Entscheidungsdatum
20.01.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W213 1429949-3/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Albert SLAMANIG als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX (alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2019, Zahl: XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 10 und 57 Asylgesetz 2005 sowie §§ 52, 53 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsbürger, reiste illegal in die Republik Österreich ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Mit Bescheid des Bundesasylamts (BAA, nunmehr BFA [Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in der Folge auch "belangte Behörde" oder "bB"]) vom 28.09.2012 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.
I.3. Am 16.10.2012 erhob der Beschwerdeführer binnen offener Frist gegen den Bescheid der BAA vom 28.09.2012 vollinhaltlich Beschwerde.
I.4. Der Beschwerdeführer reiste zwischenzeitlich illegal nach Deutschland aus. Am 17.05.2013 wurde der Beschwerdeführer aus Deutschland nach Österreich überstellt.
I.5. Am 05.11.2014 wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien, XXXX , rechtskräftig seit 05.11.2014, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall, 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, § 27 Abs. 2 SMG, wegen des Vergehens des versuchten Diebstahl nach § 15 § 127 StGB, wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 7. Fall, 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, § 27 Abs. 3 SMG, wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe wurde unter gleichzeitiger Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Mildernd wurde dabei gewertet, dass der Beschwerdeführer bei Begehung der Taten unter 21 Jahren alt war, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, eine gewisse Enthemmung durch Alkohol und die Beständigkeit des Beschwerdeführers. Erschwerend war das Zusammentreffen mehrerer Straftaten.
I.6. Am 02.03.2015 wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien, XXXX , rechtskräftig seit 02.03.2015, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 8. Fall, 27 Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten (Junger Erwachsener) verurteilt. Die Probezeit zu XXXX , rechtskräftig seit 05.11.2014, wurde auf fünf Jahre verlängert.
Straferschwerend wurden die Vorstrafe und der rasche Rückfall des Beschwerdeführers gewertet, strafmildernd, das reumütige umfassende Geständnis und das Alter unter 21 Jahren bei Begehung der Tat.
I.7. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (in der Folge "BVwG") vom 25.11.2015, W188 1429949-1/29E wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des BAA hinsichtlich Spruchpunkt I. (§ 3 AsylG 2005) als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 8 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 25.11.2016 erteilt.
Die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde dabei mit der im Allgemeinen als prekär einzustufenden Sicherheitslage in Afghanistan und einer dramatischen Verschlechterung der Sicherheitslage, der als relativ sicher geltenden Provinz Balkh, der Heimatprovinz des BF, und des Nordostens, sowie insbesondere einer nicht mit ausreichender Sicherheit feststellbaren Erreichbarkeit des Heimatortes des Beschwerdeführers begründet. Das Nichtvorliegen einer allfälligen innerstaatlichen Fluchtalternative wurde vor allem mit einem fehlenden familiären oder sozialen Netzwerk in Kabul sowie mangelnden Kenntnissen über die dortigen infrastrukturellen Gegebenheiten begründet.
I.8. Am 27.11.2015 wurde seitens des BVwG beurkundet, dass eine Zustellung des Erkenntnisses vom 25.11.2015 durch Hinterlegung angeordnet wurde, weil der Beschwerdeführer nach Bulgarien verzog und eine Abgabestelle nicht bekannt war.
I.9. Am 13.04.2016 wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien, XXXX rechtskräftig seit 13.04.2016, wegen des Verbrechens des versuchten räuberischen Diebstahls nach § 15 § 131
1. Fall StGB, wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB, wegen des Vergehens der versuchten Körperverletzung nach § 15 § 83 Abs. 1 StGB, wegen des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB, wegen des Vergehens der versuchten schweren Körperverletzung nach § 15 §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB, wegen des Vergehens der Beleidigung nach § 115 Abs. 1 § 117 Abs. 2 StGB, wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB, wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB und wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 15 § 269 Abs. 1 1. Fall StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt.
Mit Beschluss wurde die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe zu XXXX rechtskräftig seit 05.11.2014, widerrufen.
Als strafmildernd waren, die umfassende und reumütige geständige Verantwortung, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, die Sicherstellung eines Teils des Diebesgutes und die tristen Lebensverhältnisse des Beschwerdeführers zu werten. Straferschwerend waren die zwei einschlägigen Vorstrafen, der rasche Rückfall des Beschwerdeführers und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen.
I.10. Am 04.07.2016 wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Graz, XXXX , rechtskräftig seit 08.07.2016, wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 2. Fall StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten verurteilt.
Unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien, XXXX , rechtskräftig seit 13.04.2016, wurde gemäß §§ 31 und 40 StGB eine Zusatzstrafe verhängt.
Zu den Strafbemessungsgründen wurde festgehalten, dass erschwerend die zwei Vorverurteilungen gewertet wurden. Mildernd waren keine Umstände zu beachten.
I.11. Am 18.10.2016 wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht Leoben, XXXX , rechtskräftig seit 31.10.2016, wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt.
Straferschwerend schlugen dabei, die drei einschlägigen Vorstrafen nach Vorliegen der fakultativen Strafverschärfungsvoraussetzungen wegen Rückfalls nach § 39 StGB, das Zusammentreffen zweier Vergehen, die Minderjährigkeit des Tatopfers, der rasche Rückfall sowie insbesondere auch die Tatbegehung während der Strafhaft zu Buche, während als mildernd die im Hinblick auf die Körperverletzung gering gebliebenen Verletzungsfolgen gewertet wurden.
I.12. Am 09.02.2017 wurde seitens der bB ein Aberkennungsverfahren gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 eingeleitet. Am 01.03.2017 wurde dem Beschwerdeführer Parteiengehör eingeräumt. Am 07.03.2017 wurde er in der Folge durch die bB einvernommen.
I.13. Mit Bescheid der bB vom 30.06.2017, GZ: XXXX wurde dem Beschwerdeführer der mit Erkenntnis des BVwG vom 25.11.2015, W188 1429949-1/29E, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), die befristet erteilte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.), gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht gewährt (Spruchpunkt V.). Zudem wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
I.14. Gegen diesen Aberkennungsbescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das BVwG.
I.15. Mit Erkenntnis des BVwG vom 16.08.2017, W127 1429949-2/3E wurde die Beschwerde gegen die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und die Entziehung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als unbegründet abgewiesen, und festgestellt, dass Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat: "Der Ihnen mit Erkenntnis des BVwG vom 25.11.2015, GZ W188 1429949-1/29E, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wird Ihnen gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt. Ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ist gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig." (Spruchpunkt I.) sowie die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben (Spruchpunkt II.).
Im Erkenntnis wurde zur Lageänderung in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers festgestellt, dass unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers und der aktuellen Lage in seiner Herkunftsprovinz bzw. in der Stadt Kabul nicht festgestellt werden kann, dass sich die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des BVwG vom 25.11.2015, W188 1429949-1/29E, wesentlich und nicht nur vorübergehend gebessert haben. Grundlegende Veränderungen im Herkunftsstaat - unter Zugrundelegung der getroffenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan bzw. in Mazar-e-Sharif oder Kabul im Bescheid des BFA vom 30.06.2017 - sind nicht zu entnehmen. Begründend wurde ausgeführt, dass eine grundlegende Änderung der Lage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers erst nach einem angemessenen Beobachtungszeitraum feststellbar wäre.
I.16. Am 22.08.2019 wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgericht Graz, XXXX rechtskräftig seit 26.08.2019, wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 15 § 269 Abs. 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.
Erschwerend waren die vier einschlägigen Vorverurteilungen (davon zwei im Verhältnis §§ 31, 40 StGB stehend), die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 StGB und die Strafbegehung im Rahmen des Strafvollzuges zu werten. Mildernd, dass reumütige Geständnis, sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht.
I.17. Mit Schreiben vom 02.10.2019 wurde der Beschwerdeführer von der bB informiert, dass gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot verhängt werde. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer trotz all seiner Beteuerungen in vorhergehenden Verfahren, sich in Zukunft wohl zu verhalten, neuerlich verurteilt worden sei und sich insbesondere in der Herkunftsprovinz und der Hauptstadt Kabul die entscheidungsrelevante Lage geändert habe. Gleichzeitig wurden dem Beschwerdeführer die Länderfeststellungen zu Afghanistan übermittelt. Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit gegeben, zum Sachverhalt schriftlich Stellung zu nehmen. Von dieser Möglichkeit machte der Beschwerdeführer mit Schreiben, eingelangt bei der bB am 31.10.2019, Gebrauch.
In der Stellungnahme führte der Beschwerdeführer - zusammengefasst - aus, dass er gesund sei und in Österreich keine familiären Kontakte habe. Seine Freunde und sonstige Verwandte würden in Graz leben; sie würden ihn während und nach der Haft unterstützen. Er könne Deutsch sprechen, aber kaum schreiben. Er habe als Hausarbeiter im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen mitgeholfen. Seine Eltern würden weiterhin in Afghanistan leben. Er würde nicht freiwillig zurückkehren, weil es dort für ihn gefährlich sei. Er ersuche, in Österreich bleiben zu können. Er sehe seine Fehler ein. In Zukunft möchte er Konflikten aus dem Weg gehen.
I.18. Am 19.10.2019 wurde der Beschwerdeführer von der Polizeiinspektion XXXX unter der Aktenzahl: PAD/19/01933593/002/KRIM der Staatsanwaltschaft wegen Raufhandels in der Justizanstalt nach § 91 StGB zur Anzeige gebracht.
I.19. Mit Bescheid der bB vom 15.11.2019 wurde dem Beschwerdeführer in der Folge ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 erlassen (Spruchpunt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde der Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).
I.20. Mit Verfahrensanordnung vom 15.11.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG XXXX , für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Weiters wurde mit Verfahrensanordnung vom 15.11.2019 ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.
I.21. Gegen den Bescheid der bB vom 15.11.2019 richtete sich die am 10.12.2019 fristgerecht erhobene Beschwerde.
I.22. Die gegenständliche Beschwerde und der bezugshabende Verwaltungsakt wurden dem BVwG am 18.12.2019 von der bB vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.
II.1.1. Zum sozialen Hintergrund des BF:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.
Der Beschwerdeführer wurde im Dorf XXXX , in der Provinz Helmand in Afghanistan geboren. Vor seiner Ausreise aus Afghanistan im August 2011 lebte der Beschwerdeführer in der Stadt Mazar-e-Sharif, in der Provinz Balkh.
Der Beschwerdeführer ist im erwerbsfähigen Alter und ist gesund. Er hat Berufserfahrung in mehreren Branchen.
Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Die Eltern des Beschwerdeführers sind in Afghanistan aufhältig. Sie verfügen über ein Eigenheim. Vor der Ausreise war der Beschwerdeführer bei seinen Eltern aufhältig.
Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich bescholten (siehe Punkt 0).
II.1.2. Zu den Verfahren des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom XXXX wurde mit Bescheid der bB vom 28.09.2012 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. Ferner wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (siehe Punkt 0). Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde.
Mit Erkenntnis des BVwG vom 25.11.2015, W188 1429949-1/29E wurde dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 25.11.2016 erteilt (siehe Punkt 0). Konkret stützte das BVwG die Zuerkennung des subsidiären Schutzes - ausgehend von der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers Balkh und der Stadt Kabul - auf folgende Feststellungen zur Sicherheitslage in dieser Provinz:
"Sicherheitslage in Kabul
Kabul zählt zu jenen Gebieten, in denen infolge militärischer, überwiegend afghanisch ge-führter Operationen, starker Präsenz sowie politischer und wirtschaftlicher Maßnahmen eine partielle Stabilisierung erzielt werden konnte und die Sicherheitslage überwiegend unter Kontrolle ist. Kabul bleibt unter der Führung der ANSF die sicherste Gegend Afghanistans.
Laut internationalen NGOs ist Kabul trotz Vorfällen und Angriffen einer der wenigen Orte Afghanistans, wo die Sicherheitssituation relativ gut und stabil ist. Dem Internationalen Poli-zei-Koordinierungsausschuss zufolge gehören Kabul und andere große Städten in Afghanis-tan zu den Orten, wo die Afghanische Nationalpolizei (ANP) bei der Gewährleistung von Si-cherheit gut funktioniert. Laut IOM ist Kabul trotz einiger Selbstmordanschläge, die das Le-ben der Bevölkerung beeinträchtigen, sicherer und stärker unter Kontrolle als andere Orte in Afghanistan. Die unabhängige Afghanistan Independent Human Rights Commission teilt die-se Meinung.
Der Fokus des Terrors liegt nicht auf Kabul oder allgemein auf städtischen Zentren, sondern der Großteil der Gewalt passiert in ländlichen Gegenden. Die Taliban, einschließlich des Haqqani-Netzwerks, führen jedoch weiterhin öffentlichkeitswirksame Angriffe in der afgha-nischen Hauptstadt durch und zeigen, dass sie überall im Land zuschlagen können und selbst den sog. "Stahlring" der afghanischen Sicherheitskräfte um die Zentren großer Städte über-winden. Dies zielt darauf ab, die Aufmerksamkeit internationaler Medien und damit mögli-cher "Financiers" zu erregen und Unsicherheit in der afghanischen Bevölkerung, der afghani-schen Regierung und den afghanischen Streitkräften zu schüren.
Im April 2013 kündigten die Taliban ihre Frühlingsoffensive "Khalid ibn al-Walid" [auch "Kha-led ben Walid"] an. Größere Zwischenfälle in Kabul involvierten u.a. eine Explosion nahe des Verteidigungsministeriums in Kabul im März 2013, bei der neun Zivilisten ums Leben kamen. Ein Beispiel für erfolgreiche Vereitelung war die Entdeckung eines größeren Waffenverste-ckes und die Festnahme von 5 Personen am 13. März 2013.
Weitere größere, sicherheitsrelevante Vorfälle in Kabul:
Im Mai 2013 bekannte sich die Hezb-e Islami Gulbuddin zu einem Attentat in Kabul, bei dem 9 Zivilisten, 2 ISAF Mitarbeiter und 4 Mitarbeiter eines ausländischen Unter-nehmens getö-tet wurden und im Juni tötete ein Selbstmordanschlag auf den Supreme Court mindestens 17 Zivilisten.
Im Juni 2013 gab es einige Anschläge der Taliban in schwerbewachten Gebieten Kabuls, in denen sich viele wichtige Gebäude befinden, wie zum Beispiel die NATO-Zentrale und der Präsidentenpalast.
Am 2. Juli 2013 kam es zu einem Anschlag nahe einer UN Einrichtung, bei dem 6 Personen getötet wurden. Insgesamt kam es im Berichtszeitraum zwischen 16. Mai und 15 August zu 7 Selbstmordanschlägen in Kabul.
Die Taliban attackierten mit Schüssen und einer Autobombe im Oktober 2013 einen Konvoi ausländischer Fahrzeuge in Kabul. Es war der erste größere Vorfall seit Juli. (Reuters: "Tali-ban attack breaks months of quiet in Kabul", vom 18. Oktober 2013). Agence France-Presse [AFP] berichtet, dass in den Monaten vor diesem Anschlag die afghanische Hauptstadt rela-tiv friedlich gewesen ist, nachdem zuvor einige Selbstmordanschläge und bewaffnete Angrif-fe stattgefunden hatten.
Am 16. November 2013 wurden bei einem Anschlag nahe einer Einrichtung, die für die Loya Jirga vorbereitet wurde, 8 Zivilisten getötet.
Am 18. Jänner 2014 starben mindestens 24 Menschen bei dem Anschlag der Taliban auf ein unter Ausländern beliebtes und stark gesichertes Restaurant in Kabul.
Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Bus der afghanischen Armee sind am 26. Jänner 2014 in Kabul vier Menschen getötet worden, am 25. Jänner 2014 wurden bei einer Explosi-on zwei Personen verletzt.
In der afghanischen Hauptstadt Kabul sind bei einem Selbstmordanschlag acht Menschen getötet worden. Ziel des Attentäters sei ein Bus mit Militärangehörigen im stark abgesicher-ten Gebiet in der Nähe der Universität gewesen, teilte die Polizei heute mit. Mindestens fünf der Toten gehörten zur Luftwaffe. Bei der Explosion seien zudem 13 weitere Menschen ver-letzt worden.
In der Nacht zum 05.07.14 explodierten in der Nähe von Kabul nach Raketenbeschuss zahl-reiche geparkte, mit Benzin gefüllte Tanklastzüge. Je nach Quelle ist von mehreren Dutzend bis 400 Fahrzeugen die Rede. Personen scheinen nicht zu Schaden gekommen zu sein. Ein Sprecher der Taliban erklärte, die Fahrzeuge der ausländischen Einsatzkräfte seien aus takti-schen Gründen zerstört worden.
Anschläge in ganz Afghanistan, unter anderem wurden auch Kontrollposten der Polizei von Taliban gestürmt. Zahlreiche Personen wurden getötet, darunter auch sechs Polizeioffiziere in der Provinz Kandahar. In der Provinz Helmad, hat eine in einem Motorrad versteckte Bombe vier Zivilisten getötet und zahlreiche weitere verletzt. In Kabul wurde ein Armeeoffi-zier durch einen Sprengsatz getötet, seinen Fahrer verletzt. In der Stadt Herat hat ein Angrei-fer von seinem Motorrad aus zwei Armeeoffiziere getötet.
Aufständische haben den internationalen Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul an-gegriffen. Wie das afghanische Innenministerium mitteilte, griffen die Kämpfer den Flugha-fen am frühen Morgen mit automatischen Waffen und Panzerfäusten an und eroberten ein im Bau befindliches Gebäude auf dem Gelände. Medienberichten nach feuerten sie von dort aus Raketen ab. Sicherheitskräfte haben das Gebiet nach Behördenangaben umstellt. Die afghanische Armee meldete, zwei der Angreifer seien getötet worden. Wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP berichtete, waren auf dem streng gesicherten Flughafen, auf dem sich auch ein großer Nato-Stützpunkt befindet, Explosionen und Schüsse zu hören. Nach An-gaben eines Behördenvertreters wurde der zivile Flugverkehr unterbrochen. Über dem Ge-lände kreisten Militärhubschrauber. Für den Angriff verantwortlich erklärten sich die radikal-islamischen Taliban. Ihre Kämpfer hätten den Flughafen mit leichten und schweren Waffen angegriffen, teilte ein "Sprecher" mit.
Bedingt durch die Vorhaben der ISAF-Truppen, aus dem Lande abzuziehen, den Kandidaten-streit und der Intensivierung der Talibanaktivitäten, finden derzeit in Kabul Bomben- und Selbstmordanschläge gegen die Regierungsinstitutionen und ausländische Einrichtungen statt. Diese Angriffe sind nicht nur auf die Aktivitäten der Taliban zurückzuführen, sondern auch auf Grund von Intrigen von Anhänger von bestimmten Kandidaten, die durch die Unsi-cherheit in Kabul und anderen Großstädten, ihre Forderung durchsetzen wollen. Nach mei-ner Information ist die Bevölkerung von Kabul sehr verunsichert und die Wirtschaftstreiben-den ziehen teilweise ihr Kapital aus Kabul ab. Die Anschläge in Kabul fordern hunderte Tote. Die Taliban sind schon soweit in Kabul eingedrungen, dass sie im August 2014 in der Militär-akademie unter anderem einen amerikanischen General getötet haben. Dabei handelt es sich um eine sehr sichere Einrichtung. Es ist auf Grund dieser Aktivitäten nicht ausgeschlos-sen, dass eine Zivilperson solchen Anschlägen zum Opfer fällt. Anlässlich der Tötung von 3 ISAF-Soldaten wurden auch 13 Zivilisten getötet.
Im Jänner 2015 wurden drei US-Unternehmer am Flughafen in Kabul getötet. Unklar ist ob noch eine vierte Person zu Schaden kam - es gibt unterschiedliche Berichte über einen wei-teren verletzten Amerikaner und einen getöteten Afghanen. Die Hintergründe sind noch unklar. Die Nachrichtenagentur Reuters schreibt unter Berufung auf die afghanische Luftwaf-fe, der Täter sei afghanischer Soldat. Die Nachrichtenagentur AP schreibt hingegen, die Iden-tität des Schützen sei unklar. Demnach hätten offizielle US-Quellen die Toten bestätigt.
Taliban-Kämpfer haben in Kabul das afghanische Parlament angegriffen, wobei 18 Zivilisten verletzt wurden. Nach Angaben der Polizei habe sich ein Selbstmordattentäter in einem Auto am Westtor des Parlaments in die Luft gesprengt, dann hätten andere Angreifer versucht, ins Parlament einzudringen. Polizisten eröffneten demnach das Feuer auf die Attentäter, die Angreifer flohen in ein nahe gelegenes Gebäude und lieferten sich von dort aus Gefechte mit den Sicherheitskräften. Soldaten und Polizisten seien zur Verstärkung entsandt worden. Der Sprecher des Innenministeriums sagte, alle sieben Angreifer seien von der Polizei getötet worden. Kein Mitglied des Parlaments sei verwundet worden. Der Sprecher des Gesund-heitsministeriums sagte, 18 Zivilisten seien verletzt worden, darunter zwei Frauen und zwei Kinder. Die Polizei in der Hauptstadt macht die radikalislamischen Taliban für den Anschlag verantwortlich. Talibansprecher Zabihullah Mujahid sagte SPIEGEL ONLINE: "Unser Ziel war das afghanische Parlament, unerschrockene Mudschahidin haben das Gebäude getreten." Auch auf Twitter hatte Mujahid verkündet, dass "schwere Gefechte im Gange" gewesen sei-en. Demnach griffen die Taliban das Parlament an, als gerade der Verteidigungsminister ins Amt eingeführt wurde. Die Terrorgruppe hatte zuletzt immer wieder Regierungsziele ange-griffen. Seit dem Ende des Nato- und US-Einsatzes sind die Taliban in dem Land wieder auf dem Vormarsch: Am Montagmorgen wurde bekannt, dass die Islamisten einen zweiten Dis-trikt im Norden Afghanistans eingenommen haben. Laut dem Chef der lokalen Verwaltung der Provinz Kunduz hätten die Taliban den Distrikt Dashti Archi aus vier Richtungen heftig angegriffen. Einheiten vor Ort würden viele Opfer beklagen, eine genaue Anzahl wurde je-doch nicht genannt. Am Sonntag hatten die Islamisten den Chardara-Distrikt in Kunduz ein-genommen.
Anfang August 2015 sprengte sich ein Attentäter in Uniform in der afghanischen Hauptstadt Kabul in einer Gruppe von Rekruten in die Luft. Dabei starben mindestens 20 Menschen, Dutzende wurden verletzt. Der Anschlag erfolgte weniger als 24 Stunden nach einem Bom-benattentat in der Stadt: Bei einem Lkw-Bombenanschlag im Zentrum waren mindestens 15 Menschen ums Leben gekommen, weitere 250 wurden verletzt. Bisher hat sich niemand zu den Taten bekannt. Die Gewalt in Afghanistan hat in diesem Jahr noch einmal deutlich zuge-nommen. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind allein in den ersten sechs Monaten 2015 fast 5000 Zivilisten getötet oder verwundet worden. Die UNO machte die Taliban und andere Aufständische für 70 Prozent der zivilen Opfer verantwortlich.
[...]
Provinz Balk
Die Provinz Balkh liegt im Norden Afghanistans. Sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif, liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.:
Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]. Sie hat 14 administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chahar-bolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich. Die Provinz Kunduz lieg im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y). Die Provinz Balkh zählt zu den relativ friedlichen Provinzen im Norden Afghanistans. Jedoch erhöhten regierungsfeindliche bewaffnete Gruppen in einer Anzahl von Bezirken ihre Aktivitäten gegen afghanische Sicherheitskräfte und Beamte.
Die Stadt Mazar-e Sharif wird als eher ruhig bezeichnet. Ein weiterer Indikator dafür ist die Funktion der Stadt als eine Art "Vorzeigeprojekt" für wichtige ausländische Gäste. (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).
Im Jahresvergleich 2011 und 2013, ist die Zahl regierungsfeindlicher Angriffe um 41% gesun-ken. 2013 wurden 85 Vorfälle registriert. (Vertrauliche Quelle 1.2014).
In insgesamt 41 Distrikten, ungefähr 10% aller Distrikte in Afghanistan, gab es mindestens eine große Talibanoffensive. Die meisten dieser Offensiven wurden zurückgedrängt, oftmals mit hohen Opfern auf Seiten der Taliban. Fast jede größere Stadt, angefangen von Kabul über Jalalabad, Kandahar City, Mazar-e-Sharif und Sangin, hatte eine Offensive vor den eigenen Toren zu verzeichnen. Kunduz City ist weiterhin komplett von Talibankräften umzingelt. Gleichzeitig zeigen diese Daten nur Distrikte an, in welchen die Taliban die Regierungsautori-täten offen herausforderten. Nicht angezeigt werden Gegenden (z.B.: Wardak, Ghazni und Logar) wo bereits eine Talibandominanz besteht. (WP 20.10.2014).
Die regierungsfeindlichen Gruppierungen, insbesondere die Taliban, konnten ihre Bewegungs- und Handlungsfähigkeit in ihren traditionellen Kerngebieten im Norden bereits im Verlaufe 2014 erweitern. Gebietsgewinne und -verluste zwischen den regierungsfeindlichen Gruppierungen und den afghanischen Sicherheitskräften wechseln sich ab, was bereits Ende 2014 zu einer "überwiegend nicht kontrollierbaren" Sicherheitslage geführt hat. Seit April 2015 wird in Kunduz heftig gekämpft, und es gibt zunehmend Hinweise auf Geländegewinne seitens der Taliban. Auf der anderen Seite schließen sich lokale Gruppen aus Zivilisten zu Milizen zusammen, um gegen die Vorherrschaft der Taliban anzukämpfen, was von der afghanischen Regierung begrüßt wird, längerfristig jedoch zu einem weiteren Sicherheitsproblem führen wird. In der Provinz Jawzjan existieren in praktisch allen von den Taliban kontrollierten Dörfern eigene Gerichtshöfe. Selbst im vorher als sicher geltenden Balkh und Nordosten hat sich die Sicherheitslage dramatisch verschlechtert. Die Infiltration durch regierungs-feindliche Gruppierungen ist massiv. Neben den Taliban sollen das Haqqani-Netzwerk, die Hezb-e Islami, Al Qaida, IMU, die Turkistan Is-lamic Party sowie eine erhebliche Zahl ausländischer Kämpfer aktiv sein, darunter auch Angehörige der IS. Enge Verstrickungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen, lokalen Machthabern und Kräften der organisierten Kriminalität bleiben bedeutsam. (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, aktuelle Sicherheitslage, 13. September 2015)
Versorgungslage
Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Das World Food Programme reagiert das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch. Auch der Norden - eigentlich die "Kornkammer" - des Landes ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheit, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Die aus Konflikt und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten haben zur Folge, dass ca. eine Million oder 29,5 % aller Kinder als akut unterernährt gelten. (Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013) [...]."
In der rechtlichen Beurteilung wurde weiters ausgeführt, dass den herangezogenen Länderberichten zu entnehmen ist, dass die Sicherheitslage in Afghanistan im Allgemeinen als prekär einzustufen ist. Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant zunahmen. [...] In der vorher als relativ sicher geltenden Provinz Balkh und im Nordosten hat sich jedoch die Sicherheitslage dramatisch verschlechtert. Die Infiltration durch regierungsfeindliche Gruppierungen ist massiv. Neben den Taliban sollen das Haqqani-Netzwerk, die Hezb-e Islami, Al Qaida, IMU, die Turkistan Islamic Party sowie eine erhebliche Zahl ausländischer Kämpfer aktiv sein, darunter auch Angehörige der IS. Enge Verstrickungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen, lokalen Machthabern und Kräften der organisierten Kriminalität bleiben bedeutsam. Den Länderfeststellungen ließ sich nicht entnehmen, dass die Erreichbarkeit des Heimatortes des Beschwerdeführers mit ausreichender Sicherheit möglich wäre. Das Nichtvorliegen einer allfälligen innerstaatlichen Fluchtalternative wurde vor allem mit einem fehlenden familiären oder sozialen Netzwerk in Kabul sowie mangelnden Kenntnissen über die dortigen infrastrukturellen Gegebenheiten begründet.
Am 09.02.2017 wurde von der bB ein Aberkennungsverfahren gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 eingeleitet.
Mit Bescheid der bB vom 30.06.2017, GZ: XXXX , wurde dem Beschwerdeführer der zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt, die befristet erteilte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen, gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) (siehe Punkt 0).
Mit Erkenntnis des BVwG vom 16.08.2017, W127 1429949-2/3E wurde die Beschwerde gegen die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und die Entziehung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als unbegründet abgewiesen, und festgestellt, dass der Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat: "Der Ihnen mit Erkenntnis des BVwG vom 25.11.2015, GZ W188 1429949-1/29E, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wird Ihnen gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt. Ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ist gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig." (siehe Punkt 0). Im Erkenntnis wurde zur Lageänderung in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers festgestellt, dass unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers und der aktuellen Lage in seiner Herkunftsprovinz bzw. in der Stadt Kabul nicht festgestellt werden kann, dass sich die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des BVwG vom 25.11.2015, W188 1429949-1/29E, wesentlich und nicht nur vorübergehend gebessert haben. Grundlegende Veränderungen im Herkunftsstaat - unter Zugrundelegung der getroffenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan bzw. in Mazar-e-Sharif oder Kabul im Bescheid des BFA vom 30.06.2017 - sind nicht zu entnehmen. Begründend wurde ausgeführt, dass eine grundlegende Änderung der Lage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers erst nach einem angemessenen Beobachtungszeitraum feststellbar wäre.
Mit Bescheid der bB vom 15.11.2019 wurde dem Beschwerdeführer in der Folge ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 erlassen (Spruchpunt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde der Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) (siehe Punkt 0). Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht die gegenständliche Beschwerde.
II.1.3. Zur maßgeblichen Änderung der abschieberelevanten Lage:
Eine maßgebliche Änderung der abschieberelevanten Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ist, seit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über die Aberkennung des subsidiären Schutzes und dem Abspruch, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan nicht zulässig ist, eingetreten. Es ist zu einer wesentlichen und nachhaltigen Verbesserung der Sicherheitslage und der Erreichbarkeit der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers und der Stadt Kabul gekommen.
Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimatregion ist möglich. Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr aufgrund der dort herrschenden Sicherheitslage kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit. Der Beschwerdeführer kann seine Heimatstadt Mazar-e Sharif oder die Großstadt Kabul von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen. Eine sichere Rückkehr nach Mazar-e Sharif oder der Stadt Kabul ist für den Beschwerdeführer möglich.
Der Beschwerdeführer hat die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form einer Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.
Der Beschwerdeführer kann im Falle einer Rückkehr bei seiner Familie in Afghanistan in seiner Heimatprovinz wohnen.
Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Mazar-e Sharif oder Kabul ausschließen, gibt es nicht.
Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan hat der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung seiner Person zu befürchten.
II.1.4. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer hält sich seit März 2012 - mit zwei Unterbrechungen wegen seiner Aufenthalte in Deutschland und Bulgarien - in Österreich auf.
Am 05.11.2014 wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien, XXXX rechtskräftig seit 05.11.2014, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall, 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, § 27 Abs. 2 SMG, wegen des Vergehens des versuchten Diebstahl nach § 15 § 127 StGB, wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 7. Fall, 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, § 27 Abs. 3 SMG, wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe wurde unter gleichzeitiger Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Mildernd wurde dabei gewertet, dass der Beschwerdeführer bei Begehung der Taten unter 21 Jahren alt war, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, eine gewisse Enthemmung durch Alkohol und die Beständigkeit des Beschwerdeführers. Erschwerend war das Zusammentreffen mehrerer Straftaten.
Am 02.03.2015 wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien, XXXX , rechtskräftig seit 02.03.2015, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 8. Fall, 27 Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten (Junger Erwachsener) verurteilt. Die Probezeit zu XXXX rechtskräftig seit 05.11.2014, wurde auf fünf Jahre verlängert. Straferschwerend wurden die Vorstrafe und der rasche Rückfall des Beschwerdeführers gewertet, strafmildernd, das reumütige umfassende Geständnis und das Alter unter 21 Jahren bei Begehung der Tat.
Am 13.04.2016 wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien, XXXX , rechtskräftig seit 13.04.2016, wegen des Verbrechens des versuchten räuberischen Diebstahls nach § 15 § 131
1. Fall StGB, wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB, wegen des Vergehens der versuchten Körperverletzung nach § 15 § 83 Abs. 1 StGB, wegen des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB, wegen des Vergehens der versuchten schweren Körperverletzung nach § 15 §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB, wegen des Vergehens der Beleidigung nach § 115 Abs. 1 § 117 Abs. 2 StGB, wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB, wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB und wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 15 § 269 Abs. 1 1. Fall StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt. Mit Beschluss wurde die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe zu XXXX , rechtskräftig seit 05.11.2014, widerrufen. Als strafmildernd waren, die umfassende und reumütige geständige Verantwortung, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, die Sicherstellung eines Teils des Diebesgutes und die tristen Lebensverhältnisse des Beschwerdeführers zu werten. Straferschwerend waren die zwei einschlägigen Vorstrafen, der rasche Rückfall des Beschwerdeführers und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen.
Am 04.07.2016 wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Graz, XXXX , rechtskräftig seit 08.07.2016, wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 2. Fall StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten verurteilt. Unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien, XXXX , rechtskräftig seit 13.04.2016, wurde gemäß §§ 31 und 40 StGB eine Zusatzstrafe verhängt. Zu den Strafbemessungsgründen wurde festgehalten, dass erschwerend die zwei Vorverurteilungen gewertet wurden. Mildernd waren keine Umstände zu beachten.
Am 18.10.2016 wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht Leoben, XXXX , rechtskräftig seit 31.10.2016, wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt. Straferschwerend schlugen dabei, die drei einschlägigen Vorstrafen nach Vorliegen der fakultativen Strafverschärfungsvoraussetzungen wegen Rückfalls nach § 39 StGB, das Zusammentreffen zweier Vergehen, die Minderjährigkeit des Tatopfers, der rasche Rückfall sowie insbesondere auch die Tatbegehung während der Strafhaft zu Buche, während als mildernd die im Hinblick auf die Körperverletzung gering gebliebenen Verletzungsfolgen gewertet wurden.
Am 22.08.2019 wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgericht Graz, XXXX , rechtskräftig seit 26.08.2019, wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 15 § 269 Abs. 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Erschwerend waren die vier einschlägigen Vorverurteilungen (davon zwei im Verhältnis §§ 31, 40 StGB stehend), die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 StGB und die Strafbegehung im Rahmen des Strafvollzuges zu werten. Mildernd, dass reumütige Geständnis, sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht.
Am 19.10.2019 wurde der Beschwerdeführer von der Polizeiinspektion XXXX unter der Aktenzahl: PAD/19/01933593/002/KRIM der Staatsanwaltschaft wegen Raufhandels in der Justizanstalt nach § 91 StGB zur Anzeige gebracht.
Der Beschwerdeführer ist zurzeit in der Justizanstalt XXXX inhaftiert. Das voraussichtliche Haftende ist mit 11.12.2020 datiert.
Der Beschwerdeführer hat keine engen Familienangehörigen in Österreich. Eine entfernte Verwandte lebt in Österreich. Es besteht kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis.
Der Beschwerdeführer pflegt in Österreich wenige freundschaftliche Beziehungen. Er pflegt freundschaftliche Beziehungen zu seinen Mithäftlingen. Es bestehen keine weiteren substanziellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens (wie z.B. Beziehungen, Lebensgemeinschaften).
Der Beschwerdeführer besuchte keine Deutschkurse. Die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers beruhen auf seinem Aufenthalt in Österreich. Der Beschwerdeführer ist nicht Mitglied in einem Verein.
Während seines Aufenthaltes in Österreich war der Beschwerdeführer nicht berufstätig. Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Ferner verfügt er über keine Einstellzusage. Im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen hat er als Hausarbeiter mitgeholfen.
Seinen Wohnsitz in Österreich begründet der Beschwerdeführer in der Justizanstalt XXXX .
II.1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
I.1.1.1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 4.6.2019, politische Ereignisse, zivile Opfer, Anschläge in Kabul, IOM (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 23/ Rückkehr).
"[...]
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019). Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht.
[...]
Ende Mai 2019 fand in Moskau [...] Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt.
[...]
Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern.
[...]
Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).
[...]
I.1.1.2. Sicherheitslage:
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).
[...]
Im Vergleich folgt ein monatlicher Überblick der sicherheitsrelevanten Vorfälle für die Jahre 2016, 2017 und 2018 in Afghanistan (INSO o.D.)
[...]
Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).
[...]
Es folgt ein Jahresvergleich der sicherheitsrelevanten Vorfälle, die von der UN und der NGO INSO in den Jahren 2015, 2016 und 2017 registriert wurden: [...]
Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).
Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).
[...]
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).
Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).
Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der USAmerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).
Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).
Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).
Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).
* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).
* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018) ?
Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).
* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).
* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).
* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus