Entscheidungsdatum
20.05.2020Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §44aText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Luchner über die Beschwerde des AA , vertreten durch RA BB, Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 31.10.2019, zu Zl ***,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG zur Einstellung gebracht.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Vorverfahren, Sachverhalt:
Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 31.10.2019 zu Zl *** wurde dem Beschwerdeführer spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:
„1. Datum/Zeit: 06.10.2018, 21:25 Uhr
Ort: Y, Adresse 2
Sie sind als Fremder (§ 2 Abs. 4 Z 1 FPG) nach der Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach Eintritt der Durchsetzbarkeit nicht rechtzeitig aus dem Bundesgebiet ausgereist und haben sich am 10.10.2019, noch unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten, obwohl die Frist zur freiwilligen Ausreise (§ 55 FPG) bereits verstrichen war. Dies wurde anlässlich einer Kontrolle im ZMR (Obdachlosenwohnsitz seit 8.10.2018) festgestellt.
Anlässlich der Übernahme der AZR am 27.05.2019 gaben Sie an, dass Sie immer in Z sich aufgehalten haben.
Genen Sie erließ das BFA RD Tirol eine Rückkehrentscheidung (iVm Einreiseverbot), rechtskräftig seit 12.8.2019.“
Dem Beschwerdeführer wurde eine Übertretung nach § 120 Abs 1b iVm § 31 Abs 1a Fremdenpolizeigesetz zur Last gelegt und wurde ihm gemäß § 120 Abs 1b Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr 100/2005 idgF (BGBl I Nr 145/2017) eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 5.000,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens aufgetragen.
Dagegen hat der BF fristgerecht Beschwerde erhoben und in dieser zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, dass er nicht aus Österreich ausreisen könne, da ihm die indische Botschaft keine entsprechenden Papiere ausstellen würde. Der BF habe im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht Vorsicht, entsprechende Dokumente zu erhalten, was aber nicht gelungen ist. Es werde beantragt das verwaltungsverfahren nach Behebung des erstinstanzlichen Bescheids zur Einstellung zu bringen.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt ins besondere in den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses.
Der Anzeige der LPD Tirol vom 17.01.2019 zur Zahl *** ist zu entnehmen, dass der BF eine Übertretung nach § 121 Abs. 1a FPG in Verbindung mit § 57 FPG missachtet hatte. Tatzeitpunkt in der Anzeige war der 06.10.2018.
Dem erstinstanzlichen Akt ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer das erste Mal mit Schreiben vom 17.05.2019 zur Rechtfertigung aufgefordert wurde. Tatzeitpunkt in diesem Schreiben war damals der 06.10.2018.
Außerdem gab es eine zweite Aufforderung zur Rechtfertigung vom 28.05.2019. Darin ist der Tatzeitraum 06.10.2018 bis 27.05.2019 angeführt.
Einer weiteren Aufforderung zur Rechtfertigung vom 11.10.2019 betrifft dann den Zeitpunkt 10.10.2019.
Im erstinstanzlichen Akt erliegt weiters die Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, die seit 12.08.2019 rechtskräftig ist und in welcher eine Rückkehrentscheidung sowie ein Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen worden war.
Das nunmehr bekämpfte Straferkenntnis vom 31.10.2019 bezieht sich hingegen einerseits auf den Zeitpunkt 06.10.2018 21:25 Uhr und führt dann aber noch weiter aus, dass der Beschwerdeführer als Fremder nach Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach Eintritt der Durchsetzbarkeit nicht rechtzeitig aus dem Bundesgebiet ausgereist und sich am 10.10.2019 noch unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten habe. Die Frist zur freiwilligen Ausreise sei bereits verstrichen gewesen. Dies sei anlässlich einer Kontrolle im Obdachlosenwohnsitz seit 08.10.2018 festgestellt worden. Es ist im erstinstanzlichen Akt somit keine klare Linie zu erkennen, welcher Tatzeitraum bzw. welcher Tatzeitpunkt dem BF nun tatsächlich vorgeworfen werden sollte. Der BF hat drei verschiedene Aufforderungen zur Rechtfertigung erhalten, jeweils mit divergierenden Daten bzw. Zeiträumen und auch im Straferkenntnis ist nicht zweifelsfrei herauszulesen, welcher Tatzeitpunkt bzw. Tatzeitraum denn nun tatsächlich vorgehalten wird.
Der Spruch ist diesbezüglich nicht korrekt und unklar.
II. Rechtliche Bestimmungen:
In § 44a VStG ist ausgeführt, dass der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet zu enthalten hat:
1. die als erwiesen angenommene Tat; 2. die Verwaltungsvorschrift die durch die Tat verletzt worden ist; 3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung; 4. den etwaigen Ausspruch über privat- und rechtliche Ansprüche; 5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.
In § 31 Abs 1 VStG ist ausgeführt, dass die Verfolgung einer Person unzulässig ist, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Die Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist und das strafbare Verhalten aufgehört hat. Ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.
III. Rechtliche Erwägungen:
Die Behörde hätte den Spruch soweit zu konkretisieren gehabt, dass es für den BF möglich gewesen wäre zu dem Vorwurf Stellung zu nehmen. Im Sinne des § 44 a Z 1 VStG ist die objektive Tatseite im Spruch mit allen ihren rechtserheblichen Merkmalen anzuführen (VwGH 10.12.2001, 2000/10/0024), zu konkretisieren und zu individualisieren und gehört dazu auch die Angabe der Tatzeit (VwSlg NF 11.487A) und des Tatortes (VwGH 19.09.1996, 96/07/0002)
Zum einen ist im erstinstanzlichen Straferkenntnis das Datum bzw der Tatzeitpunkt einerseits mit 06.10.2018, 21:25 Uhr, andererseits mit 10.10.2019, sowie mit 08.10.2019 angegeben. Das sind verschiedene Tatzeiten, sogar verschiedene Jahre, sodass sich der Spruch bezüglich Pkt § 44 Abs 1 als nicht schlüssig erweist. Der BF ist einerseits in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt worden, wurden im doch bei den drei Aufforderungen zur Rechtfertigung jeweils verschiedene Zeiten vorgeworfen und besteht aufgrund des Spruchs des Straferkenntnisses im gegenständlichen Fall zweifellos die Gefahr einer Doppelbestrafung.
Es geht aus dem Straferkenntnis nicht hervor, welcher Tatzeitpunkt bzw. Tatzeitraum dem Beschwerdeführer nun tatsächlich zur Last gelegt wird.
Aus all diesen Gründen und auch weil zwischenzeitlich Verfolgungsverjährung im Sinne des § 31 Abs1 VStG eingetreten ist, war das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 3 VStG wegen zur Einstellung zu bringen. Der Spruch konnte, zieht man die Tatzeit in der Anzeige, nämlich den 6.10.2018, in Betracht, nicht mehr korrigiert werden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Hinweis:
Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr.in Luchner
(Richterin)
Schlagworte
Einreiseverbot;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2019.17.2518.1Zuletzt aktualisiert am
10.06.2020