TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/30 W197 1261294-2

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Veröffentlicht am 30.10.2019
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Entscheidungsdatum

30.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG-DV 2005 §4
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W197 1261294-2/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Elmar SAMSINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Volksrepublik China, vertreten durch die Rechtsanwälte XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.09.2015, ZI. IFA 240052908 + VZ 150799796, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.07.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass Spruchpunkt I. lautet:

"Ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK wird gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG zurückgewiesen. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen."

II. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheids wird gemäß §§ 52 Abs. 9, 46 und 55 FPG und § 4 AsylG-DV abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Volksrepublik China, reiste spätestens Anfang 2000 unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein. Der Beschwerdeführer gab während seines Aufenthaltes im Behördenverkehr vier verschiedene Namen und ebenso viele unterschiedliche Geburtsdaten an. Derzeit führt er den im gegenständlichen Verfahren verwendeten Namen.

2. Vom 20.03.2000 bis zum 11.04.2000 befand sich der Beschwerdeführer in Schubhaft, wobei er seine Enthaftung durch eine hungerstreikbedingte Haftunfähigkeit erzwang.

3. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 22.03.2000, IV-1.018.835/FrB/00 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FrG aF ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

4. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 22.03.2000, S-32.760/00 wurde über den Beschwerdeführer wegen unrechtmäßigen Aufenthalts gemäß § 107 Abs. 1 Z 4 FrG aF eine Geldstrafe in Höhe von öS 1.000,00 verhängt.

5. Vom 03.05.2000 bis zum 19.05.2000 befand sich der Beschwerdeführer in Schubhaft, wobei er seine Enthaftung durch eine hungerstreikbedingte Haftunfähigkeit erzwang.

6. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 05.05.2000, S-56.689/00 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 107 Abs. 1 Z 1 FrG aF eine Geldstrafe in Höhe von öS 5.000,00 verhängt, nachdem er nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn nicht rechtzeitig aus dem Bundesgebiet ausgereist war.

7. Mit Schreiben vom 23.05.2000 teilte die Konsularabteilung der Botschaft der Volksrepublik China der Bundespolizeidirektion Wien mit, dass nach Überprüfung der vom Beschwerdeführer angegebenen Personalien nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer Staatsbürger der Volksrepublik China sei, weshalb für den Beschwerdeführer kein Heimreisezertifikat ausgestellt werden könne.

8. Vom 07.10.2000 bis zum 20.10.2000 befand sich der Beschwerdeführer in Schubhaft, wobei er seine Enthaftung durch eine hungerstreikbedingte Haftunfähigkeit erzwang.

9. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 11.10.2000, S-140.839/00 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 107 Abs. 1 Z 1 FrG aF eine Geldstrafe in Höhe von öS 5.000,00 verhängt, nachdem er nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn nicht rechtzeitig aus dem Bundesgebiet ausgereist war.

10. Am 28.11.2000 wurde über den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes nach §§ 142, 143 StGB die Untersuchungshaft verhängt. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX 2001, rechtskräftig seit XXXX 2001, zu

XXXX wegen § 142 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt.

11. Mit Bescheid der Fremdenpolizei Wien vom 08.11.2001, IV-1018835/FrB/01 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 26 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 FrG und § 39 FrG jeweils aF ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

12. Mit Schreiben vom 31.12.2001 teilte die Konsularabteilung der Botschaft der Volksrepublik China der Bundespolizeidirektion Wien mit, dass nach Überprüfung der vom Beschwerdeführer angegebenen Personalien nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer Staatsbürger der Volksrepublik China sei, weshalb für den Beschwerdeführer kein Heimreisezertifikat ausgestellt werden könne.

13. Vom 19.01.2002 bis zum 01.02.2002 befand sich der Beschwerdeführer in Schubhaft, wobei er seine Enthaftung durch eine hungerstreikbedingte Haftunfähigkeit erzwang. Am Tag der Schubhaftverhängung wurde der Beschwerdeführer in die Beobachtungszelle verlegt, weil er fortlaufend mit den Füßen gegen die Zellentür trat.

14. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, 23.01.2002, IV-1018835/FrB/02 wurde über den Beschwerdeführer gemäß §§ 40 iVm 107 Abs. 1 Z 1 FrG aF eine Geldstrafe in Höhe von EUR 726,73 verhängt, nachdem er nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn nicht rechtzeitig aus dem Bundesgebiet ausgereist war.

15. Mit Schreiben vom 12.03.2002 teilte die Konsularabteilung der Botschaft der Volksrepublik China der Bundespolizeidirektion Wien mit, dass nach Überprüfug der vom Beschwerdeführer angegebenen Personalien nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer Staatsbürger der Volksrepublik China sei, weshalb für den Beschwerdeführer kein Heimreisezertifikat ausgestellt werden könne.

16. Der Beschwerdeführer stellte am 11.06.2002 einen Antrag auf internationalen Schutz.

17. Vom 22.01.2003 bis zum 07.02.2003 befand sich der Beschwerdeführer in Schubhaft, wobei er seine Enthaftung durch eine hungerstreikbedingte Haftunfähigkeit erzwang.

18. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 28.01.2003, III-1018835/FrB/03 wurde über den Beschwerdeführer gemäß §§ 40 iVm 107 Abs. 1 Z 1 FrG aF eine Geldstrafe in Höhe von EUR 726,00 verhängt, nachdem er nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn nicht rechtzeitig aus dem Bundesgebiet ausgereist war.

19. Am 03.04.2003 stellte das Hauptzollamt Wien beim Magistratischen Bezirksamt für den 22. Bezirk einen Strafantrag gegen einen Restaurantbetreiber wegen Übertretung der Bestimmungen der §§ 3 Abs. 1 iVm 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG, weil der Beschwerdeführer von Organen der Zollverwaltung bei der Verrichtung von Arbeiten in einem Restaurant betreten wurde, ohne dass eine dafür notwendige Genehmigung vorlag.

20. Mit Bescheid vom 12.05.2005, rechtskräftig seit 01.06.2005, 02 15.298-BAW wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ab, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach China für zulässig und wies den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet aus. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.11.2008, C2 261294-0/2008 als verspätet zurückgewiesen.

21. Am 06.06.2007 stellte das Finanzamt Wien XXXX beim Magistratischen Bezirksamt für den XXXX . Bezirk einen Strafantrag gegen eine Restaurantbetreiberin wegen Übertretung der Bestimmungen der §§ 3 Abs. 1 iVm 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG, weil der Beschwerdeführer von Organen der Finanzverwaltung bei der Verrichtung von Arbeiten in einem Restaurant betreten wurde, ohne dass eine dafür notwendige Genehmigung vorlag.

22. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 26.01.2009, III-1018835/FrB/09 wurde der Beschwerdeführer für den 16.02.2009 in das Fremdenpolizeiliche Büro der Bundespolizeidirektion Wien geladen. Mit Schreiben vom 16.02.2009 beantragte die damalige Parteienvertreterin des Beschwerdeführers, den Termin zu vertagen. Die Behörde gab diesem Antrag statt und lud den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 09.03.2009, III-1018835/FrB/09 für den 20.04.2009. Mit Schreiben vom 17.04.2009 beantragte die Parteienvertreterin des Beschwerdeführers erneut die Vertagung des Termins. Die Behörde kam dem nicht nach und erließ am 16.07.2009, III-1018835/FrB/09 einen Festnahmeauftrag gemäß § 74 Abs. 2 Z 1 FPG aF.

23. Mit Bescheid des Bundespolizeidirektion Wien vom 11.06.2012, III-1018835/FrB/12 wurde die Dauer des am 08.11.2001 erlassenen, unbefristeten Aufenthaltsverbotes aufgrund einer Änderung des FPG gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 3 FPG iVm § 68 Abs. 2 AVG auf die Dauer von zehn Jahren abgeändert.

24. Am 23.08.2012 wurde der Beschwerdeführer vor der Bundespolizeidirektion Wien einvernommen. Dabei brachte er unter anderem vor:

"[...] Der Zweck meiner Einreise war die Arbeitsaufnahme, um mein Leben zu verbessern.

Seit meiner Einreise habe ich Österreich nie verlassen.

Ich verfüge über kein Identitätsdokument. Ich war auch noch nie auf der Chinesischen Botschaft. Ich kann nicht belegen, dass ich die Person bin, welche ich angebe zu sein. Ich will nicht auf die Botschaft gehen und außerdem brauche ich die Ausweise von China nicht. Ich denke nur daran, dass ich in Österreich bleiben kann.

Ich weiß, dass ich ein Aufenthaltsverbot in Österreich habe. Ich bin aber noch nie ausgereist.

Ich bin davon in Kenntnis, dass mein Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen ist.

Wenn ich nun eine Österreicherin heirate, wie schaut es dann aus?

[...]

Das Angebot, die Hilfe des Vereins für Menschenrechte/Rückkehrhilfe anzunehmen, lehne ich ab. Ich will nicht nach China zurückkehren.

[...]"

25. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 23.08.2012, III-1.018.835/FrB/12 wurde über den Beschwerdeführer gemäß §§ 67 iVm 120 Abs. 1a FPG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.000,00 verhängt, nachdem er nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn nicht rechtzeitig aus dem Bundesgebiet ausgereist war.

26. Mit Schreiben vom 17.09.2012 teilte die Konsularabteilung der Botschaft der Volksrepublik China der Bundespolizeidirektion Wien mit, dass nach Überprüfung der vom Beschwerdeführer angegebenen Personalien nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer Staatsbürger der Volksrepublik China sei, weshalb für den Beschwerdeführer kein Heimreisezertifikat ausgestellt werden könne.

27. Am 10.12.2014 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufhebung des gegen ihn bestehenden Aufenthaltsverbotes und begründete dies damit, dass er sich seit fünfzehn Jahren im Bundesgebiet befände und sich strafrechtlich wohlverhalten habe, die strafgerichtliche Verurteilung sei zudem getilgt. Der Beschwerdeführer lebe imgemeinsamen Haushalt mit seiner im Antrag namentlich genannten Lebensgefährtin, welche über einen Aufenthaltstitel verfügte. Die Rechtslage habe sich zugunsten des Beschwerdeführers geändert, weil die Verhängung von unbefristeten Aufenthaltsverboten nicht mehr möglich sei und die nunmehr gesetzlich vorgesehene Maximaldauer von Aufenthaltsverboten von zehn Jahren bereits abgelaufen sei.

28. Die vom Beschwerdeführer behauptete Lebensgemeinschaft wurde laut Erhebungsbericht der Landespolizeidirektion Wien vom 02.01.2015 durch Ermittlungen am 02.01.2015 überprüft und konnte nicht verifiziert werden. Der Beschwerdeführer war in einem Flüchtlingsquartier der XXXX untergebracht, während seine angebliche Lebensgefährtin einen anderen Hauptwohnsitz hatte. Allfällige sonstige Anknüpfungspunkte konnten seitens der Sicherheitsbehörde nicht ermittelt werden.

29. Mit Bescheid vom 13.02.2015, 240052908-140277024 gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 63 Abs. 2 FPG statt.

30. Am 25.03.2015 stellte das Finanzamt Wien XXXX beim Magistratischen Bezirksamt für den XXXX Bezirk einen Strafantrag gegen einen Restaurantbetreiber wegen Übertretung der Bestimmungen der §§ 3 Abs. 1 iVm 28 Abs. 1 Z 1 lit a AuslBG, weil der Beschwerdeführer von Organen der Finanzverwaltung bei der Verrichtung von Arbeiten in einem Restaurant betreten wurde, ohne dass eine dafür notwendige Genehmigung vorlag.

31. Am 06.07.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sich seit fünfzehn Jahren im Bundesgebiet befinde, im gemeinsamen Haushalt mit seiner namentlich angeführten Lebensgefährtin, die über einen Aufenthaltstitel und ein regelmäßiges Einkommen verfüge, lebe, zuletzt am 03.02.2015 ein Sprachdiplom A2 erfolgreich bestanden habe und über einen verbindlichen Arbeitsvorvertrag verfüge. Da der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bei Aufenthaltszeiten im Bundesgebiet von zehn Jahren und darüber regelmäßig von einem Überwiegen der privaten Interessen im Sinne des Art. 8 EMRK ausgehe, werde eine "Aufenthaltsberechtigung plus" beantragt.

32. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 11.09.2015, ZI. 240052908-150799796 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den unter Punkt 30. skizzierten Antrag des Beschwerdeführers vollinhaltlich ab, erließ gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach China zulässig sei (Spruchpunkt II.), setzte die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt III.) und wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Nachsicht von der Vorlage von Dokumenten gemäß § 4 Abs. 2 AsylG-DV ab (Spruchpunkt IV.).

33. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

34. Mit Schreiben vom 13.06.2018 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das Ergebnis des Interview-Termins mit einer Experten-Delegation aus China am 27.09.2016, demzufolge der Beschwerdeführer mit den von ihm angegebenen Daten nicht identifiziert werden konnte.

35. Am 24.07.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt wurde. Weiters wurde die vom Beschwerdeführer als seine Lebensgefährtin genannte und aufgrund einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigte chinesische Staatsangehörige als Zeugin einvernommen.

36. Mit Schreiben vom 29.07.2019 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers derzeit unbekannt sei. Die amtliche Abmeldung sei veranlasst worden, seit 18.06.2019 bestehe keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet.

37. Mit Urkundenvorlage vom 31.07.2019 wurden durch den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers Unterlagen betreffend die Ehegattin des Beschwerdeführers vorgelegt.

38. Mit Schreiben vom 23.10.2019 ersucht der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers um Finalisierung des Verfahrens.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der oben unter I. dargestellte Verfahrensgang wird der Entscheidung als Sachverhaltsfeststellung zugrunde gelegt.

1.2. Der Beschwerdeführer gab während seines Aufenthaltes im Behördenverkehr vier verschiedene Namen und ebenso viele unterschiedliche Geburtsdaten an. Derzeit führt er den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Seine Identität steht nicht fest. Er ist Staatsangehöriger der Volksrepublik China und spricht Chinesisch. Er hat in der Volksrepublik China Schulbildung erhalten, ist dort sozialisiert worden und war dort verheiratet. Die Exfrau und ein Sohn des Beschwerdeführers lebten zuletzt in der Volksrepublik China.

1.3. Aufgrund der mehrfach falschen Angaben des Beschwerdeführers konnte der Beschwerdeführer bis dato seitens der Konsularabteilung der Botschaft der Volksrepublik China nicht als Staatsbürger der Volksrepublik China identifiziert werden, weshalb für den Beschwerdeführer kein Heimreisezertifikat ausgestellt werden konnte. Der Beschwerdeführer täuschte die belangte Behörde absichtlich, um eine allenfalls drohende Abschiebung zu vereiteln. Der Beschwerdeführer hat damit bzw. auch sonst keine Veranlassungen zur Beschaffung erforderlicher Urkunden oder Nachweise, insbesondere eines Reisepasses, getroffen, sondern wiederholt falsche Angaben zu seinen Personendaten getätigt, um die Beschaffung eines Heimreisezertifikates zu verhindern. Der Beschwerdeführer hat von sich aus die chinesische Botschaft zwecks Erlangung der erforderlichen Urkunden nicht aufgesucht. Die Beschaffung war dem Beschwerdeführer weder nachweislich nicht möglich noch war sie ihm nicht zumutbar.

1.4. Der Beschwerdeführer war von 28.05.2015 bis 18.06.2019 an derselben Adresse wie eine als seine Lebensgefährtin bezeichnete chinesische Staatsangehörige, die aufgrund einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus (gültig bis 10.11.2021) zum Aufenthalt in Österreich berechtigt ist, gemeldet. Dass zwischen dem Beschwerdeführer und genannter chinesischer Staatsangehöriger ein gemeinsamer Haushalt besteht oder bestanden hat, steht ebenso wenig wie das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft fest. Seit 18.06.2019 ist der Aufenthalt des Beschwerdeführers unbekannt, der Beschwerdeführer wurde daher amtlich abgemeldet und besteht seit 18.06.2019 keine aufrechte Meldung mehr im Bundesgebiet.

1.5. In Österreich hat der Beschwerdeführer keine familiären oder sonstigen engeren sozialen Anknüpfungspunkte. Er lebt seit dem Jahr 2000 im Bundesgebiet, verfügte dabei jedoch außerhalb des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz (Antrag 11.06.2002, rechtskräftige Beendigung des Verfahrens mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.05.2005) nie über ein Aufenthaltsrecht; der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war damit zum weitaus überwiegenden Teil unrechtmäßig. Der Beschwerdeführer kam vor dem 11.06.2002 bzw. kommt seit dem 12.05.2005 seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und wurden aufgrund dessen fünfmal Verwaltungsstrafen über ihn verhängt. Der Beschwerdeführer hat trotz Kenntnis um das Bestehen eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn bzw. im Wissen um seine Ausreiseverpflichtung die Ausreise aus dem Bundesgebiet beharrlich verweigert. Der Beschwerdeführer befand sich fünfmal in Schubhaft, wobei er jedes Mal durch eine hungerstreikbedingte Haftunfähigkeit seine Enthaftung erzwang. Der Beschwerdeführer wurde im Bundesgebiet dreimal bei der Ausübung einer unerlaubten Erwerbstätigkeit betreten. Der Beschwerdeführer arbeitet auch derzeit in einem Chinarestaurant, ohne dass für ihn eine Beschäftigungsbewilligung vorläge. Er verfügt über einen mit Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung aufschiebend bedingten Arbeitsvorvertrag. Der Beschwerdeführer bezog in der Vergangenheit regelmäßig Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist er vornehmlich mit Personen chinesischer Herkunft in Kontakt. Er ist nach wie vor mit der chinesischen Kultur vertraut. Er hat von 07.10.2014 bis 15.01.2015 an einem Deutschkurs auf dem Niveau A2 teilgenommen und weist rudimentäre Deutschkenntnisse auf.

1.6. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

1.7. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.8. Der Beschwerdeführer liefe im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht konkret Gefahr, dort der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe beziehungsweise der Todesstrafe unterworfen zu werden oder in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Notlage zu geraten.

1.9. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 14.11.2017, letzte eingefügte Kurzinformation vom 05.02.2018, gekürzt auf die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen:

"[...]

1. Sicherheitslage

Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China stark zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Land und fehlende Rechtsmittel. Auch stellen die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen Gründe für Proteste dar. Nachdem die Anzahl sogenannter. "Massenzwischenfälle" über Jahre hinweg rasch zunahm, werden hierzu seit 2008 (mehr als 200.000 Proteste) keine Statistiken mehr veröffentlicht. Zwei Aktivisten, die seit 2013 durch eigene, über Twitter veröffentlichte Statistiken diese Lücke zu schließen versuchten, wurden im Juni 2016 verhaftet. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 15.12.2016).

2. Folter und unmenschliche Behandlung

China ratifizierte bereits 1988 die UN-Konvention gegen Folter. Nach Art. 247 und 248 StGB wird Folter zur Erzwingung eines Geständnisses oder zu anderen Zwecken in schweren Fällen mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen mit bis zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe oder Todesstrafe geahndet (AA 15.12.2016). In den letzten Jahren wurden außerdem einige Verordnungen erlassen, die formell für Tatverdächtige im Ermittlungsverfahren einen besseren Schutz vor Folter bieten sollen. Ein großes Problem bleibt jedoch die mangelnde Umsetzung dieser Rechtsinstrumente, die Sicherheitsbehörden genießen weiterhin auch aufgrund des Mangels an Kontrolle und Transparenz einen großen Handlungsspielraum. Sicherheitskräfte setzen sich routinemäßig über rechtliche Schutzbestimmungen hinweg. Für die Polizei stellt Straflosigkeit im Falle von Brutalität und von verdächtigen Todesfälle in Gewahrsam die Norm dar (ÖB 11.2016; vgl. FH 1.2017a).

Das Problem der Folter ist nach einem im Dezember 2015 veröffentlichten Bericht eines UN-Komitees gegen Folter "systembedingt": Zwar wurden einige Verbesserungen - wie die breitere Nutzung von Überwachungs-Kameras während der Befragung - anerkannt, doch zeigt der Bericht auch auf, inwieweit Folter in das chinesische Strafrechtsystem eingebettet ist (USDOS 3.3.2017). Die chinesische Führung erklärte am 4. Parteiplenum 2014 zum Ziel, die Rechtsstaatlichkeit zu verbessern und Folter, Misshandlungen und Missstände in der Justiz zu verhindern. Gleichzeitig wird radikal gegen unabhängige Rechtsanwälte, Menschenrechtsverteidiger, und Medien vorgegangen, sodass das Ziel einer Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt wird. Neben politischen Absichtserklärungen und einigen wenigen "Vorzeigefällen", in denen Fehlurteile - etwa nach vollzogener Todesstrafe posthum - revidiert wurden, ist jedoch nicht bekannt, dass strukturelle Maßnahmen getroffen werden, um das Risiko von Folter und Misshandlungen zu vermindern (ÖB 11.2016; vgl. AI 22.2.2017).

Das revidierte Strafverfahrensrecht schließt die Verwendung unter Folter oder anderweitig mit illegalen Mitteln zustande gekommener Geständnisse und Zeugenaussagen (neuer Art. 53) und illegal erlangter Beweismittel (Art. 54) im Strafprozess ausdrücklich aus. Trotzdem soll Folter in der Untersuchungshaft häufiger vorkommen als in regulären Gefängnissen (AA 15.12.2016). Die Anwendung von Folter zur Erzwingung von Geständnissen ist nach wie vor weit verbreitet und wird eingesetzt, um Geständnisse zu erhalten oder politische und religiöse Dissidenten zu zwingen, ihre Überzeugungen zu widerrufen (FH 1.2017a). Soweit die chinesische Regierung und die staatlich gelenkte Presse Folterfälle einräumen, stellen sie diese als vereinzelte Übergriffe "unterer Amtsträger" dar, gegen die man energisch vorgehe (AA 15.12.2016).

In einem seltenen Fall bestätigte ein Berufungsgericht in Harbin, Provinz Heilongjiang, im August 2014 die Schuldsprüche gegen vier Personen wegen Folter. Sie waren zusammen mit drei anderen Personen von einem Gericht der ersten Instanz für schuldig befunden worden, im März 2013 mehrere Straftatverdächtige gefoltert zu haben. Die Täter erhielten Haftstrafen von einem bis zu zweieinhalb Jahren. Nur drei der sieben Personen waren Polizeibeamte; bei den übrigen handelte es sich um "Sonderinformanten" - gewöhnliche Bürger, die der Polizei bei der Aufklärung von Straftaten "behilflich" sein sollen. Eines der Opfer starb in der Haft an den Folgen der Folter (AI 25.2.2015). Im Dezember 2016 entschied ein Gericht, keine Anklage gegen fünf Polizisten zu erheben, welche im Mai 2016 am Tod eines in Gewahrsam befindlichen Verhafteten involviert waren (FH 1.2017a).

3. Allgemeine Menschenrechtslage

Die VR China erkennt de jure die grundlegenden Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte an. Sie gehört einer Reihe von UN-Übereinkünften zum Schutz der Menschenrechte an und hat den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zwar 1998 gezeichnet, allerdings bis heute nicht ratifiziert (AA 4.2017a).

Die Menschenrechtslage in China bietet weiterhin ein zwiespältiges und trotz aller Fortschritte im Ergebnis negatives Bild. 2004 wurde der Begriff "Menschenrechte" in die Verfassung aufgenommen, die individuellen Freiräume der Bürger in Wirtschaft und Gesellschaft wurden in den letzten Jahren erheblich erweitert. Andererseits bleiben die Wahrung der inneren Stabilität und der Machterhalt der Kommunistischen Partei (KP) oberste Prämisse und rote Linie. Vor diesem Hintergrund geht die chinesische Führung kompromisslos gegen jene vor, die als Bedrohung dieser Prioritäten angesehen werden, wie z. B. regierungskritische Schriftsteller, Blogger, Bürgerrechtsaktivisten, Menschenrechtsanwälte, Petitionäre oder Mitglieder nicht anerkannter Religionsgemeinschaften (Falun Gong, Hauskirchen etc.). Seit dem Führungswechsel im März 2013 ist ein noch einmal verstärkt repressives Vorgehen der chinesischen Behörden gegenüber Kritikern der Regierung oder der Partei zu beobachten. Einschüchterungsmaßnahmen umfassen u.a. Hausarrest, willkürliche Haft in sog. schwarzen Gefängnissen ("black jails" bzw. "legal education center"), Folter, Berufsverbote und Druck auf Familienangehörige; in einigen Fällen wurden lange Haftstrafen verhängt. Personen, die in Opposition zu Regierung und herrschender Ideologie stehen, setzen sich unmittelbar der Gefahr von Repression durch staatliche Stellen aus, wenn sie aus Sicht der Regierung die KP, die Einheit des Staates oder das internationale Ansehen Chinas gefährden. Die Schwelle ist immer dann erreicht, wenn die chinesischen Sicherheitsbehörden annehmen, dass ein - noch so loses - Netzwerk gebildet werden könnte. Aus Sicht der Regierung geht von separatistischen Bestrebungen und Untergrundaktivitäten innerhalb Chinas die größte Gefahr aus (AA 15.12.2016).

Es gibt weiterhin besorgniserregende Verletzungen rechtsstaatlicher Mindeststandards in ganz China. So gibt es immer noch Strafverfolgung aus politischen Gründen, Administrativhaft (Haftstrafe ohne Gerichtsurteil), Verletzung von allgemeinen Verfahrensgarantien im Strafverfahren (z.B. Unschuldsvermutung), sehr häufige Verhängung der Todesstrafe sowie Fälle von Misshandlungen und Folter. Daneben gibt es das Bekenntnis der Regierung zu einem an Recht und Gesetz ausgerichteten sozialen Regierungshandeln und vermehrt Reformbemühungen im Rechtsbereich (AA 4.2017a).

Grundlegende Rechte, wie Rede- und Versammlungsfreiheit, sowie Reisefreiheit werden den Bewohner der autonomen Region Tibet (TAR) und anderen tibetischen Gebieten, sowie den Uiguren in der autonomen Region Xinjiang (XUAR) weiter verweigert (HRW 12.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017).

Besonders außerhalb der Großstädte werden häufig Fälle gemeldet, in denen von Behörden beauftragte Kräfte, gegen unliebsame Personen vorgehen. Zumeist handelt es sich um Demonstranten bei Fällen mit wirtschaftlichem Hintergrund (illegale Landnahme, Korruption etc.). Auch Journalisten sind von solchen Fällen betroffen, zum Teil werden offen Kopfgelder ausgesetzt, ohne dass dies rechtliche Konsequenz hat (AA 15.12.2016).

Petenten, die Vergehen von lokalen Behörden und Kadern anzeigen wollen, werden häufig von angeheuerten Schlägertrupps aufgegriffen und ohne Kontakt zur Außenwelt in Gefängnissen festgehalten, oder illegal in sog. "Black Jails", psychiatrischen Institutionen und anderen Orten inhaftiert, wo sie der Gefahr von Gewalt, psychischem Missbrauch oder sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Diese Art des Verschwindenlassens ist eine weit verbreitete, von der Regierung aber stets verleugnete Methode, um Unliebsame aus dem Verkehr zu ziehen (AA 15.12.2016; vgl. FH 1.2017a).

4. Todesstrafe

Die Todesstrafe wird immer noch exzessiv verhängt und vollstreckt. Derzeit kann sie für 46 Delikte verhängt werden. 21 dieser Delikte stellen keine Gewaltverbrechen dar (ÖB 11.2016). Die genaue Zahl der Hinrichtungen bleibt Staatsgeheimnis. Man geht davon aus, dass China bei der Anzahl der Hinrichtungen weltweit führt. Experten zufolge wurden 2016 mehrere Tausend Menschen in China hingerichtet. NGOs schätzen aber auch, dass die Zahl der Vollstreckungen seit mehreren Jahren abnimmt (AA 15.12.2016; vgl. FH 1.2017a, AI 11.4.2017).

Obwohl die Regierung betont, dass die überwiegende Mehrheit der Chinesen für die Beibehaltung der Todesstrafe wäre, gibt es eine offene Debatte zur Anwendung der Todesstrafe, die in den vergangenen Jahren zu positiven Reformen geführt hat. Durch die verstärkte Praxis der außergerichtlichen Mediation, bei der ein Mörder die Familie des Todesopfers finanziell entschädigen kann, konnten ebenfalls einige Todesurteile abgewendet werden (ÖB 11.2016). Angesichts der Tatsache, dass etwa 90 Prozent der Todesurteile in China für schwere Verbrechen wie Mord, Raubmord, Vergewaltigung oder Drogenschmuggel verhängt werden, wird die Beschränkung der Todesstrafe aber absehbar nicht zu signifikant weniger Todesurteilen in China führen. Todesurteile werden entweder zur sofortigen Vollstreckung oder mit zweijährigem Vollstreckungsaufschub verhängt. In letzterem Fall werden die Urteile nach Ablauf der Frist, falls sich der Delinquent in dieser Zeit straffrei verhalten hat, regelmäßig in lebenslange Strafen umgewandelt. Seit 2007 müssen Todesurteile zur sofortigen Vollstreckung wieder vom Obersten Volksgericht (OVG) bestätigt werden. Offiziellen Angaben zufolge werden etwa 10 Prozent dieser Todesurteile im Rahmen dieses Verfahrens aufgehoben. Zudem sollen nach offiziellen Aussagen bereits durch die Überprüfung der Urteile durch das OVG die erstinstanzlichen Gerichte hinsichtlich des Strafmaßes der Todesstrafe vorsichtiger und genauer geworden sein (AA 15.12.2016). Während die Regierung erklärte, dass sie die Verwendung von Organen hingerichteter Gefangener 2015 beenden würde, hat sich die Zahl von erfolgten Transplantationen nicht verringert und ist auch 2016 Grund internationaler Besorgnis (AA 15.12.2016; vgl. FH 1.2017a).

Die Todesstrafe wird derzeit verstärkt wegen "Staatsverbrechen" - insbesondere gegen des Terrorismus beschuldigter Uiguren - verhängt (ÖB 11.2016).

5. Religionsfreiheit

Die chinesische Verfassung sieht Glaubensfreiheit vor, jedoch sind die einzig zugelassenen Religionsgemeinschaften Katholizismus, Protestantismus, Buddhismus, Islam und Taoismus (ÖB 11.2016).

Ein Plan zur umfassenden Organisation aller religiösen Aktivitäten und Organisationen und die Eingliederung der Religion in China, welche festgelegt wurde, beschränkte den Spielraum für religiöse Freiheiten weiter (FH 1.2017a).

Die im September 2016 veröffentlichten Vorschläge zur Änderung der Bestimmungen über religiöse Angelegenheiten sehen eine Ausdehnung der Befugnisse verschiedener Behörden zur Überwachung, Kontrolle und Sanktionierung bestimmter religiöser Praktiken vor. Die Änderungen, welche die nationale Sicherheit betonen und darauf zielen, "Infiltration und Extremismus" zu verhindern, könnten dazu benutzt werden, das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit insbesondere von tibetischen Buddhisten, uigurischen Muslimen und Mitgliedern nicht anerkannter Kirchen zu beschneiden (AI 22.2.2017).

Der Art. 36 der Verfassung unterscheidet zwischen der garantierten Glaubensfreiheit und der Freiheit "normaler" Religionsausübung, welche die "öffentliche Ordnung, Gesundheit der Bürger und das staatliche Erziehungssystem nicht beeinträchtigen darf". Sämtliche religiöse Aktivitäten - wie die Abhaltung von Gottesdiensten, der Besuch von Kirchen oder Moscheen und der Bau von Gotteshäusern - unterliegen staatlicher Kontrolle und Genehmigung. Die Einfuhr von Print- und Bildmaterial religiösen Inhalts ist auf den Eigenbedarf beschränkt. Alle religiösen Gruppierungen müssen sich beim Staatlichen Amt für Religiöse Angelegenheiten (SARA) registrieren lassen und sich einer der folgenden offiziell anerkannten kirchlichen Dachverbände unterordnen:

* Vereinigung der Buddhisten Chinas,

* Chinesische Taoistenvereinigung,

* Islamische Gesellschaft Chinas,

* Patriotische Vereinigung der chinesischen Katholiken,

* Chinesisches Christliches Patriotisches Komitee der "Drei-Selbst-Bewegung" und

* Chinesischer Christlicher Verein/Christenrat

In einigen Gegenden, vor allem in der Provinz Heilongjiang, ist auch die russisch-orthodoxe Kirche mit stillschweigender Billigung der Behörden aktiv (AA 15.12.2016).

Durch die Regierung werden Aktivitäten, Angestellte, Finanzen, Bestellung des religiösen Personals, Publikationen und Unterricht geprüft. Die Regierung bezeichnet religiöse Gruppen außerhalb ihrer Kontrolle als "Teufelskult" (HRW 12.1.2017).

Nach offiziellen Angaben ist die Zahl der Gläubigen in China seit den 1980er Jahren stark gestiegen. 67,4 Prozent der Bevölkerung bekennen sich zu den fünf Hauptreligionen bzw. Konfessionen, die übrigen Gläubigen zu traditionellen chinesischen Volksreligionen. Die größte Anzahl machen Buddhisten mit geschätzten 185 Mio. Gläubigen aus. Insbesondere der Protestantismus gewinnt viele Anhänger. Nach Angaben der SARA sind unter der "Drei-Selbst-Bewegung" 23 Mio. Protestanten und mehr als 50.000 Kirchen registriert. Daneben wächst besonders die Zahl der Hauskirchen (Zusammenschlüsse chinesischer Protestanten, die sich nicht den offiziell zugelassenen protestantischen Organisationen anschließen wollen) stetig. Seit Anfang 2014 hat allerdings die staatliche Repression deutlich zugenommen (AA 15.12.2016).

Seit dem Abbruch diplomatischer Beziehungen zwischen China und dem Vatikan in den 1950er Jahren ist die katholische Kirche mit insgesamt ca. 10 bis 11 Mio. Gläubigen in China in die "Patriotische Vereinigung der chinesischen Katholischen Kirche" (ca. 6 Mio. Mitglieder), die die religiöse Autorität des Papstes nicht anerkennt, und die katholische Untergrundkirche gespalten, die sich weiterhin in der Gefolgschaft des Papstes sieht. Die Trennlinie zwischen den Gruppierungen verläuft allerdings fließend, da viele Priester der "Patriotischen Vereinigung" auch die Weihen von Rom erhielten (teilweise mit Wissen offizieller Stellen). So sind bereits Untergrundbischöfe zur "Patriotischen Vereinigung" übergetreten (AA 15.12.2016).

In tibetischen Gebieten und in der Autonomen Region Xinjiang Uighur (XUAR), wurden Einschränkungen der religiösen Freiheit auch 2016 fortgesetzt (HRW 12.1.2017). Auch Muslime (lt. SARA mehr als 23 Mio.) sind immer wieder Restriktionen und Diskriminierungen ausgesetzt, die Religionsausübung wird insbesondere bei den Uiguren stark reglementiert (AA 15.12.2016).

Sonstige Vereinigungen sind also illegal und werden häufig drangsaliert (Hauskirchen müssen mitunter ihre Treffpunkte mehrmals pro Sonntag verlegen) sowie dann systematisch verfolgt, wenn sie in hochrangigen politischen Entscheidungen als staatliche Bedrohung qualifiziert wurden (Falun Gong, Almighty God) (ÖB 11.2016).

Religiöse Aktivitäten, die sich der direkten staatlichen Kontrolle entzogen haben, wurden weiter eingeschränkt. Insbesondere in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang und in den von Tibetern bewohnten Gebieten wurde die Religionsausübung im Rahmen von Kampagnen zur Bekämpfung von "Separatismus" und "Terrorismus" weiterhin besonders drastisch unterdrückt (AI 22.2.2017).

Bestimmte religiöse oder spirituelle Gruppen sind gesetzlich verboten. Das Strafrecht definiert verbotene Gruppen als "Kult-Organisationen". Angehörige dieser Gruppen können zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt werden. Es gibt keine öffentlich bekannten Kriterien für die Erlangung einer solchen Bezeichnung oder Benennung. Ein nationales Gesetz verbietet explizit "Kult-Organisationen", und die Kommunistische Partei unterhält einen außergerichtlichen parteiamtlichen Sicherheitsdienst für die Beseitigung der Falun-Gong-Bewegung und andere solcher Organisationen (USDOS 15.8.2017). Unnachgiebig ist das Verhalten der Behörden gegenüber religiösen Aktivitäten dort, wo die chinesische Regierung die "drei Bösen" - Terrorismus, Extremismus und Separatismus - im Spiel wähnt. Dies betrifft vor allem Muslime in Xinjiang und Buddhisten in den tibetischen Gebieten. Im Übrigen variiert das Verhalten der Behörden von Provinz zu Provinz stark. Es gibt immer wieder Berichte über den Abriss von angeblich "nicht genehmigten" Gotteshäusern, während andererseits einzelne "offizielle" Kirchen mit teils staatlichen Mitteln renoviert oder gar neu gebaut werden (AA 15.12.2016).

Im Juli 2016 begannen die staatlichen Stellen mit dem Abriss eines großen Teils von Larung Gar, das Angaben zufolge das weltweit größte Institut des tibetischen Buddhismus ist und sich in dem Landkreis Seda (Serta) der Tibetischen Autonomen Präfektur Ganzi (Kardze) in der Provinz Sichuan befindet. Örtliche chinesische Behörden verfügten, dass Larung Gar um mehr als die Hälfte der Bewohner auf 5.000 Personen reduziert werden müsse, damit Maßnahmen der "Korrektur und Richtigstellung" durchgeführt werden könnten. Tausende von Mönchen, Nonnen und Laien waren von rechtswidrigen Zwangsräumungen bedroht (AI 22.2.2017).

6. Ethnische Minderheiten

Angehörige der 55 nationalen Minderheiten machen insgesamt nur etwa 8 Prozent der Bevölkerung der VR China aus, bewohnen jedoch knapp die Hälfte des Staatsgebietes. Der größte Teil lebt in den fünf Autonomen Regionen (Provinzstatus). Offiziellen Angaben zufolge haben 53 der 55 ethnischen Minderheiten ihre eigene Sprache, 29 eine eigene Schrift. Art. 4 der Verfassung verankert die Gleichheit aller Nationalitäten in der VR China. Er garantiert die Benutzung ihrer Sprache in Wort und Schrift sowie den Erhalt ihrer Sitten und Gebräuche. Eine Diskriminierung und Unterdrückung ist verboten (AA 15.12.2016). Minderheiten kommen in den Genuss diverser positiv diskriminierender Bestimmungen (Quoten bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst, Befreiung von der Ein-Kind-Politik, vereinfachter Universitätszugang etc.). Zugleich ist der Staat zur Beschleunigung der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung von Minderheitengebieten verpflichtet (AA 15.12.2016; vgl. USDOS 3.3.2017).

Trotzdem ist die Diskriminierung ethnischer Minderheiten weit verbreitet (USDOS 3.3.2017). Für ethnische Minderheiten wie Tibeter, Uiguren und Mongolen sind Einschränkungen von politischer Aktivitäten nach wie vor besonders strikt (FH 1.2017a).

Da Religion, Kultur und ethnische Zugehörigkeit oft eng miteinander verbunden sind, war es bei vielen Vorfällen schwierig, gesellschaftliche Diskriminierung einzig und allein auf die religiöse Identität zu kategorisieren. Religiöse und ethnische Minderheiten wie tibetische Buddhisten und uigurischen Muslime sind im ganzen Land wegen ihrer religiösen Überzeugungen als auch ihrer Stellung als ethnische Minderheiten wegen ihrer unterschiedlichen Sprachen und Kulturen institutioneller Diskriminierung ausgesetzt (USDOS 15.8.2017).

Zur Stabilitätswahrung hat die chinesische Regierung umfangreiche Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und sozialen Stabilität der von Minderheiten bewohnten Regionen auf den Weg gebracht, von denen die Minderheiten selbst aber nur eingeschränkt profitieren (AA 15.12.2016). Han-Chinesen profitieren überproportional von Regierungsprogrammen und dem wirtschaftlichen Aufschwung. Die Minderheitengruppen in den Grenz- aber auch in anderen Regionen haben weniger Zugang zu Bildung als Han-Chinesen, sind mit Diskriminierung bei der Vergabe von Arbeitsplätzen zugunsten der Han konfrontiert und verdienen im Vergleich zu anderen Gebieten des Landes weniger. Die Entwicklungsprojekte der Regierung hemmen oft die traditionelle Lebensart und sind oftmals mit Zwangsumsiedlungen der Minderheiten verbunden. Die Regierung spielt im Zuge ihrer Herausbildung einer "harmonischen Gesellschaft" Rassismus und institutionelle Diskriminierung von Minderheiten herunter, welche aber Quelle von tiefer Verstimmung in der Autonomen Uigurischen Region Xinjiang, der Innermongolischen Autonomen Region und den tibetischen Gebieten darstellt (USDOS 3.3.2017).

Im vermeintlichen Kampf gegen Separatismus und Terrorismus ist zu beobachten, dass es in den Autonomen Regionen Xinjiang (Uiguren) und Xizang (Tibeter) immer wieder zur Ausübung von Repressionsmaßnahmen und Diskriminierungen kommt (AA 15.12.2016). Alle tatsächlichen oder vermeintlichen Bestrebungen, die den chinesischen Herrschaftsanspruch auf die von den Minderheiten bewohnten Gebiete in Frage stellen könnten, wie beispielsweise oppositionelle Meinungsäußerungen oder Autonomieforderungen, insbesondere in den Grenzregionen Tibet und Xinjiang, werden massiv verfolgt (AA 15.10.2014). Die Gesetze zum Schutz des Staates und seiner Einheit bieten hierzu umfangreiche Handhabe (AA 15.12.2016).

7. Bewegungsfreiheit

Die Behörden verschärften die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit von Personen vor wichtigen Jubiläen, Besuchen ausländischer Würdenträger oder großer politischer Ereignissen, welche als politisch sensibel empfunden werden, um Demonstrationen vorzubeugen (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 1.2017a).

Repressionen erfolgen landesweit nicht einheitlich. Da wegen der Größe des Landes und der historisch überkommenen Strukturen Einfluss und Kontrolle der Zentralregierung in den einzelnen Landesteilen unterschiedlich ausgeprägt sind, treten staatliche oder dem Staat zurechenbare Übergriffe in den Regionen unterschiedlich häufig auf. Daher kann es im Einzelfall möglich sein, durch einen Ortswechsel Repressalien auszuweichen. So berichten beispielsweise protestantische Hauskirchen von besonders großem Druck in den Provinzen Zhejiang, Hubei, Hebei und Heilongjiang, während sie in Peking relativ ungehindert praktizieren können. Allerdings ist ein Umzug von in der VR China lebenden Chinesen in einen anderen Landesteil durch die restriktive Registrierungspraxis ("Hukou"-System) nur schwer möglich (Verlust des Zugangs zu Bildung und Sozialleistungen). Für Personen aus ländlichen Gebieten ist es schwierig, legal in eine Stadt überzusiedeln. Insbesondere für aus politischen Gründen Verfolgte gibt es nach Ansicht des Auswärtigen Amtes keine sichere Ausweichmöglichkeit innerhalb Chinas (AA 15.12.2016).

Ein Untertauchen, also eine nicht registrierte Niederlassung in einen anderen Landesteil als jenem des Melde-Wohnorts, ist schwierig. Sowohl bei Inlandsflügen als auch bei Zugfahrten wird systematisch die Identität überprüft, auch Zugtickets können nur mit Personalausweis gekauft werden und sind nicht übertragbar. KFZ mit Kennzeichen von außerhalb der Stadt oder der Provinz und deren Passagiere werden systematisch überprüft. Es besteht ein sehr effizientes System der Überwachung durch Nachbarschaftskomitees ("Blockwarte"). In der Tibetischen Autonomen Region und in Xinjiang besteht besonders strenge Überwachung unter anderem durch das System der kollektiven Bestrafung von Dorfgemeinschaften und starken Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, wonach Personen, die ihr Dorf oder ihre Region verlassen wollen, hierfür Genehmigungen einholen müssen welche teilweise nur für bestimmte andere Regionen ausgestellt werden. In Xinjiang werden darüber hinaus in von Uiguren bewohnten Gegenden an Straßensperren Identitätskontrollen - vor allem von jungen männlichen Uiguren - durch die bewaffnete Volkspolizei und die Volksbefreiungsarmee durchgeführt (ÖB 11.2016).

Trotz fehlender Bedrohungslage wurde 2016 von den Behörden fast allen Bewohner der Region Tibet verboten, Reisen in das Ausland zu unternehmen (HRW 12.1.2017).

2012 wurden Hunderte von Tibetern, die sich nach Indien begeben hatten, um an den Kalachakra Belehrungen teilzunehmen, bei ihrer Rückkehr von chinesischen Behörden festgenommen und verhört. Wochen- oder gar monatelang wurden Leute aller Altersgruppen, darunter sogar Achtzigjährige, gezwungen, Kurse für patriotische Umerziehung zu besuchen, weil "ihr Geist durch den Besuch der Kalachakra-Unterweisungen korrumpiert" worden sei. Einige Monate später, im April 2012, gab die Regierung der TAR neue Richtlinien für die Ausstellung von Reisepässen heraus, die es Tibetern sehr erschwerten, an einen Pass zu kommen, ohne den sie nicht ins Ausland reisen können (TCHRD 21.11.2016).

Seit 1.6.2016 gibt es für die Einwohner Xinjiangs strenge Auflagen für den Erwerb von Reisedokumenten. Biometrische-Daten, eine DNA-Blutprobe, Fingerabdrücke sowie eine Stimmaufzeichnung und ein dreidimensionales Foto des Körpers müssen bei einem Antrag zur Verfügung gestellt werden (DZ 25.11.2016; vgl. BBC 7.6.2016). Von November 2016 bis Mitte Februar 2017 mussten die Einwohner Xinjiangs ihre Reisepässe bei der Polizei abgeben (DZ 2.4.2017; vgl. DZ 25.11.2016).

Einwohner benötigen nun eine spezielle Erlaubnis, um ihre Pässe zurückzubekommen und ins Ausland zu reisen (DZ 2.4.2017). Das Einsammeln der Dokumente diene nach staatlichen Angaben als eine Maßnahme zur "Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung" (DZ 25.11.2016; vgl. BBC 7.6.2016).

Human Rights Watch nennt das Vorgehen eine Verletzung des Rechts auf Bewegungsfreiheit und eine Maßnahme kollektiver Bestrafung (DZ 25.11.2016).

Die Meldekarte ("Hukou-System") ist weiterhin nötig für die (legale) Aufnahme einer Arbeit oder den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen. Chinesen, die keinen für ihre Zwecke gültigen Hukou haben (z.B. minderjährige Wanderarbeiter, welche offiziell noch nicht arbeiten dürften), verwenden mitunter gefälschte "Hukou-Karten" oder solche von Verwandten (ÖB 11.2016).

8. Grundversorgung und Wirtschaft

China ist seit 2010 die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA, seit 2014 nach Kaufkraft sogar die größte. Beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt China im Jahr 2016 mit rund

8.261 USD auf Platz 75 im weltweiten Vergleich. Zudem hält China die weltweit höchsten Devisenreserven. Innerhalb des Landes gibt es enorme regionale und soziale Unterschiede (AA 4.2017b). Die chinesische Gesellschaft hat durch die soziale Dynamik, die durch die wirtschaftlichen Reformen ausgelöst wurde, in den letzten drei Jahrzehnten insgesamt an Offenheit gewonnen. Die Lebensbedingungen haben sich für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung deutlich verbessert und erlauben im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich ein höheres Maß an persönlicher Freiheit (AA. 4.2017a).

Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln bzw. Gegenständen des täglichen Bedarfs ist trotz starker Disparitäten zwischen Stadt und Land bzw. Ost und West grundsätzlich gegeben. In den letzten Jahren kam es zu einem rasanten Anstieg der Immobilien- und Nahrungsmittelpreise. Viele Städte in China gehören heute im Vergleich zum Einkommen zu den teuersten Immobilienmärkten der Welt (ÖB 11.2016). Der Lebensstandard der Bevölkerung steigt im Allgemeinen kontinuierlich an, wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit (AA 15.12.2016).

Eine andauernde Gefährdung für den sozialen Frieden in der chinesischen Gesellschaft stellt die rasche Entwicklung der chinesischen Wirtschaft und die daraus resultierende Wohlstandsverteilung dar. Besonders gravierend zeigen sich die Unterschiede im Vergleich von (vergleichsweise wohlhabender) Stadt- und (vergleichsweise armer) Landbevölkerung, regulärer Arbeit und Wanderarbeit sowie jüngerer und älterer Menschen. Nur minimal hat sich der Gini-Koeffizient - der Maßstab für die Einkommensungleichverteilung verbessert. Er ist von seinem Höchststand 2008 von 0,49 langsam aber beständig auf 0,462 in 2015 gesunken - allerdings im Jahr 2016 wieder geringfügig auf 0,465 angestiegen. Damit liegt China nach wie vor deutlich über der Grenze, die nach der Definition der Vereinten Nationen eine extreme Ungleichheit anzeigt (0,4). Noch leben mehr als 45 Prozent aller Chinesen auf dem Land, wo die grundlegenden sozialen Sicherungs- und Geldleistungen (Rente, Krankheit, Arbeitslosigkeit) wie auch erweiterte wohlfahrtspolitische Leistungen und Institutionen (Bildung, Wohnung) deutlich schlechter entwickelt sind als in den Städten (AA 4.2017b).

2016 war das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen pro Kopf und Jahr in der Stadt mit 33.616 RMB (ca. 5.060 USD) 2,72-mal so hoch wie in ländlichen Gebieten mit 12.363 RMB (ca. 1.861 USD). Dabei wuchs das Einkommen der Landbevölkerung mit 8,2 Prozent etwas stärker als das der Stadtbewohner mit 7,8 Prozent (AA 4.2017b).

Laut offiziellen Angaben sind 4,1 Prozent der Chinesen mit Haushaltsregistrierung arbeitslos gemeldet. Darin nicht erfasst sind die mittlerweile ca. 275 Mio. "Wanderarbeiter", von denen ca. 168 Mio. außerhalb ihrer Heimatprovinz einer Beschäftigung nachgehen. Die Regierung will bis 2020 mit Hilfe eines entwicklungsorientierten Programms zur Armutsreduzierung in ländlichen Regionen gezielt in die soziale Infrastruktur von besonders zurückgebliebenen Schlüsselregionen investieren (AA 15.12.2016).

Trotz des laufenden Ausbaus des Sozialsystems bleibt angesichts des niedrigen Niveaus der Sozialleistungen die familiäre Solidarität in Notfällen ein entscheidender Faktor. Die meisten sozialen Leistungen sind zudem an die Wohnrechtsregistrierung ("Hukou-System") gekoppelt, befindet sich diese auf dem Land, ist mit einem noch niedrigeren Niveau an staatlicher Hilfeleistung zu rechnen. Eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt in den ländlichen Regionen ist oft sehr schwierig (ÖB 11.2016).

Seit 2012 geht die chinesische Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter kontinuierlich zurück. Um die Finanzierbarkeit der Pensionen zu gewährleisten, plant China eine Senkung der mit 10 Prozent sehr hohen jährlichen Anpassung der Rentenhöhe und die Erhöhung des Pensionsalters (derzeit generell Männer mit 60 Jahren, Frauen mit 55 Jahren, tatsächliches durchschnittliches Renteneintrittsalter 53 Jahre) (ÖB 11.2016). Provinzen, die nicht über genügend eigene Mittel verfügen, erhalten Subventionen von der Zentralregierung (AA 4.2017b).

Chinas Basis-Krankenversicherung besteht aus einem Basis-Rentenplan für städtische Arbeiter und einem Plan für ländliche Arbeiter (Basic Pension Plan for Urban Employees and a Rural Pension Plan). Der Basis Pension Plan für Arbeiter im urbanen Umfeld deckt alle Arbeitnehmer ab. Für den Rural Pension Plan gilt: Nur wenige Regionen mit den finanziellen Kapazitäten haben einen solchen Rentenplan erlassen (IOM 8.2016).

Das chinesische Sozialsystem trifft hauptsächlich Senioren (Personen über 60 Jahre, arbeitsunfähig, ohne Einkommen, ohne Unterhaltszahlungen und Beihilfe oder deren Angehörige sie nicht unterstützen können), Kinder (Waisen ohne Verwandtschaft, ausgesetzte Babys und Kinder, deren biologische Eltern nicht auffindbar sind, profitieren von staatlicher Beihilfe, sowie Erziehung und Pflege von offiziellen Institutionen) und Minderheiten (durch die Provinzen und Städte Chinas wurden unterschiedliche Systeme zur Behandlung von Minderheiten entwickelt) (IOM 8.2016).

Das seit 2014 bestehende Programm zur Sicherung des Existenzminimums ("di bao") ähnelt der Sozialhilfe. Derzeit ist eine lokale Wohnmeldung ("Hukou-System") vorausgesetzt, weshalb die Millionen Wanderarbeiter in Städten in der Regel keinen Anspruch haben. Ein nationales Gesetz ist seit Jahren in Planung, bisher jedoch nicht verabschiedet, da unklar ist wie eine überregionale Bedarfsprüfung angesichts der Mobilität der Bevölkerung und der Größe des Landes bewerkstelligt werden kann. Die Höhe des "di bao" wird regional festgelegt und beträgt in Städten durchschnittlich 373 RMB (ca. 52 EUR) und auf dem Land 203 RMB (28 EUR). Ende 2014 gab es in den Städten lediglich 18,8 Mio. und in ländlichen Gebieten nur 52,1 Mio. Bezugsberechtigte (ÖB 11.2016).

Laut einem Beschluss des Staatsrats vom 11. Oktober 2016 sollen bis 2020 allerdings 100 Mio. Chinesen, die ohne städtischen "Hukou" (Meldeberechtigung) bereits "ständig" in Städten leben, Zugang zu sozialen Leistungen wie medizinischer Versorgung und Bildung erhalten. Bisher verfügten nur 39,9 Prozent der Stadtbewohner über einen städtischen Hukou mit Zugang zu sozialen Leistungen, dieser Prozentsatz solle in den kommenden 5 Jahren auf 45 Prozent steigen. Entsprechende Durchführungsverordnungen wurden bisher nicht erlassen. Die Maßnahmen betreffen jedoch nicht einmal die Hälfte der derzeit geschätzten 277 Mio. Wanderarbeiter (ÖB 11.2016).

9. Rückkehr

Soweit Rückführungen aus Deutschland erfolgen, konnten die zurückgeführten Personen die Passkontrolle nach einer Identitätsüberprüfung unbehindert passieren und den Flughafen problemlos verlassen bzw. ihre Weiterreise in China antreten. Vereinzelte Nachverfolgungen von Rückführungen durch die Deutsche Botschaft Peking ergaben keinen Hinweis darauf, dass abgelehnte Personen allein deshalb politisch oder strafrechtlich verfolgt werden, weil sie im Ausland einen Asylantrag gestellt haben. Ein Asylantrag allein ist nach chinesischem Recht kein Straftatbestand. Personen, die China illegal, etwa unter Verletzung der Grenzübertritts-Bestimmungen verlassen haben, können bestraft werden. Es handelt sich aber um ein eher geringfügiges Vergehen, das - ohne Vorliegen eines davon unabhängigen besonderen Interesses - keine politisch begründeten, unmenschlichen Repressalien auslöst. Nach Art. 322 StG droht bei Vorliegen schwerwiegender Tatumstände Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, Gewahrsam oder Überwachung und zusätzlich eine Geldstrafe. Nach bisherigen Erkenntnissen wird das Vergehen in der Praxis aber nur gelegentlich und dann mit Geldbuße geahndet (AA 15.12.2016).

Besondere Aufmerksamkeit widmet die chinesische Führung führenden Mitgliedern der Studentenbewegung von 1989, soweit sie noch im Ausland aktiv sind. Dies gilt auch für bekannte Persönlichkeiten, die eine ernst zu nehmende Medienresonanz im westlichen Ausland hervorrufen. Eine Überwachung oder sogar Gerichtsverfahren gegen diese Personen sind bei Rückkehr in die VR China nicht auszuschließen. 2016 kam es in zwei Fällen auch zu Verhaftungen von in China lebenden Familienangehörigen, um im Ausland lebende chinesische Dissidenten unter Druck zu setzen.

Aktivitäten der uigurischen Exilorganisationen stehen unter besonderer Beobachtung der chinesischen Behörden (einschließlich der Auslandvertretungen), insbesondere:

* der Weltverband der Uiguren,

* die Ostturkistanische Union in Europa e.V.,

* der Ostturkistanische (Uigurische) Nationalkongress e.V. und

* das Komitee der Allianz zwischen den Völkern Tibets, der Inneren Mongolei und Ostturkistans (AA 15.12.2016).

Oppositionelle Betätigung im Ausland kann zu Problemen führen, wenn die Behörden der Ansicht sind, dass "Verbrechen gegen die nationale Sicherheit" (etwa Verrat von Staatsgeheimnissen, Separatismus, Terrorismus) begangen wurden (ÖB 11.2016).

Mitglieder uigurischer Exilorganisationen haben bei ihrer Rückkehr nach China mit Repressionen zu rechnen (AA 15.12.2016). In den letzten Jahren kam es,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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