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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
B-VG Art7 Abs1Leitsatz
Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde betreffend den Verlust der Staatsbürgerschaft bei (Wieder-)Erwerb einer fremden StaatsbürgerschaftSpruch
I. Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.
II. Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Begründung
Begründung
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 Abs1 B-VG). Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Verwaltungsgericht Wien die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin die türkische Staatsangehörigkeit wiedererworben hat, zu Recht auf einen von der Staatsbürgerschaftsbehörde eingesehenen Eintrag in ein von der Hohen Wahlkommission der Türkei online zur Verfügung gestelltes Wählerverzeichnis stützt, insoweit nicht anzustellen.
Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als im Hinblick auf Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH 12.3.2019, Rs. C-221/17, Tjebbes ua) zu einer gebotenen Einzelfallprüfung der Folgen eines mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit einhergehenden Verlusts der Unionsbürgerschaft ein Verstoß der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschrift des §27 Abs1 StbG gegen Art8 EMRK behauptet wird, lässt ihr Vorbringen angesichts dessen, dass §27 Abs1 StbG den Verlust der Staatsbürgerschaft nur dann an den Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit knüpft, wenn diese auf Initiative des Betroffenen erworben wird, und §28 StbG die Möglichkeit eröffnet, die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft trotz Annahme einer fremden Staatsangehörigkeit aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen des Privat- und Familienlebens zu beantragen (vgl VfGH 17.6.2019, E1832/2019), vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 11.12.2018, E3717/2018; siehe auch bereits VfSlg 19.765/2013 und 19.766/2013 zu der inhaltlich deckungsgleichen Regelung des §27 Abs1 StbG 1965) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Es ist daher im Lichte des Art8 EMRK und des Gleichheitsgrundsatzes nicht zu beanstanden, wenn §27 Abs1 StbG bei (Wieder-)Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit für den Fall, dass der Betroffene die ihm eingeräumte Möglichkeit zur Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht wahrnimmt, davon ausgeht, dass die öffentlichen Interessen an der Vermeidung mehrfacher Staatsangehörigkeiten überwiegen.
Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).
Schlagworte
VfGH / Ablehnung, Staatsbürgerschaftsrecht, EU-RechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2019:E1302.2019Zuletzt aktualisiert am
12.06.2020