TE OGH 2020/6/9 14Os46/20a

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Veröffentlicht am 09.06.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Juni 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Walter in der Strafvollzugssache des ***** B***** wegen bedingter Entlassung aus Freiheitsstrafen, AZ 185 BE 262/19f des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 11. Februar 2020, AZ 31 Bs 27/20b (ON 13 des BE-Aktes), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner und des Verteidigers Mag. Häussler zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafvollzugssache AZ 185 BE 262/19f des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzt der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 11. Februar 2020, AZ 31 Bs 27/20b (ON 13), § 17 Abs 1 Z 3 letzter Satz StVG.

Dieser Beschluss wird aufgehoben und dem Oberlandesgericht Wien die neuerliche Entscheidung über die Beschwerde des ***** B***** gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. Dezember 2019, GZ 185 BE 262/19f-7, aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht vom 18. Dezember 2019, GZ 185 BE 262/19f-7, wurde die bedingte Entlassung des ***** B***** aus Freiheitsstrafen nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG abgelehnt.

Dieser Beschluss wurde dem (zu diesem Zeitpunkt unvertretenen) Verurteilten am 19. Dezember 2019 zu eigenen Handen zugestellt (ON 7, ON 12 S 3 f).

Am 30. Dezember 2019 gab Rechtsanwalt Mag. ***** M***** die Vollmachtserteilung durch B***** bekannt und beantragte die Übermittlung einer Aktenabschrift sowie ihn „von sämtlichen weiteren Schritten in Kenntnis zu setzen“ (ON 8).

Der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. Dezember 2019 wurde dem Verteidiger mit Wirkung 31. Dezember 2019 zugestellt (ON 8 S 1, Einsicht in VJ). Am 13. Jänner 2020 erhob er Beschwerde gegen diesen Beschluss (ON 9).

Diese wies das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 11. Februar 2020, AZ 31 Bs 27/20b (ON 13), als unzulässig zurück, weil die Vollmachtserteilung an einen Wahlverteidiger die vierzehntägige Beschwerdefrist, anders als im Fall des § 63 Abs 1 StPO, nicht neuerlich auslöse, weshalb diese bereits am 2. Jänner 2020 abgelaufen und die Beschwerde daher verspätet erhoben worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht der genannte Beschluss des Oberlandesgerichts Wien mit dem Gesetz nicht in Einklang.

Gemäß § 17 Abs 1 Z 3 letzter Satz StVG ist ein Beschluss des Vollzugsgerichts – (hier) über die bedingte Entlassung gemäß § 16 Abs 2 Z 12 StVG – ungeachtet der subsidiären Anwendbarkeit der Bestimmungen der StPO dem Verurteilten stets selbst bekannt zu machen, eine Ausfertigung des Beschlusses jedoch auf sein Verlangen auch seinem Verteidiger zuzustellen, wodurch für diesen die Frist zur Erhebung einer Beschwerde (§ 88 Abs 1 StPO) ausgelöst wird. Desgleichen gilt dies auch, wenn der Verteidiger die Zustellung einer Beschlussausfertigung verlangt (Pieber in WK2 StVG § 17 Rz 10).

Vorliegend wurde ein solches Begehren auf Zustellung des Beschlusses über die bedingte Entlassung des Verurteilten durch dessen Verteidiger (innerhalb der dem Verurteilten offen stehenden Rechtsmittelfrist [vgl Pieber in WK2 StVG § 17 Rz 11]) gestellt, indem dieser anlässlich der Vollmachtsbekanntgabe am 30. Dezember 2019 ausdrücklich um Übermittlung einer Aktenabschrift und darum, ihn „von sämtlichen weiteren Schritten in Kenntnis zu setzen“, ersuchte.

Die am 31. Dezember 2019 erfolgte Zustellung des Beschlusses des Landesgerichts für Strafsachen Wien an den Verteidiger löste demnach die vierzehntägige Beschwerdefrist für diesen neu aus und war somit zum Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde am 13. Jänner 2020 noch nicht abgelaufen.

Der demgegenüber von einem Fristablauf am 2. Jänner 2020 ausgehende Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht verletzt demnach § 17 Abs 1 Z 3 letzter Satz StVG.

Da diese Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten wirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO).

Textnummer

E128277

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00046.20A.0609.000

Im RIS seit

12.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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