TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/27 W269 2229043-1

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Veröffentlicht am 27.03.2020
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Entscheidungsdatum

27.03.2020

Norm

AlVG §10
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §13 Abs4
VwGVG §13 Abs5

Spruch

W269 2229043-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Elisabeth MAYER-VIDOVIC als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Rudolf NORTH und Peter STATTMANN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 19.02.2020, GZ XXXX , betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde vom 11.02.2020 gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 28.01.2020 in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 13 Abs. 4 VwGVG iVm § 28 Abs. 2 VwGVG

abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX (im Folgenden als AMS bezeichnet) vom 28.01.2020 wurde ausgesprochen, dass der nunmehrige Beschwerdeführer den Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG für den Zeitraum vom 09.01.2020 bis 04.03.2020 verloren habe und dass keine Nachsicht erteilt werde. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die mögliche Arbeitsaufnahme als Kellner in einer Pizzeria vereitelt habe. Gründe für eine Nachsicht würden nicht vorliegen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht die mit 11.02.2020 datierte, näher begründete Beschwerde.

2.1. Seitens der belangten Behörde wurde daraufhin mit Bescheid vom 19.02.2020 die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom 11.02.2020 gegen den Bescheid des AMS vom 28.01.2020 gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG iVm § 56 Abs. 2 AlVG ausgeschlossen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer bereits seit 18.10.2019 im Arbeitslosengeldbezug stehe. Mit Bescheid des AMS vom 12.12.2019 sei bereits einmal eine Ausschlussfrist gemäß § 10 AlVG für den Zeitraum vom 25.11.2019 bis 05.01.2020 ausgesprochen worden. Die dagegen gerichtete Beschwerde sei mit Beschwerdevorentscheidung vom 10.02.2020 abgewiesen worden. Es liege somit Langzeitarbeitslosigkeit verbunden mit Arbeitsunwilligkeit vor. Zudem erscheine die Einbringlichkeit der Forderung bei vorläufiger Anweisung der Leistung als gefährdet bzw. sogar aussichtslos. Eine Gewährung der aufschiebenden Wirkung würde das öffentliche Interesse an einer Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung unterlaufen. Aus diesem Grund überwiege hier das öffentliche Interesse gegenüber dem mit der Beschwerde verfolgten Einzelinteresse.

2.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 21.02.2020 fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde, in der er sich gegen den Vorwurf der Arbeitsunwilligkeit wendet, da er stets bemüht gewesen sei, die für ihn passende Stelle zu finden und in der Zwischenzeit auch eine Einstellungszusage erhalten habe.

3. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 27.02.2020 vorgelegt. In der Beschwerdevorlage gab die belangte Behörde bekannt, dass von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung nicht abgesehen werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der wiedergegebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

In der Beschwerde wird nicht dargelegt, dass für den Beschwerdeführer mit dem sofortigen Vollzug der Bescheide betreffend den Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Er hat es unterlassen, die Unverhältnismäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde durch ziffernmäßige Angaben über seine Wirtschaftsverhältnisse (Einkommens- und Vermögensverhältnisse) konkret darzulegen.

Die belangte Behörde hat von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung über die Beschwerde in der Hauptsache betreffend den Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nicht abgesehen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde und den nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.2. Das VwGVG sieht vor, dass eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung hat (§ 13 Abs. 1 VwGVG), solange diese Wirkung nicht mit Bescheid (§ 13 Abs. 2 VwGVG) oder mit Beschluss (§ 22 Abs. 2 VwGVG) ausgeschlossen worden ist.

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Nach § 13 Abs. 4 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

3.3. Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 01.09.2014, Ra 2014/03/0028). § 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen.

Das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², § 13 VwGVG K 12).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang in seinem Erkenntnis vom 11.04.2018, Ro 2017/08/0033, Folgendes ausgeführt:

"Um die vom Gesetzgeber außerdem geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können (vgl. zur Interessenabwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG VwGH 14.02.2014, Ro 2014/02/0053), hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat."

Wie bereits ausgeführt, erlaubt aber erst eine entsprechende Konkretisierung, die vom Antragsteller bzw. Beschwerdeführer glaubhaft darzutun ist, eine solche Interessenabwägung (vgl. dazu etwa VwGH 14.02.2014, Ro 2014/02/0053, VwGH 18.11.2003, AW 2003/17/0058). Nur durch die glaubhafte Dartuung konkreter - tunlichst ziffernmäßiger - Angaben über die finanziellen Verhältnisse des Antragstellers bzw. Beschwerdeführers wird das erkennende Verwaltungsgericht überhaupt erst in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob der Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Antragsteller bzw. Beschwerdeführer einen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich brächte (vgl. z.B. VwGH vom 11.03.1996, 96/17/0071; 27.06.1996, 96/17/0028; 10.08.2011, 2011/17/0028).

3.4. Der Beschwerdeführer hat im vorliegenden Fall keinen ihn besonders treffenden Nachteil durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dargetan. Er führt in seiner Beschwerde lediglich aus, dass er stets bemüht gewesen sei, eine für ihn passende Stelle zu finden. Insofern könne nicht von Arbeitsunwilligkeit gesprochen werden. Damit wendet sich der Beschwerdeführer aber lediglich gegen die Entscheidung über den Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld. Ein hinreichend konkretes bzw. substantiiertes Vorbringen dahingehend, dass ihn der Vollzug des Bescheides über den Verlust des Arbeitslosengeldes unverhältnismäßig hart treffen würde, hat der Beschwerdeführer dadurch jedenfalls nicht erstattet. Er legte diesbezüglich auch weder Bescheinigungsmittel vor noch tätigte er konkrete Angaben zu seinen Wirtschaftsverhältnissen.

Dazu ist auch ins Treffen zu führen, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 4 VwGVG ohne weiteres Verfahren zu entscheiden hat. Dies bedeutet, dass das Verwaltungsgericht (gleichsam einem Eilverfahren) ohne Setzung der sonstigen üblichen Verfahrensschritte über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erkennen kann (vgl. Eder/Martschin/Schmid, K17 zu § 13). "Unverzüglich" und "ohne weiteres Verfahren" bedeutet wohl, ohne jede Möglichkeit, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Anm. 8 zu § 13).

Unter Berücksichtigung dessen vermag das erkennende Gericht die Erwägungen der belangten Behörde über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen. So hatte sich das AMS insbesondere darauf berufen, dass bereits im Jahr 2019 eine Ausschlussfrist gemäß § 10 AlVG für die Zeit vom 25.11.2019 bis 05.01.2020 gegen den Beschwerdeführer verhängt wurde.

Dazu ist auszuführen, dass der disziplinierende Charakter einer Sperrfrist verloren ginge, wenn sie erst Monate nach ihrer Verhängung in Kraft treten würde (vgl. VwGH 11.04.2018, Ro 2017/08/0033). Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dient dem gerechtfertigten Ziel der Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.

Auch ist prima facie nicht erkennbar, dass die Beschwerde gegen die Verhängung der Ausschlussfrist gemäß § 10 AlVG wahrscheinlich Erfolg haben wird.

Aufgrund der festgestellten Umstände - nämlich insbesondere des wiederholten Verlusts des Anspruchs auf Arbeitslosengeld infolge von Arbeitsunwilligkeit und des fehlenden substantiierten Vorbringens hinsichtlich eines unverhältnismäßigen Nachteils für den Beschwerdeführer durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung - kann dem AMS nicht entgegengetreten werden, wenn es im vorliegenden Fall vom Überwiegen der öffentlichen Interessen ausgeht und das Vorliegen von Gefahr im Verzug annimmt.

3.5. Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass mit dem gegenständlichen Erkenntnis eine Entscheidung in der Hauptsache (Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 09.01.2020 bis 04.03.2020) nicht vorweggenommen wird.

3.6. Eine mündliche Verhandlung ist entfallen, da das Bundesverwaltungsgericht nach der Regelung des § 13 Abs. 4 VwGVG verpflichtet ist, über die Beschwerde "ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden", was impliziert, dass grundsätzlich keine mündliche Verhandlung durchzuführen ist (vgl. VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde unter Pkt. II.3.3. und II.3.4. wiedergegeben. Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Es handelt sich vielmehr um eine Einzelfallentscheidung.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Gefahr im Verzug, Interessenabwägung,
Konkretisierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W269.2229043.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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