TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/20 W260 2168853-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.12.2019
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Entscheidungsdatum

20.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W260 2168853-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, Außenstelle Salzburg, vom 26.07.2017, Zahl 1091297505-151569128, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (im Folgenden "Beschwerdeführer"), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 16.10.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei der Erstbefragung am 17.10.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, dass er afghanischer Staatsangehöriger wäre, der Volksgruppe der Hazara angehören würde und schiitischer Moslem wäre. Seine Muttersprache wäre Dari. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater 10 Tage vor seiner Flucht aus Afghanistan von den Taliban ermordet worden sei. Die Taliban seinen in der Folge immer wieder zu ihnen nachhause gekommen und hätten den Beschwerdeführer mitnehmen wollen. Seine Mutter hätte ihn versteckt und in der Folge beschlossen, dass er das Land verlassen müsse.

3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden "belangte Behörde") beauftragte die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Altersfeststellung. Aus diesem, auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 30.12.2015 erstellten Gutachtens, geht zusammengefasst hervor, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Antragstellung jedenfalls volljährig gewesen sei.

4. Der Beschwerdeführer wurde folglich am 11.07.2017 vor der belangten Behörde im Beisein eines Dolmetschers in der Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen der Einvernahme gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er in der Provinz Ghazni geboren sei, neun Jahre die Schule besucht hätte und nie gearbeitet hätte. Die finanzielle Situation der Familie sei gut gewesen, da sein Vater Gemüsehändler gewesen sei. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass die Taliban seinen Vater aufgefordert hätten, ihn aus der Schule zu nehmen. Zuerst habe sich sein Vater geweigert, kam der Aufforderung später nach und habe den Beschwerdeführer für ein Jahr aus der Schule genommen. Nach diesem Jahr sei der Beschwerdeführer jedoch wieder zur Schule gegangen und hätten die Taliban in der Folge seinen Vater entführt und ermordet.

Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass er den Kontakt zu seiner Familie abgebrochen hätte, da er zum Christentum, konkret zu der anerkannten Religionsgesellschaft der Zeugen Jehovas (vgl. BGBl. II Nr. 139/2009, Teil II), konvertiert sei und wurde hiezu eingehend von den ermittelnden Beamten der belangten Behörde befragt. Der Beschwerdeführer brachte zahlreiche Empfehlungsschreiben seine Integration betreffend und ein Zeugnis über eine abgelegte Pflichtschulabschluss-Prüfung vom 30.05.2017 zur Vorlage.

5. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 13.07.2017 wurde dieser aufgefordert binnen einer Frist von zwei Wochen seine Mitgliedskarte der Zeugen Jehovas vorzulegen.

6. Mit Schreiben der Religionsgesellschaft der Zeugen Jehovas vom 22.07.2017 bestätigten diese die Teilnahme des Beschwerdeführers an den Gottesdiensten und Kongressen, verneinten jedoch grundsätzlich das Bestehen einer Mitgliedkarte.

7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26.07.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle der Rückkehr führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgung mit maßgeblicher Intensität, die ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe habe, in Afghanistan glaubhaft zu machen und insbesondere eine Scheinkonversion vorliege.

8. Der Beschwerdeführer erhob gegen den oben genannten Bescheid fristgerecht namens seiner bevollmächtigten Vertretung Beschwerde in vollem Umfang.

9. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 25.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

10. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte mit Schreiben vom 06.11.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung für den 27.02.2018 an.

11. Mit Schreiben vom 20.02.2018 informierte die bisherige Vertretung das Bundesverwaltungsgericht, dass der Beschwerdeführer eine Vertretung durch den Verein Menschenrechte nicht mehr wünsche und wurde die Vollmacht niedergelegt. Der Beschwerdeführer sei über die anberaumte Verhandlung informiert worden.

12. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 27.02.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer legte eine Vollmacht der nunmehrigen Vertretung, des MigrantInnenvereins St. Marx, vor, ein Vertreter ist nicht erschienen, da dieser nach Angaben des Beschwerdeführers "keine Zeit" gehabt hätte.

Der Beschwerdeführer wurde nach seiner Zustimmung zur Befragung durch den erkennenden Richter im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich eingehend befragt. Die Niederschrift wurde der entschuldigt ferngebliebenen belangten Behörde übermittelt.

Der Beschwerdeführer legte in der Beschwerdeverhandlung ein Konvolut an Beweismitteln vor, darunter das Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Pflichtschulabschlussprüfung vom 10.07.2017 und ein Schreiben des Bibellehrers des Beschwerdeführers vom 24.02.2018 (Beilage ./II), worin dieser ausführt, dass der Beschwerdeführer das Bibelstudium wöchentlich besucht und in ihm ein "Taufanwärter" gesehen wird und hoffe, dass sich der Beschwerdeführer bei einem der nächsten "Kongresse" taufen lassen könne.

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurden folgende Unterlagen in das gegenständliche Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht eingebracht: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Stand 30.01.2018, Gutachten Mag. MAHRINGER, Auszug gutachterliche Stellungnahme Dr. RASULY zur Stellung der Hazara in Afghanistan; Auszüge aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 und die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.07.2017, AFGHANISTAN, Christen, Konvertiten, Abtrünnige in Afghanistan.

Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit gegeben, innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

13. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung mit Schreiben vom 20.03.2018 eine schriftliche Stellungnahme zu dem vom Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Beschwerdeverhandlung eingebrachten Länderberichtsmaterial und zu den Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

14. Mit Schreiben vom 28.10.2018 berichtete der "Bibellehrer" des Beschwerdeführers über dessen Fortschritte und den möglichen Tauftermin mit 03.03.2019.

15. Mit Schreiben des Bibellehrers der Religionsgesellschaft der Zeugen Jehovas vom 06.03.2019 wurde die Taufbestätigung des Beschwerdeführers dem Bundesverwaltungsgericht zur Kenntnis gebracht.

16. Ebendiese Taufbestätigung wurde mit Schreiben der bevollmächtigten Vertretung vom 14.03.2019 samt einer unleserlichen Meldebestätigung dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage gebracht.

17. Mit Schreiben der bevollmächtigten Vertretung vom 16.09.2019 wurden Fotos der Taufzeremonie des Beschwerdeführers dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage gebracht.

18. Mit Schreiben der bevollmächtigten Vertretung vom 07.11.2019 erkundigte sich diese namens des Beschwerdeführers über den Verfahrensstand.

19. Das Bundesverwaltungsgericht holte am 19.12.2019 eine Strafregisterauskunft ein, wonach der Beschwerdeführer als unbescholten gilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des eingebrachten Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie der belangten Behörde, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid, der im gesamten Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt und der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, Fremdeninformationssystem, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und er wurde am XXXX in Afghanistan in der Provinz Ghazni geboren. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist gesund und ledig. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Der Beschwerdeführer besuchte in seinem Herkunftsstaat neun Jahre die Schule und war ebendort nicht berufstätig.

Bis zu seiner Ausreise ins Bundesgebiet lebte der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat.

Der Beschwerdeführer ist als schiitischer Moslem aufgewachsen und er bekannte sich auch noch bei seiner Ersteinvernahme vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17.10.2015 zu dieser Glaubensrichtung.

In seiner Einvernahme bei der belangten Behörde am 11.07.2017 bekannte sich der Beschwerdeführer erstmals zum christlichen Glauben, konkret zur christlich ausgerichteten Religionsgesellschaft der Zeugen Jehovas. Auch in der Beschwerdeverhandlung am 27.02.2018 erklärte er seine Hinwendung zu dieser Religionsgesellschaft und wurde am 03.03.2019 getauft.

Festgestellt wird, dass sich der Beschwerdeführer nach seiner Einreise in Österreich dem Christentum zuwandte und als Christ, konkret der christlich ausgerichteten Religionsgesellschaft der Zeugen Jehovas, praktiziert.

Der Beschwerdeführer hat sich während seines Aufenthaltes in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung und von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen zum christlichen Glauben hingewandt. Es ist nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer seinen christlichen Glauben; konkret zur christlich ausgerichteten Religionsgesellschaft der Zeugen Jehovas; in seinem Herkunftsstaat Afghanistan verleugnen würde.

Im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Zuwendung zum Christentum, konkret zur christlich ausgerichteten Religionsgesellschaft der Zeugen Jehovas, physische und/oder psychische Gewalt droht.

Dem Beschwerdeführer steht als vom Islam Abgefallener keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand vom 30.01.2018, in den UNHCR Richtlinien vom 19.04.2018 sowie der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.07.2017, AFGHANISTAN, Christen, Konvertiten, Abtrünnige in Afghanistan, enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

1.2.1. Rechtsschutz/Justizwesen:

Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia (islamisches Gesetz), Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9.2016; vgl. auch: USIDP o.D. und WP 31.5.2015). Fast 80% der Dispute werden außerhalb des formellen Justizsystems gelöst - üblicherweise durch Schuras, Jirgas, Mullahs und andere in der Gemeinschaft verankerte Akteure (USIP o.D.; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

Traditionelle Rechtsprechungsmechanismen bleiben für viele Menschen, insbesondere in den ländlichen Gebieten, weiterhin der bevorzugte Rechtsweg (USDOS 13.4.2016, vgl. auch: FH 27.1.2016). Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 13.4.2016). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (FH 27.1.2016).

Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan weitverbreitet akzeptiert ist, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem Frauenrecht, Strafrecht und -verfahren, Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.). Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 13.4.2016).

Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Leistungsfähigkeit um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu beherrschen. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben erhöht sich weiterhin (USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2014 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit mit 1.300 beziffert (SZ 29.9.2014; vgl. auch: CRS 8.11.2016), davon waren rund 200 Richterinnen (CRS 8.11.2016). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin als erste Frau zur Richterin des Supreme Courts ernannt (RFE/RL 30.6.2016). Die Zahl registrierter Anwälte/innen hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt (WP 31.5.2015). Der Zugang zu Gesetzestexten wird besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar (USDOS 13.4.2016).

Ein Mangel an qualifiziertem Justizpersonal behindert die Gerichte (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Manche Amtsträger/innen in Gemeinden und Provinzen verfügen über eine eingeschränkte Ausbildung und gründen ihre Entscheidungen daher auf ihrem persönlichen Verständnis der Scharia, ohne jeglichen Bezug zum kodifizierten Recht, Stammeskodex oder traditionellen Bräuchen (USDOS 13.4.2016).

Innerhalb des Gerichtswesens ist Korruption weiterhin vorhanden (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffneten Gruppen (FH 27.1.2016), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 13.4.2016). Afghanische Gerichte sind durch öffentliche Meinung und politische Führer leicht beeinflussbar (WP 31.5.2015). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das Strafrechtszentrum für Anti-Korruption, um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (Reuters 12.11.2016).

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 9.2016).

1.2.2. Religionsfreiheit:

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:

CSR 8.11.2016).

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt.

1.2.3. Christen und Konversionen zum Christentum:

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 9.2016). Ihre Zahl kann nicht verlässlich angegeben werden, da Konvertiten sich nicht öffentlich bekennen (AA 2.3.2015; vgl. auch: USDOS.10.8.2016).

Nichtmuslim/innen, z.B. Sikhs, Hindus und Christen, sind Belästigungen ausgesetzt und in manchen Fällen sogar Gewalt. Nachdem Religion und Ethnie stark miteinander verbunden sind, ist es schwierig die vielen Vorfälle nur als Vorfälle wegen religiöser Identität zu kategorisieren (USDOS 10.8.2016).

Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber konvertierten Christen ist ablehnend. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel schon deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen (AA 9.2016). Konversion wird als Akt der Abtrünnigkeit und Verbrechen gegen den Islam gesehen, der mit dem Tod bestraft werden könnte (AA 9.2016; vgl. USDOS 10.8.2016) - sofern die Konversion nicht widerrufen wird (USDOS 10.8.2016). Keiner wurde bisher aufgrund von Konversion durch den afghanischen Staat hingerichtet (AA 9.2016).

Die Christen verlautbarten, dass die öffentliche Meinung gegenüber Missionierung feindlich ist. Es gibt keine öffentlichen Kirchen (CRS 8.11.2016). Für christliche Afghan/innen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens. Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen. Christliche Gottesdienste für die internationale Gemeinschaft finden u.a. in verschiedenen Botschaften sowie auf dem Gelände der internationalen Truppen statt (AA 9.2016). Einem Bericht einer kanadischen christlichen Organisation zufolge, wächst die Zahl der Hauskirchen in Afghanistan. In diesem Bericht wird angedeutet, dass einige Mitglieder des Parlaments selbst das Christentum angenommen und an christlichen Gottesdiensten teilgenommen haben (The Voice of the Martyrs Canada 5.4.2012).

Einige Konversionsfälle von Christen haben zu harten Strafen geführt und dadurch internationale Aufmerksamkeit erlangt (CRS 8.11.2016). Die im Libanon geborenen Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghanis, entstammt einer christlich-maronitischen Familie (NPR 19.2.2015; vgl. BBC 15.10.2014).

1.2.4. UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016:

"b) Konversion vom Islam

Eine Konversion vom Islam wird als Apostasie betrachtet und gemäß den Auslegungen des islamischen Rechts durch die Gerichte mit dem Tod bestraft. Zwar wird Apostasie im afghanischen Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich als Straftat definiert, fällt jedoch nach allgemeiner afghanischer Rechtsauffassung unter die nicht weiter definierten "ungeheuerlichen Straftaten", die laut Strafgesetzbuch nach der islamischen Hanafi-Rechtslehre bestraft werden und in den Zuständigkeitsbereich der Generalstaatsanwaltschaft fallen.

Damit wird Apostasie als Straftat behandelt, obwohl nach der afghanischen Verfassung keine Handlung als Straftat eingestuft werden darf, sofern sie nicht als solche gesetzlich definiert ist. Geistig zurechnungsfähige männliche Bürger über 18 Jahren und weibliche Bürger über 16 Jahren, die vom Islam konvertieren und ihre Konversion nicht innerhalb von drei Tagen widerrufen, riskieren die Annullierung ihrer Ehe und eine Enteignung ihres gesamten Grundes und sonstigen Eigentums.

Außerdem können sie von ihren Familien und Gemeinschaften zurückgewiesen werden und ihre Arbeit verlieren. Berichten zufolge herrscht in der öffentlichen Meinung eine feindliche Einstellung gegenüber missionarisch tätigen Personen und Einrichtungen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seinen Fluchtgründen:

2.1.1. Die Feststellungen zum Namen, Geburtsdatum, zur Staatsangehörigkeit und zur Volksgruppenzugehörigkeit, zur Herkunft sowie zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers beruhen auf dem Inhalt der vorgelegten Schriftstücke sowie den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht. Im Übrigen ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers Zweifel aufkommen ließ.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.1.2. Die Feststellungen hinsichtlich der Hinwendung zum Christentum, konkret zur zur christlich ausgerichteten Religionsgesellschaft der Zeugen Jehovas, stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers bereits vor der belangten Behörde, insbesondere in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und die vorgelegten Beweismittel, nämlich den Taufschein und die Unterstützungsschreiben des Bibellehrers des Beschwerdeführers.

An der Echtheit der vorgelegten Dokumente bestehen keine Zweifel.

Aus der Bestätigung des Bibellehrers der christlich ausgerichteten Religionsgesellschaft der Zeugen Jehovas vom 24.02.2018 (Beilage ./II) geht hervor, dass er den Beschwerdeführer schon vor dessen Aufenthalt in Salzburg kennt und ihn zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Monate unterrichtete.

Das vorgelegte Schreiben deckt sich inhaltlich auch mit den Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 11.07.2017, wo dieser angab, bereits vor einem Jahr seine Religion gewechselt zu haben (vgl. Aussage des Beschwerdeführers, Niederschrift vor der belangten Behörde am 11.07.2017, Seite 6) und war es dem Beschwerdeführer bereits vor der belangten Behörde 2017 möglich, umfangreiches Faktenwissen über die christlich ausgerichteten Religionsgesellschaft der Zeugen Jehovas dazutun ( vgl. Aussage des Beschwerdeführers, Niederschrift vor der belangten Behörde am 11.07.2017, Seiten 18 bis 24), was beweiswürdigend hervorgehoben werden muss.

Auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte sich das Bild, dass er die Lehre dieser Religionsgesellschaft verinnerlicht hat und auch missionieren wolle (vgl. Aussagen des Beschwerdeführers, Niederschrift der mündlichen Verhandlung am 27.02.2018, Seiten 11 und 12).

Beweiswürdigend wird hervorgehoben, dass der Beschwerdeführer auf eigenen Wunsch hin ohne Vertretung in der mündlichen Verhandlung aussagte und die Fragen teils von sich aus, jedenfalls nicht auf Nachfrage einer Vertretung tätigte.

Dem Schreiben des Bibellehrers der christlich ausgerichteten Religionsgesellschaft der Zeugen Jehovas vom 28.10.2018 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer "große Fortschritte gemacht hat und selbst predigt".

Aus den Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung lässt sich ableiten, dass er sich während seines Aufenthalts in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung, faktisch und für Dritte wahrnehmbar zum christlichen Glauben hingewandt hat und die Konversion nicht bloß zum Schein erfolgen soll, und dass der Beschwerdeführer ein fortgesetztes Interesse und einen Willen zur Ausübung und auch Missionierung des christlichen Glaubens, konkret der christlich ausgerichteten Religionsgesellschaft der Zeugen Jehovas, hat:

Der Beschwerdeführer konnte auch in der mündlichen Verhandlung ein gutes inhaltliches Wissen vom christlichen Glauben, konkret der christlich ausgerichteten Religionsgesellschaft der Zeugen Jehovas darlegen, das eine vorhergehende Auseinandersetzung mit diesem voraussetzt.

Der Beschwerdeführer hat sich auch nicht auf die Wiedergabe von leicht verfügbarem Faktenwissen beschränkt, sondern sich glaubhaft darauf berufen, dass der christliche Glaube für sein Leben eine tragende Bedeutung hat und dass er danach leben möchte.

Die vorgelegte Taufbestätigung vom 06.03.2019 rundet das Bild ab, wonach der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung und persönlichem Wunsch und nicht überstürzt den christlichen Glauben angenommen hat.

In einer Gesamtschau der Angaben des Beschwerdeführers im Verlauf des Verfahrens und aus den dargelegten Erwägungen erscheint das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner Furcht vor Verfolgung in Afghanistan aus Gründen der Konversion vom Islam zum Christentum insgesamt glaubhaft.

Aus beweiswürdigender Sicht konnte somit eine weitere mündliche Beschwerdeverhandlung unterbleiben.

Es ist daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus asylrelevanten Gründen drohen würde und die staatlichen Einrichtungen Afghanistans nicht in der Lage sein würden, dem Beschwerdeführer vor dieser Verfolgung im ausreichenden Maß Schutz zu bieten.

2.1.3. Eine beweiswürdigende Auseinandersetzung wegen weiterer behaupteter asylrelevanter Verfolgung konnte unterbleiben.

2.2. Zu den Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.

Insoweit den Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände insbesondere zur Religionsfreiheit und zur Stellung der Konvertiten unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben, dies trifft insbesondere auch auf die zitierten UNHCR-Richtlinien zur Konversion zu.

Die Parteien des Verfahrens haben alle genannten Länderinformationen mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme vom erkennenden Gericht übermittelt bekommen und haben von diesem Recht auch teilweise Gebrauch gemacht.

Die vom Beschwerdeführer in seinen Stellungnahmen zitierten Länderinformationen finden Großteils Deckung in dem von der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erstellten Länderinformationen zu Afghanistan. Insoweit es hier Abweichungen zu den dieser Entscheidung zugrunde gelegten Länderinformationen gibt, wird dem entgegengehalten, dass diese Länderinformationen der Staatendokumentation auf dem aktuellen Stand sind, und alle, für das gegenständliche Verfahren wesentlichen Aspekte berücksichtigen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:

3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß den §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, begründet ist:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Mit dem glaubhaften Vorbringen, vom Islam zum christlichen Glauben konvertiert zu sein und im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner Konversion aus religiösen Gründen verfolgt zu werden, macht der Beschwerdeführer eine Verfolgung im Sine der GFK und einen einen (subjektiven) Nachfluchtgrund geltend (vgl. § 3 Abs. 2 AsylG 2005).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, können diese neuen - in Österreich eingetretenen - Umstände, mit denen ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung (nunmehr) begründet, grundsätzlich zur Asylgewährung führen. Sie sind daher zu überprüfen, wenn sie geeignet sind, die Annahme "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung" zu rechtfertigen (VwGH 18.09.1997, Zl. 96/20/0923).

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Aus den zur Person des Beschwerdeführers festgestellten Sachverhaltes und den Feststellungen zur Situation der Christen in Afghanistan, insbesondere der vom Islam zum Christentum konvertierten Personen, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als Person mit innerer christlicher Überzeugung, welche er nicht verleugnen würde, im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen und Diskriminierungen im persönlichen Bereich auf Grund seiner religiösen Überzeugung sowie einem erheblichen Verfolgungsrisiko für seine persönliche Sicherheit und physische Integrität sowohl von privater Seite - ohne dass in dieser Hinsicht staatlicher Schutz zukäme - als auch von staatlicher Seite ausgesetzt wäre.

Dass die Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum den afghanischen Behörden oder anderen Personen in seinem engeren sozialen Umfeld wie seiner Mutter verborgen bleiben würde, kann im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden.

3.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. Erkenntnis vom 24. September 2014, Zl. Ra 2014/19/0084, mit Verweis auf die Erkenntnisse vom 17. September 2008, Zl. 2008/23/0675, und vom 14. November 2007, Zl. 2004/20/0485, sowie auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2013, U 2272/2012).

In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht entscheidend, ob der Religionswechsel bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist (vgl. Erkenntnis vom 23. Juni 2015, Ra 2014/01/0210, mwN). Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. Erkenntnis vom 23. Juni 2015, Ra 2014/01/0117, mwN).

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum nur zum Schein erfolgt wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Im gegenständlichen Fall liegt daher das oben dargestellte Verfolgungsrisiko in der religiösen Überzeugung des Beschwerdeführers vor.

3.4. Auf Grund des in ganz Afghanistan gültigen islamischen Rechts nach der Scharia und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie auf Grund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und Moralvorstellungen sowie der allgemein vorherrschenden Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere gegenüber Konvertiten, und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan ist davon auszugehen, dass sich die oben dargestellte Situation für den Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet Afghanistans ergibt.

Es ist daher hinsichtlich dieses dargestellten Verfolgungsrisikos davon auszugehen, dass keine inländische Fluchtalternative besteht.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen seiner religiösen Überzeugung, eines vom Islam zum Christentum konvertierten Mannes verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle festzuhalten, dass bei diesem Ergebnis eine Auseinandersetzung mit den weiteren Beschwerdebehauptungen entfallen konnte.

3.5. Da weder eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht noch ein in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannter Endigungs- und Asylausschlussgrund hervorgekommen ist, war der Beschwerde des Beschwerdeführers stattzugeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

3.6. Wurde ein Antrag auf internationalen Schutz mit oder nach dem 15.11.2015 gestellt, so wird gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") iVm mit § 75 Abs. 24 leg. cit. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter erteilt.

Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

Der Beschwerdeführer stellte den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz am 16.10.2015, wodurch insbesondere diese Bestimmung auf ihn keine Anwendung findet.

3.7. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, gesamtes Staatsgebiet,
Konversion, Nachfluchtgründe, Religion, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W260.2168853.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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