass er früher schiitischer Moslem gewesen sei, aber jetzt an keine Religion mehr glaube.
Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 27.09.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs.1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinem Fluchtgrund, zur Situation im Falle seiner Rückkehr und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Es habe keine glaubhafte Gefährdungslage festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung glaubhaft machen können. Dem Beschwerdeführer könne eine Rückkehr nach Afghanistan zugemutet werden.
Gegen verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid wurde mit Schreiben der damaligen gesetzlichen Vertretung des Beschwerdeführers vom 12.10.2017 Beschwerde erhoben. Darin wurde das vom Beschwerdeführer erstattete Vorbringen wiederholt und wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer gleichlautend und glaubwürdig vorgebracht habe, aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus Gründen der - zumindest unterstellten - politischen Gesinnung geflohen zu sein. Da der Beschwerdeführer wegen seines fortgesetzten Schulbesuchs in das Blickfeld der Taliban geraten sei und er sich durch die Flucht weiteren Verfolgungshandlungen durch die Taliban entzogen habe, sei davon auszugehen, dass er im Falle der Rückkehr Verfolgungshandlungen von asylrechtlich relevanter Intensität ausgesetzt wäre. Zudem seien die vom Beschwerdeführers vorgebrachten Religionszweifel als in Österreich gesetzter Nachfluchtgrund zu werten. Auch wenn der Beschwerdeführer formell sein Glaubensbekenntnis nicht abgelegt habe, wäre er als nicht praktizierender Angehöriger des Islam im Falle der Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt.
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 06.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Am 11.11.2019 übermittelte die nunmehrige Rechtsvertretung des Beschwerdeführers diverse Integrationsunterlagen an das Bundesverwaltungsgericht.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde in der gegenständlichen Rechtssache am 13.11.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung sowie eines Dolmetschers durchgeführt. Die belangte Behörde ist unentschuldigt nicht erschienen. Im Zuge der Verhandlung wurden zwei Personen als Zeugen einvernommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger, geboren XXXX 2000. Er wurde in XXXX , Provinz Daikundi geboren und hat dort gemeinsam mit seiner Familie bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan gelebt. Nach seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat hat der Beschwerdeführer ca. zweieinhalb Jahre lang im Iran gelebt.
Der Beschwerdeführer hat in seinem Heimatdorf in der Provinz Daikundi fünf Jahre lang die Grundschule besucht. Naben der Schule hat er in der Landwirtschaft gearbeitet. Während seines Aufenthalts im Iran hat der Beschwerdeführer als Steinmetz gearbeitet.
Zum Zeitpunkt der Ausreise des Beschwerdeführers lebte die Eltern sowie die Geschwister des Beschwerdeführers nach wie vor im Heimatdorf in der Provinz Daikundi. Der Bruder des Beschwerdeführers lebt nunmehr in der Türkei. Es kann nicht festgestellt werden, wo sich die Eltern und die beiden Schwestern des Beschwerdeführers nunmehr aufhalten.
Der Beschwerdeführer ist volljährig. Er ist gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer ist Hazara und stammt aus einer Familie, die sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam bekennt.
Der Beschwerdeführer ist illegal spätestens am 28.04.2015 in das Bundesgebiet eingereist. Es halten sich keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich auf.
Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 08.05.2018 zu Zl. 154 Hv 50/18d, wegen § 27 Abs. 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen, bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit von zwei Jahren, verurteilt.
Der Beschwerdeführer hat sich während seines Aufenthaltes in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung und von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen von seiner bisherigen Religion des Islam abgewendet. Er folgt den islamischen Dogmen nicht mehr. Er lehnt den konservativen Islam ab und hält sich nicht an die religiösen Vorschriften, er betet nicht, fastet nicht und besucht keine Moschee. Er ist mit dem konservativen Weltbild des Islam nicht einverstanden und vertritt seine innere Abkehr vom konservativen Weltbild des Islam durch seinen ständig geübten Lebenswandel auch nach außen. Der Beschwerdeführer würde diese inneren Überzeugungen auch bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nach außen tragen.
Es kann im gegenständlichen Fall nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Abkehr vom Islam in Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt wäre. Der afghanische Staat ist diesbezüglich weder schutzfähig noch schutzwillig. Dem Beschwerdeführer steht als vom Islam Abgefallenem keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.
Zur Situation im Herkunftsland Afghanistan wird Folgendes festgestellt:
Religionsfreiheit
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan.
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben. Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung.
Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechungnter die Kapitalverbrechen fällt und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte.
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert.
Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert; so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion. Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze.
Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert. Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt. Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen.
Die Verfassung sieht vor, dass Anhänger anderer Religionen als dem Islam "innerhalb der durch die Gesetze vorgegebenen Grenzen frei sind in der Ausübung und Erfüllung ihrer religiösen Rechte". Allerdings wird in der Verfassung auch festgestellt, dass der Islam die offizielle Religion des Staates ist und "kein Gesetz gegen die Lehren und Bestimmungen der heiligen Religion des Islam in Afghanistan verstoßen darf". Darüber hinaus sollen die Gerichte gemäß der Verfassung in Situationen, in denen weder die Verfassung noch andere Gesetze Vorgaben enthalten, der Hanafi-Rechtsprechung folgen, einer sunnitisch-islamischen Rechtslehre, die unter zwei Dritteln der muslimischen Welt verbreitet ist.368 Afghanische Juristen und Regierungsvertreter wurden dafür kritisiert, dass sie dem islamischen Recht Vorrang vor Afghanistans Verpflichtungen aus internationalen Menschenrechtsabkommen in Situationen einräumen, in denen ein Widerspruch der verschiedenen Rechtsvorschriften vorliegt, insbesondere in Bezug auf die Rechte von afghanischen Staatsbürgern, die keine sunnitischen Muslime sind, und in Bezug auf die Rechte der Frauen.
Konversion vom Islam
Eine Konversion vom Islam wird als Apostasie, also als Glaubensabfall betrachtet und gemäß den Auslegungen des islamischen Rechts durch die Gerichte mit dem Tode bestraft. Zwar wird Apostasie im afghanischen Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich als Straftat definiert, sie fällt jedoch nach allgemeiner afghanischer Rechtsauffassung unter die nicht weiter definierten "ungeheuerlichen Straftaten", die laut Strafgesetzbuch nach der islamischen Hanafi-Rechtslehre bestraft werden und in den Zuständigkeitsbereich der Generalstaatsanwaltschaft fallen. Damit wird Apostasie als Straftat behandelt, obwohl nach der afghanischen Verfassung keine Handlung als Straftat eingestuft werden darf, sofern sie nicht als solche gesetzlich definiert ist. Geistig zurechnungsfähige männliche Bürger über 18 Jahren und weibliche Bürger über 16 Jahren, die vom Islam konvertieren und ihre Konversion nicht innerhalb von drei Tagen widerrufen, riskieren die Annullierung ihrer Ehe und eine Enteignung ihres gesamten Grund und sonstigen Eigentums. Außerdem können sie von ihren Familien und Gemeinschaften zurückgewiesen werden und ihre Arbeit verlieren. Personen, die vom Islam zu einer anderen Religion übertreten, müssen Berichten zufolge um ihre persönliche Sicherheit fürchten.
Bekehrungsversuche, um Personen zum Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion zu bewegen, sind Berichten zufolge laut der Hanafi Rechtslehre ebenfalls rechtswidrig und es stehen darauf dieselben Strafen wie für Apostasie. Berichten zufolge herrscht in der öffentlichen Meinung eine feindliche Einstellung gegenüber missionarisch tätigen Personen und Einrichtungen. Rechtsanwälte, die Angeklagte vertreten, denen Apostasie zur Last gelegt wird, können, so wird berichtet, selbst der Apostasie bezichtigt und mit dem Tod bedroht werden. In der Regel haben Beschuldigte laut Berichten indes keinen Zugang zu einem Verteidiger oder zu anderen Verfahrensgarantien.
Andere Handlungen, die gegen die Scharia verstoßen
Neben den Bestimmungen des Strafgesetzbuches von 2017, die die Beleidigung oder Verzerrung der religiösen Überzeugungen des Islams unter Strafe stellen, stützen sich afghanische Gerichte auch in Bezug auf Blasphemie auf islamisches Recht. Gemäß der Auslegung des islamischen Rechts durch die Gerichte stellt Blasphemie ein Kapitalverbrechen dar. Geistig zurechnungsfähige Männer über 18 Jahren und Frauen über 16 Jahren, die der Blasphemie bezichtigt werden, kann daher die Todesstrafe drohen. Wie auch bei Apostasie haben die Beschuldigten drei Tage Zeit, um ihre Handlungen zu widerrufen, wobei es laut Berichten unter Scharia-Recht kein eindeutiges Verfahren für den Widerruf gibt.
Darüber hinaus besteht für Personen, denen Verstöße gegen die Scharia wie Apostasie, Blasphemie, einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen oder Ehebruch (zina) vorgeworfen werden, nicht nur die Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung, sondern auch der gesellschaftlichen Ächtung und Gewalt durch Familienangehörige, andere Mitglieder ihrer Gemeinschaft, die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte (AGEs).
2. Beweiswürdigung:
Hinsichtlich der Herkunft, der Volksgruppenzugehörigkeit, des Aufenthalts im Iran, Sprache, Arbeitsfähigkeit stützt sich das Bundesverwaltungsgericht auf die Angaben des Beschwerdeführers.
Der Umstand, dass nicht festgestellt werden kann, wo sich die Eltern und die Schwestern des Beschwerdeführers nunmehr aufhalten, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu deren Aufenthaltsort keine Angaben machen konnte. Er hat einen Suchantrag betreffend seine Eltern und Schwestern beim Roten Kreuz gestellt.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Verständigung von einer rechtskräftigen Verurteilung des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16.05.2018.
Was die individuellen Feststellungen betreffend den Glaubensabfall des Beschwerdeführers vom Islam anbelangt, wird aus folgenden Erwägungen vom oben festgestellten Sachverhalt ausgegangen:
Die Feststellung zum Abfall des Beschwerdeführers vom Islam ergibt sich aus seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Zusammenschau mit den Zeugenaussagen. Dass der Beschwerdeführer den islamischen Dogmen nicht mehr folgt, ist aus seinem in Österreich geübten Lebenswandel erkennbar. Seine Abkehr äußert sich laufend darin, dass rituelles Beten und Fasten nicht praktiziert wird. Der Beschwerdeführer legte überzeugend dar, dass er sich aus freier und persönlicher Überzeugung von seiner Religion abgewandt hat. Befragt, was die Anstöße für den Glaubensabfall gewesen seien, gab der Beschwerdeführer detaillierte und konkrete Antworten. Er konnte substantiiert beschreiben, was ihm am Islam missfällt. So führte er unter anderem aus, dass er es nicht richtig finde, dass im Islam die Männer über die Frauen gestellt werden; zudem erachte er es als falsch, dass im Islam alle Menschen, die keine Moslems seien, als Ungläubige bezeichnet werden und der Islam als einzig richtiger Glaube gesehen werde.
Der Beschwerdeführer brachte glaubhaft vor, dass er weder an den Islam noch an eine andere Religion glaube und daher konfessionslos sei. So gab er an, dass die Religionen im Widerspruch zu den Naturwissenschaften und den Prozessen der Evolution stehen würden. Er führte aus, dass er an keine Religion und an keinen Gott glaube und lehnt sohin Religionen bzw. Gott schlichtweg ab. Der Beschwerdeführer gab an, dass der Islam sage, dass Gott den Menschen gebaut habe; dies sei aber nicht richtig, vielmehr sei das Universum durch einen Urknall entstanden. Auf die Frage, ob er an Allah glaube, gab er wörtlich an: "Nein, ich glaube fest an die Menschenliebe. Dass man den Menschen nicht weh tut und den anderen keinen Schaden zufügt. Daran glaube ich. Das ist sozusagen für mich meine Religion."
Dass er sich aus freier persönlicher Überzeugung vom schiitischen Islam abgewandt hat, wurde auch von den zwei in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht einvernommenen Zeugen bestätigt. So gab Herr XXXX , welcher den Beschwerdeführer in Österreich betreute, an, dass sich der Beschwerdeführer bei ihm erkundigt habe, wie es sich anfühle, ohne Bekenntnis zu sein. Er bestätigte, dass der Beschwerdeführer weder bete noch faste noch in die Moschee gehe. Auch ein afghanischer Freund des Beschwerdeführers, der ebenfalls als Zeuge einvernommen wurde, bestätigte, dass der Beschwerdeführer atheistisch lebe. Der Beschwerdeführer hat daher glaubhaft machen können, dass er eine dem Islam gegenüber kritische und ablehnende Haltung eingenommen hat, die er auch nach außen hinträgt. Es ist nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer seine Apostasie in seinem Herkunftsstaat Afghanistan verleugnen würde. So gab er glaubhaft an, dass im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan seine Eltern von seinem Glaubensabfall Kenntnis erlangen würden, da er auch in Afghanistan weiterhin den Ramadan nicht einhalten, nicht beten würde und religiösen Veranstaltungen fernbleiben würde.
Dass der Glaubensabfall nur zum Schein erfolgt wäre, ist vor dem Hintergrund der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers, seiner Angaben und den Aussagen der im Rahmen der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen nicht tragfähig begründbar. Der Beschwerdeführer hat damit glaubhaft gemacht, den im Herkunftsstaat vorgeschriebenen Glauben nicht leben zu wollen, sondern sich - eben gerade durch das Unterlassen (erwarteter) religiöser Betätigungen - zu seiner Abkehr zu bekennen.
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aufgrund des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation (Gesamtaktualisierung am 29.06.2018) dem EASO-Bericht "Afghanistan Security Situation - Update" vom Mai 2018 und der UNHCR-RL vom 30.08.2018.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Letztere Variante traf unter Berücksichtigung der in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG vertretenen Ansicht über den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf die gegenständliche Konstellation zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.07.2016, Zl. Ra 2015/01/0123).
Zu A) Stattgabe der Beschwerde:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Begründete Furcht liegt vor, wenn diese objektiv nachvollziehbar ist und sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation ebenfalls aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Relevant ist eine Verfolgungsgefahr auch nur dann, wenn diese aktuell ist (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
Mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner Abkehr vom Islam, der Ablehnung islamischer Dogmen und des Nicht-Praktizierens islamisch-religiöser Riten, macht der Beschwerdeführer einen subjektiven Nachfluchtgrund geltend (vgl. § 3 Abs. 2 AsylG 2005).
Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Begriff der Religion im Sinne der GFK ausgesprochen (VwGH 21.09.2000, Zl. 98/20/0557): "Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Menschenrechtspakte verkünden das Recht auf Gedanken-, Gewissens-, und Religionsfreiheit; dieses Recht schreibt die Freiheit des Menschen, seine Religion zu wechseln, und die Freiheit, ihr öffentlich oder privat Ausdruck zu verleihen, mit ein. Ebenso das Recht, sie zu lehren und auszuüben, ihre Riten zu praktizieren und nach ihr zu leben (vgl. Handbuch des UNHCR über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, S. 20). Nach Kälin (Grundriss, 93) betrifft religiöse Verfolgung Maßnahmen, welche eine Organisation gegen ihre Gegner bei Konflikten über die richtige Anschauung in Fragen des Verhältnisses des Menschen zu (einem) Gott ergreift. Im Gemeinsamen Standpunkt des Rates der Europäischen Union vom 4. März 1996 betreffend die harmonisierte Anwendung der Definition des Begriffs "Flüchtling" in Art 1 der FlKonv sei der Begriff der "Religion" in einem weiten Sinn aufzufassen und umfasse theistische, nichttheistische oder atheistische Glaubensüberzeugungen. Eine Verfolgung aus religiösen Gründen könne danach auch dann vorliegen, wenn maßgebliche Eingriffe eine Person betreffen, die keinerlei religiöse Überzeugung hat, sich keiner bestimmten Religion anschließe oder sich weigere, sich den mit einer Religion verbundenen Riten und Gebräuchen ganz oder teilweise zu unterwerfen. In diesem Sinn gilt auch nach der Rechtsprechung in der Schweiz als religiöse Verfolgung das Vorgehen des Staates gegen Atheisten, Ungläubige etc., um sie für ihre Ungläubigkeit zu bestrafen oder zu einem bestimmten Glauben zu zwingen (vgl. Kälin, a.a.O.). Nach der von Rohrböck wiedergegebenen Literatur (vgl. Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, Rz 402) ist unter Religion ein in sich geschlossenes metaphysisches Gedankensystem, das durch eine wie auch immer geartete Gottesvorstellung gekennzeichnet ist bzw. auf einer solchen metaphysischen Vorstellung aufbaut, zu verstehen."
Der Konventionsgrund der Religion umfasst daher auch die Verfolgung wegen einer nicht-religiösen Weltanschauung oder wegen atheistischer Überzeugungen, wie sie im Falle des Beschwerdeführers vorliegt.
Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat beabsichtigt, seine Abwendung vom muslimischen Glauben offen zu zeigen. Er lehnt es ab zu beten oder nach den Zwängen des Korans zu leben und möchte dies auch, nach außen hin, zeigen. Wie die Quellen belegen, ist ein solches Verhalten jedoch keinesfalls möglich, ohne dass sich der Beschwerdeführer Verfolgung aussetzt. Die vom Beschwerdeführer dargelegte Abwendung von jeglichem Glauben erweist sich vor diesem Hintergrund und unter Bedachtnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als asylrelevant. Nach islamischem Verständnis bedeutet der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem und ist nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt ist.
In diesem Sinne hat der Beschwerdeführer glaubhaft dargelegt und wurde festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer nicht mehr zum Islam bekennt, was auch nach außen hin - insbesondere durch die Nichtbefolgung religiöser (islamischer) Vorschriften - erkennbar ist. Die atheistische Haltung des Beschwerdeführers steht im völligen Gegensatz zu den in Afghanistan vorherrschenden religiösen Zwängen. Es besteht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan seine atheistische Überzeugung nach außen trägt bzw. kann ihm auch nicht im Sinne der obigen Judikatur zugesonnen werden, diese immer für sich zu behalten und seine innere Einstellung dauerhaft zu verleugnen.
Da nicht davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer seine Apostasie widerruft bzw. ihm dies als überzeugten Atheisten auch nicht zumutbar ist, sprechen im Fall des Beschwerdeführers, unter Einbeziehung der Situation von Konvertiten und Apostaten in Afghanistan, konkrete und substanzielle Anhaltspunkte für das Vorliegen einer aktuellen, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit vorliegenden Gefahr persönlich und konkret für den Beschwerdeführer. Laut den aktuellen Länderberichten ist der Islam in Afghanistan die Staatsreligion und nur Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben, wobei der politische Islam in Afghanistan die Oberhand behält. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts zu verstehen. Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Der islamische Klerus sowie viele Bürgerinnen und Bürger sehen die Abkehr vom Islam als Verstoß gegen die Grundsätze des Islam an. Konversion - als ein Akt des Abfalls vom Glauben und als ein Verbrechen gegen den Islam - ist mit Todesstrafe bedroht, wenn der Konvertit nicht widerruft.
Die Gefahr einer Verfolgung des Beschwerdeführers ist daher im vorliegenden Fall auf mehrfache Weise gegeben wie sich vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen zeigt. Einerseits durch den afghanischen Staat und andererseits auch durch die einfache Bevölkerung, die von traditionell islamischen Vorstellungen geprägt ist; wobei insgesamt vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen davon ausgegangen werden kann, dass der afghanische Staat nicht willens und in der Lage ist den Beschwerdeführer entsprechend zu schützen.
Es ist nicht davon auszugehen, dass der afghanische Staat - sofern er nicht selbst wegen des Verstoßes gegen die Scharia bzw. wegen Apostasie verfolgt - in der Lage wäre, Personen, die von Seiten nichtstaatlicher Akteure bedroht werden, ausreichend Schutz zu gewähren. Der afghanische Staat ist nur sehr beschränkt in der Lage, die Sicherheit der afghanischen Bevölkerung zu garantieren, die Zentralregierung verfügt nicht über das Machtmonopol, um die Bürger ausreichend zu schützen. Fallbezogen ist daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer angesichts des ihn treffenden Verfolgungsrisikos keinen ausreichenden Schutz im Herkunftsstaat finden kann.
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt nur dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einen in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich jenen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung anknüpft. Im Fall des Beschwerdeführers liegt das oben dargestellte Verfolgungsrisiko in seiner Abkehr vom Islam begründet.
Aufgrund des in ganz Afghanistans gültigen islamischen Rechts (Scharia) und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie aufgrund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und der Intoleranz gegenüber Apostaten bzw. Konvertiten gegenüber, ist davon auszugehen, dass sich die oben dargelegte Situation für den Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan gleichermaßen darstellt, weshalb keine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 AsylG 2005 für den Beschwerdeführer besteht.
Da auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt, war dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Apostasie, asylrechtlich relevante Verfolgung, gesamtesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W228.2175499.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.06.2020