TE Vwgh Erkenntnis 2020/5/12 Ra 2019/03/0153

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Veröffentlicht am 12.05.2020
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Index

L65005 Jagd Wild Salzburg
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §52
AVG §53
AVG §7 Abs1
JagdG Slbg 1993 §158 Abs1 Z8
JagdG Slbg 1993 §158 Abs1 Z8 idF 2015/021
JagdG Slbg 1993 §61 Abs1
VStG §5 Abs1
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Ing. T T in B, bei Einbringung der Revision vertreten durch die Stolz Rechtsanwalts-GmbH in 5550 Radstadt, Schernbergstraße 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 14. Oktober 2019, Zl. 405- 1/447/1/4-2019, betreffend Übertretung des Salzburger Jagdgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau als unbegründet abgewiesen. Mit diesem Straferkenntnis war der Revisionswerber einer Übertretung des § 158 Abs. 1 Z 8 in Verbindung mit § 61 Salzburger Jagdgesetz 1993 (im Folgenden: JG) in Verbindung mit einem näher bezeichneten Bescheid der Salzburger Jägerschaft vom 27. März 2018 schuldig erkannt worden. Er habe es als Jagdleiter der T. GmbH, die Jagdinhaberin einer näher bezeichneten EJ sei, zu verantworten, dass in diesem Jagdgebiet im Jagdjahr 2018 der mit Bescheid der Salzburger Jägerschaft vom 27. März 2018 festgesetzte Mindestabschuss nicht erfüllt worden sei. Der festgesetzte Mindestabschuss sei nur zu 68 % erfüllt worden (nicht erlegt worden seien ein Hirsch der Klasse III, acht Tiere sowie fünf Kälber). Wegen dieser Übertretung wurde über den Revisionswerber gemäß § 158 Abs. 1 Z 8 JG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 168 Stunden) verhängt.

Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Begründend führt das Verwaltungsgericht - nach wörtlicher Wiedergabe der Beschwerde sowie der Niederschrift der vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung - aus, es stehe unstrittig fest, dass für das verfahrensgegenständliche Jagdgebiet für das Jagdjahr 2018 für das Rotwild ein Mindestabschuss von zwei Hirschen der Klasse III, zwei Hirschen der Klasse III (einjährig), zwölf Tieren und acht Kälbern vorgesehen gewesen sei und dieser mit dem Nichtabschuss von einem Hirsch der Klasse III, acht Tieren sowie fünf Kälbern nicht erfüllt worden sei. Von der Tatbildlichkeit dieses Sachverhaltes im Sinne der vorgeworfenen Übertretung sei daher unstrittig auszugehen gewesen; die Beschuldigtenrechtfertigung beziehe sich ausschließlich auf tatsubjektive Momente.

Nach Ausführungen zum Eigenjagdgebiet, zur Vorschreibung jagdwirtschaftlicher Maßnahmen nach § 90 JG aufgrund festgestellter Waldverwüstung und zum Rotwildstand insbesondere bei einer näher bezeichneten Fütterung im Eigenjagdgebiet (die gebotene formale Trennung von Tatsachenfeststellung, Beweiswürdigung und rechtlicher Beurteilung - vgl. dazu etwa VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076 - lässt das angefochtene Erkenntnis vermissen) führt das Verwaltungsgericht wörtlich Folgendes aus:

"Wenn nun vom (Revisionswerber) vorgetragen wird, dass es aufgrund von touristischen Störungen, von Beweidung, ungünstigen Witterungsverhältnissen und anderen widrigen Umständen es unmöglich gewesen sei, den vorgeschriebenen Mindestabschuss zu erfüllen, so wird dazu vom Landesverwaltungsgericht Salzburg einerseits entgegnet, dass das Jagdgesetz in der Fassung des Jahres 2018 keinen Spielraum zur Nichterfüllung des Mindestabschusses lässt und daher die Beschwerde schon aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen war. Es war daher auch nicht notwendig zu dieser Frage die beantragten Zeugen zu hören bzw weitere jagdfachliche Gutachten einzuholen.

Der (Revisionswerber) ist andererseits darauf hinzuweisen, dass der Abschussplan für das Jahr 2018 in Rechtskraft erwachsen ist und der Abschussplan und der in diesem auferlegte Mindestabschuss beim Rotwild mit dem Nichtabschuss eines Hirsches der Klasse III, von 8 Tieren und 5 Kälbern bei einer Vorgabe von zwei Hirschen der Klasse III, zwei Hirschen der Klasse III (einjährig), 12 Tieren und 8 Kälbern ganz erheblich unterschritten worden ist, sodass das Beschwerdevorbringen in seiner Gesamtheit daher völlig unverständlich ist.

Wenn vom (Revisionswerber) argumentiert wird, dass im Sommer kaum Rotwild in seinem Jagdgebiet steht, so ist ihm entgegenzuhalten, dass der jagdfachliche Amtssachverständige der belangten Behörde DI (H.) selbst mehrmalig im August des vergangenen Jahres im Revier (...) unterwegs war und sich sowohl vom Gegenhang wie auch im Revier (...) selbst ein Bild über die aktuelle Rotwildverteilung machen konnte. Dabei hat er festgestellt, dass insbesondere im Nahbereich der Fütterung (...), nämlich der (R.-Fütterung) bergseitig, sich intensiv Rotwild aufgehalten hat, und zwar einzeln und zum Teil in mehreren Stücken verteilt. Dies steht auch Einklang mit den Feststellungen und Beobachtungen zum Beispiel des Herrn DI (S.) im Waldverwüstungsverfahren. Auch dieser hat zahlreiche Hinweise auf das Vorhandensein von Rotwild auch im Sommer sammeln können.

Das gesamte Beschwerdevorbringen zielt in seinem Inhalt immer wieder darauf ab, dass die Abschussplanungen rechtswidrig seien. Diesbezüglich ist der (Revisionswerber) zB auch auf die ausführliche Begründung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 24.01.2018, (...), zu verweisen. Wenn nun wiederholt die Einholung eines jagdfachlichen Amtssachverständigengutachtens gefordert wird, so ist der (Revisionswerber) abermals darauf hinzuweisen, dass das Jagdgesetz in der Fassung des Jahres 2018 keinen Spielraum für die Nichterfüllung des Mindestabschusses lässt. Dies kann auch nicht mit dem Vorbringen gerechtfertigt werden, dass aufgrund der Witterung bzw der Beweidung oder durch touristische Einflüsse in diesem Jagdgebiet nur wenig Möglichkeiten zur Erlegung bleiben.

Es ist nicht verständlich, dass auf einer Jagdfläche von über 1000 ha in einem Rotwildkerngebiet es nicht gelingt, den Abschussplan beim Rotwild auch nur annähernd zu erfüllen, zumal nachgewiesen werden konnte, dass sich Rotwild sowohl im Sommer als auch im Herbst und Winter dort sehr zahlreich aufhält.

Der (Revisionswerber) hat in der Verhandlung am 23.09.2019 selbst Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass bei der (R.-Fütterung) in der Fütterungsperiode 2018 auf 2019 in der Spitzenzeit ca. 210 Stück Rotwild gestanden sind. Aus seinen Unterlagen ergibt sich auch, dass das Rotwild zu dieser Fütterung beginnend von Oktober stetig zuzieht und am Ende der Fütterungsperiode ab etwa Mitte April sich wieder zu verteilen beginnt. Es liegt daher jagdfachlich auf der Hand, dass es dem (Revisionswerber) bei entsprechendem Willen gelingen muss, bei einem Rotwildstand von zumindest 210 Stück Rotwild an der (R.- Fütterung) vor allem in jenen Monaten, in denen das Wild zur Fütterung zuzieht bzw von dieser abzieht und sich in dieser Zeit täglich auf den Wechseln zur Fütterung aufhält, den vorgeschriebenen Mindestabschuss zu erfüllen. Auch ist darauf hinzuweisen, dass der jagdfachliche Amtssachverständige DI (H.) zur Rotwildverteilung ausgeführt und festgestellt hat, dass insbesondere im Nahbereich der Fütterung (...) bergseitig intensiv Rotwild sich aufgehalten hat und zwar einzeln und zum Teil in mehreren Stücken verteilt.

Was das Vorbringen des (Revisionswerbers) anbelangt, dass ein Verschulden an der Nichterfüllung des vorgeschriebenen Abschusses dann nicht gegeben sei, wenn die Erfüllung des Abschusses objektiv unmöglich sei, ist dem entgegenzuhalten, dass in jenen Verfahren, welche zur jeweiligen Abschussplan-Festsetzung geführt haben, die objektive Möglichkeit der Erfüllung des Abschusses bereits einer umfassenden Prüfung zugeführt wurde.

Dieses durchgeführte Ermittlungsverfahren hat die objektive Erfüllbarkeit des Abschussplanes bereits zutage gebracht. Der (Revisionswerber) hat mit einer Erlegung von drei Hirschen der Klasse III (einjährig) sowie lediglich vier Tieren und drei Kälbern, die jeweils dem Mindestabschuss unterliegen, vielmehr zum Ausdruck gebracht hat, dass ihm an der Erfüllung des Mindestabschusses wenig gelegen war. Es ist nicht plausibel nachvollziehbar, dass, selbst wenn der (Revisionswerber) im Jagdgebiet auch mit Störungen zu kämpfen hat, die Nichterfüllung des Abschusses bei einem Jagdgebiet mit über 1000 ha Größe in einem Rotwildkerngebiet und mit einer Fütterung, zu der ca. 210 Stück Rotwild zuziehen derart eklatant gesetzt worden ist, sodass das diesbezügliche Vorbringen nicht verständlich ist.

In zahlreichen anderen Verfahren wurde bereits nachgewiesen, dass im verfahrensgegenständlichen Jagdgebiet viele Rotwildfährten vorhanden sind, häufig Rotwildlosung zu finden ist und auch Wildschäden vor allem durch Rotwild dokumentiert sind. Wie bereits ausgeführt, ist bei der (A.-Fütterung) der Rotwildstand bis zum Jahr 2019 zumindest auf ca. 210 Stück Rotwild angestiegen.

Zumal der (Revisionswerber) als selbst aktives Jagdschutzorgan und aus vielen seiner Aktivitäten dem Landesverwaltungsgericht Salzburg als Jäger mit sehr hoher fachlicher Kompetenz bekannt ist, entstand im Hinblick darauf, dass der (Revisionswerber) nur einen Hirsch der Klasse III, und insbesondere 8 Tiere sowie 5 Kälber nicht erlegt hat, der Eindruck, dass der (Revisionswerber) durch das vorgeworfene Verhalten im Jagdjahr 2018 wider besseren Wissens die Nichterfüllung von aufgetragenen Mindestabschüssen und die Aufhege des Wildes in seinem Jagdgebiet in Kauf genommen hat.

Der entscheidende Richter hat durch seine langjährige Tätigkeit als Vorsitzender der Prüfungskommissionen für den Jagdschutzdienst und die Berufsjägerprüfung, als selbst beeidetes Jagdschutzorgan und als selbst langjährig praktizierender Jäger die jagdfachliche Kompetenz zur Beurteilung der objektiven Erfüllbarkeit des Abschussplanes im konkreten Fall, sodass die Einholung von weiteren Gutachten in dieser bereits sehr umfassend begutachteten Angelegenheit unterbleiben konnte.

Es war daher das angefochtene Straferkenntnis in seinem Schuldspruch zu bestätigen."

3 In der gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes erhobenen außerordentlichen Revision macht der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision unter anderem geltend, dass das angefochtene Erkenntnis von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, da das Verwaltungsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der objektiven wie subjektiven Erfüllbarkeit des Abschussplans 2018 ebenso wie die Einvernahme beantragter Zeugen abgewiesen habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem von der belangten Behörde keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde - über die Revision, die sich im Sinne des Revisionsvorbringens als zulässig erweist, erwogen:

4 Gemäß § 61 Abs. 1 Salzburger Jagdgesetz 1993 (JG) in der im Revisionsfall maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 106/2013 hatte der Jagdinhaber den für sein Jagdgebiet festgesetzten Mindestabschuss bis zum Beginn der Schonzeit zu erfüllen.

5 § 158 Abs. 1 Z 8 JG lautete in der im Revisionsfall maßgebenden Fassung LGBl. Nr. 21/2015:

"(1) Soweit die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis 10.000 EUR zu bestrafen, wer

(...)

8. den für sein Jagdgebiet festgelegten Mindestabschuss nicht bis zum Beginn der der Schusszeit unmittelbar nachfolgenden Schonzeit erfüllt, wenn auch der für die betreffende Wildregion in einer Verordnung gemäß § 60 Abs 1 insgesamt festgelegte Mindestabschuss bis zum Beginn der Schonzeit nicht erfüllt worden ist;"

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach klargestellt, dass die Nichterfüllung eines Abschussplanes zwar ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG darstellt, die Umkehr der Beweislast aber nicht bedeutet, dass dadurch das Delikt zu einem (reinen) Erfolgsdelikt würde. Ein Verschulden an der Nichterfüllung des bewilligten (vorgeschriebenen) Abschusses ist dann nicht gegeben, wenn die Erfüllung des Abschusses objektiv unmöglich ist. In diesem Fall kann dem Jagdausübungsberechtigten die Nichteinhaltung des Abschussplanes verwaltungsstrafrechtlich mangels Verschulden nicht vorgeworfen werden (vgl. etwa VwGH 11.12.1996, 94/03/0255, zur - insofern vergleichbaren - Rechtslage nach dem Tiroler Jagdgesetz). Die Beantwortung der Frage, ob der Abschussplan auf Grund der tatsächlichen Verhältnisse im Revier erfüllbar war oder nicht, erfordert jagdfachliche Kenntnisse, weshalb die Behörde sich nicht über einen darauf gerichteten Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens hinwegsetzen darf (VwGH 26.2.1986, 84/03/0317, zum - wiederum insofern vergleichbaren - Tiroler Jagdgesetz).

7 Im Revisionsfall ist unstrittig, dass der Revisionswerber zum Tatzeitpunkt Jagdleiter der Jagdinhaberin der Eigenjagd EJ war, und dass der für diese Eigenjagd für das Jagdjahr 2018 festgesetzte Mindestabschuss nicht erfüllt wurde. Die Erfüllung des objektiven Tatbestands der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung wurde vom Revisionswerber auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht bestritten. Er brachte jedoch in seiner Beschwerde gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde - auf das Wesentlichste zusammengefasst - vor, dass es ihm unmöglich gewesen sei, den Abschussplan zu erfüllen, wofür er die seiner Ansicht nach maßgeblichen Gründe benannte und die Einvernahme mehrerer Zeugen sowie die Einholung eines jagdfachlichen Sachverständigengutachtens beantragte. 8 Das Verwaltungsgericht hat ungeachtet des vom Revisionswerber in seiner Beschwerde gestellten Beweisantrags auf Einholung eines jagdfachlichen Sachverständigengutachtens, den er auch in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich aufrecht erhielt, kein derartiges Gutachten eingeholt.

9 Im angefochtenen Erkenntnis geht das Verwaltungsgericht zum Einen davon aus, dass das JG in der im Revisionsfall maßgeblichen Fassung "keinen Spielraum zur Nichterfüllung des Mindestabschusses" lasse. Dies trifft zwar insoweit zu, als im Fall der Nichterfüllung des festgelegten Mindestabschusses das objektive Tatbild des § 158 Abs. 1 Z 8 JG (in der im Revisionsfall maßgebenden Fassung LGBl. Nr. 21/2015) verwirklicht ist; ein Rückschluss auf die Verwirklichung der subjektiven Tatseite kann jedoch allein aus dem Umstand der objektiven Nichterfüllung des Abschussplans nicht gezogen werden. Dass "kein Spielraum zur Nichterfüllung des Mindestabschusses" besteht, macht die Nichterfüllung des Mindestabschusses nicht zum reinen Erfolgsdelikt.

10 Soweit das angefochtene Erkenntnis daher in seiner tragenden Begründung der Sache nach davon ausgeht, dass es sich bei der Nichterfüllung des Mindestabschusses um ein reines Erfolgsdelikt handelt, erweist es sich als inhaltlich rechtswidrig.

11 Zum Anderen aber legt die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses nahe, dass auch die Frage der objektiven Erfüllbarkeit des Abschussplans (und damit die subjektive Tatseite) - zumindest im Sinne einer Alternativbegründung - einer Überprüfung unterzogen worden sei; diesbezüglich verweist das Verwaltungsgericht auf Wahrnehmungen des (in anderen Verfahren tätig gewordenen) jagdfachlichen Amtssachverständigen und letztlich auf die eigene Fachkenntnis des erkennenden Richters aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit als Vorsitzender der Prüfungskommissionen für den Jagdschutzdienst und seiner Berufsjägerprüfung und weil er als beeidetes Jagdschutzorgan und langjährig praktizierender Jäger über "die jagdfachliche Kompetenz zur Beurteilung der objektiven Erfüllbarkeit des Abschussplanes im konkreten Fall" verfüge.

12 Dazu ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht Fachfragen nur dann selbst beurteilen darf, wenn der erkennende Richter bzw. die erkennende Richterin des Verwaltungsgerichtes selbst über ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, die für eine selbständige fachliche Beurteilung von Fragen dieses Wissensgebietes vorausgesetzt werden müssen. Die betreffenden selbständigen Darlegungen des Verwaltungsgerichtes müssen, abgestellt auf das jeweils in Betracht kommende Wissensgebiet, methodisch und dem inhaltlichen Niveau nach den gleichen Anforderungen entsprechen wie das Gutachten eines Sachverständigen (vgl. zur Beurteilung von Fachfragen durch die Behörde VwGH 21.12.2011, 2010/04/0046, sowie zur Übertragung dieser Rechtsprechung auf die Beurteilung von Fachfragen durch das Verwaltungsgericht VwGH 11.12.2019, Ra 2017/05/0257). 13 Es kann dahingestellt bleiben, ob der erkennende Richter des Verwaltungsgerichtes im hier vorliegenden Fall über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für die jagdfachliche Beurteilung der Frage verfügte, ob dem Revisionswerber die Erfüllung des Mindestabschusses im Jagdjahr 2018 objektiv möglich war, da die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis jedenfalls nicht den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten entsprechen und nach dem vorgelegten Verfahrensakt diese fachliche Beurteilung weder in der mündlichen Verhandlung erörtert noch dem Revisionswerber sonst mit der Möglichkeit zur Äußerung dazu übermittelt worden war. 14 Der Revisionswerber hat bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht wie auch in der Revision dargelegt, aus welchen Gründen ihm seiner Ansicht nach im konkreten Jagdjahr 2018 die Erfüllung des Mindestabschusses objektiv nicht möglich gewesen sei; es ist daher nicht von vornherein auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht im Falle der Einholung eines jagdfachlichen Sachverständigengutachtens (oder der Vorlage einer methodisch und inhaltlich auf dem Niveau eines jagdfachlichen Sachverständigengutachtens stehenden fachlichen Beurteilung durch den erkennenden Richter) zu einem anderen Ergebnis im Hinblick auf das Vorliegen der subjektiven Tatseite gekommen wäre, sodass im Hinblick auf die als Alternativbegründung anzusehende Beurteilung, dem Revisionswerber sei die Erfüllung des Mindestabschusses objektiv möglich gewesen (und die subjektive Tatseite daher verwirklicht) ein relevanter Verfahrensmangel vorliegt. 15 Soweit im Übrigen in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses von einer "bereits sehr umfassend begutachteten Angelegenheit" die Rede ist, bezieht sich dies offenbar auf den Umstand, dass in anderen Verfahren, die das auch hier gegenständliche Eigenjagdgebiet betreffen (Waldverwüstung, Maßnahmen zum Schutz des Waldes und landwirtschaftlicher Kulturen) Gutachten erstellt wurden; derartige - in den vorgelegten Verfahrensakten im Übrigen nicht enthaltene - Gutachten können jedoch zur hier entscheidungserheblichen Frage, ob dem Revisionswerber die Erfüllung des Mindestabschusses objektiv möglich war, nichts beitragen.

16 In diesem Zusammenhang ist zum umfangreichen Vorbringen des Revisionswerbers betreffend die vom ihm behauptete Befangenheit des (in anderen Verfahren betreffend das auch hier gegenständliche Eigenjagdgebiet tätig gewordenen) jagdfachlichen Amtssachverständigen der belangten Behörde festzuhalten, dass dieser Amtssachverständige nach den vorgelegten Verfahrensakten zwar die verfahrenseinleitende "Anzeige" erstattet hat, aber in diesem Verwaltungsstrafverfahren weder als Sachbearbeiter der Behörde noch als Sachverständiger der belangten Behörde oder des Verwaltungsgerichtes tätig geworden ist. Es ist daher nicht zu erkennen, welchen Einfluss eine allfällige Befangenheit dieses Behördenmitarbeiters auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren und das angefochtene Erkenntnis gehabt haben sollte.

17 Für das fortgesetzte Verfahren wird zu beachten sein, dass das Verwaltungsgericht nach der gefestigten Rechtsprechung auf dem Boden des § 17 VwGVG in Verbindung mit §§ 52 und 53 AVG die Verpflichtung hat, die ihm zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständigen) seinen Verfahren beizuziehen, wobei ein Verwaltungsgericht stets prüfen muss, ob ein Amtssachverständiger unbefangen, unter anderem also tatsächlich unabhängig von der Verwaltungsbehörde ist, deren Bescheid beim Verwaltungsgericht angefochten wird. Es ist im Interesse der Sicherstellung der Unabhängigkeit bzw. der Unbefangenheit von sachverständigen Personen erforderlich, dass das Verwaltungsgericht die Frage ihrer Unbefangenheit bzw. Unabhängigkeit einschließlich eines allfälligen diesbezüglichen Vorbringens von Verfahrensparteien sorgfältig prüft und die Heranziehung jedenfalls in Form eines (verfahrensleitenden) Beschlusses anordnet, wobei gegebenenfalls zu begründen ist, wenn von den Parteien vorgebrachte Bedenken hinsichtlich der vollen Unbefangenheit nicht zutreffen (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/03/0014).

18 Das angefochtene Erkenntnis war somit wegen vorrangig aufzugreifender inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

19 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am 12. Mai 2020

Schlagworte

Anforderung an ein GutachtenBefangenheit von SachverständigenBeweismittel SachverständigenbeweisSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel SachverständigenbeweisSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Erheblichkeit des BeweisantragesSachverständiger Bestellung Auswahl Enthebung (Befangenheit siehe AVG §7 bzw AVG §53)Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes Fachgebiet

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019030153.L00

Im RIS seit

30.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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