TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/19 W259 2209068-1

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Veröffentlicht am 19.12.2019
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Entscheidungsdatum

19.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W259 2209072-1/15E

W259 2209073-1/12E

W259 2209068-1/13E

W259 2209070-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Iran, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) I. Der Beschwerde wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer

gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II. Die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Iran, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der Beschwerdeführerin

gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass der Beschwerdeführerin damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II. Die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Iran, gesetzlich vertreten durch XXXX , dieser vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) I. Der Beschwerde wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer

gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II. Die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gesetzlich vertreten durch XXXX , dieser vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) I. Der Beschwerde wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer

gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II. Die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer (in der Folge "BF1"), die Zweitbeschwerdeführerin (in der Folge "BF2") und der minderjährige Drittbeschwerdeführer (in der Folge "BF3"), alle iranische Staatsangehörige der Volksgruppe der Kurden bzw. der Lor, reisten gemeinsam ins österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 11.11.2015 Anträge auf internationalen Schutz. Der minderjährige Viertbeschwerdeführer (in der Folge "BF4") wurde in Österreich geboren.

2. Im Rahmen der am 12.11.2015 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gaben der BF1 und die BF2 zusammengefasst an, dass der BF1 in Iran Probleme gehabt habe. Im Iran würden Kurden schlecht behandelt werden. Der BF1 habe Satellitenschüsseln montiert und das sei im Iran verboten. Deshalb sei er festgenommen worden und habe Strafen zahlen müssen. Als er erfahren habe, dass die Grenzen offen seien, habe beschlossen den Iran zu verlassen (BF1, AS 9; BF2, AS 9).

3. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge kurz "BFA") am 07.08.2018 gaben der BF1 und die BF2 zusammengefasst an, dass der BF1 Satellitenschüsseln montiert habe und die Revolutionsgarde ihn als Informant gewollt hätte. Sie hätten ihn unter Druck setzen und ihn nach Syrien schicken wollen. Er habe um drei Monate Bedenkzeit gebeten. Er habe alles verkauft und Reisepässe beantragt. Dann seien sie ausgereist. Die Revolutionsgarde habe in seiner Ortschaft nach ihm gesucht. Er habe nicht nach Syrien gehen wollen. Durch einen Freund sei er mit dem Christentum in Kontakt gekommen. Alle würden über ihn als Ungläubigen reden. Auch seine Familie habe Probleme mit ihm gehabt. Die BF2 verwies auf die Aussagen des BF1. Sie habe persönlich keine Probleme im Iran gehabt (BF1, AS 109 und 115 ff; BF2, AS 134 und137 ff).

4. Das BFA wies die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz mit dem jeweils im Spruch genannten Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde den Beschwerdeführern kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 und § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). Gegenüber den Beschwerdeführern wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Schließlich sprach das BFA aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

5. Gegen diese Bescheide richteten sich die fristgerecht erhobenen Beschwerden wegen Gesetzwidrigkeit und wurde unter anderem der Antrag gestellt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 21.10.2019 und 07.11.2019 in Anwesenheit einer beeideten Dolmetscherin für die Sprache Farsi und im Beisein der rechtsfreundlichen Vertreterin der Beschwerdeführer eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der BF1 und die BF2 ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der erhobenen Anträge auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme des BF1 und der BF2 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerden gegen die jeweils im Spruch genannten Bescheide des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in die Bezug habenden Verwaltungsakte, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer besitzen die iranische Staatsangehörigkeit und gehören der Volksgruppe der Lor bzw. Kurden an. Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Farsi.

Der BF1 und die BF2 sind im erwerbsfähigen Alter. Die Beschwerdeführer leiden an keiner lebensbedrohlichen Krankheit.

Der BF1 ist mit der BF2 verheiratet. Der BF3 und BF4 sind ihre gemeinsamen minderjährigen Kinder.

Der BF1 ist am XXXX im Iran geboren. Zu seiner Familie zählen seine Eltern, drei Brüder und eine Schwester. Ein Bruder wohnt in Teheran. Seine restlichen Familienangehörigen leben in XXXX . Der BF1 pflegt mit seiner Mutter und seinen Brüdern regelmäßigen Kontakt.

Der BF1 hat im Iran 11 Jahre die Schule besucht und anschließend im Betreib seines Vaters gearbeitet und nebenbei Satellitenschüssel montiert.

Die BF2 ist am XXXX im Iran geboren. Zu ihrer Familie zählen ihre Eltern, zwei Brüder und eine Schwester. Ihre Familienangehörigen sind in XXXX aufhältig. Darüber hinaus hat sie drei Tanten väterlicherseits, zwei Onkel und drei Tanten mütterlicherseits. Die BF2 pflegt mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Kontakt.

Die BF2 hat im Iran die Schulausbildung mit Matura abgeschlossen und anschließend drei Jahre eine Ausbildung als Schneiderin absolviert. Bis zu ihrer Heirat hat sie als Schneiderin gearbeitet.

Der BF3 ist am XXXX im Iran geboren. Der BF4 ist am XXXX in Österreich geboren.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Die Beschwerdeführer sind in ihrem Herkunftsstaat nicht vorbestraft. Sie waren kein Mitglied von politischen Parteien und waren bisher auch sonst politisch nicht aktiv.

1.2. Zum Fluchtgrund und zur Verfolgung im Falle einer Rückkehr:

Der BF1 und die BF2 sind als schiitische Moslem im Iran aufgewachsen. Der BF1 und die BF2 sind getauft und christlich orientiert, was sich dadurch manifestiert, dass der BF1 und die BF2 religiös gebildet sind und regelmäßig am Gottesdienst und an religiösen Veranstaltungen teilnehmen. In Österreich haben sie ihren Glauben zum Christentum gefunden und gefestigt. Sie sind bestrebt, ihr Leben nach der christlichen Glaubenslehre und den christlichen Geboten zu führen und besuchen - auch nach ihrer Taufe - weiterhin regelmäßig die Kirche und beteiligen sich aktiv am Kirchenleben. Sie können sich nicht vorstellen, den christlichen Glauben wieder abzulegen.

Der christliche Glaube ist ein wesentlicher Bestandteil der Identität des BF1 und der BF2 geworden und der BF1 und die BF2 sind aus innerer Überzeugung vom islamischen Glauben zum Christentum konvertiert. Der BF1 und die BF2 sind nicht bereit, ihren christlichen Glauben - vor allem auch nicht in islamischer Umgebung - zu verleugnen. Das Praktizieren des christlichen Glaubens in der Öffentlichkeit ist ihnen wichtig. Der BF1 und die BF2 wollen auch im Falle einer Rückkehr in den Iran den christlichen Glauben sowohl innerlich als auch nach außen offen leben.

Der BF1 und die BF2 sind im Falle der Rückkehr in den Iran aufgrund ihrer öffentlichen Zuwendung zum Christentum psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt.

Im Fall des BF3 und BF4 liegen aufgrund ihres Alters keine derart fortgeschrittenen Persönlichkeitsentwicklungen vor, aufgrund derer eine bewusste Hinwendung zum Christentum angenommen werden kann.

1.3. Das Bundesverwaltungsgericht trifft aufgrund der im Beschwerdeverfahren eingebrachten aktuellen Erkenntnisquellen folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

1.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 14.06.2019:

Religionsfreiheit

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha'i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA Analyse 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 12.1.2019, vgl. ÖB Teheran 12.2018).

Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen - werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen - Bahá'í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten - werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung - im Vergleich mit anderen Ländern der Region - nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten) . Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa - unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke - eigene Vertreter im Parlament sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Muslime anwesend sind (ÖB Teheran 12.2018). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA Analyse 23.5.2018, vgl. FH 4.2.2019). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA Analyse 23.5.2018).

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 12.2018).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Muslime, die keine Schiiten sind, dürfen weder für das Amt des Präsidenten kandidieren noch andere hochrangige politische Ämter bekleiden. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übertreten, können hohe Gefängnisstrafen erhalten, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichen. Es gibt weiterhin Razzien in Hauskirchen (AI 22.2.2018).

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache sind in Iran verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 12.1.2019).

Schiitische Religionsführer, die die Politik der Regierung oder des Obersten Führers Khamenei nicht unterstützen, können sich auch Einschüchterungen und Repressionen bis hin zu Haftstrafen gegenübersehen (US DOS 29.5.2018).

Laut der in den USA ansässigen NGO "United for Iran" waren 2017 mindestens 102 Mitglieder von religiösen Minderheiten aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten inhaftiert, 174 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 23 wegen "Beleidigung des Islam" und 21 wegen "Korruption auf Erden" (US DOS 15.8.2017).

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 22.2.2018).

Christen

Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen - solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten - ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA Analyse 23.5.2018). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung anerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 2018), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 12.1.2019). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam. Grundrechtlich besteht "Kultusfreiheit" innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime keine Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, weder Freiheit der Meinungsäußerung noch Versammlungsfreiheit (Proselytismusverbot). Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen ("Hauskirchen") oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot (ÖB Teheran 12.2018).

Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 29.5.2018).

Im Weltverfolgungsindex 2019 von Christen von Open Doors befindet sich Iran auf dem neunten Platz. Im Beobachtungszeitraum wurden 67 Christen verhaftet (Open Doors 2019).

Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 12.2018). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "mohareb" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen "mohareb" (ÖB Teheran 12.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2019). Anklagen lauten meist auf "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 12.1.2019). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019, vgl. AI 22.2.2018). Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2019).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 12.1.2019). Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen "Missionsarbeit" verurteilt (HRW 17.1.2019). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 12.2018).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 12.2018).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit "Konversion" vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese "Konversion" ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich "konvertierte" Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Außerdem werden Personen, die vom schiitischen zum sunnitischen Glauben übertreten und dies öffentlich kundtun, zunehmend verfolgt. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 12.2018).

Die Schließungen der "Assembly of God"-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie - obwohl sie verboten sind - trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.2.2019). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch "low-profile" Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden i.d.R. aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt - oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 12.2018). Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen, und drängt sie dazu, das Land zu verlassen (Open doors 2019).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 29.5.2018).

2. Beweiswürdigung:

Im Rahmen der Beweiswürdigung wurde berücksichtigt, dass der BF3 und BF4 im Zeitpunkt seiner Ausreise aus dem Iran bzw. im gesamten Asylverfahren minderjährig waren.

2.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft der Beschwerdeführer, insbesondere zu ihrer Volksgruppenzugehörigkeit, stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem BFA, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Farsi. Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführer ergeben sich aus ihren Angaben vor dem BFA, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführer getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Personen der Beschwerdeführer im Asylverfahren (BF1, AS 1 und 109; BF2, AS 1 und 134, BF2; Seite 4, 17 und 32 des Verhandlungsprotokolls vom 21.10.2019).

Die Feststellung, dass der BF1 und die BF2 verheiratet sind und der BF3 und BF4 ihre gemeinsamen minderjährigen Kinder sind, konnte aufgrund der dahingehenden glaubhaften Angaben im gesamten Verfahren sowie aufgrund ihres dahingehenden Auftretens in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG getroffen werden.

Die Angaben des BF1 und der BF2 zu ihren Geburts- und Aufenthaltsorten, den Eigentums-und Vermögensverhältnissen, ihrem Gesundheitszustand, ihren Kindern (BF3 und BF4), ihren weiteren Familienangehörigen und deren Aufenthaltsort sowie zu ihrem beruflichen und schulischen Werdegang sind chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozio-ökonomischen Strukturen im Iran plausibel. Die von den Beschwerdeführern in diesem Zusammenhang getätigten Angaben waren im Wesentlichen gleichbleibend und widerspruchsfrei (BF1, AS 109 ff; BF2, AS 134 und 136 f; Seite 14, 17f und 32 f des Verhandlungsprotokolls vom 21.10.2019).

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer unbescholten sind und keine Probleme mit den österreichischen Behörden hatten, ergibt sich durch Einsichtnahme in den jeweiligen aktuellen Strafregisterauszug bzw. der vorliegenden Strafunmündigkeit.

Der BF1 und die BF2 gaben auch nachvollziehbar an, dass sie nicht Mitglied einer Partei oder politisch aktiv gewesen und im Herkunftsstaat nicht strafrechtlich verurteilt worden seien (BF1, AS 113; BF2, AS 138).

2.2. Zum Fluchtgrund und zur Verfolgung im Falle einer Rückkehr:

Die Feststellungen hinsichtlich der Hinwendung zum Christentum stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF1 und der BF2 und auf die in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Taufurkunden der XXXX Christengemeinde " XXXX " vom 04.06.2017 (BF1, AS 131; BF2, AS 157). Der BF1 und die BF2 legten in diesem Zusammenhang zudem ein Schreiben vor, aus dem hervorgeht, dass der BF1 und die BF2 seit Jänner 2016 regelmäßig an den Gottesdiensten teilgenommen und den Grundkurs des christlichen Glaubens besucht hätten. Der BF1 und die BF2 legten zudem eine Austrittserklärung aus der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich vom 24.07.2018 vor (BF1, AS 133 und 135; BF2, AS 163). Auch die Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung stützen die Angaben des BF1 und der BF2 zu ihrem Leben in der Kirchengemeinde (Seite 7 ff des Verhandlungsprotokolls vom 21.10.2019).

Der BF1 und die BF2 konnten durch ihre Angaben und die vorgelegten Dokumente glaubhaft machen, dass sie sich aus freier persönlicher Überzeugung vom schiitischen Islam dem Christentum zugewandt haben. Es sind im Verfahren auch keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die den Schluss zulassen würden, dass die Konversion des BF1 und der BF2 zum christlichen Glauben bloß zum Schein erfolgt wäre. Vielmehr haben der BF1 und die BF2 durch ihre Aussagen in der Beschwerdeverhandlung und die vorgelegten Unterlagen glaubhaft dargelegt, dass sie sich auf Grund einer persönlichen Entscheidung vom Islam abgewendet und aus innerer religiöser Überzeugung dem Christentum zugewendet haben (vgl. Seite 17 bis 33 und 37 bis 42 des Verhandlungsprotokolls vom 21.10.2019 und Seite 5 ff des Verhandlungsprotokolls vom 07.11.2019). Der BF1 und die BF2 konnten die erste Kontaktaufnahme mit der christlichen Gemeinde und deren Pfarrer schlüssig darstellen und stehen diese Angaben auch im Einklang mit der Aussage des Zeugen (Seite 8, 17 und 38 des Verhandlungsprotokolls vom 21.10.2019). Die Angaben des einvernommenen Zeugen bestätigen im Wesentlichen die Darstellungen des BF1 und der BF2 und gab dieser nachvollziehbar an, dass der BF1 und die BF2 auch nach ihrer Taufe regelmäßig die Kirche besuchen und sich darüber hinaus auch am Kirchenleben aktiv beteiligen. So sei der BF1 für Videoaufnahmen des Gottesdienstes zuständig und die BF2 sei in der Kinderbetreuung der Kirche tätig. Zudem hätten die Beschwerdeführer nicht den erstmöglichen Tauftermin wahrgenommen, sondern habe der BF1 von sich aus gesagt, dass er noch überlegen und die Bibel weiter lesen müsse. Der BF1 sei dann erst bei der zweiten Gelegenheit getauft worden (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls vom 21.10.2019). Diese Aussage spiegelt sich auch im Vorbringen der BF2 wider. So gab sie nachvollziehbar an, dass sie sich bereits nach dem "Alphakurs" hätte taufen lassen können, sie habe sich aber zum damaligen Zeitpunkt noch nicht bereit gefühlt und habe erst einige Monate später -als sie soweit gewesen sei - den Wunsch geäußert, dass sie sich taufen lassen wolle. Darüber hinaus würden die Beschwerdeführer an Gottesdiensten teilnehmen und wenn ausländische Pfarrer anwesend seien, würden sie auch diese Veranstaltungen besuchen. Es gebe jeden Dienstag ein gemeinsames Gebet und auch daran würden die Beschwerdeführer teilnehmen, wenn es eine Fahrtmöglichkeit in die Stadt gebe (Seite 21 und 25 des Verhandlungsprotokolls vom 21.10.2019). An der Ernsthaftigkeit der Religionsausübung des BF1 und der BF2 war somit nicht zu zweifeln.

Das Vorbringen des BF1 und der BF2 in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich ihrer Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr in den Iran auf Grund ihrer erfolgten Konversion vom Islam zum Christentum war in ganzheitlicher Würdigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere unter Berücksichtigung der diesbezüglich vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur Situation von konvertierten Christen im Iran, insgesamt als glaubhaft zu beurteilen. So war das Vorbringen des BF1 und der BF2 zur möglichen Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr in den Iran aufgrund ihres Glaubenswechsels ausreichend substantiiert, umfassend, in sich schlüssig und im Hinblick auf die besonderen Umstände des BF1 und der BF2 und die allgemeine Situation im Iran plausibel. Aus den Aussagen des BF1 und der BF2 in der mündlichen Verhandlung geht in Zusammenschau mit der Darstellung des Zeugen glaubhaft hervor, dass sie sich in Österreich intensiv mit dem Christentum auseinandergesetzt und sich taufen haben lassen. Der BF1 und die BF2 besuchen auch nach ihrer Taufe weiterhin Veranstaltungen in der Kirche. Sie konnten auch nachvollziehbar darstellen, dass sie nicht bereit seien, den christlichen Glauben wieder abzulegen. Zudem konnten sie schlüssig angeben, dass sie sich auch außerhalb der Kirche mit dem christlichen Glauben beschäftigen und nach den christlichen Glaubensgrundsätzen leben. In diesem Zusammenhang führte die BF2 befragt nach einem gewöhnlichen Tagesablauf in Österreich an, dass sie in der Früh gemeinsam beten würden und wenn sie eine Pause habe, die Bibel lese. Die BF2 konnte auch zwei christliche Bücher, einerseits das neue Testaments und andererseits das Lukasevangelium, in der Verhandlung vorlegen und erklärte auf Nachfrage, dass sie darin Stellen markiere, deren Bedeutung sie nicht verstehe oder deren Zusammenhänge ihr nicht klar seien und sie dazu ihren Pfarrer frage (Seite 27 und 31 des Verhandlungsprotokolls vom 21.10.2019). Der BF1 und die BF2 kennen wesentliche Inhalte betreffend das Leben von Jesus Christus, religiöse Feste und deren Bedeutung und sie konnten auch nachvollziehbar einzelne Passagen aus der Bibel nennen und deren persönliche Bedeutung glaubhaft vermitteln (Seite 23 ff und 40 f des Verhandlungsprotokolls vom 21.10.2019). In diesem Zusammenhang konnten der BF1 und die BF2 auch schlüssig darstellen, warum sie sich dem Christentum zugewandt haben (Seite 17, 19 f, 25, 33 und 38 f des Verhandlungsprotokolls vom 21.10.2019). Befragt, welche Auswirkungen die Konversion auf ihr alltägliches Leben habe und ob sich an ihrer Lebensweise etwas geändert habe, gab die BF2 an, dass sie früher nicht gebetet habe. Sie habe keinen Kontakt zu Gott gehabt. Andere Menschen seien ihr nicht wichtig gewesen und sie sei nur mit sich selbst beschäftigt gewesen und habe nur sich selbst gesehen. Seit sie das Christentum angenommen habe, habe sich ihre Sichtweise verändert. Sie bete und spreche zu Gott. Andere Menschen seien für sie wichtig geworden. Die BF2 wolle auch, dass ihre Kinder mit der Kirche in Kontakt bleiben und über den christlichen Glauben informiert seien. Auch der BF1 führte in der mündlichen Verhandlung schlüssig an, dass er früher das Gefühl gehabt habe, in der Dunkelheit gelebt zu haben. Nun habe sich alles erhellt. Dies begründete er damit, dass er früher schnell böse geworden sei und keine Geduld gehabt habe. Diese Eigenschaften habe er mit seinem neuen Glauben abgelegt. Er halte sich auch an die 10 Gebote. Er wolle seinen Glauben auch nicht im Stillen oder Geheimen leben, sondern diesen öffentlich und in Freiheit machen. Er könne bisher seinen christlichen Glauben frei ausüben und wolle das auch gerne weiterhin auf diese Weise machen. Der BF1 und die BF2 hätten auch bereits andere Personen in ihre Kirche eingeladen (Seite 26 f und 31 des Verhandlungsprotokolls vom 21.10.2019; Seite 7 f des Verhandlungsprotokolls vom 07.11.2019).

Wesentlich bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Vorbringens des BF1 und der BF2 zu den Gründen für die Konversion zum christlichen Glauben waren auch die Umstände, dass das diesbezügliche Vorbringen in sich stimmig war, keine beachtlichen Widersprüche aufwies und zudem durch die vorgelegten Dokumente und die Zeugenaussagen gestützt wurde.

In einer Gesamtschau der Angaben des BF1 und der BF2 im gesamten Verlauf des Verfahrens und aus den dargelegten Erwägungen erscheinen die Vorbringen des BF1 und der BF2 zu ihrer Furcht vor Verfolgung im Iran aufgrund ihres Glaubenswechsels insgesamt als glaubhaft. Es ist daher davon auszugehen, dass dem BF1 und der BF2 im Fall ihrer Rückkehr in den Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus asylrelevanten Gründen drohen würde. Es waren somit die entsprechenden Feststellungen zu treffen.

Der BF1 und die BF2 sind aufgrund ihrer öffentlichen Religionsausübung für Dritte wahrnehmbar zum christlichen Glauben konvertiert. Eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung wurde von dem BF1 und der BF2 nachvollziehbar vermittelt.

Insoweit die Angaben des BF1 und der BF2 zu den Gründen ihrer Flucht aus dem Iran Unstimmigkeiten und Widersprüche aufweisen, ist dahingehend festzuhalten, dass sich in den Fluchtvorbringen keine derart krassen Widersprüche finden, die zu einer gänzlichen Unglaubwürdigkeit des BF1 und der BF2 in Bezug auf ihre erfolgte Konversion in Österreich führen. Maßgeblich waren im gegenständlichen Fall jedenfalls die Aussagen des BF1 und der BF2 hinsichtlich ihrer Konversion zum Christentum im gesamten Verfahren.

Angesichts dieses Ergebnisses kann die Würdigung der weiteren vorgebrachten Fluchtgründe im Verfahren unterbleiben.

Schließlich ist noch festzuhalten, dass im Fall des BF3 und BF4 aufgrund ihres Alters keine derart fortgeschrittenen Persönlichkeitsentwicklungen vorliegen, aufgrund derer eine bewusste Hinwendung zum Christentum angenommen werden kann.

2.3. Zu den Länderfeststellungen:

Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Iran ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt wurden, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung von anderen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichten aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht maßgeblich geändert haben.

Inhaltich wurden die festgestellten Länderberichte nicht substantiiert bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A) Stattgabe der Beschwerde:

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist einem Fremden, der in Österreich einen (zulässigen) Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) verweist.). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0080, mwN).

§ 3 Abs. 2 AsylG 2005 lautet:

"(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

§ 3 Abs. 2 AsylG 2005 ist Artikel 5 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl L 337/9 vom 20.12.2011, (Statusrichtlinie) nachgebildet.

Art. 5 Abs. 2 Statusrichtlinie lautet:

"Die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, kann auf Aktivitäten des Antragstellers nach Verlassen des Herkunftslandes beruhen, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die er sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind."

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist im Übrigen, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0113). Sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in der konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 23.09.2009, 2007/01/0284 bis 0285, mwN). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (vgl. VwGH 22.03.2017, Ra 2016/19/0350, mwN). Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine dem Staat zurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird. Auch kommt von Privatpersonen oder privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (vgl. VwGH 18.11.2015, Ra 2014/18/0162, mwN). Eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat hingegen nur dann asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH 20.05.2015, Ra 2015/20/0030). Ob in diesem Zusammenhang eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 08.09.2009, 2008/23/0027, mwN). Eine mangelnde staatliche Schutzgewährung setzt nicht voraus, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036). Eine inländische Fluchtalternative ist nur dann gegeben, wenn sie vom Asylwerber in zumutbarer Weise in Anspruch genommen werden kann. Herrschen am Ort ins Auge gefassten Fluchtalternative - nicht notwendigerweise auf Konventionsgründen beruhende - Bedingungen, die eine Verbringung des Betroffenen dorthin als Verstoß gegen Art. 3 EMRK erscheinen lassen würden, so ist die Zumutbarkeit jedenfalls zu verneinen (vgl. VwGH 16.12.2010, 2007/20/0913). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" innewohnt, setzt voraus, dass nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Betroffenen in dem in Frage kommenden Gebiet getroffen werden (vgl. VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151, mwN).

Um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu erreichen, müssen konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht werden (VwGH 10.03.1994, 94/19/0056). In diesem Zusammenhang hat der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darzustellen (EGMR 07.07.1987, Nr. 12877/87, Kalema/Frankreich).

3.1.1. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF1 und der BF2, in ihrem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, begründet ist.

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Mit dem Vorbringen des BF1 und der BF2 wegen ihrer Konversion zum christlichen Glauben im Fall ihrer Rückkehr in den Iran aus religiösen Gründen verfolgt zu werden, machen der BF1 und die BF2 einen (subjektiven) Nachfluchtgrund geltend (vgl. § 3 Abs. 2 AsylG 2005).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, können diese neuen - in Österreich eingetretenen - Umstände, mit denen ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung (nunmehr) begründet, grundsätzlich zur Asylgewährung führen. Sie sind daher zu überprüfen, wenn sie geeignet sind, die Annahme "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung" zu rechtfertigen (VwGH 18.09.1997, Zl. 96/20/0923).

Allein aus der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit kann das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention aber nicht abgeleitet werden (VwGH 09.11.1995, Zl. 94/19/1414). Es sind darüber hinausgehende konkret gegen den Asylwerber gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende bzw. von diesen geduldete Verfolgungshandlungen gegen seine Person erforderlich, um die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers zu erweisen (VwGH 08.07.2000, Zl. 99/20/0203; 21.09.2000, Zl. 98/20/0557).

Nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 05.09.2012 in den verbundenen Rechtssachen C 71/11 und C 99/11, Bundesrepublik Deutschland gegen Y und Z, ist Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie 2004/83 dahin auszulegen, dass eine begründete Furcht des Antragstellers vor Verfolgung vorliegt, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling können die Behörden dem Antragsteller nicht zumuten, auf diese religiösen Betätigungen zu verzichten (VfGH 12.6.2013, U 2087/2012-17).

Der VwGH hat sich mehrfach mit drohender Verfolgung von zum christlichen Glauben konvertierten Muslimen im Iran befasst (zB VwGH 19.12.2001, 2000/20/0369; Ra 2014/01/0117). Danach kommt es darauf an, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden. Feststellungen zu behaupteten aktuell bestehenden Glaubensüberzeugung sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von - allfälligen - Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln (VwGH 23.6.2015, Ra 2014/01/0117 mwN).

Aus dem oben zu den Personen des BF1 und der BF2 festgestellten Sachverhalt und den Feststellungen zur Situation von Personen im Iran, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, ergibt sich, dass der BF1 und die BF2 als konvertierte Personen mit innerer und öffentlicher christlicher Überzeugung im Falle ihrer Rückkehr in den Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einem erheblichen Verfolgungsrisiko für ihre persönliche Sicherheit und physische Integrität sowohl von privater Seite - ohne dass in dieser Hinsicht staatlicher Schutz zukäme - als auch von staatlicher Seite ausgesetzt wären. Dass die Konversion des BF1 und der BF2

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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