TE Vwgh Erkenntnis 2020/5/19 Ro 2018/13/0016

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Veröffentlicht am 19.05.2020
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

EStG 1988 §34

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ro 2018/13/0018 E 19.05.2020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und die Hofräte MMag. Maislinger sowie Mag. Novak und die Hofrätinnen Dr. Reinbacher sowie Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des M in G, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Christoph Urtz, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Scherzergasse 6/4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 5. Juli 2018, Zl. RV/7102220/2012, betreffend Einkommensteuer 2010, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber erzielt im Rahmen einer Personengesellschaft Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Freiberufler. In einer berichtigten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 machte er einen Betrag in Höhe von über EUR 250.000 als „sonstige außergewöhnliche Belastungen“ geltend und führte auf Vorhalt der belangten Behörde aus, er sei eines der Opfer einer durch eine Steuerberatungskanzlei verübten Veruntreuung. Als Folge dieser Veruntreuung habe er „im Jahr 2010 bereits entrichtete Einkommensteuervorauszahlungen erneut einzahlen und die von der damaligen steuerlichen Vertretung künstlich geschaffenen Einkommensteuergutschriften aufgrund einer neuerlichen Veranlagung ebenfalls erneut einzahlen“ müssen. Die von einer Angestellten der Steuerberatungskanzlei geschaffenen Guthaben seien von dieser zu ihrer eigenen Bereicherung übertragen bzw. überrechnet worden. Durch die doppelte Zahlung der Einkommensteuer liege aus näher ausgeführten Gründen eine außergewöhnliche Belastung vor.

2        Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 25. Mai 2012 die Einkommensteuer für das Jahr 2010 ohne Berücksichtigung der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastung fest. Die dagegen erhobene (als Beschwerde zu behandelnde) Berufung, in der vorgebracht wurde, der Revisionswerber habe seine Einkommensteuer zweimal bezahlen müssen, und darauf hingewiesen wurde, dass gleichzeitig versucht werde, die von der vormaligen Steuerberatungskanzlei veruntreuten Gelder als Betriebsausgaben beim Betriebsfinanzamt zur Anerkennung zu bringen, wurde vom Finanzamt dem (damals noch zuständigen) unabhängigen Finanzsenat vorgelegt.

3        In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht stellte der steuerliche Vertreter des Revisionswerbers zunächst einen Antrag auf Vertagung der Verhandlung, weil eine außergewöhnliche Belastung nur subsidiär geltend gemacht werden könne. Das Rechtsmittelverfahren im Feststellungsverfahren der Mitunternehmerschaft, in welchem die Abzugsfähigkeit der veruntreuten Gelder als Betriebsausgaben anhängig sei, sei noch nicht entschieden worden. In der Sache wurde vorgebracht, dass die Geldvollmacht einer GmbH erteilt worden sei, die Veruntreuung aber durch eine Mitarbeiterin der GmbH erfolgte. Die Finanzonline-Verordnung sehe nicht vor, dass Kanzleimitarbeiter, die nicht Steuerberater oder Berufsanwärter sind, Anträge wie im gegenständlichen Fall stellen dürfen. Der Zweck einer Geldvollmacht decke jedenfalls nicht die Einwilligung des Klienten ab, Gelder zu veruntreuen. Das Tatbestandsmerkmal der Zwangsläufigkeit sei jedenfalls erfüllt, zumal der Revisionswerber gezwungen war, die Einkommensteuer doppelt zu entrichten. Er sei Opfer von Betrügern geworden.

4        Das Bundesfinanzgericht wies die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und erklärte die Revision für zulässig. Begründend führte es aus, dass nach näher zitierter Rechtsprechung des deutschen Bundesfinanzhofes das Opfer eines betrügerischen Verhaltens keine Berücksichtigung des Verlusts als außergewöhnliche Belastung verlangen könne, weil eine Außergewöhnlichkeit und Zwangsläufigkeit der entstandenen Aufwendungen bei Vermögensschäden durch Betrug oder ähnliche Vermögensstraftaten nicht gegeben sei. Der Vertagungsantrag wurde abgewiesen, weil die strittigen Zahlungen ohnedies nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt wurden und daher ein Abwarten auf den Ausgang des Feststellungsverfahrens nicht erforderlich gewesen sei.

5        Die Revision wurde zugelassen, weil die Rechtsfrage, ob ein Vermögensschaden aufgrund einer Veruntreuung von Geldern durch einen Steuerberater eine außergewöhnliche Belastung darstellt, vom Verwaltungsgerichtshof bisher nicht behandelt wurde.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die zu ihrer Begründung unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit vorbringt, die Verweigerung der Anerkennung der den Revisionswerber treffenden Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung würde gegen das objektive Nettoprinzip verstoßen. Die Außergewöhnlichkeit im Sinne des § 34 Abs. 2 EStG 1988 sowie die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit seien im Verfahren nicht strittig. Zum Tatbestandsmerkmal der Zwangsläufigkeit führt die Revision aus, dass der Revisionswerber die Belastung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt habe. Er habe zwar der Steuerberatungskanzlei eine Vollmacht eingeräumt, mit einer Veruntreuung sei aber nicht zu rechnen gewesen. Das vom Bundesfinanzgericht herangezogene Urteil des Bundesfinanzhofes sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil es sich um verschiedene Sachverhalte handeln würde. Hilfsweise werde der durch die Veruntreuung entstandene Schaden als (Sonder-)Betriebsausgabe geltend gemacht.

7        Das Finanzamt hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8        § 34 Abs. 1 bis 3 EStG 1988 lautet:

„§ 34. (1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:

1.Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2.Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3.Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.“

9        Der Revisionswerber bringt vor, dass er die Einkommensteuer für einen näher bezeichneten Zeitraum zweimal habe entrichten müssen und sich daraus nicht nur die Außergewöhnlichkeit, sondern auch die Zwangsläufigkeit seiner Aufwendungen ergebe. Es ist allerdings nicht zutreffend, dass im vorliegenden Fall die Einkommensteuer zweimal entrichtet werden musste. Der Revisionswerber hat die Einkommensteuer gemäß den gesetzlichen Vorschriften nur einmal entrichtet. Die erste Zahlung wurde seitens der Steuerberatungskanzlei veruntreut, woraus sich zwar ein Vermögensverlust des Revisionswerbers, aber keine doppelte Entrichtung seiner Einkommensteuer ergibt.

10       Entscheidungswesentlich im revisionsgegenständlichen Fall ist daher die Frage, ob Vermögensverluste, die durch strafrechtliche Delikte wie zB Veruntreuung oder Betrug entstehen, als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden können.

11       § 34 EStG 1988 ist eine Einkommensermittlungsvorschrift. Die Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen entspricht dem Leistungsfähigkeitsprinzip als einem wesentlichen Element der Einkommensteuer. Der Besteuerung soll nur das Einkommen unterworfen werden, über das der Steuerpflichtige tatsächlich frei verfügen kann. Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips ist es, jene Einkommensteile steuerfrei zu belassen, die auf Grund der persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen keine steuerliche Leistungsfähigkeit indizieren. Denn erst soweit das Einkommen den notwendigen Lebensbedarf übersteigt, kann der Steuerpflichtige darüber tatsächlich verfügen (vgl. Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 34 Tz 3).

12       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt § 34 EStG 1988 eine außergewöhnliche Belastung des laufenden Einkommens voraus, auf Grund derer das Einkommen des Kalenderjahres bei dessen progressiven Besteuerung gemindert werden soll. Aufwendungen, die nicht die Einkommens-, sondern nur die Vermögenssphäre des Steuerpflichtigen belasten, können im Rahmen des § 34 EStG 1988 grundsätzlich keine Berücksichtigung finden (vgl. VwGH 22.3.2010, 2010/15/0005, VwSlg. 8533/F, mwN). Der Verlust von Vermögen ist nur ausnahmsweise eine außergewöhnliche Belastung (siehe zum insofern vergleichbaren § 34 EStG 1972 VwGH 12.9.1989, 88/14/0163, betreffend den späteren Verlust einer Darlehensforderung, die auf grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Aufwendungen beruhte; vgl. näher Fuchs, aaO, Tz 28).

13       In Zusammenhang mit einem Diebstahl hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Wiederbeschaffung gestohlener Gegenstände nur dann eine außergewöhnliche Belastung darstellen kann, wenn es sich um lebensnotwendige Güter handelt (vgl. VwGH 16.12.1998, 96/13/0033, VwSlg. 7338/F). Zudem könnten Aufwendungen für Ersatzbeschaffungen, die in ursächlichem Zusammenhang mit außergewöhnlichen Vermögenseinbußen stehen, nur dann Berücksichtigung finden, wenn sowohl die Vermögenseinbußen selbst als auch die Ausgaben für die Ersatzbeschaffung zwangsläufig erwachsen sind (vgl. VwGH 28.5.1980, 1104/78).

14       Im Fall eines Vermögensverlustes kann daher - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht schon der Verlust von Vermögensgegenständen, sondern allenfalls eine Ersatzbeschaffung eine außergewöhnliche Belastung darstellen. Bei einer wie im Revisionsfall erfolgten Veruntreuung von Geld kann es schon begrifflich keine Ersatzbeschaffung geben; dass das widerrechtlich entzogene Geld anderweitig hätte verwendet werden können, begründet keine außergewöhnliche Belastung im Sinne der hier maßgeblichen Vorschrift des Einkommensteuerrechts.

15       Da es sich somit bei den veruntreuten Geldern um Aufwendungen handelt, die nicht die Einkommens-, sondern die Vermögenssphäre des Steuerpflichtigen belasten, liegen die Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensermittlung nicht vor. Ob eine Betriebsausgabe vorliegen könnte, ist im Feststellungsverfahren zu klären.

16       Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. Mai 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2018130016.J00

Im RIS seit

15.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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