TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/2 W275 2229349-1

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Veröffentlicht am 02.04.2020
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Entscheidungsdatum

02.04.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
Dublin III-VO Art. 28 Abs2
FPG §76 Abs2 Z3
VwGVG §35 Abs2
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W275 2229349-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.01.2020, Zahl 1258570305/200080198, sowie die Anhaltung in Schubhaft von 22.01.2020 bis 09.03.2020 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 22.01.2020 und die Anhaltung von 22.01.2020 bis 25.02.2020 wird gemäß Artikel 28 Abs. 2 der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 22.01.2020 bis 25.02.2020 rechtmäßig war.

II. Der Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft von 26.02.2020 bis 09.03.2020 wird gemäß Artikel 28 Abs. 2 der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG stattgegeben und festgestellt, dass die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 26.02.2020 bis 09.03.2020 rechtswidrig war.

III. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

IV. Der Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, reiste am 21.01.2020 von Italien kommend unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und versuchte in der Folge nach Deutschland weiterzureisen. Der Beschwerdeführer wurde dabei von deutschen Grenzbeamten angehalten und am 22.01.2020 in das österreichische Bundesgebiet zurückgeschoben.

Im Zuge einer Identitätsfeststellung wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer am 21.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Italien gestellt hat.

Der Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge festgenommen und am 22.01.2020 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Sicherung des Überstellungsverfahrens niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er befinde sich nicht in ärztlicher oder medikamentöser Behandlung und leide an keinen Erkrankungen. Er lebe seit fünf Jahren in Italien und habe in Deutschland arbeiten wollen, nachdem er in Italien "dreimal negativ bekommen" habe. Sein Anwalt habe keine Berufung eingelegt und der Beschwerdeführer hätte gedacht, der Entscheidung entgehen zu können, indem er nach Deutschland gehe. In Österreich habe er weder einen Wohnsitz noch Freunde oder Familie, er hätte durch Österreich nur durchreisen wollen, um nach Deutschland zu gelangen. Er sei im Besitz von 1.400,00 Euro gewesen, wie viel er derzeit noch habe, wisse er nicht.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 22.01.2020, Zahl 1258570305/200080198, ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-III-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens an. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet eingereist, sei im österreichischen Bundesgebiet nicht amtlich gemeldet und gehe weder einer legalen Beschäftigung nach noch sei er sozialversichert. Der Beschwerdeführer unterliege einem Verfahren nach der Dublin-III-Verordnung; ein entsprechendes Konsultationsverfahren mit Italien sei eingeleitet worden. Der Beschwerdeführer könne Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen, da er nicht über die notwendigen Reisedokumente verfüge. Der Beschwerdeführer habe auch keine ausreichenden Barmittel, um seinen Unterhalt zu finanzieren. Er habe sich in Italien seinem Verfahren bzw. einer Abschiebung oder Überstellung entzogen. Im Fall des Beschwerdeführers, der im Bundesgebiet nicht in irgendeiner Form sozial verankert sei und versucht habe, nach Deutschland weiterzureisen, nachdem er sich in Italien seinem Verfahren bzw. seiner Abschiebung entzogen habe, bestehe erhebliche Fluchtgefahr. Aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers sei die Entscheidung auch verhältnismäßig; mit einem gelinderen Mittel könne nicht das Auslangen gefunden werden. Ein Konsultationsverfahren mit dem zuständigen Staat sei unverzüglich eingeleitet worden und könne mit einer baldigen Zustimmung und Überstellung des Beschwerdeführers gerechnet werden.

Am 22.01.2020 wurde ein Konsultationsverfahren mit Italien eingeleitet. Das seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß den Bestimmungen der Dublin-III-Verordnung an Italien gerichtete Übernahmeersuchen blieb unbeantwortet.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2020 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt sowie gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG gegen den Beschwerdeführer eine Anordnung zur Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien zulässig sei. Der Beschwerdeführer gab bezüglich dieses Bescheides am 11.02.2020 einen Rechtsmittelverzicht ab.

In der Folge musste die für den 25.02.2020 geplante Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien storniert werden; dies wurde den mit der Abschiebung des Beschwerdeführers befassten Organisationseinheiten der Landespolizeidirektionen Wien und Steiermark sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl seitens des Koordinationsbüros des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - Erstaufnahmestelle West mit E-Mail vom 25.02.2020 mit dem Hinweis "Keine Dublin-Übernahme durch Italien!" mitgeteilt.

Gegen den oben genannten Bescheid vom 22.01.2020 sowie die Anhaltung in Schubhaft erhob der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Vertreter am 06.03.2020 Beschwerde und brachte insbesondere vor, dass er sich im Verfahren kooperativ verhalten habe und bereits in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angegeben habe, nach Italien zurückkehren zu wollen. Er habe in Österreich einen Bruder, der an einer näher bezeichneten Adresse wohnhaft sei und bei dem er wohnen könnte. Es liege keine erhebliche Fluchtgefahr vor. Jedenfalls könne im Hinblick auf seine persönlichen Umstände mit einem gelinderen Mittel das Auslangen gefunden werden. Die Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien sei am 25.02.2020 aufgrund des dort grassierenden Corona-Virus nicht möglich gewesen; aktuell seien Überstellungen nach Italien aufgrund des Corona-Virus grundsätzlich ausgesetzt und könne eine Überstellung nach Italien nicht zeitnah erfolgen. Verzögerungen im Überstellungsverfahren, welche nicht dem Beschwerdeführer zuzurechnen seien, würden gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Fortdauer der Schubhaft nicht rechtfertigen. Da nicht ersichtlich sei, wann letztendlich wieder Überstellungen nach Italien durchgeführt werden könnten und angesichts der sich aus der aktuellen Medienberichterstattung ergebenden Lage auch nicht davon ausgegangen werden könne, dass Überstellungen zeitnah wieder durchführbar seien, sei die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft bis zum Ablauf der sechswöchigen Überstellungsfrist gemäß Art. 28 Abs. 3 Dublin III-Verordnung, welche am 19.03.2020 überschritten würde, nicht verhältnismäßig. Darüber hinaus wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt sei, im Rahmen einer "Habeas Corpus Prüfung" auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers nicht vorliegen würden und der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des Beschwerdeführers gemäß der VwG-Aufwandersatzverordung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen habe, aufzuerlegen.

Am 09.03.2020 erfolgte die Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht. Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer auf Anordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl aus der Schubhaft entlassen und begründend angeführt, dass aufgrund des Corona-Virus derzeit alle Dublin-Überstellungen nach Italien abzusagen seien bzw. derzeit bis auf weiteres keine Überstellungen stattfänden; das Ziel der Sicherungsmaßnahme sei nicht erreichbar und somit derzeit auch die Sicherungsmaßnahme nicht aufrecht zu erhalten.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte in der Folge den Verwaltungsakt vor und gab dazu am 10.03.2020 eine Stellungnahme ab. Zudem beantragte es, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde als unbegründet abweisen, feststellen, dass die Anhaltung bis zum 09.03.2020 rechtmäßig war und den Beschwerdeführer zum Ersatz des Vorlage- und des Schriftsatzaufwandes der belangten Behörde verpflichten. Inhaltlich führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in der Stellungnahme zusammengefasst aus, dass der Beschwerdeführer mehrfach erklärt habe, nur durch Österreich durchreisen zu wollen und selbst angegeben habe, das Konsultationsverfahren nicht abwarten zu wollen. Bereits für den 25.02.2020 sei ein Flug gebucht gewesen, welcher kurzfristig hätte storniert werden müssen; weitere Buchungen seien zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgesagt worden, da noch davon ausgegangen worden sei, dass eine Umbuchung des Beschwerdeführers möglich sein werde. Grundsätzlich sei nur Norditalien von der Epidemie betroffen und wäre eine Überstellung in den Süden bzw. auf eine der Inseln nach wie vor möglich gewesen. Eine Flugumbuchung wäre innerhalb von sieben Tagen möglich gewesen und habe zum damaligen Zeitpunkt begründet angenommen werden können, dass eine Überstellung innerhalb der zulässigen Frist, bis zum 24.03.2020, möglich sein würde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger Nigerias. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht, er ist in Österreich weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.1.2. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.1.3. Der Beschwerdeführer ist gesund und war während seiner Anhaltung in Schubhaft haftfähig.

1.1.4. Der Beschwerdeführer wurde von 22.01.2020 bis 09.03.2020 in Schubhaft angehalten.

1.2. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr:

1.2.1. Der Beschwerdeführer reiste im Besitz eines abgelaufenen nigerianischen Reisepasses (gültig bis 26.03.2019) am 21.01.2020 von Italien kommend in das österreichische Bundesgebiet ein und versuchte, nach Deutschland weiterzureisen. Der Beschwerdeführer wurde dabei von deutschen Grenzbeamten angehalten und am 22.01.2020 in das österreichische Bundesgebiet zurückgeschoben.

1.2.2. Der Beschwerdeführer hat in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und verfügte dort über eine Aufenthaltsberechtigung zur Führung seines Asylverfahrens, welche am 19.01.2019 abgelaufen ist. Italien hat der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers durch stillschweigende Annahme des Wiederaufnahmegesuchs zugestimmt.

Der Beschwerdeführer hat sich seinem Verfahren in Italien bzw. einer Abschiebung bewusst entzogen und versuchte zum Zweck der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach Deutschland zu reisen, ohne über ein gültiges Reisedokument oder eine aufrechte Aufenthaltsberechtigung eines europäischen Staates zu verfügen.

Der Beschwerdeführer hätte sich seiner Überstellung nach Italien auf freiem Fuß entzogen; er hätte sich den österreichischen Behörden nicht zur Verfügung halten.

1.2.3. Der Beschwerdeführer war und ist in Österreich nicht gemeldet.

1.2.4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Schubhaftbescheides und bis zum Einlangen der gegenständlichen Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid davon aus, dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine Familienangehörigen verfügt und hier auch kein soziales Netz hat. Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt weder über ausreichende finanzielle Mittel noch über einen gesicherten Wohnsitz in Österreich.

1.3. Zu einer möglichen Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien:

Die für den 25.02.2020 geplante Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien musste storniert werden und wurde dies den mit der Abschiebung des Beschwerdeführers befassten Organisationseinheiten der Landespolizeidirektionen Wien und Steiermark sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl seitens des Koordinationsbüros des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - Erstaufnahmestelle West mit E-Mail vom 25.02.2020 mit dem Hinweis "Keine Dublin-Übernahme durch Italien!" mitgeteilt. Am selben Tag wurde auf dem Ausdruck dieses weitergeleiteten E-Mails vermerkt, dass ein neuer Termin gebucht werde und die Schubhaft aufrecht bleibe. Nach Stornierung dieses Termins wurde keine neue Flugbuchung konkret in Aussicht genommen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl durfte bereits ab Erhalt dieser Mitteilung nicht mehr, ohne weitere Informationen seitens der italienischen Behörden einzuholen, davon ausgehen, dass eine zeitnahe Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien mit ausreichender Wahrscheinlichkeit möglich sein würde.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Zahl 1258570305/200079615) sowie einer Sicherungsmaßnahme (Zahl 1258570305/200080198), in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1.1. Die Identität und die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten abgelaufenen Reisepass (AS 9 zu 1258570305/200080198). Bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging in seinem angefochtenen Bescheid vom 22.01.2020, mit welchem über den Beschwerdeführer die Schubhaft verhängt wurde (im Folgenden: Schubhaftbescheid) davon aus, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehe (Seiten 4 und 6 des Schubhaftbescheides). Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder in Österreich Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist, finden sich weder in den Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl noch wurde dies vom Beschwerdeführer in seiner Einvernahme oder in der Beschwerde vorgebracht.

2.1.2. Eine Einsichtnahme in das Strafregister hat ergeben, dass der Beschwerdeführer in Österreich strafrechtlich unbescholten ist.

2.1.3. Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich aus seinen Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.01.2020, wonach er sich weder in ärztlicher oder medikamentöser Behandlung befinde noch an irgendwelchen Erkrankungen leide. Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen lassen sich weder dem Verwaltungsakt noch der Beschwerde entnehmen. Es haben sich auch keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer während seiner Anhaltung in Schubhaft eine Haftunfähigkeit vorgelegen hätte; eine solche wurde vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet.

2.1.4. Dass der Beschwerdeführer von 22.01.2020 bis 09.03.2020 in Schubhaft angehalten wurde, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur Zahl 1258570305/200080198.

2.2. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr:

2.2.1. Dass der Beschwerdeführer im Besitz eines abgelaufenen nigerianischen Reisepasses am 21.01.2020 von Italien kommend in das österreichische Bundesgebiet einreiste und versuchte, nach Deutschland weiterzureisen, wobei er von deutschen Grenzbeamten angehalten und am 22.01.2020 in das österreichische Bundesgebiet zurückgeschoben wurde, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu 1258570305/200080198 (insbesondere Einreiseverweigerung der Bundespolizeidirektion München, AS 3ff zu 1258570305/200080198; Anfrage an den Journaldienst des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.01.2020, AS 19ff zu 1258570305/200080198) in Verbindung mit den Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.01.2020 (AS 69ff zu 1258570305/200080198).

2.2.2. Dass der Beschwerdeführer in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ergibt sich aus einem Eurodac-Abgleich (AS 23 zu 1258570305/200080198). Dass er in Italien über eine Aufenthaltsberechtigung zur Führung seines Asylverfahrens verfügte, welche am 19.01.2019 abgelaufen ist, ergibt sich aus einer dem Bundesverwaltungsgericht mit E-Mail vom 10.03.2020 übermittelten Anfragebeantwortung eines Polizeikooperationszentrums. Dass Italien der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers durch stillschweigende Annahme des Wiederaufnahmegesuchs zugestimmt hat, ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Dass der Beschwerdeführer sich seinem Verfahren in Italien bzw. einer Abschiebung bewusst entzogen hat und versuchte, zum Zweck der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach Deutschland zu reisen, ohne über ein gültiges Reisedokument oder eine aufrechte Aufenthaltsberechtigung in einem europäischen Staat zu verfügen, ergibt sich aus der Vorlage des abgelaufenen Reisepasses des Beschwerdeführers (AS 9 zu 1258570305/200080198) und der Nichtvorlage eines Aufenthaltstitels in Verbindung mit den Angaben des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.01.2020, wonach er nach Deutschland gewollt hätte, um zu arbeiten, er in Italien "dreimal negativ bekommen" habe, der Anwalt (in Italien) keine Berufung eingelegt habe und er gedacht hätte, er könnte der Entscheidung entgehen, indem er nach Deutschland gehe; ein gültiges Reisedokument besitze er ebenso wenig wie einen gültigen Aufenthaltstitel in einem anderen europäischen Staat und habe er nur durch Österreich reisen wollen, um nach Deutschland zu gelangen (AS 69ff zu 1258570305/200080198).

Dass der Beschwerdeführer sich seiner Überstellung nach Italien auf freiem Fuß entzogen und sich den österreichischen Behörden nicht zur Verfügung gehalten hätte, ist insbesondere aus den ausdrücklichen Angaben des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.01.2020 zu schließen, denen zufolge der Beschwerdeführer durch Österreich nur habe durchreisen wollen, um nach Deutschland zu gelangen.

2.2.3. Dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht gemeldet war bzw. ist, ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister.

2.2.4. Die Feststellungen zur mangelnden familiären, sozialen und beruflichen Verankerung des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf seinen diesbezüglichen Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.01.2020 (AS 67 zu 1258570305/200080198). Dass der Beschwerdeführer einen Bruder in Österreich habe, wurde unter Bekanntgabe der Identität und der Adresse dieses angeblichen Bruders erstmals in der Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid behauptet. Aufgrund der expliziten Angaben des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme bzw. mangels Vorliegen sonstiger Hinweise auf das Bestehen sozialer Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Schubhaftbescheides und bis zum Einlangen der gegenständlichen Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid zu Recht davon aus, dass der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen und auch über kein soziales Netz in Österreich verfügt. Dass der Beschwerdeführer nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers, wonach er nicht wisse, wieviel Geld er noch habe (AS 71 zu 1258570305/200080198), in Verbindung mit den bei Inschubhaftnahme beim Beschwerdeführer festgestellten Barmitteln in Höhe von 549,00 Euro (AS 21 zu 1258570305/200080198; Seite 11 des Schubhaftbescheides; Seite 5 der Beschwerde). Dass der Beschwerdeführer über keinen gesicherten Wohnsitz in Österreich verfügt, ergibt sich aus dem Zentralen Melderegister.

2.3. Zu einer möglichen Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien:

Dass die für den 25.02.2020 geplante Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien storniert werden musste und dies den mit der geplanten Abschiebung des Beschwerdeführers befassten Organisationseinheiten der Landespolizeidirektionen Wien und Steiermark sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl seitens des Koordinationsbüros des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - Erstaufnahmestelle West mit E-Mail vom 25.02.2020 mit dem Hinweis "Keine Dublin-Übernahme durch Italien!" mitgeteilt und am selben Tag auf dem Ausdruck des weitergeleiteten E-Mails vermerkt wurde, dass ein neuer Termin gebucht werde und die Schubhaft aufrecht bleibe, ergibt sich aus dem entsprechenden, im Verwaltungsakt zu 1258570305/200080198 einliegenden E-Mailverkehr (AS 123 zu 1258570305/200080198).

Inwiefern nach der expliziten Mitteilung, dass die für den 25.02.2020 geplante Abschiebung des Beschwerdeführers storniert werden müsse und keine Dublin-Übernahme durch Italien erfolge, die Aufrechterhaltung der Schubhaft geprüft worden wäre, wie in der Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.03.2020 angeführt (Seite 4 der Stellungnahme), und weshalb das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon ausging, dass die Überstellung des Beschwerdeführers spätestens bis 24.03.2020 - zufolge der Annahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Datum, an welchem die sechswöchige Überstellungsfrist abgelaufen wäre - möglich sein würde (Seite 3 der Stellungnahme), ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar. Die entsprechende, seitens des Koordinationsbüros des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - Erstaufnahmestelle West per E-Mail ergangene Mitteilung wurde am selben Tag per E-Mail dem Koordinationsbüro des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - Regionaldirektion Tirol weitergeleitet mit dem Hinweis "zur Info bzw. weiteren Veranlassung betreffend SIM [Sicherungsmaßnahmen, Anm.] Verfahren". Auf der dem Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl einliegenden weitergeleiteten Mitteilung ist handschriftlich vermerkt, dass ein neuer Termin gebucht werde und die Schubhaft aufrecht bleibe (AS 123 zu 1258570305/200080198). Weshalb die mit der Schubhaft bzw. der Abschiebung des Beschwerdeführers befasste Organisationseinheit des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl entgegen dieser erhaltenen Mitteilung davon ausgegangen ist, dass die Buchung eines neuen Termins möglich sein würde, ist diesem Vermerk ebenso wenig zu entnehmen wie ein Hinweis darauf, wann eine neue Buchung in Aussicht genommen worden ist. Dass nach Stornierung des Termins eine neue Flugbuchung konkret geplant worden wäre, ist den Akten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und auch der Stellungnahme vom 10.03.2020 nicht zu entnehmen. Unter Berücksichtigung des Hinweises "Keine Dublin-Übernahme durch Italien!" wäre im Hinblick auf eine Aufrechterhaltung der Schubhaft ab diesem Zeitpunkt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jedenfalls angehalten gewesen, mit den italienischen Behörden in Kontakt zu treten und weitere bzw. genauere Informationen zur beabsichtigten zukünftigen Vorgehensweise Italiens in diesem Zusammenhang einzuholen und dies in seine Prüfung zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft miteinzubeziehen. Aus den im Akt des Bundesverwaltungsgerichtes einliegenden, öffentlich zugänglichen Medienberichten vom 27.02.2020 geht hervor, dass bereits zu diesem Zeitpunkt in öffentlich zugänglichen Medien bekannt wurde, dass von und nach Italien bis auf weiteres keine Überstellungen im Sinn der Dublin-III-Verordnung stattfinden. Dem - ebenso öffentlich zugänglichen - Portal der Schweizer Regierung war bereits am 26.02.2020 zu entnehmen, dass die italienischen Behörden bis auf weiteres keine Asylsuchenden im Rahmen des Dublin-Systems übernehmen. Schließlich ist auch dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Beschluss eines deutschen Amtsgerichtes vom 26.02.2020 zu entnehmen, dass die dort betroffene Antragstellerin aus der Abschiebungshaft zu entlassen sei, da das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mitgeteilt habe, dass die italienischen Behörden sämtliche Dublin-Überstellungen von und nach Italien bis auf weiteres ausgesetzt hätten. Ungeachtet des Erhaltes der Mitteilung der Notwendigkeit der Stornierung der Abschiebung des Beschwerdeführers sowie der zum Zeitpunkt der Stornierung der Abschiebung aktuellen und notorischen Medienberichterstattung ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, ohne zum Grund der Stornierung der Abschiebung bzw. der seitens der italienischen Behörden geplanten weiteren Vorgehensweise auch nur ansatzweise Informationen einzuholen und diese aktenkundig in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft miteinzubeziehen, davon aus, dass eine Umbuchung des Beschwerdeführers möglich sein werde (Seite 3 der Stellungnahme vom 10.03.2020) und sich die Abschiebung nach Lage des Falles mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich (Seiten 4f der Stellungnahme vom 10.03.2020) darstelle. Dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien innerhalb der sechswöchigen Überstellungsfrist möglich sein würde, stand jedoch bereits angesichts der expliziten Mitteilung, dass eine Dublin-Rücknahme - der Formulierung des entsprechenden Hinweises ("Keine Dublin-Übernahme durch Italien!") nach zu entnehmen überhaupt und ohne zeitliche Einschränkung - nicht erfolge, sowie überdies unter Berücksichtigung der notorischen Medienberichterstattung nicht mehr mit ausreichender Wahrscheinlichkeit fest.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die Beschwerde ist zulässig und rechtzeitig (eine Schubhaftbeschwerde kann jedenfalls während der gesamten Dauer der Schubhaft eingebracht werden; vor deren Beendigung kann sich die Frage der Befristung der Einbringung gar nicht stellen; vgl. VfGH 03.03.1994, VfSlg. 13698).

3.1. Zu Spruchteil A) - Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft von 22.01.2020 bis 25.02.2020:

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 FPG - Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Gemäß Art. 28 Dublin-III-Verordnung dürfen die Mitgliedstaaten zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird. Die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs darf, wenn der Asylwerber in Haft ist, einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Dublin-Verfahren führt, ersucht in diesen Fällen um eine dringende Antwort, die spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs erfolgen muss. Die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt, sobald diese praktisch durchführbar ist, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten.

"Fluchtgefahr" definiert Art. 2 lit. n Dublin-III-Verordnung als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, 2008/21/0647; 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, 2005/21/0301; 23.09.2010, 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, 2007/21/0512 und 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008).

3.1.3. Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und in Österreich weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft über den Beschwerdeführer grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist.

3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung des Überstellungsverfahrens angeordnet.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte im angefochtenen Bescheid begründend insbesondere aus, dass erhebliche Fluchtgefahr gegeben sei, da der Beschwerdeführer sich in Italien einem geordneten Verfahren bzw. einer Abschiebung oder Überstellung entzogen habe, durch Österreich nur durchreisen habe wollen, um nach Deutschland zu gelangen, und über keinerlei Bindungen im österreichischen Bundesgebiet verfüge. Nachdem der Beschwerdeführer offensichtlich nicht gewillt sei, in Österreich zu bleiben und das Konsultationsverfahren abzuwarten, müsse von erheblicher Fluchtgefahr ausgegangen werden.

Im vorliegenden Fall geht das Gericht ebenfalls von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 6 lit. b FPG zu berücksichtigen, ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging im gegenständlichen Fall zu Recht von der Annahme aus, dass für den Beschwerdeführer ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-III-Verordnung zuständig sei: Der Beschwerdeführer reiste von Italien kommend, wo er einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und versuchte in der Folge nach Deutschland weiterzureisen. Der Beschwerdeführer wurde dabei von deutschen Grenzbeamten angehalten und am 22.01.2020 in das österreichische Bundesgebiet zurückgeschoben. Der Beschwerdeführer hat dadurch den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 6 lit. b FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Schubhaftbescheides und bis zum Einlangen der dagegen erhobenen Beschwerde zu Recht davon aus, dass sich in Österreich keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers befinden und kein soziales Netzt vorliegt. Der Beschwerdeführer geht keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt weder über ausreichende finanzielle Mittel, um sich während seines laufenden Dublin-Verfahrens einen Aufenthalt in Österreich zu finanzieren, noch über einen eigenen gesicherten Wohnsitz. Es liegen daher keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschwerdeführer aufgrund des Grades seiner familiären, sozialen und beruflichen Verankerung in Österreich einen so verfestigten Aufenthalt hat, um sich seinem Überstellungsverfahren nicht zu entziehen.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten und die Tatsache, dass der Beschwerdeführer in Österreich weder sozial noch beruflich verankert ist, als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des Beschwerdeführers ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben war.

Der Beschwerdeführer reiste mit einem abgelaufenen Reisepass von Italien kommend in das österreichische Bundesgebiet ein und versuchte in weiterer Folge, nach Deutschland weiterzureisen, wobei er von deutschen Grenzbeamten angehalten und in das österreichische Bundesgebiet zurückgeschoben wurde. Der Beschwerdeführer entzog sich seinem Verfahren in Italien bzw. einer Abschiebung bewusst und versuchte zum Zweck der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit von Italien kommend durch Österreich nach Deutschland zu reisen, ohne über ein gültiges Reisedokument oder eine Aufenthaltsberechtigung in einem europäischen Staat zu verfügen.

Der Beschwerdeführer verfügt zudem in Österreich über keinen eigenen gefestigten Wohnsitz und auch nicht über ausreichende finanzielle Mittel, um sich während seines laufenden Dublin-Verfahrens einen Aufenthalt in Österreich zu finanzieren. Wie bereits oben aufgezeigt, ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im gegenständlichen Fall auch zu Recht davon aus, dass keine Verankerung des Beschwerdeführers im Inland vorliegt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist daher im Ergebnis zu Recht vom Bestehen sowohl eines Sicherungsbedarfes als auch von erheblicher Fluchtgefahr ausgegangen.

Sofern in der Beschwerde vorgebracht wird, der Beschwerdeführer habe nach Durchführung der Einvernahme am 22.01.2020 eingesehen, dass Italien für sein Asylverfahren zuständig sei und zugestimmt, nach Italien zurückzukehren, ist auf die diesbezüglichen beweiswürdigenden Erwägungen zu verweisen, wonach der Beschwerdeführer sich seiner Überstellung nach Italien auf freiem Fuß entzogen und den Behörden in Österreich nicht zur Verfügung gehalten hätte; daran vermag auch der (im Übrigen unsubstaniiert behauptete) grundsätzliche Rückkehrwille des Beschwerdeführers nach Italien nichts zu ändern. Wie vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Schubhaftbescheid zutreffend aufgezeigt, war der Beschwerdeführer vielmehr nicht gewillt, das mit Italien geführte Konsultationsverfahren in Österreich abzuwarten.

Auch die Ausführungen in der Beschwerde, wonach der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.01.2020 an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitgewirkt habe und das Verhalten des Beschwerdeführers zeige, dass er gewillt sei, mit den Behörden zu kooperieren, vermögen an dieser Einschätzung im Ergebnis nichts zu ändern. Zwar wird die grundsätzliche Mitwirkung an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht in Abrede gestellt, diese relativiert für sich allein genommen jedoch nicht die mehrmaligen expliziten Äußerungen des Beschwerdeführers, er wolle nach Deutschland reisen bzw. nicht in Österreich bleiben.

3.1.5. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der Beschwerdeführer hat sich seinem Verfahren in Italien bzw. einer Abschiebung bewusst entzogen und versuchte, zum Zweck der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit illegal nach Deutschland zu reisen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging zu Recht davon aus, dass der Beschwerdeführer in Österreich weder über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt noch sozial oder beruflich verankert ist. Über eigene Mittel zu Existenzsicherung verfügt er ebenso wenig wie über einen eigenen gesicherten Wohnsitz. Er geht in Österreich auch keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und war im Bundesgebiet zu keinem Zeitpunkt (aus eigenem) gemeldet.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung. Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft bis zum 25.02.2020 auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllte und auch der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers der Anhaltung in Schubhaft nicht entgegenstand.

3.1.6. Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam.

Aufgrund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens - insbesondere der Tatsache, dass er im Wissen um den negativen Ausgang seines Verfahrens in Italien sich dem dortigen Verfahren bzw. einer Abschiebung entzog und versuchte, zum Zweck der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit illegal nach Deutschland weiterzureisen - konnte ein gelinderes Mittel nicht zum Ziel der Sicherung des Überstellungsverfahrens führen. Es war somit nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer bei Entlassung aus der Schubhaft seinen fremdenrechtlichen Verpflichtungen nachkommen würde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging auch zu Recht davon aus, dass der Beschwerdeführer keinerlei familiäre, berufliche oder soziale Bindungen an Österreich hat und verfügt der Beschwerdeführer hier über keinen Wohnsitz. Es war daher nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer in Freiheit belassen seine Überstellung nach Italien abwarten würde, sondern Handlungen setzen würde, um nach Deutschland weiterzureisen.

Sofern in der Beschwerde ausgeführt wird, dass sich die fehlende soziale Verankerung als falsch herausstelle, da der Beschwerdeführer in Österreich einen Bruder habe, ist festzuhalten, dass dies erstmals in der Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vorgebracht wurde und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bis dahin aufgrund der ausdrücklichen Angaben des Beschwerdeführers zu Recht, wie oben ausgeführt, davon ausging, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet weder über familiäre noch sonstige soziale Anknüpfungspunkte oder einen gesicherten Wohnsitz verfügt.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels wurde daher zu Recht ausgeschlossen.

3.1.7. Die hier zu prüfende Schubhaft stellte eine "ultima ratio" dar, da bis zum 25.02.2020 sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorlagen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllte. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des Beschwerdeführers zu gewährleisten.

Die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.01.2020 sowie gegen die Anhaltung in Schubhaft von 22.01.2020 bis 25.02.2020 war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchteil A) - Spruchpunkt II. - Anhaltung in Schubhaft von 26.02.2020 bis 09.03.2020:

Wie oben dargelegt, durfte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bereits ab Erhalt der Mitteilung, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers storniert werden müsse und keine Dublin-Übernahme durch Italien erfolge, nicht mehr ohne diesbezüglich mit den italienischen Behörden in Kontakt zu treten, genauere Informationen einzuholen und das Ergebnis dieser Erhebungen aktenkundig in die Prüfung der Ver

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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