Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ao. Univ.-Prof. Dr. P***** H*****, vertreten durch Dr. Josef-M. Danler, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei 1. U*****, vertreten durch Dr. Andreas Kolar, Rechtsanwalt in Innsbruck, 2. Univ.-Prof. Dr. E***** H*****, vertreten durch Mag. Dr. Norbert Winkler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 12.326,80 EUR sA und Feststellung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 13. Juni 2019, AZ 8 Nc 8/19z, mit dem der Ablehnungsantrag der klagenden Partei gegen zwei Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck zurückgewiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird in Ansehung der Ablehnung des Richters des Oberlandesgerichts Innsbruck Dr. ***** teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird unter Aufrechterhaltung seines übrigen Inhalts dahin abgeändert, dass die Befangenheit des Richters des Oberlandesgerichts Innsbruck Dr. ***** im Berufungsverfahren AZ 13 Ra 8/19b des Oberlandesgerichts Innsbruck festgestellt wird.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 26. April 2019, GZ 13 Ra 8/19b-40, wird für nichtig erklärt.
Text
Begründung:
Der Kläger und Antragsteller ist außerordentlicher Universitätsprofessor an einem Institut der rechtswissenschaftlichen Fakultät der erstbeklagten Universität. In seiner Klage im Ausgangsverfahren bekämpft er den Abschluss eines Arbeitsvertrags zwischen Erst- und Zweitbeklagter über eine Stelle als ordentliche Universitätsprofessorin. Der Kläger hatte sich auf diese Stelle auch selbst beworben und wirft der Erstbeklagten eine personenbezogene Ausschreibung, ein nicht mit internationalen kompetitiven Standards vereinbares Auswahlverfahren sowie Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vor.
Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen. Das Oberlandesgericht Innsbruck gab der Berufung des Klägers nicht Folge.
Dem erkennenden Senat des Oberlandesgerichts Innsbruck gehörten die Richter Dr. ***** und Dr. ***** an. Nach Zustellung der Berufungsentscheidung lehnte der Kläger diese beiden Richter als befangen ab. Sie stünden als Gastvortragende und Fachkommentarautoren in einem engen beruflichen Naheverhältnis zu einem mittlerweile emeritierten früheren Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Erstbeklagten, mit dem sich der Kläger einst überworfen habe. Der Richter Dr. ***** halte überdies Lehrveranstaltungen am Institut für Arbeitsrecht, Sozialrecht und Rechtsinformatik der Erstbeklagten ab. Beide Richter seien regelmäßig entgeltlich als Vortragende in Seminaren dieses Instituts tätig. Diese Umstände sowie die nach Ansicht des Klägers auffallend einseitige Argumentation in der Berufungsentscheidung seien geeignet, die Unbefangenheit der abgelehnten Richter in Zweifel zu ziehen.
Die abgelehnten Richter erklärten sich in ihren Stellungnahmen für nicht befangen. Sie stünden in keinem persönlichen Naheverhältnis zu dem angesprochenen ehemaligen Dekan der juristischen Fakultät.
Bei dem im Ablehnungsantrag bezeichneten Seminar handle es sich um eine einmal jährlich stattfindende Gemeinschaftsveranstaltung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Innsbruck und des Leiters des Universitätsinstituts.
Dr. ***** führte zusätzlich aus, er habe in den Sommersemestern 2018 und 2019 einen Lehrauftrag am Institut für Arbeitsrecht, Sozialrecht und Rechtsinformatik der Erstbeklagten erfüllt. Diese Tätigkeit sei im Rahmen befristeter freier Dienstverträge erbracht worden, das Jahresbruttohonorar dafür habe 2.192,76 EUR betragen. Ein durchgehendes Arbeitsverhältnis zur Erstbeklagten bestehe nicht. Er habe die Lehrveranstaltungen ohne Vorgaben frei konzipiert und keinerlei Weisungen erhalten.
Das Oberlandesgericht Innsbruck wies den Ablehnungsantrag zurück.
Es sei bei objektiver Betrachtung noch keine Hemmung einer unparteiischen Entscheidung zu befürchten, wenn die Bekanntschaft eines Richters mit Verfahrensbeteiligten nicht über einen beruflich bedingten freundschaftlich-kollegialen Kontakt hinausgehe. Gleiches gelte auch für die von Dr. ***** ausgeübte Lehrtätigkeit. Deren geringer Umfang und die Höhe der bekanntgegebenen Honorare könnten bei objektiver Betrachtung kein Eigeninteresse am Ausgang des konkreten Rechtsstreits begründen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Ablehnungsantrags abzuändern.
Rekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN). Er ist teilweise auch berechtigt.
1. Nach § 19 Z 2 JN kann ein Richter abgelehnt werden, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Nach § 22 Abs 2 GOG haben Richter Gründe anzuzeigen, die ihre Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen geeignet sind.
Ein zureichender Grund, die Unbefangenheit eines Richters iSd § 19 Z 2 JN in Zweifel zu ziehen, liegt nach ständiger Rechtsprechung schon dann vor, wenn bei objektiver Betrachtungsweise der äußere Anschein der Voreingenommenheit – also der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche Motive (RS0045975) – entstehen könnte (RS0046052 [T2, T10]; RS0045949 [T2, T6]), dies auch dann, wenn der Richter tatsächlich subjektiv unbefangen sein sollte (RS0045949 [T5]). Dabei ist zur Wahrung des Vertrauens in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Rechtsprechung ein strenger Maßstab anzuwenden (vgl RS0045949).
2. Im Zusammenhang mit Lehraufträgen einer Universität hat der Oberste Gerichtshof nach Erlassung der erstgerichtlichen Entscheidung klargestellt, dass bei einer regelmäßigen entgeltlichen Tätigkeit des Richters für eine der Verfahrensparteien für einen objektiven Beobachter zumindest der Eindruck entstehen kann, dass die richterliche Entscheidung von einer Nahebeziehung zu dieser Partei und damit von sachfremden Motiven beeinflusst sein könnte (OGH 21. 10. 2019 2 Nc 37/19t unter Verweis auf EGMR 24. 9. 2003, Nr 62435/00, Pescador Valero/Spanien).
3. Diese Voraussetzungen zeigt der Rekurs in Bezug auf das Mitglied des Berufungssenats Dr. *****, der noch im Sommersemester 2019 in einem befristeten freien Dienstverhältnis zur erstbeklagten Partei stand und eine zukünftige Fortsetzung dieser Zusammenarbeit zumindest nicht ausgeschlossen hat, zutreffend auf.
In diesem Fall kann der äußere Anschein eines die Unparteilichkeit gefährdenden Interessenkonflikts, der auf die Erledigung der umfassenden Beweisrüge Einfluss haben konnte, nicht völlig unbedenklich von der Hand gewiesen werden. Die Befangenheit des Richters des Oberlandesgerichts Dr. ***** war aufgrund dieses äußeren Anscheins – unabhängig davon, dass er sich glaubhaft subjektiv nicht für befangen erachtet – festzustellen.
4. Hingegen zeigt der Rekurs keine hinreichenden Gründe für Zweifel an der Unbefangenheit des Richters des Oberlandesgerichts Dr. ***** auf.
Zutreffend hat das Erstgericht darauf verwiesen, dass selbst ein freundschaftlicher kollegialer Kontakt zwischen einem Richter und einem Parteienvertreter oder einem als Privatgutachter tätigen Universitätsprofessor regelmäßig keinen Ablehnungsgrund darstellt (RS0046076), weil eine professionelle Trennung zwischen beruflicher und privater Beziehung erwartet werden kann (RS0045970 [T7]).
Von einem Richter gehaltene Vorträge bei jährlichen Fachtagungen, die vom Institut für Arbeitsrecht und Sozialrecht der Erstbeklagten überdies gemeinsam mit dem Präsidenten des Oberlandesgerichts veranstaltet werden, vermögen genausowenig wie die anschließende Publikation der Beiträge oder die Mitwirkung des Richters an einem Fachkommentar als einer von zahlreichen Coautoren eine besondere Nahebeziehung zur Erstbeklagten begründen, die seine Unparteilichkeit in Frage stellen könnte.
Dem Rekurs war daher spruchgemäß teilweise Folge zu geben.
Gemäß § 25 JN war aber ausgehend von der Beteiligung des befangenen Richters (RS0046028) die Entscheidung des Berufungsgerichts für nichtig zu erklären (9 ObA 37/04p).
Textnummer
E128096European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00047.19Y.0227.000Im RIS seit
13.06.2020Zuletzt aktualisiert am
13.06.2020