Entscheidungsdatum
23.12.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W228 2176869-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter in der Beschwerdesache des XXXX , geboren am XXXX 1998 , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.10.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.11.2019 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 stattgegeben und wird XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 23.12.2020 erteilt.
IV. Die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat am 09.12.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 10.12.2015 gab der Beschwerdeführer an, dass er im Alter von zwei Jahren mit seiner Familie in den Iran gezogen sei. Er habe dort als Steinmetz gearbeitet. Vor ca. drei Jahren habe er einen Verkehrsunfall gehabt und habe seither nicht mehr als Steinmetz arbeiten können. Er sei dreimal am Knie operiert worden, aber die Verletzung sei nicht geheilt. Aus diesem Grund habe er den Iran verlassen.
Der Beschwerdeführer wurde am 11.10.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er aus der Provinz Ghazni stamme, jedoch im Alter von zwei Jahren mit seiner Familie in den Iran gegangen sei. Seine Familie lebe nach wie vor im Iran. Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, dass sein Vater Mitglied der Partei Wahdat gewesen sei. Die Mitglieder der Partei hätten untereinander einen Streit gehabt und es seien zwei Gruppen entstanden. Der Vater des Beschwerdeführers sei Mitglied bei den Akbari gewesen, die Khalilis seien an der Macht gewesen und hätten versucht, die Gegner zu unterdrücken. Es seien Parteigegner getötet worden und sei sein Vater daher vor ca. 20 Jahren in den Iran geflohen. Als der Beschwerdeführer zwei Jahre alt gewesen sei, habe sein Onkel ihn in den Iran mitgenommen. Im Iran sei der Beschwerdeführer einmal mit seiner Freundin unterwegs gewesen. Dies sei laut den iranischen Gesetzen verboten. Die Polizei habe den Beschwerdeführer festgehalten. Seine Aufenthaltskarte sei eingezogen worden und der Beschwerdeführer sei vor die Wahl gestellt worden, nach Afghanistan zurückzukehren oder nach Syrien in den Krieg zu ziehen. In weiterer Folge habe der Beschwerdeführer den Iran verlassen.
Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 27.10.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs.1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinem Fluchtgrund, zur Situation im Falle seiner Rückkehr und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Es habe keine glaubhafte Gefährdungslage festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung glaubhaft machen können. Dem Beschwerdeführer könne eine Rückkehr nach Afghanistan zugemutet werden.
Gegen verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid wurde mit Schreiben der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 14.11.2017 Beschwerde erhoben. Darin wurde ausgeführt, dass der Vater des Beschwerdeführers Afghanistan vor 20 Jahren verlassen habe, weil er aufgrund seiner politischen Aktivitäten verfolgt worden sei. Der Beschwerdeführer habe im Iran gelebt. Um einen legalen Aufenthaltsstatus zu bekommen, hätte er nach Syrien in den Krieg ziehen müssen. Aus diesem Grund habe er den Iran verlassen. Weiters wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan der Gefahr einer Zwangsrekrutierung ausgesetzt wäre. Zudem wäre er als Angehöriger der Hazara einer Verfolgung ausgesetzt. In weiterer Folge wurde auf Berichte zur Situation in Afghanistan verwiesen und wurde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer Asyl, zumindest jedoch subsidiärer Schutz zu gewähren sei, zumal er über kein soziales bzw. familiäres Netzwerk in Afghanistan verfüge.
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 17.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Am 21.11.2019 wurden diverse Befunde betreffend den Beschwerdeführer an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde in der gegenständlichen Rechtssache am 19.11.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari durchgeführt. Die belangte Behörde entschuldigte ihr Fernbleiben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger, geboren XXXX .1998. Er wurde in der Provinz Ghazni geboren. Der Vater des Beschwerdeführers verließ Afghanistan bereits vor der Geburt des Beschwerdeführers und ist in den Iran gezogen. Der Beschwerdeführer hat im Alter von zwei Jahren gemeinsam mit der Familie seines Onkels Afghanistan verlassen und ist seinem Vater in den Iran gefolgt. Er hat fortan mit seiner Familie im Iran gelebt und sich seitdem nicht mehr in Afghanistan aufgehalten.
Die Eltern, die Geschwister sowie mehrere Onkel und Cousinen des Beschwerdeführers leben nach wie vor im Iran. Der Beschwerdeführer steht mit seinen Eltern und Geschwistern regelmäßig in Kontakt. Der Beschwerdeführer hat - abgesehen von einer Tante, zu der der Beschwerdeführer jedoch keinen Kontakt hat - keine Angehörigen in Afghanistan.
Der Beschwerdeführer hat im Iran fünf Jahre lang die Grundschule besucht. Nach der Schule hat er ca. vier Jahre als Steinmetz und drei Monate als Kleidungsverkäufer gearbeitet.
Der Beschwerdeführer ist volljährig und ledig. Der Beschwerdeführer ist Hazara; konkret gehört er zur Untergruppe der Sadat, ist schiitischer Moslem und spricht Dari.
Der Beschwerdeführer ist illegal spätestens am 09.12.2015 in das Bundesgebiet eingereist. Es halten sich keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich auf. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung aufgrund der ehemaligen politischen Tätigkeit seines Vaters ausgesetzt. Es wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan keine konkrete individuelle Verfolgungsgefahr aufgrund der ehemaligen politischen Tätigkeit seines Vaters droht.
Weiters wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten oder zur Volksgruppe der Hazara keine Verfolgung in Afghanistan droht.
Es wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan keine Zwangsrekrutierung durch die Taliban droht.
Der Beschwerdeführer leidet an Epilepsie. Die Fortführung der derzeitigen medikamentösen Behandlung (Levetiracetam 500 mg - eine Tablette täglich) ist weiterhin medizinisch indiziert.
Das Medikament Levetiracetam ist in Mazar-e Sharif erhältlich. Eine Packung mit 10 Tabletten kostet 400 AFN.
Im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Mazar-e Sharif würden sohin monatliche Kosten für Medikamente in Höhe von 1.120 AFN anfallen. Die Kosten für den Wohnraum in Mazar-e Sharif belaufen sich auf 1.292 AFN monatlich. Die sonstigen Lebenserhaltungskosten belaufen sich in Mazar-e Sharif auf 4.445 AFN monatlich.
Insgesamt hätte der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif monatliche Ausgaben in Höhe von 6.857 AFN.
Der Beschwerdeführer ist als Hilfsarbeiter einzustufen und würde im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan AFN 5.500 monatlich verdienen. Die Differenz zwischen seinen Ausgaben und Einnahmen beliefe sich auf minus 1.357 AFN.
Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan könnte der Beschwerdeführer aufgrund des Umstandes, dass er aufgrund der hohen Kosten für notwendige Medikamente um 1.357 AFN höhere Ausgaben als Einnahmen hätte, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK).
Zur Situation im Herkunftsland Afghanistan wird Folgendes festgestellt:
Mazar-e Sharif:
Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst.
In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist.
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften.
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt.
Hazara
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 9 bis 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt; der Hazaradjat [zentrales Hochland] umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz (Maidan) Wardak sowie Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul. Jahrzehntelange Kriege und schwierige Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen sowie in Kabul.
Die Stadt Kabul ist in den letzten Jahrzehnten rasant gewachsen und ethnisch gesehen vielfältig. Neuankömmlinge aus den Provinzen tendieren dazu, sich in Gegenden niederzulassen, wo sie ein gewisses Maß an Unterstützung ihrer Gemeinschaft erwarten können (sofern sie solche Kontakte haben) oder sich in jenem Stadtteil niederzulassen, der für sie am praktischen sie ist, da viele von ihnen - zumindest anfangs - regelmäßig zurück in ihre Heimatprovinzen pendeln. Die Auswirkungen neuer Bewohner auf die Stadt sind schwer zu evaluieren. Bewohner der zentralen Stadtbereiche neigen zu öfteren Wohnortwechseln, um näher bei ihrer Arbeitsstätte zu wohnen oder um wirtschaftlichen Möglichkeiten und sicherheitsrelevanten Trends zu folgen. Diese ständigen Wohnortwechsel haben einen störenden Effekt auf soziale Netzwerke, was sich oftmals in der Beschwerde bemerkbar macht "man kenne seine Nachbarn nicht mehr". Viele Hazara leben unter anderem in Stadtvierteln im Westen der Stadt, insbesondere in Kart-e Se, Dasht-e Barchi sowie in den Stadtteilen Kart-e Chahar, Deh Buri , Afshar und Kart-e Mamurin.
Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild. Ethnische Hazara sind mehrheitlich Zwölfer-Schiiten, auch bekannt als Jafari Schiiten. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradjat lebt, ist ismailitisch. Ismailische Muslime, die vor allem, aber nicht ausschließlich, Hazara sind, leben hauptsächlich in Kabul sowie den zentralen und nördlichen Provinzen Afghanistans.
Die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, hat sich grundsätzlich verbessert und Hazara bekleiden inzwischen auch prominente Stellen in der Regierung und im öffentlichen Leben, sind jedoch in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert. Hazara werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara, basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten, finden ihre Fortsetzung in Erpressung (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Inhaftierung. Nichtsdestotrotz, genießt die traditionell marginalisierte schiitische muslimische Minderheit, zu der die meisten ethnischen Hazara gehören, seit 2001 eine zunehmende politische Repräsentation und Beteiligung an nationalen Institutionen.
Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Kernfamilie bzw. dem Klan. Sollte der Haushalts vorstehende Mann versterben, wird die Witwe Haushaltsvorständin, bis der älteste Sohn volljährig ist (MRG o.D.c). Es bestehen keine sozialen und politischen Stammesstrukturen.
Hazara neigen sowohl in ihren sozialen, als auch politischen Ansichten dazu, liberal zu sein, was im Gegensatz zu den Ansichten sunnitischer Militanter steht. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen führen weiterhin zu Konflikten und Tötungen. Berichten zufolge halten Angriffe durch den ISKP und andere aufständische Gruppierungen auf spezifische religiöse und ethno-religiöse Gruppen - inklusive der schiitischen Hazara - an.
Während des Jahres 2018 intensivierte der IS Angriffe gegen die Hazara. Angriffe gegen Schiiten, davon vorwiegend gegen Hazara, forderten im Zeitraum 1.1.2018 bis 30.9.2018 211 Todesopfer. Das von schiitischen Hazara bewohnte Gebiet Dasht-e Barchi in Westkabul ist immer wieder Ziel von Angriffen. Die Regierung hat Pläne zur Verstärkung der Präsenz der afghanischen Sicherheitskräfte verlautbart. Angriffe werden auch als Vergeltung gegen mutmaßliche schiitische Unterstützung der iranischen Aktivitäten in Syrien durchgeführt.
In Randgebieten des Hazaradjat kommt es immer wieder zu Spannungen und teilweise gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Nomaden und sesshaften Landwirten, oftmals Hazara.
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert. NGOs berichten, dass Polizeibeamte, die der Hazara-Gemeinschaft angehören, öfter als andere Ethnien in unsicheren Gebieten eingesetzt werden oder im Innenministerium an symbolische Positionen ohne Kompetenzen befördert werden.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer brachte zudem glaubhaft vor, als Kleinkind mit seiner Familie in den Iran gegangen zu sein und dort sein gesamtes Leben bis zu seiner Ausreise nach Europa verbracht zu haben, wohingegen er sich nicht mehr in seinem Herkunftsstaat Afghanistan aufgehalten hätte, in welchem er - abgesehen von einer Tante, zu der der Beschwerdeführer jedoch keinen Kontakt hat - auch über keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte verfüge.
Die Feststellungen betreffend die Erkrankung sowie die Medikation des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen sowie aus den Ausführungen des Beschwerdeführers in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Die Feststellungen betreffend die Kosten für die vom Beschwerdeführer benötigten Medikamente in Afghanistan ergeben sich aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 17.09.2018.
Die Feststellungen betreffend die Kosten für Wohnraum und sonstige Lebenserhaltungskosten in Mazar-e Sharif ergeben sich aus dem Gutachten von XXXX (verwiesen wird diesbezüglich auch auf die Offenlegung im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.11.2019, Zl. W228 2205727-1/17E).
Die Feststellung betreffend den Verdienst des Beschwerdeführers in Höhe von 5.500 AFN monatlich im Falle seiner Rückkehr ergibt sich daraus, dass er als Hilfsarbeiter einzustufen ist. Aus dem Fact Finding Mission Report Afghanistan von April 2018 geht hervor, dass der Tageslohn für Hilfsarbeiter ca. 300 AFN beträgt, sohin 5.500 AFN monatlich (300x220/12). Die Berechnung basiert auf der Annahme des Monats Februar bzw. von 220 Arbeitstagen im Jahr. Hinsichtlich der Medikamentenkosten wurde bei dem Medikamentenpreis von Levetiracetam der Einzeltablettenpreis errechnet, der Stückpreis mit der Häufigkeit der Einnahme multipliziert.
Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan grundlegende Lebensbedürfnisse nicht befriedigen könnte, ergibt sich aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der hohen Kosten für notwendige Medikamente um 1.357 AFN höhere Ausgaben als Einnahmen hätte.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgung aufgrund der ehemaligen politischen Tätigkeit seines Vaters ausgesetzt wäre, ist beweiswürdigend wie folgt auszuführen:
Festzuhalten ist zunächst, dass der Beschwerdeführer zur politischen Tätigkeit seines Vaters unstimmige und teilweise widersprüchliche Angaben tätigte. So gab er in der Einvernahme vor der belangten Behörde an, dass sein Vater Mitglied der Partei Wahdat gewesen sei. Die Mitglieder der Partei hätten untereinander einen Streit gehabt und es seien zwei Gruppen entstanden. Der Vater des Beschwerdeführers sei Mitglied bei den Akbari gewesen. Da die Khalilis an der Macht gewesen seien und Parteigegner getötet hätten, habe der Vater Afghanistan verlassen. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führte der Beschwerdeführer hingegen genau das Gegenteil aus, in dem er aussagte, "dass sein Vater nicht zu Akbari, sondern zu der anderen Gruppierung dieser Partei gehört hat". Auf entsprechenden Vorhalt konnte der Beschwerdeführer diesen Widerspruch nicht aufklären, sondern führte er unsubstantiiert aus, dass er sich gerade daran erinnert habe, dass die rivalisierenden Gruppierungen innerhalb der Partei unter der Führung von Akbari und Khalili standen und gab an, dass er bei der Einvernahme vor der belangten Behörde lediglich den Namen des einen Führers (Akbari), nicht jedoch den Namen des anderen gekannt habe. Dieser Behauptung kann jedoch nicht gefolgt werden, zumal sich aus der Niederschrift der Einvernahme vor der belangten Behörde unzweifelhaft ergibt, dass der Beschwerdeführer damals beide Namen genannt hat.
Des Weiteren ist festzuhalten, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers teilweise vage und unsubstantiiert blieb. So gab er an, dass er nicht alles von den Problemen seines Vaters wisse. Sein Vater habe nicht viel über seine konkreten Probleme aufgrund seiner politischen Tätigkeit gesprochen. Es erscheint jedoch nicht nachvollziehbar, wieso der Beschwerdeführer, obwohl er seinen Angaben zufolge vier Tage vor der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht mit seinem Vater gesprochen hat, nicht noch einmal bezüglich der Fluchtgründe nachgefragt hat; musste ihm doch klar sein, dass er über seine Fluchtgründe bzw. die Fluchtgründe seiner Familie befragt werden wird.
Zudem ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer überhaupt nicht näher darlegen konnte, wie es den Feinden seines Vaters möglich sein sollte, von einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan zu erfahren bzw. wie sie ihn überhaupt erkennen sollten, hat der Beschwerdeführer doch im Alter von zwei Jahren Afghanistan verlassen. Auch konnte er nicht näher darlegen, wieso diese Leute nach so vielen Jahren noch immer ein so großes Interesse am Beschwerdeführer haben sollten. Auf die Frage, was gegen eine Rückkehr nach Mazar-e Sharif spreche, gab der Beschwerdeführer lediglich an, dass er dort nichts und niemanden kenne; dass er dort einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt wäre, führte er hingegen nicht aus. Eine aktuelle Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der einstigen politischen Tätigkeit seines Vaters kann daher nicht erkannt werden. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang noch zu erwähnen, dass aus dem Background Paper "Afghanistan: Political Parties und Insurgent Groups 2001-2013" hervorgeht, dass die Gruppierung Akbari nur noch marginal auftritt.
In einer Gesamtschau erscheint eine konkrete Bedrohung des Beschwerdeführers aufgrund der ehemaligen politischen Tätigkeit seines Vaters im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht glaubhaft.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr nach Afghanistan keiner Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban ausgesetzt wäre, ergibt sich daraus, dass die diesbezüglichen Ausführungen als zu vage und unsubstantiiert zu beurteilen sind, um daraus eine konkrete und individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohung in Afghanistan ableiten zu können. Aus den Ausführungen des Beschwerdeführers lässt sich keine aktuelle, maßgebliche Verfolgung des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr nach Afghanistan ableiten. Denn die bloße Angst vor einer Zwangsrekrutierung des Beschwerdeführers reicht nicht aus, um von einer maßgeblichen Bedrohung auszugehen.
Auch darüber hinaus vermochte der Beschwerdeführer eine individuelle und konkrete Betroffenheit von Verfolgung aufgrund seiner Eigenschaft als Hazara und Schiit nicht aufzuzeigen:
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der schiitischen Minderheit der Hazara keiner Gefahr einer Verfolgung im Herkunftsstaat unterliegt, beruht einerseits darauf, dass der Beschwerdeführer eine solche Bedrohung im Verfahren nicht substantiiert behauptet hat, sowie andererseits auf den Feststellungen über die Situation der Volksgruppe der Hazara im Herkunftsstaat. Dazu ist auch auf das aktuelle Urteil des EGMR vom 05.07.2016 (EGMR AM/NL, 05.07.2016, 29.094/09) zu verweisen, das insbesondere feststellt, dass auch die Angehörigkeit zur Minderheit der Hazara nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (in diesem Sinne auch die Revisionszurückweisungen des Verwaltungsgerichtshofs vom 10.08.2017, Ra 2017/20/0041, vom 23.01.2018, Ra 2017/18/0377-6, sowie vom 30.01.2018, Ra 2017/20/0406).
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aufgrund des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation (Gesamtaktualisierung am 13.11.2019) dem EASO-Bericht "Afghanistan Security Situation - Update" vom Mai 2018 und der UNHCR-RL vom 30.08.2018.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Letztere Variante traf unter Berücksichtigung der in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG vertretenen Ansicht über den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf die gegenständliche Konstellation zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.07.2016, Zl. Ra 2015/01/0123).
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides
Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 1991 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, Zl. 95/01/0627). Im Asylverfahren stellt das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, Zl. 92/01/0560). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 25.03.1999, 98/20/0559).
So erscheint es im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unschlüssig, wenn den ersten Angaben, die ein Asylwerber nach seiner Ankunft in Österreich macht, gegenüber späteren Steigerungen erhöhte Bedeutung beigemessen wird (vgl. VwGH 08.07.1993, Zl. 92/01/1000; VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0832; VwGH 20.05.1992, Zl. 92/01/0407; VwGH 19.09.1990, Zl. 90/01/0133). Der Umstand, dass ein Asylwerber bei der Erstbefragung gravierende Angriffe gegen seine Person unerwähnt gelassen hat (hier Schläge, Ziehen an den Haaren, Begießen mit kaltem Wasser) spricht gegen seine Glaubwürdigkeit (VwGH 16.09.1992, Zl. 92/01/0181). Die gilt umso mehr für Widersprüche (vgl. zur Erstbefragung nach § 19 Abs. 1 AsylG 2005 auch VwGH 02.01.2017, Zl. Ra 2016/18/0323, Rz 8). Auch unbestrittene Divergenzen zwischen den Angaben eines Asylwerbers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung und dem Inhalt seines schriftlichen Asylantrages sind bei schlüssigen Argumenten der Behörde, gegen die in der Beschwerde nichts Entscheidendes vorgebracht wird, geeignet, dem Vorbringen des Asylwerbers die Glaubwürdigkeit zu versagen (Vgl. VwGH 21.06.1994, Zl. 94/20/0140). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.09.2004, Zl. 2001/20/0006, zum Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH vom 23.01.1997, Zl. 95/20/0303 zu Widersprüchen bei einer mehr als vier Jahre nach der Flucht erfolgten Einvernahme hinsichtlich der Aufenthaltsdauer des BFs in seinem Heimatdorf nach seiner Haftentlassung) können für sich allein nicht ausreichen, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. dazu auch VwGH 26.11.2003, Zl. 2001/20/0457). Auch oberflächlich und allgemein gehaltene Angaben, welche jeden konkreten, (insbesondere zeitlich) nachprüfbaren Anhaltspunkt vermeiden, und die trotz mehrfacher Aufforderungen, Details zu schildern, erfolgen, sind grundsätzlich geeignet, in einer schlüssigen Begründung zur Verneinung der Glaubwürdigkeit dieser Angaben betreffend eine drohende individuelle Verfolgung herangezogen zu werden (vgl. etwa VwGH 26.06.1996, Zl. 95/20/0205).
Die amtswegigen Ermittlungspflichten im Asylverfahren sind im § 18 Abs. 1 AsylG 2005 geregelt, der inhaltlich nahezu wortgleich der Vorgängerbestimmung des § 28 AsylG 1997 entspricht. Der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. AsylG 1997 folgend stellt diese Gesetzesstelle eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehende Verpflichtung der Verwaltungsbehörden dar, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht (vgl. VwGH 08.04.2003, Zl. 2002/01/0522). Grundsätzlich obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche, insbesondere seine wahre Bedrohungssituation in dem seiner Auffassung nach auf ihn zutreffenden Herkunftsstaat, für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (Vgl. VwGH 31.05.2001, Zl. 2001/20/0041; VwGH 23.07.1999, Zl. 98/20/0464). Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 AsylG 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (Vgl. VwGH 14.12.2000, Zl. 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, Zl. 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0222). Die Ermittlungspflicht der Behörde geht auch nicht soweit, den Asylwerber zu erfolgversprechenden Argumenten und Vorbringen anzuleiten (vgl. VwGH vom 21.09.2000, Zl. 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0599)
Aufgrund der Beweiswürdigung ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der GFK glaubhaft zu machen:
Wie bereits in der Beweiswürdigung hinlänglich ausgeführt wurde, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine aktuelle Verfolgungsgefahr in Afghanistan aufgrund der einstigen politischen Tätigkeit seines Vaters, glaubhaft zu schildern.
Dass ein Angehöriger der ethnischen und religiösen Minderheit der Hazara im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Verfolgung im Sinne eines ungerechtfertigten Eingriffs von erheblicher Intensität ausgesetzt zu sein, kann das Bundesverwaltungsgericht nicht finden:
Den oben zitierten Länderberichten ist u.a. zwar zu entnehmen, dass Schiiten - speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören - Diskriminierungen durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt sind und sich Diskriminierungen von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara in Zwangsrekrutierungen, Zwangsarbeit, Festnahmen, physischem Missbrauch oder illegaler Besteuerung äußern würden. In einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials erreicht diese Gefährdung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch gegenwärtig nicht ein Ausmaß, das die Annahme rechtfertigen würde, dass in Afghanistan lebende schiitische Hazara wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen und religiösen Minderheit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätten, zumal die Gefährdung dieser Minderheit angesichts der in den Länderberichten dokumentierten allgemeinen Gefährdungslage in Afghanistan, die in vielen Regionen für alle Bevölkerungsgruppen ein erhebliches Gefahrenpotential mit sich bringt, (derzeit) nicht jenes zusätzliche Ausmaß erreicht, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Hazara anzunehmen. Eine Gruppenverfolgung ist auch nicht daraus ableitbar, dass Hazara allenfalls Opfer krimineller Aktivitäten werden oder schwierigen Lebensbedingungen ausgesetzt sind.
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara - unbeschadet der schlechten Situation für diese Minderheit - nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (EGMR 05.07.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande; vgl. zuletzt auch VwGH 23.1.2018, Ra 2017/18/0377).
Da eine Gruppenverfolgung - in Hinblick auf die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit - von Hazara und Schiiten in Afghanistan nicht gegeben ist und der Beschwerdeführer diesbezüglich auch keine individuelle Bedrohung dargetan hat, lässt sich aus diesem Vorbringen eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers nicht ableiten.
Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides
Wird ein Asylantrag "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.
Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch das Protokoll Nr. 6 beziehungsweise Nr. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 AsylG 2005) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Antrag auf interanationalen Schutz auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.
Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).
Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage scheint eine Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf die regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die Länderfeststellungen zwar nicht verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Mazar-e Sharif nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über die Hauptstadt Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktszentren hat. Darüber hinaus ist Mazar-e Sharif über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens eine sicher erreichbare Stadt.
Aus dem vorliegenden Berichtsmaterial geht hervor, dass Anschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Hierzu ist auszuführen, dass die weltweit zu verzeichnende Zunahme von Terroranschlägen für sich alleine betrachtet noch nicht die Schlussfolgerung zu tragen vermag, dass die Ausweisung in einen von Terroranschlägen betroffenen Staat automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde bzw. für den Betroffenen unzumutbar wäre. Die verzeichneten Anschläge ereignen sich hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Die genannten Gefährdungsquellen sind in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Mazar-e Sharif nach wie vor als ausreichend sicher zu bewerten ist.
Auch wenn die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist, so ist die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in diesen Städten dennoch zumindest grundlegend gesichert.
Laut den Richtlinien des UNHCR müssen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative berücksichtigt werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft auf Grund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vgl. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103).
Hierzu ist auszuführen, dass es sich beim Beschwerdeführer zwar um einen alleinstehenden, jungen Mann handelt, der grundsätzlich in einem erwerbsfähigen Alter ist. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren ergab jedoch, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif aufgrund der hohen Kosten für notwendige Medikamente um 1.357 AFN höhere Ausgaben als Einnahmen hätte und er dadurch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen könnte, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
Aufgrund der das Einkommen übersteigenden Kosten ist von einer individuellen Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative auszugehen. Es kann bei ihm daher vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass er sich dort niederlassen kann.
Unter Berücksichtigung der dargelegten allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers und der - insbesondere unter dem Aspekt seiner Erkrankung sowie eines mangelnden familiären bzw. sozialen Netzwerks in Afghanistan - aufgezeigten persönlichen Umstände des Einzelfalls des Beschwerdeführers erscheint es insgesamt nicht möglich, dass der Beschwerdeführer in Mazar-e Sharif Fuß fasst und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen kann, wie es auch andere Landsleute führen (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001). Auch eine drohende Verletzung seiner Rechte unter dem Gesichtspunkt ökonomischer Überlegungen ist zu bejahen, da der Beschwerdeführer aufgrund einer Zurückführung in eine ausweglose Situation geraten würde.
Dem Beschwerdeführer würde daher vor dem Hintergrund der dargelegten Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der ihn betreffenden individuellen, exzeptionellen Umstände bei einer Rückkehr nach Afghanistan die reale Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung drohen, wobei eine innerstaatliche Fluchtalternative aus den dargelegten Erwägungen nicht zumutbar ist. Es ist damit dargetan, dass seine Abschiebung eine Verletzung in seinen Rechten nach Art 3 EMRK darstellen würde.
Ausschlussgründe nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind (§ 9 Abs. 2 Z 1 und 2 AsylG) und der Beschwerdeführer andererseits unbescholten ist (Z 3).
Daher war der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.
III. - Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Im gegenständlichen Fall ist dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.
Daher ist dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.
IV. - Ersatzlose Behebung der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides:
Im gegenständlichen Fall ist dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.
Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise somit nicht mehr vorliegen, sind die Spruchpunkte III und IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben (vgl. dazu auch VfGH 13.9.2013, U 370/2012; VwGH 4.8.2016, Ra 2016/21/0162).
Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs.1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
aktuelle Gefahr, befristete Aufenthaltsberechtigung, gesundheitlicheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W228.2176869.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.06.2020